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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186005315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600531
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600531
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-05
- Tag1860-05-31
- Monat1860-05
- Jahr1860
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1860
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2622 einem der Querbalken festgemacht war. Er hing zu hoch, um gut hinein kommen zu können; aber ich war entschlossen, mich nicht austhun zu lassen. Ich nahm ein paar Stühle und stellte sie auf die Bank, worauf ich mich mit Hülfe des Stricke- ganz sachte in den Sack hinunter ließ. Wie ich drin war, sing er an hin und her zu schwingen und traf die Stühle, die mit einem greulichen Gepolter herunter sielen. Niemand wurde jedoch durch den Lärm wacker*) gemacht, als der große Haushund, der wie unsinnig jetzt im Hofe herumsprang und that, als ob er Alles verreißen wollte. Cr schnüffelte überall herum, aber ich drückte mich im Sack zusammen als wenn ichs friere hätte, denn ich ge traute mir nicht, mich viel zu bewegen, weil ich befürchtete, der Strick mochte reißen und ich herunterfallen, welches ganz gegen meinen Plan gewesen wäre. Ich dachte der Tag wolle nimmer kommen; wäre ich nicht so glutheiß in die Märy verliebt gewesen, ich glaube, selle2) Nacht wäre ich erfroren; denn da- einzige warme Stück in meinem ganzen Leibe war nur noch mein Herz. Aber was geschieht? Wie ich so ruhig in meinem Sacke hocke und mich durch das Denken an die Märy warm zu halten suche, führt der Schinder den alten Mingo wieder auf die Portsch; der fängt nun an am Sack zu schnüffeln und eine Jagd zu machen, als wenn er einen Fuchs aufgespürt hätte, und „Wau! Wau! Wau!" ging das Bellen aufs Neue los. Jetzt fing er gar an gegen den Sack zu springen. „Pack dich, Mingo!" rief ich ihm nun, aber freilich mit ganz leiser Stimme zu, um von Niemand im Hause gehört zu werden; aber „Wau! Wau! Wau!" war Alles, was er sagte. „Willst du nau gleich heim gehen, du Schlingel!" rief ich in halber Todesangst, denn mir wurde bang, er möchte beißen und mich vielleicht an einem Platz anpacken, wo ichs nicht gern hätt; aber es half nichts, und er klaffte in einem Stück fort. Ich wollt- nun mit guten Worten probiren und wisselte») ihm ganz sachte; aber prost die Mahlzeit! er blieb auf der Wacht und lärmte die ganze Nacht durch. Ihr dürft mirs glauben, daß ich froh war, als ich die Hahnen krähen hörte, wo ran ich merkte, daß eS bald Tag sein mußte; denn in der That, wenn ich eine Stunde länger in dem Sack hätte bleiben müssen, ich glaub, ich wäre nicht lebendig herausgekommen. Die alte Frau war die erste, wo auf den Portsch kam. „Was der Tausig hat der Joseph do in der Märy ihren Sack geschafft?" sagte sie. „Es muß eppes Lebendiges sein, oder der Mingo thät keinen solchen Lärm machen." Sie ging wieder ins Haus die Mäd zu rufen. Bald kamen sie all uf die Portsch, beguckten den Sack von hinten und vorne, getrauten aber nicht, ihn anzuregen. „Was in aller Welt kann da drin sein?" fragte die Märy. „S'is eppes Lebendiges," sagte Sally. „Komm, Sally," sagte Kitty, „wir wollen den Sack losmachen und langsam herunter lassen." „Aber paßt uf, daß ihr ihm keen Schaden thut," sagte Märy; „wer weeß, was drin ist!" Die zwei Mäd stiegen nun auf die Bank, machten den Strick los und ließen den Sack sachte herunter. Sie machten gewaltige Augen, als ich nun so aus dem Sack krappelte, denn ich war von Kopf zu Fuß ganz mit Mehlstaub gepudert. „O