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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188510217
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18851021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18851021
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-10
- Tag1885-10-21
- Monat1885-10
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1885
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Erscheint tägltcd früh SV. Uhr. Ke-aclion »n- Lr-edUlo» IohauueSgasse 8. Sprechstunden der Ke-actiou: Vormittags 10-12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. GM « »Mt»«»> n»,«i<u>»l«r vt»uui«r>m» »M» «»» mrdmäl«. NMgcr >»«Gtz»i »er für »te «SchM«l»e»»e »««»er ßesttmmieu Jaserare »» Sachentage» ßi» S Uhr Nachmitt«»«, a» E«»«-»»» Ketttagcu früh ßi»',,» Uhr. 2» den Filialeu für Ins.-^nnuhule: Ott» Al»««, UuiversüLtSstraße 1. raut» Lösche, katharmeuftr. 23, p. ,»r »t« '/.» Uhr. ^ 294. Amtlicher Thetl. »rr»icht«n- der »e-amatlon in der nenen Msr zu IriPjig. Zum 1. Juli 1886 — aus Wunsch auch zu einem etwas früheren Zeichuricte — soll die Restauration in der neuen Börse zu Leipzig, «ad zwar zunächst auf 6 Jahre, verpachtet werden. Dieselbe be steht au» den gewölbten Kellerräumeu, von welchen die zur Ausnahme va» Güsten bestimmten Räume rnnd lOOOqm, die WinhlchaftSräume — »ngerechaet Treppen. Bange u. s. w. — rund 350gm umfassen, stdcherdem wird dem Wirthe die Verpflegung der Gäste der im Erd- geschoß befiudlichen Lesehalle »usalle». Die Wohnung sür den Wirth liegt im Obergeschoß; dieselbe beßaht au- 6 Zimmern und umsaßt 165gm; nöthigeniall» können »och 1 bi» 2 Raume im Obergeschoß dazu gegeben werden. Die Einführung elektrischer Beleuchtung, sowie die Beschaffung dil erforderlichen Mobiliar» bleibt der Bereinbarung Vorbehalten. Die näheren Bedingungen sind aus unserem Bureau einzusehen; daseihst liege» auch die Pläue au». Abschriften sind auf Wunsch gt-e» Erstattung der Berläge zu haben. Pacht!listige werden ersucht, ihre Gebote bt« »»« s November ». I. kchrkWch bet dem Bureau der Handelskammer, Neumarkt 38, k., Leipzig, de» 13. Oktober 1885. Die Handelskammer. Wach-muth, Bors. vr. Gensel, S. Ans Unmchnung de» Sönigl. Ministerium de» Innern sollen die staticarreuz.Lntwürfe zum Neubau einer Kunstgewerbeschul- ,c. M Leipzig in der Zeit vom 21. bi» mit 28. Oktober öffentlich au», gestellt werden. Die Ausstellung findet in der hierzu vom Rathe der Stadt Leipzig überlafleara Aula und dem Ze>ch«n-^aale der »e»«» achte» Beztrksschule a» »er Südstrahe während der Stnude« von scüb 10 Uhr bi» Nachmittag 4 Uhr statt, und erfolgt der Ausgang nach den AuSstelluugS-Räumen durch di» zunächst der Südstrane gelegene Eingang»tbür. Königi. Landbauamt Leipzig, am 17. Oktober 1885. Raust, Laadbaumeister. Kuctio». DouurrStaa, »«n SS. vetaber 1883, Nachmittags 2 Uhr, « den Meistbietenden gegen sofortige Baarzahluog öffentlich zur VnHeiaeriwa. Leipzig, den 19. Oktober 1885. Der «erichtSvOstzteier bei» »öniglicheu Amtsgericht daselbst. Bekanntmachung. Der Musikdirektor Hartenstein au» Sondershausen soll in einer hier schwebenden Uatersuchungtsache al» Zeuge vernommen werden. E» wird um Mitteilung des Auseathalte-^desselben ersucht. I. ». I. Xo. 16734 85. Eoblenz, den 17. Oktober 1885. »Sntgltche Staatsanwaltschaft. A«zeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Mittwoch den 21. October 1885. Nichtamtlicher Theil. Jur Lalkanfrage. DaS erlösende Wort, welche-so lange bei den Berathungen