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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188111308
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18811130
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18811130
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-11
- Tag1881-11-30
- Monat1881-11
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1881
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Erscheint täglich '' früh 6'/, Uhr. . Pe-actisn «nd LkPedMsn Iohannesgasse 33. Sprrchllimdr» her Kedactüm: Vormittag- 10—12 Uhr. Nachmittags 4—6 Uhr. AÄLt"- A,u«h«e »er für »ie »>chftf«lnr»»e A«««er Bestimmten Inserate a« « «ach«tttaa»» .»Ntrl »schttttige« »t« L Uhr .... an Sa««»«»» Festtagen früh »1« '< Au -ru ^tliulen fiir Lns.-^nnahmn Otta Klemm, ttniverfliätsstraße 21, taut» Kitsche, Katharinenstraße 18, p. nnr »t« '/.» Udr. timigtr,TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Seschästsverkehr. N»fl«ge LS STV. LdsunemnttM-n, viertrlj. 4V, KL, wel. Lrmarrtoh» - AL. durch dir Pop bezogen 6 ML Jede einzelne Nununer 28 Pf. Belegexemplar 10 Pf. »«bahren für Extrabeilage, »tz»r Poftbesürderung 39 ML »ir Postbesörderuug 48 ML Laterale «gespaltene Petitzeile »0 Pf. Größere Schriften laut nnjerrm Preis» vttzeichmH. Labellarischer Satz nach höhere« karg. Lula»en unter -eu Nedartlauastrich dle Vvaltzeile 80 Pf. Inserate sind stet« an dt, »rpedttte» »» seaden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeonmenuuio oder durch Nachnahme. 334. Mittwoch deu 30. November 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Thetl. Bekanntmachung. Das 27. Stück des dieSjähl-ige» Reich-Gesetzblattes ist bei uns eingegangen und wird biS ;u«e 20. Deee«tev HO. JO. auf dem Rathhaussaale zur Einsichtnahme öffentlich aushängen. Dasselbe enthalt: Nr. 1451. Bekanntmachung, betreffend die Ausgabe neuer Slenipelmarken zur Entrichtung der Wechsel- steinpelsteuer. Pom 22. November 1881. Leipzig, den 28. November >881. Der -tat- der Stadt Letznta. . . Iw. Georgi. Stoß. Nutzholz-Auction. DoaaerStag, den I. December d. I., sollen von Bor mittags g Uhr an aus dem Schlage in Abth. 27» des Burg- auer Forstreviers, in der Lindenauer Gottge. in der Näh« de- Leutzsch-Leipziger Fahrweges und der grünen Linie ca. 142 eichene, 70 buchene, 117 rüsterne, 23 eschene, 7 maS- holderne und 11 ellerne Stütz-KlStz«, 4 eichene Kahnfinte, 20« rüsterne und eschene SchirrhSlzer» 170 rüsterne und eschene Schtrrstaage», 230 rüsterne Hebebäu«« unk 100 starke ficht«»« Staagea unter den im Termine öffentlich aushLngenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an Ort und Stelle meistbietend verkauft werden. Zusammenkauft: aus dem Schlage in der Lindenauer Gottge. Leipzig, am IS. November 1881. Des Rath» Aorfidevutatto». gm Besitze des im Georgen Hause detinirteu Johann Heinrich Lift ist ein« Geldsumme von 12 ^tl 10 ^Z, über derea Erwerb er sich nicht auSznweisen vermag, gesunden worden und steht zu ver- muthen, daß List durch eine strafbare Handlung in deren Besitz gelangt ist.' Man bittet de». Wahrnehmungen »»gesäumt hier mitzutheilen. Leipzig, am 28. November 1881. Li« Psltzet-Amt der St«bt Leipzig vr. Rüder. Berger. Kn^Hankelsvtrkrhr mtt A«ltralte« ketr. Herr Wh. A. Vahse wird uoch aus einig« Lage hierher kommen, «m seine AuskunftS-Ertbeilong bezüglich de» Handelsverkehr« mit «ustralicn sorizusetzen. Mittwoch, de» 30. d. M,, wird derselbe