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Die Materialprüfungsanstalt der Kgl. Technischen Hochschule Stuttgart. Von C. Bach. (Vortrag 1 ) in der .Jahresversammlung des Württembergischen Bezirksvereins am 17. November 1907, ergänzt gemäß dem Stand von 1914.) Heine Herren! Vor sieben Jahren habe ich Sie an dieser Stelle begrüßt, um Ihnen das neuerrichtete Ingenieurlabora torium der Technischen Hochschule zu zeigen 2 ). Heute kann ich Sie einladen, die neue Materialprüfungsanstalt — nach ihrer Verlegung aus dem Hauptgebäude der Technischen Hochschule — zu besichtigen. Ihre Hilfe, d. h. die Hilfe des Württembergischen Bezirks vereines war es, die zu Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Errichtung der Materialprüfungsanstalt ermöglichte. In dankbarer Erinnerung hieran habe ich ge legentlich der Feier des zwanzigjährigen Bestehens des Be zirksvereines 1897 diesem die Schrift ..Abhandlungen und Berichte'“ gewidmet. Gestatten Sie mir, Ihnen das Vorwort dieser Schrift ins Gedächtnis zurückzurufen, und zwar in der Hauptsache aus dem Grunde, weil es nützlich erscheint, nach Ankunft an einem Ziele nochmals den Blick auf den M eg zu werfen, der zurückzulegen war. Auf diesem Wege, der rund ein Vierteljahrhundert an Zeit erforderte, fanden sieh viele \\ iderstände und Hindernisse, die überwunden werden mußten; Berge von Arbeit mußten geleistet werden. Zum Zwecke der Ermutigung, namentlich den jüngeren Fach genossen gegenüber, erachte ich diesen kurzen Biickblick für geboten; denn nach menschlicher Voraussicht wird es manchen von Ihnen wohl auch beschieden sein, ähnliche oder andre, neue Ziele lang und ausdauernd zu verfolgen, ehe der Erfolg sich einstellt 3 ). *) Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1908, S. 241 u. f. ") W?h ,c >. 3 *>. f. oder Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1901, S. 1333 u. f. 3 ) Das Vorwort der genannten Schrift lautet: ..Der Mangel von Einrichtungen zur Prüfung und Untersuchung des Verhaltens der Konstruktionsmaterialien war bereits in den siebziger Jahren von den Angehörigen unserer Technischen Hochschule empfind lich gefühlt worden. Wiederholt hatten Verhandlungen hierüber statt gefunden, ohne daß es jedoch gelungen war, das vorliegende Bedürfnis auf dem normalen Wege, d. h. durch Errichtung einer Materialprüfungs anstalt auf Rechnung von Staatsmitteln, der Befriedigung zuzuführen. Es wurde dies um so mehr bedauert, als die benachbarte Technische Hochschule München eine mit umfassenden Mitteln ausgerüstete Ver suchsanstalt schon seit 1871 besaß und auch das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich im Jahr 1879 ein derartiges Institut er halten hatte. Im November 1881 stellte ich bei dem Württembergischen Bezirks verein deutscher Ingenieure den Antrag, derselbe wolle an den Exe kutivausschuß der damaligen Landesgewerbeausstellnng in Stuttgart die Bitte richten, sich dafür zu verwenden, daß aus dem Ausstellungsüber schuß ein Betrag von 15 000 bis 20 000 M. zur Errichtung einer Material prüfungsanstalt am Polytechnikum Stuttgart bewilligt werde. Dank der Aufnahme und der Unterstützung, welche der Antrag bei dem Bezirksverein und seitens maßgebender Persönlichkeiten fand, hatte derselbe 1882 die Gewährung von 10 000 M. zur Folge (vgl. hierüber auch die Wochen schrift des Vereines deutscher Ingenieure 1882, S. ti und 151). Durch Wie Sie aus dem Mitgeteilten ersehen, wurde die Anstalt