mei!" schreit die Märv und schlägt die Hände überm Kopf zusammen, „es ist der Käptin selber." „Ja," sagte ich, vor Lieb und Kält'schüttelnd, „ich bins selber, Märv und nau denk an dein Versprechen, daß du mein Chrift- kindchen all dein Lebtag behalte willst." Die Mäd wollten sich schier todt lachen über den Spaß, und meinten, sie wollten den Sack nun an jedem Ehristtage aufhängen, damit für sie auch ein Mann hineinschlupfen thät. Märy lachte tüchtig mit und sagte ganz freundlich zu mir: „Well, ich stick«) zu meinem Wort," aber das Blut schoß ihr doch dabei in die Wange. Wie schön sah sie aus, als sie dies sagte und wenn ich zu einem Eiszapfen gefroren wäre, ein Blick in ihr freundliches Gesichtchen hätte mich wieder aufqethaut! Ein paar Tage nach dieser Begebenheit wurden wir getraut, und seitdem leb ich mit meiner Märy in der glücklichsten Ehe. ES hat mich noch niemals gereut, daß ich ihr zu lieb beinahe in einem Mehlsack erfroren wäre. «) wach, pfälzisch. *) selbige (Nacht), rheinischer Ausdruck. v,tn»Ue. pfeifen. «) »lick, bleiben bei. * Spanische Ligeunertänze. Ein junger deutscher Offerier hielt sich eine Zeitlang in Cadix auf, ehe er nach Marocco abging, mir dort den Krieg mitzumachen. In der Köln. Atg. erzählt er: Ich beschloß, mit den spanischen Reiter - Offerieren, dir sich ebenfalls einschiffen sollten, die letzte Nacht noch recht lustig zu verleben. Um ein recht charakteristische- Schauspiel zu haben, beschlossen wir, „Gitana-" (Aigeunermädchen) tanzen zu sihen. Eine Posada in der Vorstadt Banio Estramuros ward un- als der geeignetste Ort, um unseren Wunsch zu erreichen, bezeichnet, und frohen Muthee schlugen tvit den dunkeln und be schwerlichen Weg dahin ein. Da- Treiben dieser Nacht war ein ungemein lebendiges und fesselndes, dessen Eindruck ich nie wieder vergessen werde. Durch einen breiten Thorweg der Posada, die, so viel ich in der Dunkelheit erkennen konnte, ein alte- verfallenes Gebäude zu sein schien, traten wir in einen großen, von Schuppen, die mit wiehernden Pferden und schreienden Mauleseln ungefüllt waren, umschlossenen Hofraum ein. Als wir nun unfern Wunsch, GicanaS tanzen zu sehen, zu erkennen gegeben hatten, traf die Wirthin der Posada, ein schmucke- Weibchen, sogleich die nöthigen Voranstalten hierzu. Zuerst wurden an verschiedenen Seiten des Hofe- große Feuer von Kienholz angezündet und barfüßige Jungen als Wächter und Schürer dabei angestellt.. Scharfe Lichtscheine warfen diese zitternden Flammen der Feuer auf manche Theile des Hofes, während andere wieder in tiefe- Dunkel gehüllt lagen, so daß das Ganze sehr gut zu der übrigen Scenerie paßte. Uebrigens dienten diese Feuer nicht blos zur Beleuchtung, sondern auch zur Erwärmung; denn befanden wir un- gleich unter andalusischem Himmel, so war es doch eine Januar-Nacht, und der Wind blies mitunter so kalt durch die zahllosen Löcher und Ritzen der Gebäude, daß es ganz behaglich war, sich neben dem Feuer hinzusetzen und so recht durchwärmen zu lassen. Als beste- Erwärmungsmittel von innen heraus hatten wir übrigens auf einem Tische eine kleine Batterie dickbäuchiger, langhalsiger Flaschen, gefüllt mit dem feu rigen Blute der edlen Trauben von Leres, aufpflanzen lassen. Eine halbe Stunde mochte bereits vergangen sein, da erschienen die unterdessen herbnaeholten Zigeuner. Es waren zwei junge Burschen und zwei Mädchen, von einer alten Frau, die in ihrer Häßlichkeit wirklich einer Hexe glich, begleitet. Der Anzug der selben war bunt und phantastisch und ganz der andalusischen Tracht der Majos gleich. Ob dze Reinlichkeit und sonstige Beschaffenheit