der Mächte über di« Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel vermißt wurde: „die Wiederherstellung de« »tatns quo", jetzt ist »S endlich gefallen. Rußland hat allen Ernstes in der Botschafterconferenz die Wiederherstellung des Status g»o augercgt und die türkische Regierung hat demzufolge in ihrer Antwort auf die Erklärung der Botschafter vom 14. October die Mächte ersucht, den Fürsten von Bulgarien zur Rückkehr nach Sofia aufzusordern. Was die Lösung der vorhandenen Schwierigkeiten hauptsächlich verhinderte, war die überall aus der Balkanhaldinsel, die Türkei oicht ausgenommen, herrschende Ueberzeugung, daß Rußland- Politik in der ost- rumelischen Frage nicht aufrichtig sei und daß eS nur nach einem Borwanve suche, um sich zum Schaden der Türkei eiuzumischen. In diesem Sinne wurde der Empfang der bulgarischen Deputation m Fredenöbora und die halbamtlichen Kundgebungen im „Journal de St. PüterSbourg" gedeutet. Nicht minder bedenklich erschien die Haltung Oesterreich- Ungarn-, welche durch die Begünstigung der serbischen Wunsche und durch geheime eigene Pläne bestimmt zu werden schien. Es konnte nicht fehlen, daß die Antwort Tisia'S aus die Interpellationen im ungarischen Abgeordneten bause, welche bekanntlich die eventuelle Handlungsfreiheit OesterreiLS aus ver Balkanhaldinsel verkündete, im Sinne eines Vormarsches nach Salonichi gedeutet wurde. ES hat längerer Verhandlungen zwischen den Mächten bedurft, um volle Klarheit in die Lage hineinzubringen und alle Hintergedanken zu beseitigen. Rußland ist m dieser Beziehung mit gulem Beispiel vorangcgangen und hat dem englischen Anträge auf Wiederherstellung des statu» quo bei gestimmt. Damit war die Bahn gebrochen, aus welcher Oester reich folgen mußte, und damit war auch den kleinen Balkanstaaten Serbien und Griechenland die Möglichkeit verschlossen. Compen- sakionen geltend z» machen. DaS vcrhängnißvolle Wort von der Herstellung des Gleichgewichts aus der Balkanhaldinsel war aus diese Weise beseitigt. baS Gleichgewicht war vorhanden, sobald die bulgarische Union rückgängig gemacht wurde. Dieser Wahrnehmung hat man sich in St. Petersburg und Wien nicht verschlossen, uno dadurch allein konnten Serbien und Griechenland in Schranken gehalten werde». Sobald Rußland und Oesterreich sich ihre Freiheit, zu handeln, vor» behielten, hatten sie gut Rathschläge an Serbien und Griechen land ertheilen; diese Staaten konnten sich mit Erfolg aus den Standpunkt deS passiven Widerstande» stelle» und im Vertrauen aus die gleichartigen Absichten Rußlands und Oesterreichs im Trüben fischen. ES hat lange gedauert, bi» die Mächte sich znr vollen Klarheit der Sachlage durchgerunge» haben, vom lS. September bis z»i» 14. October; heule ist die Klarheit aber erreicht und der Erfolg ist die Aufrechthaltung des Friedens auf der Balkanbalbinsel. Wie sich dieser Umschwung vollzogen hat, wird erst nach und nach zur öffentlichen Kciintaiß gelangen, aber es besteht kein Zweifel, daß die deulsche Politik die Ursache desselben ist. Die .Norddeutsch« Allgemeine Zeitung" war eS, welche zuerst ans die Wichtigkeit der Uebereinstimmung der Mächle über die fortdauernde Geltung deS Berliner Vertrage« aufmerksam machte, welche in den Erklärungen der Türkei, deS Kaisers von Rußland und des Ministers Tisza zu Tage getreten war. Sollte der Berliner Friede aber in Kraft bleiben, so mußte man aber auch aus die Wieder herstellung deS stntus quo al- die unvermeidliche Eonsequenz kommen. DaS mag