ron Vorm. 9 bis 12 Uhr aus unserem Bureau, Nrumarkt 19, I., zu sprechen lein. Diejenigen Industriellen. welch« den vesttch des selben in ihren Etablissement« wünschen, werden ersucht, die« unter Angabe der geeignetsten Tagesstunden schriftlich aus unserem Bureau anzumelden. Leipzig, den 28. November 1881. Dt« Handelskammer. Vr. Wachsmuth, Bors. vr. Gensel, S. vesssMlivke ÜLlläel8ledrLll8tLlt m I-6IE äw Atttnovü, üen 30. Xavewder, Xdsuck» 8 vür, Vortrnx ck« llerrn vr. vnlilmano, l-ekrer» 6er .Ivotalt: ^vouckel,- nock Verbobrowox« äer Lndnntt.^ Wntritt trei. — 2u xetXIübsm 8«neds lacket ckis Herren vrincl- pal« nock üanckelrgeditlken in kienixer 8tnckt er^ebeurt ein l nrl Aolimun, Direktor. Nichtamtlicher Thetl. Fürst Bismarck vor dem Reichstage. Der Reichstag hat die erste Lesung der Hamburger Zotlanschlnß-Vorlage in einer einzigen Sitzung zu Ende geführt und den Entwurf einstimmig an «ine Commission von 21 Mitglieder«» verwiesen. Damit ist Zweierlei klar gestellt, einmal, daß alle Parteien ausnahmslos von dem ernsten Willen beseelt sind, diese leidige Frage cndgiltig aus der Welt zu schaffen, dann aber, daß eine grundsätzliche Opposition gegen die Grundlage der Vorlage, nämlich gegen die Frage, ov der Zollanschluß überhaupt zu genehmigen sei, nicht existirt. Rur gegen eine Reihe von Außenwerken der vom Fürsten Bismarck festgebaltenen Stellung richtete sich der Angriff der liberalen Redner, der Abgq. Hänel, Barth und LaSker; den Vertrag selber anzusechten kann sich Nie mand mehr geneigt finden, nachdem. Senat und Bürgerschaft Hamburgs sich in bindender Weise zur Ausgabe der Freihasen stelle verstanden haben. Wenn cS hiernach der Debatte an dem Salz partei politischer Leidenschaftlichkeit (wenigstens in« Anfang der Sitzung) fehlte, so gewann sie um so mehr an staatsrechtlicher Gründlichkeit und Sachlichkeit; besonders die Klarheit der Hänel'scben Rede erwarb sich die Anerkennung einer nicht vloS erstrebten, sondern auch thatsächtich erreichten Unpar teilichkeit selbst bei Mitgliedern der Rechten, wie von eonservatlve» Abgeordneten offen auSgesvorchen wurde. Die ganze Debatte wäre ohne da« Eingreifen des Kanzler«, der znm ersten Mal in der neuen Session den Reichs- tagSsaal betrat, ein Muster streng sachlicher Behand- lunasweise geblieben. Daß Fürst Bismarck sie in die Bahn einer allgemeinen parteipotitischen Auseinandersetzung lenkte, war freilich sein Recht und, wenn «an will, auch seine Pflicht; denn das Land und seine Vertretung darf wobl den Anspruch erbeben, über die leitenden Grundsätze der Regie rungspolitik genauer nnterrichtet zu werden, als es durch die kaiserliche Botschaft möglich gewesen. Die letztere konnte doch immer nur den Rahmen jener Politik entwerfen; über die Mittel zu ihrer Durcbsühruiig, d. h. Über die Schaffung einer Mehrheit für die Pläne de« Kanzler», »st die Einigung und überhaupt die Entscheidung nirgend« ander», als innerhalb des Parlaments selber und durch die größer« »der geringer, Geschicklichkeit, mit welcher Fürst Bismarck vorgeht, zu er warten. Man bat sich, wie un» gemeldet wird, bemüht, die Aeußerungen von Abgeordneten der verscbiedenen Parteien Über di« Rede de» Fürsten BiSiuarck sestzustesten. Als der bervorragendste Zug in diesen Uri hei len kann die allgemein verbreitete Ueberzeugimg gelten, daß die Lag« auch «ich den Ausführungen des leitenden Staatsmann- in der alte« Verworrenheit stecken geblieben ist. Wenn