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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188811033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881103
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881103
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-11
- Tag1888-11-03
- Monat1888-11
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1888
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Erscheint täglich früh 6V, Uhr. Redaktion und Expedition JohanneSgasse 8. Sprechstunden der Redaktion: Bormittags 10—12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. gltr di« Sülch,«»« «inqkt.intik« M-nuscridt« m»»t ttch d>« Redacri«» niidl verbindlich. Annahme der für die nächstfolgende Nummer brstimmtrn Inserate an Wochentage» bis 8 Uhr Nachmittags, auLann- und Festtagen früh bis'/,» Uhr. In den Filialen für Ins.-Ännahme: Otto klemm. Universitätsstraßc 1. Louis Lösche, Kalhartneustr. 23 par». »ud König-Platz 7. nur bis '/,S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Abonnement-prei» vierteljährlich 4»/, Mk. lncl. Bringerlohn b Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pt Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage« (in Taqedlatt-Format gesalzti ahne Postbesörderung 60 Mk. mit Postbesörderung 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schritten laut »ns. Prei-vcrzeichuib. Tabellarischer mZifferusatz »ach höherm Tori!. Reklamen «nter dem Redaetion-strlch die 4grlvalt. Zeile SO Ps., vor den Familienaachrichten die 6gespalieae Zeile 40 Ps. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenuim rimilo oder durch Post- Nachnahme. 3V8. Sonnabend den 3. November 1888. 82. Jahrgang. Zur gefälligen Veachlung. Nufere Expedition ist morgen Sonntag, -en November, Vormittags nur bis Uhr geöffnet. LxvEtlon ÜL8 Litzlp/lLser ^»Lsvblattvs. Amtlicher Theil. Vrluiimtniaihlln-. Vielfachen an unS gerichleten Wünschen zufolge haben wir beschlossen, die aus Anlaß der Feier der Grundsteinlegung zum Reicksgerichtsaebäude von unS hergestelllen Festbauten bis n»r den, 4. dieses Monat- stehen zu lassen und erst am 5. mit deren Abbruche zu beginnen, was wir hierdurch zur ösfentiichen Kenntniß bringen. Leipzig, den 2. November 1888. Der Dcrth der Ltadt Leipzig, la. 6898. Or. Georgi. Hentschel. Dcl.auntmlllljnng. Wir beabstchtigcn, die zur Schmückung am 31. vorigen MonatS verwendeten Guirlanvcn und Reiser, mit deren Ab nahme ain 5. dieses MonatS begonnen werden soll, auf dem Platze zu verknusen. Offerte» wird unser Bauamt. Rathhau», 2. Etage» bis zum 5. dieses MonatS eiitgegennebmcn. Leipzig, den 2. November 1888. Der S»ath der Stadt Leipzig. In. 6893. Or. Gevrgi. Hentschel. Bekanntmachung. Bis zum erfolgten Abbruche de« Triumphbogens auf dem AugustuSplatze bleibt daselbst der Verkehr mit schwerem Fuhrwerk aus die am Augusteum und Museum vorübersührenden Straßen beschränkt und ist es nur leichten Geschirren gestattet, die imitiere Dlraße und den Weg durch den Triumphbogen zu benutzen. Zuwiderhandelnde baben Geldstrafe bis zu 60 oder Hast bis zu 14 Tagen zu gewärtigen. Leipzig, den l. November 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. 