Rußland schwer genug geworden sein, denn diese Macht hat niemals daraus ein Hehl gemacht, daß ihr die Vereinigung Bulgariens und OstrumelicnS angenehm ist, natürlich, weil dadurch einer der Hauptpunkte deS Friedens von San Stefano verwirklicht worden wäre. DaS war aber gerate der Zweck des Berliner Friedens, so qrnnd- stürzende Umgestaltungen der Verhältnisse aus der Balkan halbinsel zu verhindern. Die Türkei war in dem Glauben besangen, daß Deutsch land, Rußland und Oesterreich über die Ausrechthaltung der bulgarischen Union einverstanden seien und danach richtete sie ihr Verhalten ein, nun wurde ihr aber am l4. October durch die Botschaftererklärung der Beweis geliefert, daß dieser Glaube ein Wahn gewesen, und daher ihre Freude. Die Stelle in der Botfwastererklärung, welche den Fürsten von Bulgarien und die Regierung in Philippopcl aussordert, zur Ordnung zurückzi.kehren, war wirklich in dem Sinne der Wiederherstellung veS statu» qno auszusassen, daber die Freude der türkischen Regierung über die Erklärung, die sonst nicht zu verstehen gewesen wäre. Aber die Erklärung hat nur eine vorläufige Bedeutung; die Beschlüsse über weitere Maßnahmen sollen erst von einer nach Konstantinopel zu berufenden Conserenz gefaßt werden. Die Einladungen zu dieser werbe» vonderTürkel erlaßen und den Vorsitz in derselben wird Said Pascha, der neue Minister deS Auswärtigen, sühren. Um keinen Zweifel über die Absichten der türkischen Regierung über DaS, waS sie von dieser Conferenr erwartet, zu lassen, hat sie auf die Erklärung der Botschafter mit dem Gesuch geantwortet, daß die Mächte den Fürsten von Bulgarien zur Rückkehr nach Sofia, also mit anderen Worten zum Verzicht aus dieHerr- schast über Ostrumelien aufsordern möge». Und die Mächte sind darüber einverstanden, daß der Zweck der Conserenz die Wiederherstellung de- statu» gmr aus der Balkanhalbmsel sein muß. In sehr wirksamer und einleuchtender Form hat di« .Norddeutsche Allgemeine Zeitung" die Lächerlichkeit der ser-- bischen und griechischen Anmaßung, den europäischen Frieden zu stören, bloßgestcllt. Sie greift auf die Tcnkschnst st>er Botschafter zurfick, in welcher gesagt ist, daß dem Ehrgeiz« einzelner Stämme aus der Balka'nhettbinsel nicht die Befugniß eingcräumt werden könne, den Frieden der großen Mächle nach Belieben iu Gefahr zu bringen, indem sie unter einander oder mit der Türkei Händel anfangen und dabei entweder mit oder ohne Absicht außer Acht laßen, daß die Folgen ihrer selbstsüchtigen und kurzsichtigen Politik die Großmächte nölhigen könnten, in den Streit einzugrcifen und ihren sonst so sorg sam behüteten Frieden zu stören. Dann führt aber daS halb amtliche Organ den Hauplscklag gegen die kleinen Balkan staaten durch Betonung deS Mißverhältnisses, in welchem die durch die Großmächte repräsentirten 30V Millionen zu den 6 Millionen Griechen, Serben und Bulgaren einschließlich Ostrumelien stehen. ES ist allerdings selbstverständlich, daß, wenn die 300 Mil lionen über Aufrechlhaltung de« Friedens einig sind, ein Wort genügen muß. um die Handvvll Serben, Griechen und Bul garen zur Pflicht zurückzusühren. Es liegt in dieser Aus einandersetzung eine scharfe Kritik deS bisherigen schwankenden Verhaltens einiger Großmächte, welche de» Ausspruch deS erlösenden Worte« so lange verzögert haben. WaS hätte denn gehindert, zwei Tage nach der Vereinigung von Bul garien und Ostrumelien eine Collectivnote der Mächle nach Philippopel und Sofia zu richten, in welcher die