der Reichs kanzler erklärte. Dank und Gunst der Nation sei ihm das aleichgiltigste Ding von der Welt, und er verdiene diese» Dank nicht einmal, da er stets nur seine Pflicht und Schuldig keit gethan, so hat diese mehr rückblickende Betrachtung (sie lehnte sich an den Krieg von 1868 an) wohl mehr den Charakter einer psychologischen als einer politischen Klar stellung. lieber diese überraschend rückhaltlose Zielbewußtheit ist doch auch insofern da- Bestimmend« für die gegenwärtige Lage, als sie eS dem Fürsten Bismarck gleichgiltig erscheinen läßt, ob und wo er die Unterstützung für seine Politik findet. Ohne Zweifel hat er Recht, wenn er in dem Reichstage die Elemente für eine ziffernmäßige Mehrheit vermißt und höchsten- eine Mehrbeit der Verneinung al» Vorhand«! au- nimmt. Aber er zieht hieran- keineswegs den Schluß, daß es nunmehr Ausgabe der Regierung sei, durch die Anpassung ihrer Pläne an die Wünsche der Parteien die Möglichkeit einer gedeihlichen Politik mit der Volksvertretung zu sichern, son dern seine Rede begnügte sich einfach mit der Feststellung der Thatsache, beinah« eine leise Genugthuung darüber erwart«», daß e« so und nicht anders gekommen, und daß in der all gemeinen Verwirrung das einzig Feste die Regierung, d. h. der Reichskanzler sei. Wenn Fürst Bismarck di« Zerreibuna der Parteien be klagte, so ist ihm mit Recht von einem liberalen Redner mt- gegengehalten worden, daß er selber die Hauptschuld hieran trage. Wenn er aber hinzusügt, daß der nationale Sinn, die Bestrebungen zur Befestigung de- Reichs im Schwinden be griffen seien, so sieht er hierin glücklicherweise doch wohl zu schwarz. Gerade die Debatte über den Zollanschluß Ham burgs hat erhärtet, daß besonder« die Liberalen in allen ihren Fractionen sehr Wohl bereit sind, einzelstaatlichc Sonderrechte, selbst mit schweren Opfern, zu Gunsten der Größe und Einheit des Reiche- aufzugeben; nicht gegen das Wesen, sondern nur gegen die Form des Vergebens gegen Hamburg hatte sich in früheren Sessionen der Wider stand der Liberalen gerichtet, der „Gruppe" und der National liberalen ebenso gut wie der Fortschrittspartei. Jetzt ist selbst da« Centrum zur Genehmigung des ^Zollanschlußvertrage«, also zur Erhöhung der Macht und Competenz de« Reichs, geneigt. Freilich nur mit süßsauren Mienen gab der Abg. Winvthorst Namen« seiner Freunde diese Aufklärung; er ließ sich nach sattsam bekannter Manier mehr errathen und in den Falten seiner geschmeidigen Redekunst suchen, als daß er selber sich offen, männlich und klar ausgesprochen -Lite. Das Eine allerdings ist nach seiner Rede gewiß: zwischen de« Nltramontanen und Liberalen gähnt eine tiefe und unausfüllbare Kluft; wenn da« Centrum irgend wo Anlehnung sucht, so werden es die Conser- vativen sein, welche sich de« zweifelhaften Glücks dieser Bundesgenossenschaft zu erfreuen haben. Wie ernst eS Herrn Windtborst mit einer praktischen Realpolitik ist. bewies er dadurch, daß er unerhörter Weise den Cutturkamps völlig au« dem Spiel ließ. In dieser Beziehung waren seine Aus führungen in so fern ein Fragment, als sie ihre nothwendige Fortsetzung und Ergänzung wohl kaum aus der Redner tribüne de- Reichstags, sondern in der Verschwiegenheit sraction-politischec Eoulissengespräche finden werten. Leipzig, 30. November. Der greise Kaiser Wilhelm befindet sich schon seit einigen Tagen wohler, wenigsten» sind die Schmerzen nicht mehr mit der Heftigkeit