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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1876
- Erscheinungsdatum
- 1876-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187611092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18761109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18761109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1876
- Monat1876-11
- Tag1876-11-09
- Monat1876-11
- Jahr1876
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1876
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Crste Beilage M Lchstger Tageblatt und Anzeiger. W zu. Donnerstag den 9. November 187«. Ktipzig, 8. November. Die Waffenruhe zwischen Serben und Türken I in bereit« thatsächlich eingetreten, obwohl die Ab- grenzungSlinie zwischen den beiderseitigen Heeren I noch nicht festgestellt ist. Wie auS Konstantinopel gemeldet wird, haben die dort accreditirten Bot- chafter am Montag die Instructionen für die zu Kommissären für die Feststellung der DemarcationS inie designirten Ofsiciere, welche nach dem Krieg- chauplatze abgegangen sind, vereinbart. In der Thatsache dieser Vereinbarung liege, wie der Mel dung hinzugefügt wird, die sicherste Gewähr dafür, daß die DemarcationSsrage keine weitere Schwierig keit finden werde. Was den Ort für die in AuS sicht genommene Conserenz betreffe, so scheinen Rußland und die Türkei größeres Gewicht daraus zu legen, die FriedenSsrage nicht von einer Con- ferenz der Botschafter in Konstantinopel verhandelt zu sehen, während die anderen Großmächte geneigt scheinen, für Konstantinopel als den eventuellen Ort für die Conserenz einzutreten. Zur Beurtheilung der Schwierigkeiten, welche einer befriedigenden Lösung der orientalischen Berwickelungen entgegenstehen, gehen der Angerftein'scheu Correspondenz auS diploma tischen Kreisen Andeutungen zu, welche wir nachfolgend in Kürze wiedergeben. Die russische Regierung hat bereits vor etwa zwei Monaten die Erklärung abgegeben, der Artikel VII des Pariser Friedens vom 30. März 185,6 sei Ansicht nach durch die türkische Tagesgeschichtliche Aeberficht. Leipzig, 8. November. In einzelnen Blättern werden bereits jetzt er hebliche Mehrforderungen deS Militair- etats für daS EtatSjahr 1877/78 angekündigt. In den parlamentarischen Kreisen ist davon noch Nichts bekannt. BorauSzusehen ist allerdings, daß die gegenwärtigen Naturalienpreise eine Erhöhung der betreffenden Positionen bedingen werden- die selbe würde sich auf etwa 6 Millionen Mark ver anschlagen lassen. Außerdem wird, soviel man biS jetzt weiß, seitens der Verwaltung die Forderung deS 13. Hauptmanns beabsichtigt, eine Forderung, welche eine Mehrausgabe von höchstens 1 Million Mark zur Folge haben würde. Man sieht demnach, daß biS jetzt für die ausgesprochene Befürchtung, der Reichstag werde im nächsten Jahre das Gleichgewicht deS Budgets in der bis herigen Weise herzustellen nicht im Stande sein, einstweilen noch der eigentlichen Grundlage er mangelt. Sollte sich diese Befürchtung indeß gegen Hoffen und Erwarten verwirklichen, so würde der Reichstag immer noch die Genugthuung haben, erst jetzt einen Schritt thun zu müssen, welcher seitens der Reichsregierung schon seit 2 Jahren alS unerläßlich bezeichnet, vom Reichstage aber beide Male mit bestem Eriolge verhindert wurde. Uebrigens wird man bereits jetzt die Erwartung aussprechen dürfen , daß die Regierung behufs Deckung eineS etwaigen Desicits nicht wieder mit einzelnen Stenerprojecten, die außer allem ihrer Ansicht nach durch Kriegführung im gegenwärtigen Kriegc I Zusammenhang mit einer umfassenden rationellen hinfällig