1)l. Georgi. Hennig. Bekanntmachung, die Zahlung leerstehender Wohnungen betr. Wie alljährlich, soll auch in diesem Jahre am 1. November eine Zählung der leerstebenden Wohnungen und GeschästS- locale durch unser statistisches Amt vorgenommen werden. Wir fordern demgemäß die Herren Hausbesitzer und Hausverwalter auf, die ihnen zugchende» Formulare voll ständig und richtig ausznsüllen und zur Wiederabholung nach 3 Tagen bereit zu halten. Leipzig, den 22. October 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. Xo. 968/88 8t. ^.. I-. !)>-. Georgi. 1)r. Haffe. Bekanntmachung. Die Materialien vcS außer Betrieb gesetzten PiffoirS am TlwmaSkirchhos sollen a» den Meistbietenden gegen Baar- zablung aus den Abbruch versteigert werden. Kauf- licbhaber wollen sich i» dem hiermit aus den bi. November 1888 Dorm. 18 Uhr anberaumteu Vcrstcigerungsteruiine an Ort und Stelle einsinden. Leipzig, am 29. October 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. Ib. 4369. 1)r. Georgi. Dr. Kripvenborff. Bekanntmachung. Bon dem Unterzeichnete» Armcnamle sollen im Stadt hause allhier Donnerstag, den 8. November ». Dorm, von 8 Uhr a», eine Partie getragene LzleidungSstücke, Möbel, ^»aus- und Küchengeräthe, Betten, 1 Aquarium, - ^>cldr»ckbilder und dergl. mehr meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 2. November 1888. Das Armenamt. Ludwig-Wvtf. Iunghähncl. Tie Jnbabr der abbanden gekommenen Sparcaffen- OuillungSbüchcr Ser II Nr. 50676, 62101, 127308 und teS vo» unserem lll. Filial gleichfalls als verloren angezeigten JntcrimSschemS über die Sparcaffenbücher Ser. H Nr. 131609, 107554. 137555 werden hierdurch ausgefordert, sich damit binnen 3 Monate» und längstens am 4 Februar 1889 zur Nachweis»,ig ihres NecblcS, bcz. zum Zweck der Rückgabe gegen Belohnung bei Unterzeichneter Anstalt zu melden, wicrigensallS der Svarcasscnorcnung gemäß den aiigemeldete» Verlustlrägern nach ersolgter Beeidigung ihrer Anzeige an Stelle der abhanden gekommenen Bücher, die nunmehr für ungiltig zu erklären find, neue Bücher ausgestellt, bez. die eingelieserte» Bücher auch ohne Rückgabe deS alsdann eben- sallS für ungiltig zu erklärenden JnterimSscheineS auS- gebändigk werden. Leipzig, den 2. November 1888. Die Verwaltung deS Leihhauses und der Spgrcasse. Herr Branddirector ikarl Friedrich Wilhelm Tochring, hier, bat den Verlust der ihm diesseits am 23. August o. ausgeicrliaten Paßkarte Nr. 7566 angezeigl und wiro letztere deshalb zur Be» Hütung von Mißbrauch sür ungültig erklärt. Leipzig, am 30. October 1888. Das Polizriamt der Stadt Leipzig. U. 41^4. Bretschaeidrr. Im Wege der Zwangsvollstreckung soll nachstehender, dem früheren Spediteur t'r»nr Lel-intcer in Lamlmrg-Saale zusteheader Grund- besitz in dasiger städtischer Flur: 1) Hpl.-Nr. 78 des Grundbuch-: a. Wohnhaus. Hs.-Nr. 76, 2stöckig,1 b. Lpricherardäude, 2stöckig, l auf 25 000 Mark o. Psrrdeitali, 1 geschätzt, ck. Speicherschuppen, s lUeitS massiv, theils auS Steinsachwerk neu erbaut, in gutem Zustand, in unmittelbarer Nähe de- BahnhosS au der Hauptstraße gelegen, s. Hausgarten, Theil von Pl.-Nr. 668, auf 150 »l tax., 2) Hpt.-Nr. 369 des Grundbuchs: Acker a. d. Sulzaer Straße, Pl.