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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920401020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892040102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-01
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NAO»eMeAtHnkWiO t> »er haapt«r»edttio» oder de» t» LtadS- »«trk »»d de» Voroelr» errichte«»» A»»- qadksiellea »bgrholt: vierteliädrlich^Ilchtl bei tweünaliaer täglicher Züttel lu»g ins Hau« » ü^L Durch die Post bezog«» sür Deutschla»d und Oesterreich: vieneliLhrlich » «.—. Direct« täglich» Krenzdordsead»»« tu» »»11°»-: »««Mich Abend-Ausgabe. Hte«orgen.All«g»be eeschesittiaglich di» Abr»b->»»g«b« Wochentags b Uhr. Ledarlio» und Lrveditio»: Latanne»,afir «. Lte Er»«di»io« ist Wochentag» unuuterbroche» E»«t v«, früh 8 bl «be»dt ? Uhr. Filiale«: vtt« Me««'« Tsrti«. (Alfred Hshnj, UatversitätSstraß« l« L-ut« Lösche, a«thariur>ftr. 11. pari. uud KdrigSpla» V. chnigerIMblaü Anzeiger. VW« für Politik, LocalgeMte, Handels- und GeschSstsverkehr. Jusertionspreis Die 6gespaltene Petitzeile 20 PfAß Reklame» unter dem RedocsiooSsirtch <«««» spalten) bO-H. vor den Familtrouichrtchtr« (b gespalten) 40-H. Srübcre Echristen laut uusrrem Pret«- verzeichnjb. Tabellarischer uich giss«r»ia- »ach tzäyerem Larts. Srtra-Vctlagrn (gesalzt), nur mtt AA Morgen-«»«gäbe, ohne PoslbefSrderuiG 60.-. mit Postdesörderuag ötz 70^ Ännahmrschluß für Zuserate: Rbend-Rudqab«: Bormittag» tO Uhr. Morg«u-Aulgab«: Rachmittagt «Uhr. Sou», uud Festtag« früh S Uhr. vrt Heu Filiale» und »nnadmesielle» je «in» hold« Stund« früher. Suserate sind stet« a« di» t« richte». Drnck und Berlag rou S. Polz tu Leipzig 168. Kreitag den 1. April 1892. 88. Jahrgang Leipzig, 1. April. * Leider kann man von dem gestrigen Schluß der Reich-tag-session nicht sagen: „Ende gut. Alle« gut", da c« dem BundeSrath beliebte, eine der volkStbümlichsten Forde- rungeu au« finanziellen Gründe» beharrlich zuriickzuweisen. Die Unterstützung der Familien von einbrrufenen Reservisten und Landwehrmännern während der UedungSzeit im Friede» hatte im ganzen Reichstag keine» Gegner, außer den wenigen Herren, dir nicht nur dem Reichs tag, sondern als höhere Beamte auch dem preußischen Mmisterüim angehören. Bon ihnen abgesehen, war die VolkS- verlretung eine« Sinnes, den Steuerzahlern die Last von 3^6 Millionen jährlich aufzuerlegen, damit die einbrrufenen Mannschaften des Beurlauvtenstande« den „Rock deS Königs" milder beruhigenden Gewißheit anziehen könnten, daß für Frau und Kinder zu Hause ein nothwenbiger Zehrpfeunig von Reich» wegen zur Verfügung steht. Die Steuerzahler dürften kaum jemals so geneigt gewesen sein, eine Last auf sich zu nehmen, wie diesmal. Der Reichstag war also hier die Stimme de» Volke» im vollen Sinne des Wortes. Nun sollte man meinen, baß dem hohen BundeS rath in solchem Falle nichts einfacher erscheinen könnte, als nachzugeben. Will das Volk höhere Ausgaben, will es dieselben so einmüthig und ist der gute Zweck so bandgreif- lich, — ja warum denn nicht? Der BundeSraty braucht sich nicht einmal über die Beschaffung der Mittel den Kopf zu zerbrechen: er erhöht die Matricnlarbeiträge uud überläßt da» Weitere den Einzelstaaten. Aber merkwürdig, unter diesem Gesichtswinkel dw Dinge zu sehen, scheint dem Bun- deSrath gänzlich versagt zu sein. Der Staat-srcretair ver mochte nur eine „unter allen Umständen gewollte Mehr belastung des Militair-EtatS" zu erkennen und protestirte hiergegen mit einem Nachdruck, als ob der Militair-Etat nicht die Schraube an der Kelter, sondern das Object der Kellerung