Wieder herstellung deS statu» qua verlangt wurde? Um einen solchen Schritt zu ermöglichen, bedurfte eS aber der Verhandlungen von fast einem Monat. Beweis genug, daß daS gerühmte Ein vernehmen der Mächte über die Behandlung der Krisis aus der Balkanhalbinsel ursprünglich nicht vorhanden war, sondern erst allmälig gewonnen worden ist. Mag dem sein wie ihm wolle, jedenfalls ist eS hocherfreulich, daß e» gelungen ist, die Einigkeit wenigsten« nach träglich herzustellen. Der Berliner Friede schien am 18. September ein werthloseS Stück Papier, mit welchem jeder Bulgare. Serbe oder Grieche nach Belieben seinen Un fug treiben konnte; heute ist eS offenkundig, daß der Haupt urheber deS Berliner Frieden- den Willen und die Kraft hat, ihn aufrecht zu halten und wenn dadurch auch Lieb- lingSwünsche mancher Großmacht im Busen Derer, die ihn hegen, verschlossen bleiben müssen. Die Türkei ist heute die Beherrscherin der Lage aus der Balkanhalbinsel unter der Zustimmung der Unterzeichner deS Berliner Vertrage«, wahrlich ein großer Erfolg deS Politik de« Fürsten BiSmarck. * * Leipzig, 21. Oktober 1885. * Man schreibt unS auS Berlin: „Wenn neuerdings mit großer Bestimmtheit der 20. November als der Termin für dre Einberufung deS Reichstages bezeichnet wird, so können wir dem gegenüber nur unsere bestimmte Ver sicherung Wiederbolen, daß in dieser Beziehung noch keine Festsetzung getroffen ist. Aber, wie wir bereits auSgefllhrt, richtig ist e«, daß der Beginn der parlamentarischen Campagne im Anfang der zweiten Hälfte deS nächsten Monat- zu erwarten steht; ob die» einen Tag früher oder später der Fall sein wird, darüber erscheint un- der Streit um so müßiger, al« bereit» die nächsten Tage die amtliche Bekanntmachung bringen werden. — Völlig auS der Lust gegriffen ist die andere Meldung, daß der Zusammentritt de« preußischen Landtage« bereits für den ll.Dccember — wenige Tage vor den WeihnachiSserien — in Aus sicht genommen sei. Ucber die Einberufung deS Land tages haben noch nicht einmal Aerathnngen stattge sunden. ES ist höchst wahrscheinlich, daß der Land tag auch für die neue Session erst Mitte Januar berufen wird. Die« wenige Tage vor dem Weihnacht-fest zu veranlassen, hätte Praktisch nichts sür sich, würde aber dem Reichstage da» Arbeiten unnöthiger Weife erschweren und ihm von der knappen ihm zur Verfügung gestellten Zeit noch ein gut Theil rauben, wo die parlamentarische Bevrängniß sich am empfindlichsten süblbar machen würde. — I« näher übrigen« der Beginn der Parlament-saison rückt, um ko leb hafter gestaltet sich die Wahl beweg unq wie im ganzen Lande, so auch in Berlin. Im zweiten Berliner Wahlkreise hat Professor Gneist die ihm von der »ationalliberalen Partei angebotene Candidatur angenommen, und wie sehr diese Candidatur von fortschrittlicher Seite gefürchtet wird, zeigt sich am bellen daraus, daß man eS sür gut befunden bat, Herr» vr. Slraßmann zu verabschieden, wogegen Herr Engen Richter sich selbst Herrn Gneist enlgegenstcllt. Herr Richter hat denn auch seit längerer Zeit wieder zum ersten Male in Berlin, und zwar vor den fortschrittlichen Wal-lern de« zweiten Wahlkreise«, daö Wort genommen. Gegen Herr» Gneist wußte Herr Richter selbst in der AgitalionS- rede nichts weiter vorzubringe», als daß er sich zur gemäßigt liberalen Partei zähle und im Uebrigen eine ReminiScenz aus der sogenannle» Conflictsperiodc, aus einer Zeit, welche wir völlig verwunden zu haben glaubten und in welcher Herrn Gneist — damals war