-Nr. 666, 0,1107 da, tax. aus 450 ^i, ohne Lasten und Hypotheken Sonnabend, den 1. Decemder 1888, Vormittags 10'/, Nhr in der Bahnhofs-Restauration zu bambrirg von uns öffentlich an deu Meistbietenden verkauft werde«. Kausliebhaber sind dazu ein- geladen. Wer ein dem Gericht nicht bekanntes Recht aus Vorzugs- weise Befriedigung aus dem Kausgeld hat, muß dieses Recht hei Verlust desselben bis zum Berkausstermin bei dem Vollstreckungs- gericht geltend machen. In dem Anwesen ist seit 12 Jahren ein flott gehendes starkes Speditionsgeschäft mit gutem Erseht betrieben worden. Camburg» den 30. Oktober 1888. Herzog!. Amtsgericht, Abthetluug II. gez. Müller. Ausgefertigt: Mauer, Gerichtsschrciber Herzvgl. Amtsgerichts i. V. Nichtamtlicher Theil. Rußland. ES sind Bedenken erregende Nachrichten, welche in den letzten Tagen auS dem südliche» Rußland zu unS gedrungen sind. Das russische Kaiserpaar ist am 29. October wie durch ein Wunder vor der Vernichtung oder doch vor schwerer Ver wundung bewahrt worden. Aus der KurSk-Cbarkow-Azow- Elsenbahii ist am Nachmittag des genannten TageS unweit der Station Borki in einer tiefen Schlucht der kaiserliche Zug entgleist und sieben Wagen sind zertrümmert worben. Die Zahl der Todten wird verschieden, in dem Bericht de» Ministers Grasen Woronzow-Daschkow aus 19, darunter der StabScapitcnn des FeldjägercorpS, angegeben. Der im kaiser liche» Wagen befindliche Flügeladiutant Tschcremetiew wurde verwundet. Die Ursache de» UMiUS fff ans den Berichten nicht zu entnehmen, aber man scheint die Schuld dem zu schnellen Fahren auf einer abschüssigen Babnstrecke zuzu- schreiben. Die amtlichen Berichte legen den Ton aus daS Wort Nachlässigkeit, sie sagen aber nicht, worin dieselbe bestanden hat. Vorläufig muß also die Frage nach der Ursache deS Unfalls in der Schwebe bleiben, ein Umstand, welcher der Entstehung und Verbreitung von Gerüchten günstig ist. Es kommt noch hinzu, daß unmittelbar vor der Ankunft des Kaisers in Kutais, einer Station aus der Eisenbahn, welche von TistiS nach der Küste deS Schwarzen Meeres jührt, ein Nihilist, weicher sich der OssicicrSunisorm alö Verkleidung bediente, verhaftet wurde, weil er als Revoluliouair bekannt war und im Besitz von Dynamitbomben unv vo» G>st be troffen wurde. Die Meldung fügt hinzu, daß er von Taganrog kam, um einen Mordversuch gegen den Zaren z» machen. Der Mann gebürt zu den Gründern einer südrussischen rcvolutionairen Gesellschaft, und seine Verhaftung bat auch Anlaß zur Festnahme von Mitgliedern dieser Gesellschaft in Simscropol ergeben. Man nimmt in St. Petersburg an, daß die schnelle Auseinanbersolge dieser Verhaftungen und des EisenbahnunsalleS bei Borki nicht zufällig war, obwohl irgend welche bestimmte Anhaltspuiicte für eine» Zusammciibaiig dieser Vorkommnisse bisher nicht in die Oeffenllichkeit gelangt sind. Eine sehr erfreuliche Wirkung hat der Unfall bei Borki gehabt, und dieö ist eine höchst sreundschaftliche Annäherung der Höfe von Wien und St. Petersburg. Kaiser Franz Josef bat daS russische Kaiserpaar zu seiner glücklichen Rettung auS augenscheinlicher Todesgefahr in der herzlichste» Weise beglückwünscht, und Gras Kalnoky ist diesem Beispiel gefolgt, indem er der russischen Negierung die gleichen Gefühle auS- gedriickt. Aus Rom wird derselbe Vorgang bezüglich des Königs Humberl unv deS Ministers Erispi gemeldet. Selbst verständlich ist, daß Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck mit der Absenkung von Glückwünschen sobald sie von dem Unfall Kenntniß erhalten, nickt gezögert haben. Die Weltlage ist seit der MeereSsahrt Kaiser Wilbclm'S nach Rußland unzweifelhaft friedlicher. aiS sie seit langer Zeit gewesen ist, aber erst »och die letzten Tage haben gezeigt, daß zwischen Rußland und Oesterreich trotzdem noch eine gewisse Spannung besteht. Der Arlikel deS .Wiener Fremdenblatt", welcher die .Kölnische Zeitung" gegenüber der Beschuldigung des .Grashdanin", lügeuhastec Weise Nachrichten überTnippen- verschiebungen nach der österreichisch-deutschen Grenze ver breitet zu haben, in Schutz nimmt und den „Grashdanin" auffordert. Beweise sür die angebliche Unrichtigkeit dieser Nachrichten beizubringen, ist ein untrüglicher Beweis sür die Thatsacke, daß volles Vertrauen auf die friedlichen Absichten Rußlands in den österreichischen Regierungskreisen nickt bestellt. Um so erfreulicher ist eS. baß Kaiser Franz Joses und die österreichische Regierung, insbesondere der Minister des Auswärtigen, bereitwillig die Gelegenbeil ergriffen haben, um dies bestellende gute Verhältnis; zum Kaiser von Rußland und seiner Regierung zu befestigen. DaS „Fremdenblatt" unterstützt die persönlichen Schritte VcS Kaisers Franz Josef und seines Ministers Kalnoky hierbei in der wirksamsten Weise. Der Artikel, welchen daö „Fremdenblatt" auS Anlaß der glücklichen Errettung de» russischen Kaiser- Paares auS dringender TokeSgesabr veröffentlich!, ist so sym pathisch wie möglich gehalten. Das halbamtliche Organ feiert die Errettung aiS freudiges Ereigniß nicht nur sür Rußland, sondern für ganz Europa; eS sagt von Kaiser Alexander, daß er in den letzten Jabren extremen Bestrebungen gegenüber wiederholt die volle Autorität sür die Erhaltung der Rübe unsere- WelRheileS eingesetzt habe und daß er als mächtigster Schirmer deS Friedens und der Friedenssreuude im eigenen Reiche walte. Solche Kundgebungen in ernster Zeit und unier bedrohlichen Anzeichen, wie sie dir letzte Woche sür Rußland» Kaiser gebracht hat, verfehlen ihren Eindruck aus ein empsänglichc» Gemüih nicht; und daß Kaiser Alexander durchaus nicht unempfindlich ist, hat er oft genug bewiesen. Wir erinnern nur an die Verleumdungsära. welche am 18. November >887 ihren Abschluß fand, und als besonders charakteristisch sür die edle Natur Kaiser Alexander'» ist sein Verbalten bei dem letzten UnglückSsall hervorzubeben, wo eS zunächst die Sorge um die Todten und Verwundeten war, die sein Denken und Tbun beschäftigten ohne Rücksicht aus feine Persönliche Sicherheit und Bequemlichkeit. ES spricht sich in allen Handlungen und Anordnungen deS Kaisers bei dieser Gelegenheit ein Grad vo» Selbstlosigkeit und Menschen freundlichkeit auS. der sebr zu seinen Gunsten wirkt. Die Panslawisten hatte» in der »encsten Zeit die Fabel u verbreiten versucht, daß zwischen Kaiser Alexander und einem Minister deS AuSwärligen nicht daS volle Einver- ständniß bestehe, welches besonders von österreichischer und deutscher Seite vorausgesetzt werke; daS kaiserliche Schreibe», welches die Verleihung deS WladimirordenS l. Elaste an Herrn v. Gierö begleitet, verweist aber kiese Bestrebungen in ken Bereich der Sinnestäuschungen. ES wird in diesem Schreiben dem verdienten Staatsmann da» schmeichelhasleste Zcugniß ausgestellt. Der Kaiser erkennt an, baß G>crS sich atS ein zuverlässiger und verständnißvoller Vollstrecker der kaiserlichen Absichten ans dem Gebiete der auswärtigen Politik bewiese» habe und daß er die Würde und daS Interesse de» Reiches stet« ausrecht erhalten habe. Kaiser Alexander hat durch dieses Schreiben die Auffassung, welche die Sonveraine deS Dreibundes und ibre Regierungen von der auswärtige» Politik Rußland- habe», vollinhaltlich bestätigt und damit zugleich den Panslawisten