wäre. Da gab eS denn lebhaften Bcrfall im Hause, als der Abgeordnete vr. Buhl, zun, RegierungStische äewrndet, sich mit dem Bemerken empfahl, daß er manche Regierungs-Forderung im Etat abgelchnt hätte, wenn zu vermuthen gewesen wäre, daß bei dwser Forderung de« Reichstag« „finanzielle Bedenken" als unüberwindliche Schranke sich erhebe» würden. Ein Mißklang noch in letzter Stunde! Zugleich rin Vorspiel zu den Elatberalhungen im nächsten Winter I * Bor Thorschlutz hat der Reichstag sechs Mitglieder zu der Commission für Arbciterstatistik gewählt. Von den übrigen Mitgliedern wählt der BundeSrath fünf, ein zwölfte« sowie den Vorsitzenden ernennt der Reichskanzler. Die Commission hat die Aufgabe, a>if Anordnung des BundeS rath» oder des Reichskanzler- die Vornahme statistischer Er hebungen, ihre Durchführung und Verarbeitung, sowie ihre Ergebnisse zu begutachten; sie ist befugt, dem Reichskanzler Vorschläge für die Inangriffnahme solcher Erhebungen zu machen. Die hier beabsichtigte Organisation der Arbeiter statistik gehört zu den unerläßlichen socialpolitischcn Ausgaben der Gegenwart, sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Wetterführung der socialen Reform. Denn in der Thal ist es jetzt Sache der Statistik, den Gesetzgeber zu belehren, ob und m wie weit reformbedürftige Zustände noch vorhanden sind, und das Material zu liefern, welche» die Möglichkeit schasst, dir Entstellungen radicalrr Agitatoren zu wider lege» und die falsche Verallgemeinerung einzelner an sich richtiger Thatsachen zuriickzuweisen. Gegenstände der Arbciterstatistik sind unter Andcrm: die Zahl der in de» einzelnen Unternehmungen beschäftigten Arbeiter und Arbciter- katrgoricn, das Einkommen der Arbeiter, die Verwendung desselben, dieArbeitSzeit.dieArbeilSart, die sonstigen Bedingungen des ArbcitsvcrtragcS, die Wohmingsverbältiiisse, das Familien leben :c. Im Rahmen dieses Programms laßt sich hoffent lich auch eine Vergleichung de» Arbeitslohnes mit den Pro- ductionSmengeu und ProductionSwerthen in bestimmten Zeit abschnitten ermöglichen, damit man das Verhältniß kennen lernt, das zwischen der Lohndöhe und der gesteigerten Pro- ductivität der menschlichen Arbeit besteht. Es käme dann darauf an, auch den Ursachen nachzugebc», welche in den ein zelnen Zeitabschnitten dies Verhältniß günstiger oder un günstiger gestaltet habe». Aber auch noch eine weitere Auf gabe möchten wir der Social-Commission empfeblen: nämlich Erbebungen über die Art und Weise, in welcher sich daS Arbeiter-Element in de» durch die Socialreform geschaffenen Organisationen, in den Gewerbegeriebicn und Schiedsgerichten der BerufSgenossenschasten, in den ArbeilerauSschnssen bethätigt, kurz überall dort, wo der Arbeiter zur Mitverwallung materieller, il>» unmittelbar berührender, seiner Einsicht und seinen! Urtheil sich unterwerfender Angelegenheiten mitberufen ist. Wie zahlreich dort überall die Socialbemokratie und gerade in den Gewerbeschiedsgerichtc» vertreten ist, daran er innert der Ausfall der GewerbcgerichtS-Wable» in Hamburg. Daß in der Elaste der Arbeitnehmer dort nur Socialdcniv- kraten gewählt werden, ist weiter nicht verwunderlich. Aber selbst in derjenigen der Arbeitgeber baden dir Socialdcmo- kratcn so viel Eandidaten durchgesetzt, daß sie bei 8 t Beisitzer» Uber 48 Stimmen, d. h. Uber die obsoluie Majorität ver fügen. Bei dieser Sachlage wäre es interessant »»d lehrreich, von Jahr zu Jahr Aufschluß darüber zu erhalte», ob ein solcher socialdemokratischer Beisitzer gegenüber den Einzelfällen deS praktischen Lebens derselbe unerschütterliche Doctrinair