Herr Richter noch ein recht unbekannter Mann — wegen seines Verhaltens gerade von den Gesinnungsgenossen des Herrn Richter der vollste Beifall gezollt wurde. Während Herr Gneist seit dem Jahre 1863 recht viel gelernt und viele« vergessen hat, siebt Herr Richter noch aus dem .ConsticlSstandpnncle". als ob die Jahre 1868 und 1870 gar keine Bedeutung gehabt, als ob nicht doch die Macht- und Weltstellung Preußens und Deutschlands eine andere geworden wären als vor einem Vierteljahr- Hundert. Herr Gneist hat eS vorgezogen, sich „dienend dem großen Ganzen" anzuschließen, während Herrn Richter'« ganzer Ehrgeiz darauf gerichtet bleibt, zu herrschen, wen» auch sonst Niemand damit gedient sein mag. Mag der Staat, mag daS Reich noch so sehr darunter leiden — wenn nur daS „Brincip" gerettet ist, wenn nur die Fraktion erhalten bleibk. UebrigenS ist anzuerkennen, daß Herrn Richter'S jüngste Rede von Ausfällen gegen den Reichskanzler frei war, daß sie überhaupt, soweit die» Herrn Richter'« Temperament zniäßl, sich im Vergleich zu früheren Wahlreden als gemäßigter charaktcrisiren läßt. — Wie der Ausfall Ver Wahlen in Berlin sein wird, läßt sich schlechthin heute noch mcht absehen. Die statistisch erwiesene Thatsacke, daß gerade der rößte Theil der gemäßigt liberalen und gemäßigt konservativen Bürger von der Heiligkeit Ver Wahlpflicht ganz und gar nicht durchdrungen ist und dieses Staatsbürgerrecht ver nachlässigt, macht jede Vorausberechnung zu Schanden. Die extremen Element«, di« Fortschrittler und Antisemiten, leisten auch diesmal in der Agitation da« Aeutzerste, und es muß berücksichtigt werden, daß die Nationatliberalen in der Reichshauptstadt zum ersten Mal bei den Wablen auf den Plan treten, und daß ihnen die Uebung, die Routine, welche nicht unterschätzt werden darf, völlig abgehcn daß sie zudem gewisse Mittel, der vornehmeren Natur ivrer Anhänger entsprechend, jederzeit verschmähen werden. Aber der Werth des Auftretens der Mittelpartei hat weit mehr al« locale Bedeutung, eS ist ein Beispiel sür ganz Deutschland. Die Ueberzeugung bricht sich immer mehr Bahn, daß sür die gedeihliche Entwickelung und Consolivirung der Verhältnisse eine größere Ruhe erforderlich ist. daß die Extreme, der RadicaliSmus von rechts und links mehr zurücktreten, daß alle staats erhaltenden Kräsle sich dazu die Hand reichen müsse». Darum muß der Culturkampf „versumpfen", darum Vars unter keiner Firma ein Rcissenkampf toben, von Antisemitismus die Rede sein, darum ist die Durchführung speciellercr, wenn auch an sich vielleicht berechtigter Wünsche und Forderungen zunächst zu vertagen, und alle monarchisch und national gesinnten Elemente haben sich zusaiiimenzuschließen, um gegenüber dem Umsturz und der Unterwühlung der Grundlagen von Staat und Gesellschaft, um de» Gefahren gegenüber, welche dem jungen Reiche drohen, eine feste Phalanx entgegenzustellen. Diese kann nur in einer Mittelpartei dargeboten werden, und die Anregung nicht nur, sondern den Änfang zur Bildung derselben gemacht zu haben, ist ein große- Verdienst der Reickshauptstadt und der Männer, welche den Muth dazu gehabt und belhäligt haben." * Die „Nalionalliberale Correspondenz" schreibt zur Parten läge: „Die „Post" ist verstimmt, daß in einzelnen preußischen Wahlkreisen die Dinge nicht ganz den von ihr ge wünschten Verlaus nehmen, und glaubt Ursache zu haben, den Nationalliberalen darüber Bonvürse zu machen. Die „Post" weiß recht gut, daß in vielen Wahlkreisen die Wahl diSpositionen