dieser Kleidung beim Sonnenschein eine Musterung gut ausgehalten hätte, möchte ich bezweifeln; von dem Scheine des hochflammenden Kienholzfeuers beleuchtet, machte sich dieser phantastische Putz aber recht gut. Dazu waren Burschen wie Mädchen schlanke, wokl- geformte Gestalten mit hübschen, markirten Gesichtern, die sich übrigens durch einen bestimmten Zug von denen der Andalusier unterschieden. Besonders eines der Mädchen, ein noch junges Kind von vielleicht kaum 15 Jahren, aber schon vollkommen auS- gebildet, zeigte sich in ihrer Art als eine große Schönheit und hatte namentlich etwa- ungemein Elastische- und dabei Graziöses in der ganzen Haltung ihre- Körpers. Einige Flaschen LereS-Wein tranken diese Zigeuner zuerst auf unsere Mahnung, um ihr Blut flüssiger und ihre Glieder gelen kiger zu machen^ und singen dann auf den Steinquadern des Hofes ihren Tanz an. Zuerst begann das junge Mädchen, die Castagnetten an den Fingern, unter den Klängen der Tambourins, welche die beiden Männer schlugen, den auch in Deutschland durch die Pepita und ihre Nachfolgerinnen bekannten Tanz „LI 01s". Welche Grazie der Bewegung, welche Leichtigkeit, aber auch wieder welche Sinnlichkeit entwickelte sie bei diesem Tanze! Wie hob der schlanke Körper sich aus den Hüften, wie suchte da- zarte Köpfchen nach dem Gegenstände der Liebe umher, wie breiteten sich die Arme in den Lüften aus, denselben gleichsam zu umfangen! Mit welchem Beifall begleiteten die jungen Burschen und Mädchen der unteren Stände, die sich allmälig in ganzen Gruppen auf dem Hofe der Posada eingefunden hatten, alle Bewegungen der Tänzer! Ihre Hände klatschten den Tact mit zu den Klängen der Tambourins, ihren Lippen entströmte manch anerkennende- Wort, und jubelnde Ausrufe der Freude ließen überall sich hören. Und wie nun die Kleine, die das Unglaubliche an Ausdauer und Kraft geleistet hatte, endlich ermüdet abtrat, da sprang rasch da- zweite, nicht minder schöne Mädchen mit dem einen Burschen vor, und der Fandango begann. Rascher noch schlugen die Tambourins, lebhafter klap perten die Castagnetten, feuriger und ungestümer wurden alle Bewegungen. Es war ein Tanzen, wie ich es noch niemals sah, jeder Nerv und Muskel im ganzen Körper zuckte. Keine mühsam angelernten, maschinenmäßigen Bewegungen, wie bei unfern Theater- Balleten, zeigten sich hier, sondern man sah es den Tanzenden an, daß sie so und nicht anders tanzen mußten, und daß es ihnen gar nicht möglich gewesen wäre, die wilde Gluth, die ihren Körper durchraste, zu zügeln und in weniger feurigen Bewegungen zum Ausdruck zu bringen. Dabei berührten sich die Tänzer nur selten, und höchsten- nur ganz vorn mit den Händen, während der Bursche in wilden Sprüngen die sich nur mit dem Oberkörper hin- und herwiegende Tänzerin umkreiste. Oft stand da- Mädchen fast ganz ruhig auf ihrem Platze, die Füße waren wie gefesselt, und nur Leib und Brust, Arme und Kopf folgten dem Tacte der Musik, dann plötzlich durchzuckte auch sie wieder bacchantische Lust, ihr ganzer Körper wirbelte herum, und in den leichtesten und graziö sesten Sprüngen umschwebte sie wieder ihren Tänzer. Diese andalusischen Nationaltänze, die von den Gitanas in Granada wohl am besten getanzt werden, versinnlichen die Macht der Liebe von dem sanftesten Erbeben bi- zu dem wildesten Entzücken. Die feile, schamlose Berechnung, da- völlig Sittenlose, was sich doch wieder mit dem geborgten Mantel der Scheinheiligkeit zu umgeben trachtet, wie solche- die meisten unserer modernen Ballete m zu Heb wir! gela und Mc alle
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