aufgetreten, wie dies zuvor derFall gewesen war. Die letzten Nächte hat der Kaiser ohne Mor- phium gut geschlafen. Schon während de« Aufenthalts in Baden-Baden hatte der hohe Herr einen derartigen Anfall, der wohl aus die Anstrengungen und Strapazen, denen sich der Kaiser i», Monat September untenogen hatte, als Nächst liegende Ursache zurückzusühren ist Wie man sich erinnern wird, hatte König Wilhelm gegen dasselbe Leiden im Anfang der sechsziger Iahie die Karlsbader Quellen mit Erfolg gebraucht. Nach dem Kriege that Ems ihm treffliche Dienste mit der selben günstigen Wirkung Wie sich von selbst versteht, wurde auf die Pflege de« hohen Patienten die höchste Sorgfalt ver wandt. so daß bis vor wenigen Tagen ein Arzt und ein Flüael-Adjutant während der Nacht immer in der Näh« des Hoh«, Patienten waren. — Der Reichskanzler Fürst Bis marck begab sich am Sonntag Nachmittag zum Vertrage zu Sr. Majestät dem Kaiser ins königl. Palais. Nach den vorläufigen Feststellungen im Reichstags präsidium wird die zweite Lesung de« Etat«, soweit derselbe nicht an die Budgetcommissiön verwiesen ist, ohne erhebliche Pausen im Lause dieser Woche durcbgesührt werden. Da die Commission für die Hamburger Kostenvorlaae bi» zun, Beginn der nächsten Woche schwerluh mit ihren Arbeiten zu Ende gekommen sein wird, und da anderweite Vorlagen nicht eingegangen sind, so dürste zu jenem Zeitpunkt eme Vertagung bi» etwa zum 9. December statkftnden. Eine Aendernng dieser Maßnahmen würde in dem Falle noth- wendig sein, wenn die angekündigte Vorlage, betreffend die Herstellung einer Bcrusssiatistik, schon alsbald dem BundeSrath und >m Anschluß daran dem Reichstage zuginge. Die Generaldebatte über den Etat de» Reiches hat den Beweis geliefert, daß die co »servative Partei deS Reichs tage« keine wohldiSciplinirte Partei, sondern ein führerlose« Fähnlein ist, dessen Wohl und Webe dem Zufalle preiSgegebcn ist. Selbst unbefangene Mitglieder der Rechten im Parlamente geben zu, daß die Vorgänge am Donnerstag ein schwerer taktischer Fehler gewesen sind, und daß die Red« Richter'« unter keinen Umständen ganz ohne Erwiederung hätte bleiben dürfen. Auch den Mitgliedern de« BundcSrathS wird vielfach ein Vorwurf daran- gemacht» daß sie kein Wort der Entgegnung gesunden haben, wenn es auch nur den Zweck gehabt batte, die Debatte nicht zu Ende gehen zu lasten. Doch wird bestritten, daß e« am BunbeS- ralbStisch bekannt gewesen sei. daß der Reichskanzler die Ab sicht batte, »och im Reichstag zu erscheinen. Die Conservativen gestehen selbst ein, baß sie durch den Verlust ihrer fähigsten Fübrer in ein« üble Lage gekommen sind. Zwei hervorragende Männer der conservativen Fraktion de« Reichstag«, die Herren d. Maltzahn-Gültz und v. Wedell»Malchow, find mit mit der jetzt in der konservativen Partei herrschende» Richtung in wesentlichen Fragen nicht einverstanden und halten sich daher sehr zurück. Ueoer den Berus des Frbrn. vMinn igcrode »um Parteiführer bestehen auch in konservativen Kreisen leb haft« Zweifel. In Minden wird nun voraussichtlich in der Nachwabl Herr v. Marschall gewäklt werden; allein auch dieser Mann ist bei aller Begabung schon al- jüngerer Mann und als Süddeutscher für eine Führerrolle unter den preußischen Eonservativen nicht ganz geeignet. Man hofft nun, bei der Nachwahl in Oels Herrn v. Kardorsf noch in den Reichs- tag zu bringen; doch ist Dies allerdings noch zweifelhaft. Der