sich nach ganz localen und persönlichen Verhält nisten ohne irgend welches Zulhun der Parteileitung und ost auch ohne Rücksicht auf die politische Gesammtsiluation voll ziehen, und solche einzelne Vorkommnisse dürfen dann auch nicht zur Kennzeichnung der Stellung der Parteien im All gemeinen auSgebeutet werden. Im großen Ganzen ist zwischen den beiden gemäßigten Richtungen bei diesen Wahlvor bereitungen ein so weitgehendes Einvernehmen, wie nie zuvor, erzielt worden, und daran können einzelne Vorgänge, die im Widerspruch mit der Gesammtausstellung zu stehen scheine», nichts ändern. Solche Vorgänge wären vielleicht überall ver mieden worden, wenn die sreiconscrvotive Partei sich noch schärfer von der hochconservaliven Rechten losgesagt hätte. Aber auS Schonung sür einen sreiconservativen MandatS- inhabcr überall noch einen bochconservativen mit in Kauf zu nehmen, kann den Nationalliberalen auch nicht zugcmuthet werden. Wir könnten ver sreiconservativen Partei z. B. auch einen Borwurf daran- machen, daß in Kassel gegen den Abg. EnnecceruS ein freiconservativer Candivat anslritt. WaS speciell den Fall in Hatte betrifft, der im Mittel- punct der Rccriminationen der „Post" steht, so darf doch nicht Übersehen werden, daß das dort zu Stande gekommene Compromiß lediglich die Sanction deS bestehenden Zustande« und daß Ver linksliberale Candivat, der bisherige Abgeordnete Spielberg, ein höchst gemäßigter Mann ist, der in wichtigen Fragen den Nationalliberalcn sehr nahe steht, der deutsch sreisinnigen Fraktion nicht angehört und den au« seinem Besitz zu drängen, sür die Nationalliberalen kein Anlaß vorlag. Etwa« andere» wäre eS. wenn hier die Freiconservativen im Besitzstand wären. Wir wiederholen, die sreiconservative Partei und Presse möge nickt einzelne locale Vorkommnisse verallgemeinern und daran« Schlüsse ziehen, die mit der Ge sammtsiluation, wie sie sich i» der gegenwärtigen Wahl, bewegung darstellt und hoffentlich auch weiterhin bei der praktischen gesetzgeberischen Arbeit aufrecht erhalten wird, in Widerspruch stehen." * In einer am letzten Sonnabend in Berlin gehaltenen Rede bat der konservative Abg. Professor Adolf Wagner sich entschieden tadelnd über den konservativen Einbruch in Hannover ausgesprochen und denselben sür ein große» Unrecht erklärt. Seiner Partei ries er u. A auch zu. ein Zusammengehen mit dem Centrnm sei nicht möglich, so lange dasselbe von dem Welsen Windthorst geleitet werde. Die Conservaliven müßten nationale und nicht katholische Politik machen. WaS sagt die „Kreuzzeitung" dazu'? Auflage 1U,01>0. Zboiinkmknlsoreis viertel;. 4V, Mk. incl. Brinqrnohn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer Ä) Ps. Belegexemplar 10 Ps. Sebüdrcn iür Extrabeilage» <in lagevlatt-Format gesalzt) ohne Poftbesörderung 30 Mk. «tt Poftbesörderung 48 Mi. Inserate Sgejpaltem Petitzeile 20 P'. Gröbere Schriften laut uas. Pre>soerzeichniß. Tabellarischer u. Zisjernsah nach höher,» Tarn. Keclamr» »Mer dem Redactioa-strlch dte4gespa!t. Zeile50Ps., vor de» Familiennachrichlii, die 6gespaltene Zeile 40 Pf. Inserate find stet- au die ErpcSltian j» ieubeu. — Rabatt wird mcht gegeben. Zahlung praenmnt-rauäo oder durch P-si- aachnahme. 