mit einem Geldaufwand von zusammen 16 000 M. gegründet. Zur Verfügung stand ein Kellerraum der Technischen Hoch schule von 81 qm Grundfläche, der mit dem zu gleicher Zeit sich entwickelnden Laboratorium für Elektrotechnik zu teilen war. Am 24. Februar 1884 konnte die Anstalt dem öffentlichen Betrieb übergeben werden. Sechs Jahre lang habe ich diesen einen Zuschuß von 6000 M.. welchen das Kgl. Finanzministerium be willigte, wurden die Gelder auf diejenige Höhe gebracht, welche nach dem auf das Nötigste beschränkten Plane die Kosten der ersten Ein richtung zu decken imstande war. Wie hieraus erhellt, verdankt die Materialprüfungsanstalt der Tech nischen Hochschule Stuttgart ihre Entstehung der kräftigen Unter stützung des Württembergischen Bezirksvereines deutscher Ingenieure. Dieser Umstand gab bei der diesjährigen Feier des zwanzigjährigen Be stehens desselben zu der Idee Anlaß, jener Unterstützung dadurch zu gedenken, daß die vorliegende Schrift zusammengestellt und dem Vereine gewidmet wurde. Sie enthält eine Anzahl von seit jener Zeit veröffent lichten Mitteilungen und Abhandlungen über die Ergebnisse von Unter suchungen. deren Ausführung durch die Gründung der Materialprüfungs anstalt ermöglicht worden ist, oder welche hiermit im Zusammenhänge stehen, sowie von Berichten oder Vorträgen. w T elche dem Bezirksverein von mir erstattet beziehungsweise gehalten worden sind. Bei Beurteilung des auf die Materialprüfungsanstalt bezüglichen Teiles der hier vorliegenden Zusammenstellungen ist im Auge zu be halten. daß der Zweck der Materialprüfungsanstalt zunächst und in der Hauptsache darin bestand, auf Grund eingehender Aufträge Materialien zu prüfen, nicht aber darin, Forschungen anzustellen: ferner, daß die hierbei gewonnenen Ergebnisse häufig entweder von geringem allgemeinem Interesse sind oder auch geheimgehalten werden müssen, sodann, daß die Anstalt, für deren Errichtung — wie oben bemerkt — nur 16 000 M. zur Verfügung standen, erst nach und nach zu weiteren Einrichtungen gelangen konnte. Wenn es trotzdem gelungen ist, auch auf dem Gebiete der Forschung Ergebnisse zutage zu fördern, so war dies in erster Linie nur durch — zuweilen außerordentlich — starke Inanspruchnahme der eigenen Arbeitskraft zu erreichen; namentlich gilt dies für die ersten sechs Jahre des Bestehens der Anstalt, 1884 bis 1890, während welcher Zeit mir ein Assistent noch nicht zur Verfügung stand. Auf dem be- zeichneten Weg ist es dank der Unterstützung, die sich schließlich von verschiedenen Seiten einstellte, möglich geworden, die Anstalt auch zu einer Arbeitsstätte für Unterrichts- und Forschungszwecke zu machen, welche infolge ihrer Gründung in finanziell ungünstiger Zeit die allerdings nicht selten drückend empfundene Verpflichtung hat, sich einen großen Teil der für die Versuche erforderlichen Gelder selbst zu verdienen, indem sie auf Bestellung von auswärts Untersuchungen durchführt und hierfür bezahlt wird. Soll die vorliegende Schrift zunächst dem Württembergischen Be zirksverein deutscher Ingenieure gegenüber den Dank für seine Unter stützung zum Ausdruck bringen, so hoffe ich doch, daß sie allgemein zu der Erkenntnis beitragen werde, wie richtig der Verein deutscher Ingenieure und seine Bezirksvereine handeln, wenn sie auch in Zukunft bestrebt sind, diejenigen Stätten zu fördern, welchen die Bearbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen des Ingenieurwesens obliegt.“ 3