Reichskanzler hat in seiner Musterung der Par- lamentarischrn Parteien auch einen Rückblick auf seinen Bruch mit der nationalliberalen Partei geworfen, und zwar etwa mit den Worten: „Ich habe mit den Ra tionalliberalen so lange gut gestanden, bis dir Herren fanden, daß sie mich gmug unterstützt hätten, und von mir ver langten, daß ich nunmehr sie unterstützen solle." Fürst Bismarck sprach wiederholt von der Forderung der Fractionen, daß er sich in ihren Dienst stelle. Mit den angeführten Worten hat also wohl Dasselbe von der nationalliberalen Parte» gesagt sein sollen. So aufaefaßt. ist die Bismarcklche Darstellung «ut- schieden eine unrichtige. Aber sie weist doch deutlich genug auf die wahre Ursache der Entfremdung hin. Alle«, was die nationalliberale Partei in Wirklichkeit verlangt hat, war eine wohlwollende Verständigung zwischen R-grerung und Parlamentsmehrheit über die von der Gesammtpolitik einzu haltend« Linie. Da« nennt Fürst Bismarck eine Zumuthung, sich in den Dienst einer Partei zu stellen, wie er jede Oppo sition gegen irgend eine seiner Vorlagen sofort als eme .ffeindliLe" Haltung der betreffenden Partei betrachtet. Diese Grundanschauung unsere» leitenden großen Staatsmannes ist es, welche ein dauerndes Zusammengehen desselben mit einer selbstständigen Partei unmöglich machen muß. Das Ergebniß der Nachwahlen im dritten und fünften Berliner Wahlkreis war eine Bestätigung und Er- läutcruua der Resultate vom 27. Oktober. Im dritten Wahlkreis wurden oei 28,886 eingeschriebenen Wählern 19,442 Stimmen abgegeben. Es erhielten der Candidat der Liberalen Rechtsanwalt Munckel 11,498, Pros. Ad. Waaaer (eons.) 4198. Sattler Auer (Socialdemokrat) SS87. Es ist somit Rechtsanwalt Munckel gewählt. Am 27. Oktober hatten v. Lancken 12^4«. Julius Schulze («ns.) 4927, Henrik, (Autiskmlt) 843, Liebknecht (Social- demokrat) 24Ü2. Im fünften Wahlkreis stimmten von 2l,08S einge schriebenen Wählern 1S.0S2. Es erhielt der liberale Candidat Pros. vr. Günther 934 l, Redakteur Cremer (cous.) 3932, " " Bebel 1709 Stimme». E« ist somit Pros. Günther <« 27. Oktober erhielt Luze» Richter 11,127, Lremer 8807. eine sorialdemokratische Landldawr war damals nicht anfgrstell». In beiden Wahlkreisen hat sich die Zahl der liberalen und der conservativen Stimmen vermindert, die der social- demokratischen Stimmen dagegen nicht unbeträchtlich vermehrt. Der Verlust an Stimmen ist absolut und relativ am stärksten auf der konservativ-antisemitischen Seite im dritten Wahlbezirk, wo Herr Wagner 1600 Stimmen weniger hatte als die Dioskuren Schulze und Henrici. Der Eanvi« datenwechsel hat an der Sache jener Partei offenbar Nicht verbesserl und Herr Wagner hätte sich einen vierten Durch sall in derselben Wahlperiode ersparen können. Herr Munckel erhielt 1400 Stimmen weniger al« sein Vorgänger. Für Herrn Günther im fünften Kreis waren etwa 1800 Stimmen Verlust zu buchen, für Herrn Cremer etwa 1400, also mehr wie ein Viertel seiner früheren Wählerzahl. Wie es heißt, ist an Stelle de« General-Feldmarschall- Grasen v. Moltke der General ä I» enitv und derzeitige Chef des Generalstabe« de« lO. Armee-EorpS, Gras von Waldersee, zum Chef des Generalstabes der Armee ernannt worden. Gras Moltke tritt zwar nicht formell in den Ruhestand, sondern bleibt gewissermaßen wie eine über wachende obere Instanz in seinen zahlreichen Stellungen, die eigentlich« Leitung der GeneralstabSgeschäfte selber