geworden. Nach diesem Artikel I Steuerreform stehen, hervortreten werde. Dir wurde die Pforte ausdrücklich alS „theilh ästig der Vortheile deS öffentlichen europäi schen Rechtes und deS europäischen Con- certs" erklärt. Und demgemäß verpflichteten sich die Garantiemächte: „die Unabhängigkeit und den Territorialbestand des ottomanischen Reiches zu achten, garantiren gemeinschaftlich die genaue Beobachtung dieser Verpflichtung und werden in Eonsequenz dessen jeden Act, weicher dem entgegen wäre, als eine Frage des allgemeinen Interesses ansehen." Die durch den Pariser Frieden geschehene Aufnahme der Türkei in die europäische Staatenge meinschaft beruhte auf einem völkerrechtlichen Grundsätze, der durch die Festsetzung deS citirten Artikel- erst im Jahre 1856 allseitig in der Praxis anerkannt wurde. Dieser Grundsatz lautet: „Der religiöse Glaube begründet nicht und behindert nicht die völkerrechtliche Pflicht." (Siehe Bluntschli, „Die Bedeutung und die Fortschritte de- modernen Völkerrechts".) Der höhere Gedanke, der jenem Artikel zu Grunde lag, war: dem Völkerrecht einen allgemein mensch lichen Charakter thatsächlich zu verschaffen; das Völkerrecht wurde über die Grenzen der Christen heit ausgedehnt und eS ist ihm seitdem auch bei den anderen muhamedanischen Staaten, sowie in Japan und China Achtung gesichert worden Völkerrechtlicher Grundsatz ift eS ferner: „Wer für sich die Vortheile des Völkerrechts beansprucht, darf sich nicht selbstaußer- halb des Völkerrechts stellen", daS heißt: er muß die ihm obliegenden völkerrechtlichen Pflichten erfüllen. Für den Krieg stellt das moderne Völkerrecht nun folgende Hciuptsätz» aus: „Die Individuen sind als Privat personen keine Feinde, als Staatsan gehörige sind sie betheiligt bei der Feindschaft deS StaateS; so weit das Privatrecht maßgebend ist, dauert also das FriedenSverhältniß und daS Friedens recht fort; so weit daS öffentliche Recht entscheidet, ist da- FeindeSverhältniß einge treten und wirkt daS Kriegsrecht." Gegen diese Hauptsätze de- modernen Völkerrechts haben die Türken im Kriege gegen Serbien auf das Gröblichste verstoßen, sie haben nach dem bar barischen Princip gehandelt, alle Angehörigen deS feindlichen Staates, also auch die Weiber, die Kinder, die Greise, die Kranken alS Feinde und als der Willkür des SiegerS preisgegeben zu be trachten. Dadurch haben sich die Türken selbst außerhalb des Völkerrecht- gestellt und in Folge dessen können sie nach der Meinung deS russischen CabinetS nicht mehr der Vortheile deS Völkerrechts und de- europäischen Concerts theil- hastig werden oder bleiben und mithin ist der Artikel VII de- Pariser Friedens hinfällig geworden. Die Anschauung deS russischen CabinetS ist, wie man sieht, nicht schwierig zu begründen; dennoch wird sie aber nicht von allen Mächten getheilt, waS selbstverständlich eine Einigung über die FriedenSbedingungen sehr bedeutend erschweren muß, wenn nicht gar unmöglich machen dürste Wird der Artikel VII alS nicht mehr verbindlich betrachtet!, so hat keine der Garantiemächte noch ferner die Verpflichtung, für die Erhaltung deS Territorialbestandes der Türkei einzutreten ; im umgekehrten Falle aber müßten die europäischen Mächte eventuell selbst mit Waffengewalt diesen Territorialbeftand schützen. ES liegt also in der verschiedenen Auffassung hier möglicher Weise sogar die Gefahr eine- europäischen Krieges. Wir können dieser kurzen Auseinandersetzung hier zum Schluffe noch hinzufügen, daß Rußland auf dem Standpunkte, den e- bezüglich der Gültig keit de- Artikel- VII vor rwei Monaten geltend gemacht hat, unverändert stehen geblieben