79. Jahrgang. * In Folge der Nachricht, daß dem deutschen Reichstage demnächst »ach Wieoerzusaininentritt eine Vorlage über den Vau des Norb-Ostiee-CanalS zuqehen wirk, macht sich in der Umgegend von Kiel die Spekulation in Erwerb von Grundstücken rege. Ein Berliner Capitalist kaufte bereits vor längerer Zeit mebrere an der Mündung VeS jetzigen schleSwig- holüeüiischen E,der-CanalS belegcne Koppeln, die bislang nickt weitere Derwerthung sanken, als daß ei» kleines Sommcr- häuSchen aus dem Höhepunkt erbaut wurde. Neuerdings haben ferner Kieler Geschäftsleute einen nicht unbedeutenden Grundbesitz an der Hollenauer Straße, die von Kiel bis an ken Canal führt, erworben. Fall- die Durcklegung des Canals mil dem Endpunkte Holtenau zur Verwirklichung ge langt. geht Kiel zweifelsohne einer großen Zukunft entgegen, und man wird mil der Annahme nickt fehl gehen, daß sodann in kurzer Zeit die Ausdehnung der Häuser und Straßen bis an die Mündung ersolgen wird. * Zum Thema der A uSweisungen au« Preußen wird officiöS aus Berlin geschrieben: In einem Theile der oppositionellen Presse wird an die Mit- theilung in dem österreichische» ReichSrathe, wonach den in Preußen stattsindenden Ausweisungen nicht auscnlhaltSbcrcch- tigler Ausländer auf conseisionellen und sprachlichen Gründen bc- rubten, der Borwurs der Intoleranz gegen die pieußische Regierung erhoben. Offenbar ist jedoch übersehen, daß eS dabei sich nicht um consessiouellc Rücksichten an und sür sich handelt, sondern »m cvn- sejsiouelle Verhältnisse, welche im engsten Ziiiainmenhaage mit den nationalen stehen. Bedauerlicher Weise ideatificin sich der jkatholi- ciSmus oder wenigsteaS der L.ganismuS der katholischen Hierarchie in den sprachlich gemischten Distrikte», vor Allem in Posen und Westprcußen, vielfach mit dem Polonismiis, so daß eine Liärkung des katholischen Element» eine Verstärkung der pol nischen Bestrebungen bedeutet. Nicht der Confessio» an sich, sondern der Consession, welche als Zugpferd vor die polomsirenden Tendenzen gespannt ist, gilt di« Berlheidigung-maßregel der preu ßischen Regierung. Der Mißbrauch knchl.cher Autorität zur För derung polnisch.natioaaler Tendenzen ist es, welcher die Regievung zwiugt, darüber zu wachen, daß die consessioneUeu Verhältnisse in den sprachlich gemischten Provinze» sich nicht verichiebe». Wenn ferner voa link-liberaler Seite zur Bekämpfung der Re- gierungSmaßregel auf die Schule, al» da» kräftigste Mittel zur För derung der Gerinauifiruug hingewiesen wird, so ist daran zu erinnern, daß gerade an die durch die russisch, polnischen Ueberläuser bewirkte Verschiebung der sprachlichen »ud consesfionellen Verhältnisse von dem Centrmn die Forderung der Po'.onisirung der westpreußischen Schule» geknüpft wurde. Daß die entsprechend uuigewaadeltc Schule da» Begentbeil von einer Förderung der German,sirung bc- deute» wßrde, wird man aber selbst ,m link-liberalen Lager nicht bestreiten wollen. Gerade um die Volksschule im Stande zu erhalte», der wichtigen Aufgabe, zwar nicht der Gerinanisirang im engsten Ginne, aber der Asstmilirung der polnisch-redenden Bevölkerung o > den Staat Preußen gerecht zu werden, war e» aoihwendig, jener beinahe gewaltsamen Verschiebung der sorachltchen und con- sessionellen Mischung der Bevölkerung eia Ende zu machen, welche durch die polnischen Eindringling« bervorgebrackn wurde. Ohne Zweifel wird non der Ausweisung Mancher hart betroffen; sie süßt aber aus daS Gebot der StaaiSilokhweadigkeit und kann daher wegen einzelner Härten nicht auSgcsetzt werden. * Bei der Theilung ver Provinz Preußen in die Pro vinzen Ost- und Westvreußen konnte in Bezug aus ein zelne Provinzialbedörven eine Trennung und Herstellung be sonderer Collegicn sür jede der neuen Provinzen nickt überall