übernimmt Gras Waldersee aber selbstständig. E« wird durch diese« Arrangement einem speciellen Wunsche de« Feldmarschalls Grafen Moltke entsprochen Graf Waldersee hat vor seiner Versetzung nach Hannover Demselben lange Zeit al« Abthci- lungSchcf im großen Grneralstabe zur Seite gestanden, nament lich auch hervorragenden Antheil an der Abfassung deS publl- cirten GeneralstabSwerke« Uber den letzten französischen Krieg genommen. Seit langen Jahren bezeichnet« ihn die Ansicht aller Militair» als designirten Nachfolger unsere« großen Strategen Moltke und Ueberraschuna wird diese Ernennung daher nicht erregen. Daß sie nunmehr erfolgt, ist nur eine Folge der Nothwendigkeit, den Grasen Moltke bei seinem hohen Alter von den, ganzen Detail der Geschäfte möglichst zu entbürden. Graf Waldersee war im Laufe der vcrganqc- nen Woche für rinmc Tage in Berlin anwesend und sind bei dieser Gelegenheit die letzten Einzelheiten de« neuen Arrangements erledigt worden. Die Berliner „Post" schreibt: von einer Seite, welche über die Gtimmmiaen in höheren gesellschaftlichen Kressen gut unterrichtet zn sein pflegt, für welche wir aber keine an dere Bürgschaft übernehme» al« die der Treue eines Echo-, wird u»S über die jeder Conjectur offenstchenden augenblick lichen Aussichten auf die Besetzung deS sürstbischöflichen Stuhles von BreSla» Folgende« berichtet: Mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit wird der künftige Fürst bischos von Breslau in der Person des HauSprSlaten de« Pap sic« und Bikar« voo Ostrom», Prinzen Radziwill, erwählt werden. Jedenfalls ist er von de» Laadtdaten der dem Kaiser angenehmste und seine Haltung der Negierung gegenüber, namentlich in den letzte» Jahre», wird für diese keinen Anlaß zu Bedenken bieten. Der Geiiauutr steht in der Mitte der dreißiger Jahre und wäre nicht der erste Kirchenfürst au« dem polnischen Fürstenhause, welche« der römischen Kirche in frühere» Jahre« bereit« zwei Lardtnäle ge lieser» hat. Man schreibt un- auS Berlin: „Der plötzliche Tod de- Kanoniku« vr. Künzrr in BreSlau erregt hier viel Tlieil nahm«. Al« gegen da» Ende der secbSziger Jahre der da mal- in der Fülle der ManneSkrast stehende seingebildete, redegewandte Priester, der sehr einflußreicher Verb'iiiduiigen sich rükmen konnte, in den parlamentarischen Versammlungen, im preußischen Adgeordneienhause wie im norddeusschen Reichs tage erschien, war alle Welt geneigt, ibm eine große Zukunst zu provhezeihen. Vielfach erblickte man in ihm den Nach folger ve« vr. Förster auf dem sürstbischvflichen Stuble zu BreSlau. Wäre da« Vatikanum und Alle-, was sich daran knüpfte, der Eulturkanips und das „StaatSpriesterthuni" nicht dazwischen getreten, so stände Künzer's Name heute aus der vom BreSlauer Domrapikel sestgestellten Candidatenliste. Im Parlamente war der verstorbene besonder« bekannt geworden durch sein mannhastes Festhalten an der Verwerfung der Todesstrafe, als da« Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund im Frühjahr 1870 z», Brrathimg stand und zwischen der zweiten und dritten Lesung an der vom Reichstag beschlossen« von der Regierung für unannehmbar erachteten Abschaffung der Todesstrafe das ganze Geseygebuugswerk zu scheite« drohte, vr. Künzer gehörte wie die meisten katholischen Ab geordneten, die nach der Conflictzeit au« scblesischen Wahl bezirken ins Parlament geschickt wurden, wie Gras Johanne« Renard, mit dem er besonder« befreundet