ist, und daß neuerding- von allen Seiten auf da- Ent schiedenste versichert wird, die drei Kaisermächtc befänden sich in voller Nebereinstimmung. bisher gemachten Erfahrungen lassen keinen Zweifel darüber, daß ein solches Vorgehen auch in Zukunft nicht besser glücken würde. Die vielfach verbreitete Nachricht von einer zwischen dem Grasen Andrassy urL oem Grafen AuerSperg eingetretenen Spannung ent behrt, wie ossiciös aus Wien versichert wird, jeder Begründung. Im österreichischen Abgeordnetenhause wurde am 7. November die Debatte über die Beantwortung der Interpellation in der orien talischen Frage durch die Generalredner Greuter und Herbst beendet. Während von Greuter auSgeführt wurde, daß mit der Annexion Bosniens und der Herzegowina Oesterreich nur eine ihm gebührende Erbschaft antreten würde, erblickte Herbst m der Verbesserung des Looses der slawischen Christen in der Türkei die wahre Aus gabe Oesterreichs und schloß mit dem Ausdruae ves Wunsches, daß dem Monarchen die Erhaltung deS Friedens vergönnt sein möge. Italien hat nunmehr seinen Wahltag hinter sich. Der 5. November war der für die allge meinen Wahlen zur italienischen Deputirtenkainmcr anberaumte Termin. Allem Anschein nach hat sich die Wählerschaft der Ausübung ihrer staatsbürger lichen Pflicht mit großem Eifer unterzogen. So weit das Wahlergebniß zur Stunde bekannt ist, sind 256 Candidaten der Fortschrittspartei und 93 Candidaten der gemäßigten Partei endgültig gewählt worden. Zu den siegreich auS der Urne hcrvorgegangenen Candidaten gehören von be kannteren Persönlichkeiten eine ganze Reihe gegen wärtiger und ehemaliger CabinetSmitglieder, u. A. Depretis, Nicotera, Zanardelli, Sellä, Minghelti Der Ausfall der römischen Wahlen bekundet, daß vie Fortschrittspartei daselbst festen Fuß gesaßi hat. Ein abgeschlossene- Urtheil Uber die Signatur öeS ActeS läßt sich auf Grund deS lückenhaft, n Materials noch nicht gewinnen; indessen scheint doch so viel bereits festzustehen, daß das Ministe rium mit dem Resultat nichts weniger denn un zufrieden zu sein braucht. Die Majorität der neuen Deputirtenkammer dürfte dem Cabinet ge sichert sein. Die politischen Spielereien der Pest er Stu denten haben noch ein kleines, nicht minder komisches Nachspiel gehabt. Die Studenten von MoSkau haben den Studenten von Pest wegen der zu Gunsten der Türkei veranstalteten Demonstrationen telegraphisch ihre Verach tung ausgedrückt. Der .Moniteur universel" erfährt, daß dem Versailler Cabinet dieser Tage seitens der deutschen Regierung die ofsicielle Mittbeilung von der Theil. nähme Deutschlands an der PariserWeltaus- stellung im Jahre 1878 zugegangen sei. ES ist nunmehr an dem französischen Volke, durch Beobach tung der internationalen AnstandSpflichten der deutschen Industrie die praktische Betheiligung wenig stens nicht zu erschweren. Dazu würde aber in erster Linie die künftige Vermeidung solcher pöbelhaften Ercesse gehören, wie sie erst kürzlich in Pari- vorsieleu. In einem Nekrolog über den verstorbenen Cardinal-Staat-secretäir Antonelli sagt die „Köln. Ztg": Wer Giacomo Antonelli m der Zeit seiner vollen ManneSkraft gesehen hat, den hagern Mann mit dem festen Knochenbau, dem schwarzen, gekräuselten Haar, dem scharfen Auge, da-, ohne die Regungen de- Innern zu verrathen, den Sprecher aufs Eingehendste sixirte, der hätte ihn ohne den Anzug und Schnitt de- HaareS nicht leicht für einen Geistlichen gehalten. Den schlauen, durchtriebenen Italiener sah man sofort. Und auch daS läßt sich nicht läugnen: eS lag in dem ganzen Manne ein EtwaS, da- auch der Energie eines Räuber- fähig gewesen wäre; eS