und sogleich ersolgen. So besteht bis jetzt noch ein gemein sames Consistorium der Provinzen Ost- und Westpreüßen zu Königsberg. Daraus entstanden mancherlei nicht geringe Unbequemlichkeiten und Unzuträglichkeiten, die eine Abhilfe verlangten. Jetzt hegt man in RegierungSkreisen den Plan, sür Westpreüßen ein eigenes Consistorium mit dem Sitze in Danzig zu errichte». * Der im September in Colmar abgehaltene Wein- baucongreß hat jetzt ein Nachspiel gehabt, dem man gerade im gegenwärtigen Augenblicke einige Bedeutung für daö nun mehrige reichsländische RegierungSsystem wird bei legen dürfen. Zwei gehören? Colmarer, von denen der eine durch Option das französische StaatSbürgerrccht be halten. der andere daS schweizerische Staatsbürgerrecht erworben hat, sind, weil sie be, einem vom StaatSsccretair von Hosmann ausgebrachten Trinkspruch auf den Kaiser demonstrativ sitzen geblieben, auSgewiesen worden. Zugleich hat den „katholischen IünalingSverein" in Colmar, der sich während der mit dem Congrcß verbundenen AuSstellungS- sesllichkeiten damit belustigte, vor kein BezirkSpräsidium srän- zösische Signale zu blasen und „Vivo In b'rauco!" zu rnsen, die Auslösung betroffen. In Colmar und im ganzen Neichs- lande herrscht über diese Maßregeln unter der altansässigen Bevölkerung peinliche Aufregung; die altdeutsche» Elemente indcß begrüßen dieselben wie die Erlösung von schwerem Alp. AuS de» letzteren Kreisen waren uns schon früher gerade mit Bezug auf den Colmarer Weinbaucongreß Klagen zu Gehör gekommen, daß man sich französisches Wesen dort wohl habe mehr breit machen lasse», als selbst von der humansten Re gierung erwartet werden könne. Wir unsererscilS sind im Allgemeinen der Ansicht, daß man ein gewisses Prahlen un- reiser Burschen mit sranzöschem Firniß nicht tragisch nehmen solle. So lange es sich in den Grenzen der Harmlosigkeit hält, ist eS eben eine Wiederspiegelung der Grundstiiiimung in gewissen elsaß-lothringischen Kreise», einer Stimmung, die man nüchtern als Tbalsache binnehmcn muß. Ucbcrall aber, wo eS offenbar aus Verletzung der Achtung gegen daS bestehende Regiment abgesehen ist, soll man mit unnachsichtiger Strenge cingrcisen. Diese Strenge ist eS. welche zavlrciche Vertreter des altdeutschen Elements im Rcichslande seit Jahren zu vermissen glaubten. Erbitterung hat unter ihnen namentlich die Schonung erregt, welche man ken Optanten angedciben ließ, da dieselben viel fach ibre Stellung als französische Staatsbürger zur Schürung deS Unfrieden- in ihrer allen Hciinatb benutzt babc». Jetzt ist mit der Ausweisung in Colmar an einem stark in die Angen springenden Falle ein lehrreiches Ercmpel statuirt worden. Dasselbe gilt von kein „katholischen IünglingS- verein". Wie so viele ähnliche Vereine im Rcichölande, bat sich auch dieser die Pflege französischer Blechmusik n»d fran zösischen Gesänge« zur Ausgabe gemacht. DaS Schicksal, welches ihn jetzt ereilt bat, wird allen Sckwestergesellschasten zur Warnung dienen können. Mögen sie ihre französischen Weisen auch m Zukunst weiter blasen; aber wenn sie noch einmal Lust verspüren sollten, dieselben zur Verhöhnung des Dcutschthuin» zu verwende», so wissen sie jetzt, WaS ihnen bevorsteht. Und Überhaupt werde» die Elsaßlothringrr allc- I sammt wohl thun, au« dc» Colmarer Vorgänge» die rechte I Lehre zu ziehen „Gereckt, aber strenge", schein! der Grnnds.itz > zn fein, ans dem sie hervorgegange» sind. Wenn derselbe
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