und Franzosen- sreilndcn eine dcullicke Abweisung ertkcilk. Es ist deshalb keineswegs eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Rußland und Frankreich eingetrete», eS ist nur klar gestellt worden, daß die französische Regierung irrt, wenn sie annimmt, daß sie im entscheidenden Augenblick aus die Unterstützung Rußland- im Kampfe gegen Deutschland unv seine Ver bündeten rechnen könne. Rußland hat in Bezug ans die Balkan- Halbinsel bestimmte Ueberlieserungen, an denen eS stelS scst- halten wird, bis ihr Ziel erreicht ist, aber diese Ueberlieserungen weisen Rußland nicht aus ein Zusammengehen mit Frankreich, und eS ist auch noch keineswegs ausgemacht, daß sich die Ziele Rußlands nickt ohne einen Krieg gegen Oesterreich erreichen lasten. In ken Vorschlägen deS Rüsten in Monlreux an die „Nowoje Wrcmja" ist ein Körnchen Wahrheit enthalten, insofern darin die Abgrenzung einer russischen und österreichischen Interessensphäre atS thunlich angedeutet wird. In welcher Weise die Abgrenzung zu ge- schcben hat, muß die Zukunst lehren, denn die Gestalt, welche Pie Dipa» heute aus der Balkanbalbinsrl haben, werden und können sie'nsKL'smnier behalten. Daß Oesterreich-llngarn unter den bestehenden Verhältnissen die Unabhängigkeit der kleinen Balkanstaaten befürwortet, ist politisch »vthwendig und zweckmäßig, baß aber ein erneuter Zusammenstoß zwischen Rußland und der Türkei dieses Bcrhäilniß ändern wird, ist unzweifelhaft. Woraus eö heule aiikoinmt, ist. die bestehenden Besitz- und Machtverhältnisse auf der Balkanhalbinsel so lange als möglich zu erhalten. Damit ist dem Weltfrieden eben so gedient wie Rußland und Oesterreich-Ungarn. * * * Man schreibt der .Kölnischen Zeitung" auS dem Kaukasus über vie dortige Mißwirtkffchaft: Die in die europäischen Zeitungen gelangenden Schilderungen über den Empfang deS Kaijerpaares im Kaukasus geben eni fal'ches Bild über die dortigen Verhältnisse. Nach der Schilderung all der glänzenden Feste, der reichen Volks» achten, der dem Kaiier- paar und de» Grofzsürsten überreichten Gcichrnke, den Ansprachen der einheimischen Adelsmarschälle und anderen Beweisen von Er gebenheit müßte man an Begeisterung deS Landes sür den Zaren und Rußland, an Reichthum des Adels und an Wohlleben der Be- völkcrung glauben. Von dem allen ist aber keine Rede. Sa lange der Kaukasus unter geregelter russischer Verwaltung steht, io lange ist dieselbe anch eine Mlßwirthschaft gewesen Rußland machte in, Kaukasus genau denselben Fehler, den es zu seinem Unkest in Bulgarien nnederlwlte, daß es in den nach Jahrzehnte langen schweren Kämpfen erworbenen Besitz höhere und niedere Beamte und Ossiciere versetzte, welche eS nicht als ihre Ausgabe betrachteten, den Wohlstand des Landes zu beben, sür dessen gedeihliche Entwicklung zu sorgen und dadurch die Liebe zu dem neuen Herrscherhause zu festigen, sondern welche nur aus die Füllung ihrer Taschen bedacht waren. Bis zum heutigen Tage bat sich dies im Großn und Ganzen nickt verändert und die alte Mlßwirthschaft dauert fort. Namentlich hat cs aber der jetzige Grneralgouverneur Fürst Dondukow-Korsakow in den etwa zehn Jahren seiner Amtsdaner durchaus nicht verstanden, die Liebe des Adels oder der übrigen eingeborencn Bevölkerung zu erringen. Seine ganze Verwaltung ist »ur aus den äußern Schein berechnet, dazu angethan, der Petersburger Regierung Sand in die Augen zu streuen, und