war eine Persönlichkeit, der man die Fähigkeit ansah, sich m alle Lagen ru schicken: sanft, nach gebend zu sein, zugleich fest und entschieden, die Menschen alS Mittel zu gebrauchen, sich selbst zum Mittel herzugeben. Musterte man dann die zum Theil prachtvolle Einrichtung seiner Gemächer, die er im Va lican oberhalb der Wohnung de- PapsteS inne hatte, wandte man daS Auge von einer trefflichen Madonna zu einer üppigen VenuS und einem Sultan, dem eine OdaliSke vorspielt, welche in treuer Gesellschaft sich vorfanden: so hatte man den Mann in seinem ganzen Wesen erfaßt. Nichts Geistliches steckte in ihm, er war durch und durch weltlich, das Geistliche, Kirchliche war ibm reines Mittel; dieses Her; hatte keine religiöse Innigkeit nöthig, ihm genügte die Form; die beim Südländer so häufige frivole Auffassung bildete offenbar seinen innersten Kern. Leiden schaften durchzuckten den Mann, aber er wußte sie zu beherrschen, daß sie seiner einen nicht schadeten: dem Streben, Pius IX. zu beherr schen, mn durch ihn die Welt zu beherrschen. Es wohnte etwaS Dämonisches in dem Manne. Je mehr er den Eindruck einflößte, ihm liege im tiefsten Herzensgründe an Religion und Kirche Nichts, aber AlleS daran, daß Rom und die Curie herrsche, desto klarer wurde dem Beobachter, daß er die personificirte Curialpolitik war, eine jener Persönlichkeiten, die fähig sind zu jeder Entbehrung und Arbeit, um zum Ziele zu gelangen, welche die Kirche als zum Zwecke der römischen Curie geschaffen ansehen und, den Tra ditionen der Curie getreu, Moral mit Zweckmäßig keit gleichstellenv, Alles ihrem eigenen Streben dadurch dienstbar zu machen verstehen, daß sie sich selbst als bloßes Werkzeug zu geben wissen. Kein StaatSsccretair hat so lange und so schlau vordem durch den Zweck das Mittel heiligen lassen Wenn er nun aus dem Todtenbette sah, wie sein ganzes Wirken, Sinnen und Trachten zu nichts geworden, und ihm Nichts geblieben, als Dinge, welche er nicht mitnehmen konnte, so mochte er sich an den einenjjTrost halten, daß sein Herr und Meister, der ebenfalls, wie nie ein Papst vor ihm, die Kirche gehoben zu haben schien nnd durch sich das Ziel eines Gregor VII. erreicht glauben durste, ihm nun in voraussichtlich nicht ferner Zukunft mit dem Bewußtsein folgen könne, ,daS römische Papstthum vernichtet zu haben. Von Livadia, dem Lieblings-Aufenthalte des russischen KaiserpaareS, enthält daS ,.W. Fremden blatt" folgende Schilderung: Die erste der herr lichen Villen auf dem Wege von Jalta nach Alupka ist Livadia, die Besitzung der Kaiserin Maria Alexandrowna. Auf der dritten Werst schon be ginnen die Weinberge und der umfangreiche Park. Zwischen der üppigsten Vegetation blickt daS Schloß des Thronfolgers hervor. Es ist im orientalischen Geschmack gebaut. Die tiefen BalconS in Form von KioSken, mit seinem Gitter werk umgeben, die bunten Farben der hohen Kamine in Form von Thürmchen oder MinaretS bringen unter dieser Masse von Vegetation einen wunderbaren Effect hervor. Die innere Aus stattung des Schlosses entspricht ganz dem Aeußern. Bunte Sophas, Teppiche, kleine ge- müthliche Gemächer — Alles athmet einfache Pracht und Bequemlichkeit. Eine zierliche leichte Treppe führt aus daS Dach deS Schlosses, wo eine geräumige Terrasse angelegt ist, die gleich falls von seinem Gitterwerk umgeben und mit einem Obdache versehen ist, das vor den brennen den Sonnenstrahlen der Krim schützt. Von hier bietet sich die bunteste und belebteste Aussicht dar: die Kette des ?)aila und das Meer! Von der einen Seite Jalta, Massandra, Nikita in ihrer ganzen Schönheit, und von der andern Seite vie