bleibt, wie sein Gesinnungsgenosse in Parlament und Volks versammlung, oder ob er nicht vielmehr den Thatsachen Rechnung trägt und auf Kosten seiner utopistischen Theorie sich am gemeinnützigen Wirken bethciligt. * Der BundeSrath bat in seiner gestern unter dem Vorsitz de« StaalSsecretairS vr. v. Bocttichcr abgehaltenen Sitzung sich mit dem Abschluß eines Abkommen- wegen de« gegenseitigen Patent-, Muster- und Marken schutz«« zwischen dem Reich und der Schwei, einver standen erklärt, sowie den Beschlüssen de« LandeSauSschuffeS für Elsaß-Lothringen zu dem Gesetzentwurf wegen Ab änderung deS Gesetze» über die Bereinigung des Cataster- rc., vom 3l. März 1884 zugestimmt. Der Novelle zum Kranken- casfen gesrtz stimiiitc der Bnntcsratb nach de» Beschlüssen deS Reichstages zu und überwieS die bei der Beralhung dcS Entwurfs von dem Reichstage gefaßten Resolutionen dem Reichskanzler. Ferner wurde beschlossen, in theilweiser Ab änderung des Beschlusses vom 29. Januar 1855 die Durch fuhr von lebenden Schafen aus Oesterreich-Ungarn unter Vorbehalt der Anwendung der Cvnlrolbestimmungen, welche in dem Viehseuchen-Uebereinkommcii cittbalten sind und unter der Bedingung zu gestatten, daß die Senkungen nur auf Eisenbahnen und ohne unnölhigen Aufenthalt durch das deutsche Gebiet geleitet werden. I * Mit dem neuen StaatSsecrrtair im Reichs- Ijustizamt, Wirkl. Geh. Rath Hanauer, tritt zum ersten Mal ein geborener Bayer an die Spitze eines RcichSamteS. Hanauer, der bi» Ausang der siebziger Jahre im bayerischen Justizdicust stand, wird wegen seiner unermüdlichen Arbeits kraft uud seiner anspruchlosen LicbenSwürdigkett in allen Kreist» sehr koch geschätzt. Er ist nicht nur Mitglied der alten Commission für die Ausarbeitung ve« Bürgerlichen Gesetzbuches gewesen, sondern gehört auch der neue» Revisions kommission a», und zwar war er auch Vorsitzender der Re- vaclionöcommissio», welche noch eine redaciioneUe Bearbeitung der ComiiiissionSbcschlüste auSsührt und hierin gleichen Schritt mit der Hauplcommissio» hielt, so daß auch diese Arbeit rasch fortgeschritten ist. Director Hanauer ist in da» Reichs justizamt bereits bei dessen Errichtung eiugelrele» und hat ihm ununterbrochen angehört. * Der „ReichSanzeiger" schreibt heule: Aus amerikaiiischen Zeitungen ist neuerdings in deutsche Blätter die Millheilung übcrgcgaiigcii, c« habe der für die deutsche Abtheilung auf der Welt-Ausstellung in Chicago im Industriegebäude auSerschcne Raum dadurch eine Einschränkung erfahren, daß deutscherseits dieser Raum durch eine Anzahl von Wegen zersplittert worden sei Diese Angabe trifft nicht zu, da auf deutscher Seile eine Wegevertheilung überhaupt noch nicht erfolgt ist. Im Gegcnlheil ist der deutsche Commissar bemüht, Ersatz für denjenigen Raum zu beschaffen, welcher dadurch in Ausfall gelangt ist, daß die amerikanische AuSstellungSbehördc mehrere bedeutende Wege, die nach dem in Amerika auSgearbeitcte» Plan an der deutschen Ablheilnng entlang und durch dieselbe bindiirchführcu sollen, in den der deutschen Industrie zugewiesenen Platz mit eingerechnet hat. Um diese und andere Fragen zu erledigen, ist seitens der ReichSvcrlretung die Entsendung eines Technikers nach Amerika erfolgt und nach den vorliegenden Mittbeilungen darf ange nommen werden, daß die entstandenen Zweifel hierdurch binnen Kurzem ebenso beseitigl sein werten, wie eS, Dank dem seitens der AuSstellungSvrgane stets bewiesenen Ent gegenkommen, hinsichtlich aller bisher ausgrtauchten Fragen geschehen ist. * Dem preußischen Abgcordnetenhause ist gestern der erwartete NachtragSctat für da» Gehalt tcö neu ernannten preußischen Ministerpräsidenten -»gegangen Er fordert 36 060 .F Gehalt und 18 006 -F an ReprasentationS- koste» für den Präsidenten des StaatSministeriumS, ferner .18 000.