ganz besonders ist dieses Schcinwesc» bei dem jetzt veislossencn kaiserliche» Besuch zur Geltung gekommen. Ueberall, wo, wie inan wußte, der Zar hinkommen sollte, da wurde AUeS in Stand gebracht. Jahrzehnte lang vernachlässigte wichtige Straßen wurden mit großen Kosten wiederhergestellt, in den Städten Straße» gepflastert und Häuser neu angcstrichen, die Bewohner nmßlen in Festkleidern erscheinen; kurzum, der Wahlspruch war: „Sand in die Augen". Alle dem Generalgonverneur zun. Besten deS Landes zur Verfügung gestellten Summen wurden ausschließlich dierzu verwandt, und der vom Kaiser nicht besuchte Tkeil des Lanoes, d. h. etwa neun Zehntel des gesammten Gebietes, wird nun doppelt leiden, denn Gelder sind nicht mehr vorhanden. Der kau- kasische Adel aller Stämme ist infolge der langen Unabhängigkeit-- kriege und durch die Schuld der rusi'chen Verwaltung verarmt. Trotzdem stellte der Generalgonverneur, seinen Grundsätzen ge treu, die übertriebenste» Anforderungen an denselben. Mil Murren und Unzusriedcnheit kamen die sür die glänzenden Feste noch- weiidiqe» Summen zusammen; die orieiilalische Eitelkeit, der Wunsch, vor dem Zaren und der Zarin zu glanzen, erleichterte allerdings dem Geiieralqouveln-iir die Beitreibung der Gelder. In welchem Maße dieselben gefordert wnrde». kann man daraus er- sehen, daß der sehr arme Adel aus Tiflis nahe an 50 060 Rubel zusamnienbringen mnßle. Dazu kommen nun roch die Ausgaben der Gesanimlhcst wie der Einzelnen sür die Geschenke, Kleidungen u. s. w. Man lasse sich »ur ja nicht durch Berichte über schein, bare Begeisterung blenden. Der Kaukasier ist vor allen Dingen Orientale, und gerade in ihm sind die gute» w e die schleckten Eigen schaften des Orientalen besonders schari ausgeprägt. Es wird ihm nicht daraus ankommen, morgen die Waffe gegen De» zu erheben, dem er heute begeistert zugejubelt. Es steht außer ollem Zweifel, daß es in Kaukasus eine über dos ganze Gcbiel vcrüreitkte. haupt sächlich aus dem Adel bestehende Partei giebt, welche den Abfall von Rußland durch gewaltsam« Mittel anstrebt und nur aus die Gelegenheit lauert, ihr Vorhaben auszusühren ES ist im Stillen gewaltig in dieser Beziehung vorgearbcitet worden, und soft mit Sicherheit kann man behaupten, daß in einem sür Rußland un. günstigen Kriege der Kaukasus bald in Hellen Ausruhrflammen stehen würde. Ans die Ossiciere kaukasischer Bbstainmung, hohe und niedere, ist größteutheilS kein Verlaß; sie würden nn Unglück sofort die russischen Fahnen verlassen und die eingeborenen Truvpen mit sich reißen. Ter ruisiichen Regierung sind diese Verhältnisse angenschemtich nicht verborge» geblieben, wenngleich sie dieselben nicht so ernst aussaßl. wie sie eS lhun müßte. Jedenfalls waren aber vor Ankunft des Zaren die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden gegen etwaige Gewaltthätigkciten Eiozeluer sowohl, wie größerer Hausen. Zu solchen Vorsichtsmaßregeln gehört z. B., daß die beabsichtigte längere Fahrt aus der große» grusinischen Militairstraße unterblieb, weil man dort nicht für die Sicherheit deS Zaren einsteden konnte. ES waren nicht nihilistische Bedenklichkeiten, welche jene Vorsichtsmaßregeln verursachten, obwohl der Nihilismus auch »n Kaukaius Fortschritte gemacht hat Wurden doch Persönlichkeiten vornehmen kaukasiichen Namens, sogar höhere Ossiciere, sür die Dauer der Anweienheit des Zaren aas den vo» demselben