phantastischen Felsengebildc Oriandas, die graciösen Buchten gegen Alupka bin und die ganze unabsehbare Meeresfläche, die sich bis über den Horizont hinauSzudehnen scheint. Hinter dem Schlosse deS Thronfolgers steht das Schloß des Kaisers, da- gleichfalls seiner Bcstimmunc^ganz ent spricht. Vorgebirge Ai Todor, da- fast senkrecht abfällt, mit allen Schlössern und Villen, daS ganze Orianda mit seinen gigantischen, über dem Meere Hangenden Felsen, etwa- weiter GaSpra, KoriiS, Mischoe und endlich Alupka. Auf einem der Felsen glänzt zwischen dunklem Nadelholz ein weißer ^eucht- thurm hervor. Diese Ansicht ist besonders beim Mondlicht, wenn daS Meer unter den sanften Strahlen deS Monde- zittert und Luna mit ihrem phantastischen Licht alle die llferberge, Schluchten und blühenden Gärten beleuchtet, he zaubernd. Der Leuchtthurm wirft einen Hellen Lichtstreifen weit in daS Meer hinein. Der Orangendust, daS MeereSrauschen und der tief blaue Himmel vollenden das bezaubernde, märchen Haft schöne Bild, daS an die User Siciliens er innert. DaS Institut der Dachauer Banken ist nach Madrid übergesiedelt. Das dortige Blatt „Cronista" theilt mit, daß sich Leihbanken aufqe- than haben, welche Privateinlagen mit 20 hiS 30Proc. monatlich verzinsen wollen. Mit welchem Erfolge diese „Bankgeschäfte" arbeiten, erhellt auS der Thatsache, daß die Summe der an einem einzigen Tage in einer jener Banken deponirten Capitalien 400,000 Pesetas ausmachte. Die Re gierung stellt Erwägungen an, aus welche Weise diesem Unfug am wirksamsten zu steuern sei. Vom Neichstage. * Kerlin, 7. November. In seiner heutigen Sitzung trat der Reichstag in die zweite Berathung der Iustizgesetze ein, >edoch nur, um sich über die geschäftliche Behandlung derselben zu verstän digen. ES wurde über diese Frage eine Zeit lang hin und her debattirt, wobei der Abg. Windthorst wie gewöhnlich bemüht war, einer ersprießlichen Erledigung möglichst große Schwierigkeiten zu bereiten. Schließlich wurde auf Antrag des Abg. Wehrenpfennig beschlossen, die Gesetzentwürfe in ihrem ganzen Umfange der wiedergewählten Justizcommission zu überweisen, welche dann ihrer seits nach eigenem Ermessen die Puncte ausscheiden möge, die sie sofort an das Plenum gebracht zu sehen wünsche. Der Schwerpunkt der Arbeit wird also vorläufig wieder in der Commission liegen und daS Plenum dürste ziemlich eine Woche lang Ferien haben. — In der Fortsetzung der EtcrtSberathunq ergriff der Abg. v. Schorlemer- Alst bei den Ausgaben für das ReichSjustizamt die Gelegenheit, sich über die gegenwärtige Or ganisation deS ReichSkanzleramlS in abfälligster Weise zu äußern. Den gegenwärtigen Präsidenten deS ReichskanzleramtS bedächte er mit einer Reihe persönlicher Jnvectiven, der liberalen Partei warf er vor, daß sie die Forderung verantwortlicher Ministerien unterlasse, und schließlich kennzeichnete er die heutige Organisation alS einen uner hörten, AlleS erstickenden CcntraliSmus Die Abg. Bamberger und Lasker wiesen überzeugend nach, daß die in Rede stehenden Acnderungen in der Organisation des Reichskanzleramts nnt der »Frage verantwortlicher NeichSministerien Nichts zu schaffen haben; besonders treffend führte LaSkcr auS, daß die Bildung eines eigenen ReichsjustizamtS, weit entfernt, einen centralisircnden Charakter zu haben, das Reich vielmehr unabhängiger von Preußen mache. Mit etwas eigenthümlicher Ar gumentation begründete der Abg. Richter-Hagen das Votum der Fortschrittspartei für die neue Organisation: er meinte nämlich, daß auf diese Weise das von ihm verurtheilte gegenwärtige System nur uni so schleuniger zuin Bankerott gelangen