^ zur Miethung einer Dienstwohnung für ihn. Zur Ausstattung der letzteren werden als einmalig« AnSgubc 60 000 verlangt. Die Gesammtsumme, dir nachträglich gefordert wird, beträgt demnach 132 000 ^ Vorgesehen ist, wie erläutert wird, nur die Ausstattung einzelner Räume der Wobnung, wie Anschaffung von einigem Silbergeschirr, Tisch zeug, Porzellan und Glas zu größere» Empfängen Die An schaffung de« weiteren Mobiliar« bleibt bis zur Ueberweisung einer Dienstwohnung i» einem fi-calischen Gebäude verschoben. Ma» nimmt an, daß die Vorlage am nächsten Montag, spätesten« am DicnStaa ans die Tagesordnung kommt und daß eS dann zu einer umfangreichen und politisch bedeutungsvollen Debatte kommt, etwa nach dem Zuschnitt einer ersten Lesung über den StaatshauSbatt. Alle Parteien bereiten sich daraus vor, in eine Verhandlung über die innere politische Lage Preußen« einzutreten. Man erwartet namentlich, daß die Conservativen und Ultramontanen ihrem Ingrimm über das Scheitern de« VolkSschulgescyes auf der Rednertribüne Ausdruck geben werden, wie sie e» bisher in ihren Organen gethan haben. * Die Ergebnisse der neuen Einkommeustruerver« anlagung in Preuße» gebe» der socialdemokratischen Presse Veranlassung zu der Behauptung, daß lediglich die wohlhabendere» Masten früher nicht mit ihrem vollen Ein kommen zur Steuer herangczogc» gewesen wären. Siemacht zum angcblicheiiBewcisetiescrBebauptung ausdicbeträchtlichcnMchr- erträge aufmerksam, welche bei der Declaration herauS- gekomnicn sind. Ein großer Theil dieser Mehrerträge darf nun gar nicht auf das Conto der gerechteren Veranlagung gesetzt werten. Er ist die Folge besonderer neuer Be stimmungen, so der Verengerung der von den einzelnen Sleurrstufen umfaßten Einkoinmensbeträge, der Erhöhung deS SteucrprocentsatzcS u. A in Es ist aber auch thatsachlich ar nicht wahr, daß nur für die Einkommen über 3000 sinaufsctzungen in den Steuerstufen stattgefunden haben. Bei den Einkommen unter 3000 .4!, deren Bezieher wohl den Haupt- theil der Klientel der socialdemokratischcn Presse ausmachen, ist genau derselbe Vorgang beobachtet worden. Wen» er hier nicht so stark in dir Erscheinung getreten ist, so liegt die« daran, daß, selbst wenn die Bezieher dieser Einkommen in höhere Stufe« gerückt werden mußten, der von ihnen zu entrichtende Steuer satz »och geringer ist. als der bisher von ihnen in einer niedrigeren Stufe gezahlte. Die letztere Thatsache ist ja eine erfreuliche Folge der preußischen Einkommensteuerreform. Die kleinert» Einkommen sind eben steuerentlastet, die größeren dagegen mehr als bisher besteuert. DaS kann doch aber durchaus nicht zu dem Schluffe berechtigen, daß bisher »ur oberhalb der Grenze von 3000 -E Untervrraniagungeo vor- gekcninicn sind. Es ist unterhalb dieser Grenze genau dasselbe der Fall gewesen und demnach für Niemande« di« Berechtigung Vorhände», de» Pharisäer zu spielen. * Daß die preußische CentrumSpartei ergrimmt darüber ist, daß ikm die Volksschulvorlage mit ihre« reichen Gaben für den Klerikalismus gezeigt und dann vor dem Munde weggenommcn worden ist. kann nicht befremden. Wenn r» aber wahr ist, daß, wie verschiedene Blätter melden, da« Herrenhausmitglied Frhr. v. Schorlemer-Alst in einer „Versammlung ultramontaner Kausleute" in Esten dir „Ein mischung der Liberalen der außerpreußischen Staaten in eine Angelegenheit, dir sie nicht« anging"» ganz „einfach als