zu besuchenden Gebieten verwiesen. Sollte sich die Nach- richt vom Rücktritt des letzigen Generalgouverneurs, des Fürste» Dondukow-Korsakow, b-stätigen, so würde dies jedenfalls im Kaukasus mit Betricdigung begrübt werden. Aber der Nachsolgcr würde auch keine» le ckle» Stand haben und sehr viele und bedeutende Schwierig keiten zu hekämpsc» finden. Zu dem erwähnten Eisenbahnunfalle bemerkt die Wiener „diene Freie Presse": Man kann sich eines bitteren Lächelns nicht erwehren über das merkwürdige Zusammentreffen, daß an demselben Tage, an welchem der Eisenbahnuniall von Borki sich ereignete, das „Journal de St. Pötersbourg" die Reise des Zaren als den Anfang einer neuen Aera dezeichncte, welche berusen sein werde, die Macht, die Wohlfahrt und das Ansehen Rußlands nicht durch den unfruchl- baren Ruhm deS Krieges, sondern durch die fruchtbare» Arbeiten de» Frieden- zu befestigen. Wie grell dieser Anfang einer neuen Aera sich unter der Beleuchtung des EisenbahnunsalleS »n Südruß- land ausniniint! Ja wohl, wenn Rußland aushören wollte, nach dem Balkan auszuschaucn und durch jcine lauernde Orient-Politik ganz Europa in der beklemmenden Unruhe fortgesetzter Kriegssurckl z» erhalten, wenn es die Selbstüberwindung besäße, sich mit frucht barer Arbeit an seiner inneren Entwicklung zu begnügen, anstatt die Un abhängigkeit ircmder Völker zu beürohen, die sich seinem Einflüsse ent zogen haben und von demselben nichts mehr wissen wolle», bau» würden ähnliche Katastrophen wie diejenigen von Borki sich nicht wiederholen. jedensallS ober nicht die unheimliche Deutung finden, die man ihnen an der Hand früherer Ersahrungen unwillkürlich geben muß. Daun aber würde auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sein, Laß der Nihi lismus sich allmälig aus seinen berechtigten Kern reduciren und als cin ungesährlichcs Element in die allgemeine Entwickelung einsührcn ließe. Aber einstweilen sind die Verheißungen des „Journal de St. PbierSbo»rg" nur utopische ZukunftSspiegelungcn. Die schönen Worte werden schrecklich übcrtönt vo» dem Schmcrzgewimmer und dem TodeSröchcln der Opscr, welche in dem Hoszuge de- Zaren zermalmt wurden, lim einen grauenhaften Eindruck reicher kehrt der Zar m seine Hauptstadt zurück: das Schicksal redet bisweilen in Zeichen, deren Wirkung auch die Mächtigsten der Erde sich nicht zu entziehen vermögen. Leipzig, 3. November. * Den Stadtverordneten Vvn Berlin ist aus die an Ihre Majestät der Kaiserin und Königin gerrchtet« GeburkStagS-Glückwunsch-Adresse folgendes Allerhöchste Anl, wvrtschreiben zugegangen: „Ich habe die von den Stadt verordnete» zu Berlin Mir zum Geburtstage dargebrachten guten Wünsche gern entgegengenvinnini. Die schweren Schläge deS Schicksal», die nach Gotte« Rathschluß im Lause deS letzten Jabreö über Vie königliche Familie und daS ganze Vaterland verhängt wurden, sind noch nicht vernarbt und der heutige Tag bringt Mir diese unersetzlichen Verluste mit beweglicher Frische zum Bewußtsein. Aber eine herrliche Blüthe hat der liefe Schmerz aufs Neue zur Erscheinung gebracht: DaS schöne Gcsübl der Gemeinsamkeit unv Zusammengehörigkeit, daS Mich mit freudiger Hoffnung unv festem Vertrauen auf die Zukunft erfüllt. Gleichzeitig mit Meinem Danke sür die Worte ehrerbietiger Treue ist eö Mir Bedürsniß, dem In teresse Ausdruck zu geben, mit dem Ich die Entwickelung des großen Gemeinwesens der Stadt Berlin