war, Fürst kich- nowskh. Herzog von Ratibor, Bahlmann. der jetzige vortragend« Rath «m Eultusministerium. Haucke u. A. der freiconservative« Partei an. Den Maigesehen hat er. soviel an ihm war. Ge horsam geleistet, aber die Ultramontanen können triumphireu, daß er wenige Tage vor seinem Tod« auch seinen Frieden mit der Kirche gemacht hat." Gras deSaint-vallier wurde am Montag Nachmittag S Nhr vom Fürsten Bismarck empfangen und von Diese« für 8 Uhr zum Diner eingeladen, bei dem der Reichskanzler höchstwahrscheinlich dem Botschafter die osficielle Ernennung des Baron de Eourcel mitgetheilt hat. MPhons« Baron de Lonrcel, geboren am 30. Juni 1888, studirte, wir die „Nat.-8-" meldet, »»Heidelberg Iura und erwarb dort de» Titel eines Loctor« der Rechte. Am 6. Inn» 1889 zum Altachs in der politisch« Ubtheilnug de« Auswärtigen Ministerium» ernannt, wurde er am v. J«»i 1889 als AttachS der Gejaudsschaft ki Brüssel, und am 11. April 1881 in derstlben Eigenschaft d« Legalto« in Ht. Petersburg urgetheilt. Am 27. Derember 1888 wurde er »um Secretair 2. »lasse befördert und als solcher «u 30. Angnst 1866 «nm.Oberrechuungshofe versetzt. Am 7. AnaH 1869 »um Seeretair 1. Llass« befördert, erhielt er am 31. Oktober 1868 dt« Stille eine« Subdtrrctors in der politischen Abthetlmig, in welcher Stellung er am 10. Februar 1877 zu« bevollmächtigte» Minister 2. Elaste ernannt wnrd«. Dnrch ministeriellen Erlaß am 4. Februar 1877 beauftragt, den Direktor der politischen Abtheilnug zu vertreten, nmrdr Baron de Lonrcel am 30. Januar 1880 zum Direktor der politischen Augeteaenhetten, am 27. znm Diaatsrath, am 17. Februar 1680 »um Minister 1. Llasse, am 12. Juli 1880 »um Lonnnandtur der Ehrenlegion und au» 18. September 1880 »um ständige« Direcwr der politische, AbtheitU» und des Staat«, archtve« ernannt. Baron de Loorrel ist, «» «egensatze zu seine« Vorgänger ans dem berliner Botschastrrpoften, vermählt. Hiernoch wird »nnmehr die Baronin Lonrcel, welch« in diplomatische» Kress« als ein« sehr distinguirlr «nd geistreiche Dam« geschildert wird, dt« Honnenrs im Patais der französische» Botschaft machen. Rach den bi- jetzt bekannt gewordenen Ergebnssse» der Wahlen der Delegirten für di« französisch«» Senator«». Wahlen gehören viele der Gewählten der Partei Gambetta au: auch sollen viele Maire« gewählt fein. Di« «udgiltig« Fcttstcllung der gesammten Resultate dürste erst in ewig« Tage« möglich sein. Einige Pariser Blätter meinen, es dürste die republikanisch« Mehrheit des Senats einen Zuwachse von einigen 20 Stimmen erhalten. — Dem „Temps" zufolge würde der bisherige Direktor der politischen Angelegenheiten im Ministerium de« Auswärtigen, Baron v. Courcel, als Botschafter nach Berlin gehen; dasselbe Blatt bestätigt, daß General Chanzy Botschafter »n Petersburg bleiben iverde. — In der Deputirtenkammer wurde der Bericht der Commission zur Vorberathung der Nachtragscredite für Tunis vorgelegt; di« Berathung desselben findet voraus sichtlich am Donnerstag statt. Dem Papste scheint in der Thal der Boden unter den Füßen zu brennen. Wie die „Nat.