eine Unverschämtheit" bezeichnet hat, so würde diese Acußerung des „westfälischen BauernköuigS" nicht nur die Grenzen, die man dem Gekränkten für die Aeußeruog seiner Gefühl- im Allgemeinen billigerwcise gestalten muß. erheblich überschreiten, sondern auch von einer merkwürdig naiven Auf fassung der deutsche» Verhältnisse und von einem wenia ent wickelten Gefühl für Recht und Billigkeit zeugen. Selbst der sonst so centniiiiSsreundlichei, demokratischen „Franks. Ztg." ist diese Acußerung zu stark und sie fertigt den streitbaren west fälischen Freiherrn folgendermaßen ab: „Haben die süddeutsche» Gegner der totalen „Bergelstllchung" der Volksschule Ihre Stimme laut gegen de» Zcdliü'schen Entwurf erhoben, so trieb sie dazu ohne Zweifel zunächst da» allgemein« cSesühl der Zusaniniengehvttgkeit, der Freud- und Leidgcmeinschast der Deutschen, sodann aber die durch manntgsach«, keineswegs immer erfreuliche Vorgänge gewonnene Erfahrung, daß so, wie im Norden bet uns der Wnid geht, so im Silben das Wetter zu sein pflegt. Die Süddeutsche» wehrten sich also lediglich ihrer Haut, wenn st« gegen da« Zedlitz'sche Opus tuS Feld gingen und dieses gute Reiht werden sie sich auch i» Zukunst nicht verkümmern lassen, mag es dem westfälischen Freiherr» angenehm sein oder nicht Herr von Schorlkmer-Aist hat übrigen« in einem solchen Einmischen der Süddeutschen s» „Dinge, die sie nichts «»gehen", nicht FsurHstsn. Moderne Junggesellen. 1j Roma» »on B. W. Zell. Nachdruck »crbotcu. Ministerialrath Rungher ging in seinen Iuuggesellenclub. Aber nicht wie sonst wählte er den Weg durch tue belebtesten Straßen der Hauptstadt, um sich behaglich vom Strom deS vollpulstrenden Großstadttreibrn« tragen zu lasten, hier den Auslagen in den strahlend beleuchteten Schaufenstern einen Blick gönnend, dort einer fesselnden Frauengestalt nach schauend — die einsamen Gänge de« Stadtparks waren e« beute, durch die er, in tiefe Gedanken versunken, seinem Ziele zuschritt. Und Rungher hatte viel zu denken. Welch ein merk würdiges, unliebsame« Thema hatte der Minister doch heute bei dem festlichen Mahle, von dem der Rath soeben kam, berührt — ach waS, berührt! AuSgesponnen, hartnäckig auSgesponnen hatte er eS und dabei immer nach Rungher hinübergeschaut, als fei die ganze Unterhaltung für ihn allein berechnet I Also heirathen, eine Familie begründen sei dir unerläßliche Pßicht eines guten Staatsbürgers und könig-treuen Beamten — so lauteten ja wohl genau lAcellenz' Worte. Nicht die völlige Hingabe der ganzen Persönlichkeit an den Staatsdienst, nicht die Tauer de« letzteren aus Lebenszeit genügen den Ansprüchen, welche König und Staat an sein« Diener zu stellen br- rechtigt — auch an die Zukunft sei ru denken und eine Nach kommenschaft zu erziehen, welche einst ebenso treu, wie eS der Vater gethan, alle Kräfte dem Gemeinwohl widme. Außer dem wirke da« Familienleben an sich schon veredelnd auf da« Individuum, sporne zur Mäßigkeit, Pflichttreue, Frömmigkeit, Selbstzucht an — Rungher blieb hier einen Moment stehen und athmetc tief auf. Donner und Doria I Alle diese Tugenden und sicher noch einige mehr, di« er inzwischen ganz vergessen, sollten also allein au- dem ehelichen Zusammen leben emporsprießen? Und dabei immer mich im Auge zu behalten! sagte er nun in lautem Selbstgespräch, seinen Weg wieder ausnehmend. Wären „reife" Töchter vorhanden, könnte man wahrhaftig glauben, mein verehrter Chef habe pro clomo gesprochen, »der so — nicht einmal eine vrrsorgungSbedürftige Nichte ist im Hause — Epcellenz betonten ja auch besonder«, daß an allerhöchster Stelle genau