verfolge. In csonder- beit sind eS die zahlreiche» Bestrebungen christlicher Nächsten liebe, denen Meine lebbasteste Thcilnabme zugewendet ist. Vieles ist ja in dieser Richtung bereits geschehen, aber noch mehr bleibt zu tlmn übrig. Ich benutze gern vie Gelegenheit, »m eS aiiSzusprecken. daß Ich es zugleich als Meine Pflicht »nd als Mein schönste» Vorrecht anerkenne, allen Bestrebungen dieser Art Meine Sympathie und Meine Unterstützung ange deihen zu lassen. Potsdam, den 22. October 1888. gez. Victoria, Kaiserin und Königin." * Man weiß in der Thal nicht, ob man lacken oder ob man als Deutscher sich schämen soll, wenn man die kramps hasten Versuche der vereinigten ReickSnörgler betrachtet, ein klares Kaiserwort zu mißdeuten und in daS Gegentbeil u verkebrcn. WaS müssen die ultramontanen und deutsch- retsinnigen Blätter von der Intelligenz und Urtheilskrast ibre» PublicumS denken! Selbst der demokratischen „Frant- surter Zeitung" wird die Posse zu arg, und sie ruft die Komödianten folgendermaßen zur Ordnung: „ES giebt Verhältnisse, in den.» jedes Bertteckenspielen vom Uebel ist, die es erheischen, daß man den Thatiachen gerade ins Gesicht siebt und frei herausiagt, was von ihnen zu halten ist. Da Hilst dann, wie einmal ein Abgeordneter derb, aber glücklich gesagt bat, kein Mundspitzen, da mich gepfiffen sein. Die Ansprache Kaiser Wilhelm s II., so wie sie styl iin aulhentiichen Wortlaute vorliegt, ist eine solche Thatiache. an der nicht zu deuteln und zu lchnörkeln ist. Es macht einen kläglichen Eindruck, daß sich jetzt »och im liberalen (soll heißen: deiittchircisinnigen) Lager Blätter finden, welche die Kühnheit — vielleicht auch nur den Galgenhumor — so weit treiben, die Eartelpresse als da- Object des Unwillens des jugendliche» Kaisers zu bezeichnen. Diesem Jrrthuin konnte man verfallen, als nur eine unbestimmte Skizze der Aniprache vorlag, und uns selbst ist ja dabei die gleiche Menschlichkeit passirt, aber von den« Moment a». da der in den ersten Berichten vollständig mit Schweigen übergangene Satz bekannt wurde: „der Kaiser bitte sich aus, daß das iortdauernde Citiren seines Vaters gegen ihn unterbleibe, es verletze ihn als Sohn aus-Tiefste und sei »»paffend tm höchsten Grade", konnte und durste keine Unklarheit über die kaiierliche Kundgebung mehr herrschen, und sür die sretgesiunte Presse gab es nur »och die Wahl: zu schweigen oder in der ge botenen Form ehrlich zu sagen, „was ist". Unbestreitbar ist, daß des Kaisers Unwille sich gegen die oppositionelle, insbesondere gegen die freisinnige Presse richtet, denn diese ist eS vornehmlich gewesr», die nickt müde geworden ist, Kundgebungen des Kaisers Friedrich zu citiren." Wirklich getäuscht hat natürlich das Versteckenspielen der vereinigten ReichSnöraler nur solche Leute im AuSlande, deren Unkenntniß der deutschen Verhältnisse nur noch von ihrem Haffe gegen die leitenden reichSveutscben Kreise und Bevölke- rungSschichten übertroffen wird. Typisch ist in dieser Hinsicht die „Neue Freie Presse", welche bekanntlich seit Jahren redlich bemüht ist. durch ihre Haltung dem deutschen Volke alle Sympathien sür die bedrängten deutsch-österreichischen Stammverwandten zu verleide». Sonderbarer Weise betet auch die sonst corrccte „Times" in ihrem Leitartikel die Be bohrtheiten ihre« deutschfeindlichen Wiener Berichterstatte»
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