-Ztg." au« London meldet, ist an da« englische Cabinet glnch wie an Preußen die Frage gelangt, welcher Ausnahme der Wunsch de« Papses, nach Malta üverzusiedeln, begegnen würde. Trotz der katho- iisirenden Neigungen Gladstones ist die Antwort ablehnend ausgefallen. Selbst in Malta erschien dem leitenden StaatS- manne das Papstthum zu nahe an da« englische Staat-Wesen herangerückt, man wollte nicht dem Papstthum durch Auf nahme aus englischem Boden den Charakter einer englischen Einrichtung neben dem internationalen Charakter ausdrücken. ES ist für die Bestrebungen de« PapstthumS sehr bezeichnend, daß e« wegen feine« zukünftigen Sitze« gerade mit den beide» protestantischen Vormächten in Verhandlung getreten ist. lieber den gegen den General Tscheremin verübten Mordversuch veröffentlicht der „Petersburger RcgierungS- bote" eine amtliche Mittheilung, welche bestätigt, daß der Thäter Nicolai SankowSky ein Edelmann auS dem Gou vernement Grokno sei und daß sein Reisebegleiter auf der Fahrt von MoschanSk nach Petersburg, der Bürger Mel« nikow, ebenfalls verhaftet wurde. Dieser neue Anschlag gegen das Leben eine« hohen Staatsbeamten giebt den feil einigen Tagen in der russischen Hauptstadt verbreiten Gerüchten von bevorstehenden nihilistischen Attentaten einen gewissen Rück halt. Weiter wird auS Petersburg gemeldet, daß der Generalstabschef Nepokoitschitzki. an dessen Leichen- begängniß General Tscherewin theilzunehmen im Begriff« stand, als der Angriff gegen ihn erfolgte, ebenfalls ein Opfer der Nihilisten und an Vergiftung gestorben sei. ES heißt ferner, daß der Kaiser vor einer Woche einen Brief er halten habe, worin er aus die schlechte und zwecklose Be wachung aufmerksam gemacht und ihm erklärt wurde, man werde seine sämmtlichen Adjutanten niederfchießen, „m ihm da« z» beweisen, ssrrner bringt die Londoner „Allg. Corresp." folgende bisher nirgend« weiter bestätigte Schauergeschichte: Ein in London einaegangenk« Telegramm au« St. Peters burg bestäligt die schon früher eingetroffene Meldung, daß ein neues nihilistisches Lomplot gegen das Leben de« Zaren entdeckt worden. Dieses Lomplot war höchst phantastischer Art. Der kaiserliche Palast in Galschina sollt« mittelst eines mit Dynamit und andere» Spreng stoffen gefüllten Ballons in Brand gesteckt und in der dadurch vernr- sachten Vcnv rrung der Zar sowie etwaige andere anwesend« Mit- glieder der kaiserliche» Familie entführt werden. Die von de»' Polizei beschlagnahmt« Maschinerie zeigt, daß für di« Ansführung des Lomplots alles in Bereitschaft war; doch wurde dasselbe durch die Verzagtheit eines jüngeren Mitglied«- der geheimen Liga ver» eitelt, welches einen anonymen Brief an de« Zaren richtete und ihn darin benachrichtigte, daß Gatschina niederaebrannt und er bald ein Gefangener in der ««»alt der Nihilisten sein würde. Dieser Brief ward der Polizei übergeben, welch« bald in der Lage war, Per« Haftungen vorzunehmen. Unter den Verhafteten befinden sich der Polizeiches einer bedeutenden Provinzialfiadt, zwei Töchter eine» hohen Staatsbeamten, zwei Kaufleote. welche da- von de» Per- schworenen gebrauchte Matrrial geliefert, sowie eine große Anzahl Studenten und gewiss« thätig« Mitglieder des Nihilisteabundes. Die serbische Ressierung hat einen Postvertra^ mit Bulgarien abgeschlossen. — Zu Ehren deS italienischen Gesandten Tosi fand in Belgrad am Montag ein Galadinrr statt; ein gleiches Festmahl wird Dienstag zu Ehre» de« österreichisch-ungarische« Gesandten, v. Shevenhueller, statt« finden. — Für den Gesandtschaft-Posten in Bukarest ist Kaljevir, für denjenigen in Wien Mijetovir in Aussicht ge nommen. — Bei den Grmemdewahlen in Belgrad siegten di« Candtdaten der FortfchriNSvarkei.
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