dieselben Ansichten herrschten, waS allerdings durch da« patriarchalisch glückliche Familienleben de« König« seine Bestätigung findet Wir, Friedrich Rungher, befände» nn« somit m de» angenehmen Dilemma, entweder schleunigst zu heirathen oder von oben herab al» unvoll kommener Staatsdiener betrachtet zu werden — obwohl die Thatsacbe, daß ich e« mit vierzig Jahren bis zum Ministerial rath gebracht habe, gerade nicht für meine Unfähigkeit zum Staatsdienst spricht. Heirathen — brr, ominöse- Wort! Wie einfach und harmlos das klingt und hat doch den Teufel im Leibe. Die goldene Freiheit verschlingt'« und das Recht freier Selbst bestimmung deS Herzens, um das Individuum mit den Fesseln der Familie zu knechten, die unersättlich Opfer um Opfer verlangt — bis zum Lebensende. Und das ist'« nickt allein, waS ich fürchte. Wie^ wenn man sich in seiner Wahl ge täuscht und aus dem Engel von Braut ein Teufel von Weib sich eutpuppt? Oder — und da« ist da» Schlimmste — die Liebe, der man die Dauer einer Ewigkeit rusprach, als bald entschwindet? Kann ein sterblicher Mensch denn für Liebe uud Treue, für sein eigenes, unergründliches Herz im voraus gutsagen? DaS ist das Tolle dabei, und nameutlich du, Friedrich Rungher — wie oft seit der ersten Iugendeselei hast du erfahre» muffen, daß auf dies dumme Herz gar kein Verlaß ist — nicht der geringste! Wenn da« Excelleilz von seinem getreuen Diener, in dem er einen Weiberfeind sieht, ahnte! Na, zum Glück ist auch ein Minister nicht allwissend. Ja, wenn eS so eine Art Ehe aus Probe gäbe und man sich überzeugen könnte, ob man auch nicht Unerträgliches aus sich genommen, als mau grade dies Weib erkor — ab, das wäre Erlösung. Leider sind wir in unserm modernen Eultur- staat noch nicht zu dieser Höhe emporgrstiegcn, und darum, mein Herr Minister, ist die Antwort auf Ihre väterlichen Ermahnungen — dieser mein Weg zum Iunggrsellenclub, der leider vorläufig zum Engern, da« heißt aus nur vier Mit gliedern besteht. Mag er sich über dir Welt verbreiten! Damit trat er au- den dunkeln Laubengängen de« Parks und befand sich bald darauf mitten im Gewühl einer der belebtesten BerkrhrSstraßen der Stadt. Nur weniae Minuten noch und er stand vor einem jener prächtigen Paläste, dir eine Errungenschaft der Neuzeit sind und dem löblichen Zwecke dienen, den edlen Gerstensaft in stilvollen Räumen und ungc- mefsenen Mengen auSzuscheuken. Rungher trat in den palmcn- geschmückten Hausflur, den er durchschritt, ohne sich den großen, elektrisch beleuchteten Prunksälen zur Rechten zu- »uwendrn. Mochte die große Menge dort hineinströmen — für AuScrwählie gab es bier noch manche gemüthliche Ecke, von denen Fremde keine Ahnung hatten. Und au« solcher Ecke, im nieder» Ouergebäude am Hose gelegen, scholl dem Rath eine Minute spater ein kräftige« „Grüß Gott" entgegen. Ein stattlicher Herr hatte e« mit einer Stimme gerufen, in welcher der Eommaodoton un- vertennbar war, wie überhaupt die Erscheinung de« An wesenden trotz de« CivilanzugS sofort den activen Militair vcrrieth. Gut, daß Sie endlich kommen, Freund — glaubte wahr- baftig, heul so allein hindämmern zu müssen, denn selbst der Commcrzienrath scheint mich und die gewohnte Schachpartie im Stich zu lassen. Kaum denkbar, entgegnete Rungher, sich de« Ueberrocks entledigend und dann nach einem schnellen, fast liebkosenden Blick über den bebaglichen kleinen Raum einen Armstuhl berbeizirhcnd, um sich an dem gewichtigen Eickenlisch nicder- rulassen. Gerade Bürglin ist sonst der Pünktlichste von uns Allen, und wenn er sich heute verspätet, müssen sehr dringende Angelegenheiten