werde. Reichskanzleramtspräsident Hof mann suchte alle Angriffe abzuwchren und be tonte, daß die Leiter der Reichsverwaltung sich, auch ohne es juristisch zu sein, dem Reichstage im vollen Maße verantwortlich fühlten. — Bei .den Ausgaben für die Verwaltung der ReichS- Hier suchen die hohen Besitzer Einsamkeit I lande trug der Abg. Gerber die mißverständlichen und Ruhe von den Reqierungsgeschästen im schönen Klima dieser an Naturschönheiten so reichen Gegend. Darum zeichnen sich diese kaiserlichen Schlösser alle weder durch besonder« LuxuS noch durch große Dimensionen, sondern nur durch kunstvolle Einfach heit und Bequemlichkeit auS Dieses Schloß wurde von dem Grasen Potocki erbaut. Es ist fast un verändert geblieben und wurde nur durch den An bau einer geräumigen Galerie, die als Speifesaal dient, vergrößert. Hier springt eine Fontaine und steht die Statue Penelope'S auS weißem Marmor, ein Geschenk der Kaufmannschaft Odessas. Die katholische Capelle deS Grasen Potocki ist in eine kleine griechische Kirche von ernster Schönheit deS StyleS umgewandelt. Die Hauptsa^-ade ist Jalta zugewandt. Die Einrichtung der BalconS, Fen ster, Galerien und alle äußere Ausschmückung des Gebäudes bekunden einen sehr geschickten Künstler und Architekten. Auf den Terrassen vor dem Schlosse sind Blumengärten von seltener Schön heit und in einiger Entfernung erhebt sich ein herrlicher, mit Rosen und andern Schlinggewächsen gedeckter Bogengang, welcher von seinen guß eisernen Säiilchcn getragen ist. Unter Andern, zeichnet sich eine Gattung weißer und hellgelber Rosen durch einen besonders zarten Dust auS. von hier, wie von jedem andern Puncte bietet sich eine herrliche Aussicht aus Jalta und die um liegenden Berge. Den Vordergrund liefert zu diesem Bilde der weitläufige Park und der Wein berg mit seinen, zierlichen WärterhäuSchen und einer mit einer Ballustrade umgebenen Plattform. Nickt weniger schön ist der Blick nach der andern Seite hin: da- ganze MeereSufer bi- zu dem Befürchtungen der Elsaß-Lothringer vor, die m- deß von dem Ministerialdirector Herzog durchweg widerlegt wurden. Dies hinderte freilich den Abg. Windthorst nickt, jene Befürchtungen nun erst recht für begründet zu erklären. Die weitere EtatSberathung war ohne erhebliches Interesse. Der Reichstags Abgeordnete Most hat, unter stützt von ultramontanen Mitgliedern deS Hauses, folgenden Antrag eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen: 1) Die Untersuchungen, welche gegen die nachstehenden Abgeordneten in den bei gesügtcn Fällen momentan schweben, werden für die Dauer der gegenwärtigen Sitzungsperiode ausgehoben, nämlich: n. daS gegen den Abg. Hassel mann wegen Ucbertretung deS Preß- gesetzeS schwebende Strafverfahren, in welcher Angelegenheit am 8. d. M. vor dein königlichen Polizeigericht zu Barmen Termin anstcht; d. der gegen den Abg. Geib wegen angeblicher lieber- tretung der Paragraphen 5 und 26 deS Regula tivs vom Jahre 1824 vom Polizeianwalt zu Barmen angestrengteProceß, welcher amt", d. M. mittels Verhandlung seinen vorläufigen «erstinstanz lichen) Abschluß finden soll; e. die Untersuchung, welche gegen den Abg. Vahlteich beim königlich sächsischen Bezirksgericht zu Mittweida wegen Beleidigung de- Bezirksgerichts zu Chemnitz angestrengt worden ist. 2) Der Reichskanzler wird ersucht, für sofortige Ausführung dieses Beschlusses Sorge zu tragen. Den Commissionen deS ReichStageS gehören von sächsischen Abgeordneten an: ItrMinck« witz (den Commissionen für die Geschäftsordnung und für den ReicbShauShaltsetat-, Rechtsanwalt
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