ihn zurückhalten Kommen wird er sicherlich. Aber wie steht« heute mit den Bierverhältnissen, bester Major — doch gut? Natürlich! Wagner wahrt seinen bewährten Rus. Donner und Doria, Freund, war da« nicht so etwas wie Alliteration ? Ich war nämlich gestern im Rhcingvld, müsse» Sie wissen. Merkt man! lachte der Rath, zugleich die Klingel be rührend, welche den befrackten Ganymed herbeirief. Und nun, da wir beide vor der Hand allein sind, könnte ich ja Wohl für Bürglin beim Schach eintreten. wenn — na, offen gestanden, wenn ich heute etwas mehr Lust zu dem Denken erfordernden Spiel hatte. Denn grade beute, Ihnen will ich« gestehen — Ah, erinnere mich — Mittagessen bei Epcellenz — Weine dort berühmt. Begreife, wenn Kopf rin wenig confu«, bester Rath. DaS ist« nicht einmal, wehrte Rungher ab. Kam nur bei dem Diner allerlei zur Sprache — aber wozu davon reden. Sieh da, unser Profefforl unterbrach er sich, einem eben eintretenden Herrn lebhafte Grüße zunickend. Und Bürglin kommt noch immer nicht — sollte er — Wirklich einmal magenleidend geworden sein? lachte der Eingetrrtenr. beiden Herren die Heinde schüttelnd. Nun, ein Wunder wärs ja nicht — waS man sich zwanzig Jahre lang einbildrt, könnte doch einmal, schon durch so dauerhafte Ein bildung, Daseinsberechtigung erlangen. Wär mir wahrhaftig interessant, höchst interessant! WaS denn? schmunzelte der Major. Bürglin'S Magen- leiden? Und sind doch nicht einmal Mediciner, um ihn mit der Rücksichtslosigkeit dieser Herren als BersuchSobject zu brauchen. Aber Psychologe bin ich, Verehrtest«, kam prompt de« Professor« Antwort, und da war« doch wirklich lehrreich, zu beobachten, wie ein Mann sich bei wirklichem Leiden geberdet, der an eingebildetem fast stirbt. Doch, lopus in kadul» — da ist er selbst. Für diesmal also scheint mein frommer — wollte sagen gottloser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen zu s«n. Commerzienrath Bürglin, ein mittelgroßer, schmächtiger err mit gelblichem Gesicht und üppigem Lockrnhaar und art, dessen Schwärze etwas künstlich nachgeholsen schien, war inzwischen mit ernster Miene eingetreten und hatte die Herren mit einer Würde, die theatralischen Anstrich zeigte, begrüßt. Donnerwetter, Bürglin, platzte Major Wilsen dabei nicht eben in liebenswürdigem Ton heraus, was ist denn da« wieder für ei» Lcichcnbittergcsicht? Fast lassen Sie mich eine Stunde auf unsere Partie warten und dann treten Sie an wie Achill, der eben seinen Patroklus begraben. WaS steht den» saul — Hausse oder Baisse? Der Commcrzienrath ließ sich mit leichtem Aufseufzen in einen Stuhl sinke», hantirte mit den weißen, woblgepslcatrn Hände» etwas mehr als nöthig in Locken und Schnurrbart und sagte dann elegisch: Wie trival Sie sich heute wieder ausdrücken, Major! Hausse und Baisse — al« ob ieb Börsen makler wäre! Sic wissen, daß ich auf des Vaters Wunsch dem Bankhaus, das er begründet, verstehe — dem Name» nach wenigstens. In Wahrheit kümmere ich mich gar nicht um die geschäftlichen Angelegenheiten, die erprobte Procuristcu besorgen. Sie wissen ferner, daß ich diesem väterlichen Wunsche sozusagen mein Leben geopfert — wenigstcuS den besseren, geistigen Theil desselben, indem ich — Ja, ja, wir wissen-, alter Freund! unterbrach ihn Rungher launig. Wollten eigentlich Künstler oder Gelehrter werken, aber der Herr Vater — na, da er Sie in den Stand gesetzt, die schönen Künste wenigsten« auf alle Weise zu unterstützen, haben Sie keinen Anlaß, ihm zu grollen. Thur ich ja auch nicht, versetzte Bürglin mit Duldermiene. Wenn nur meine Gesundheit besser wäre, wollte ich mich schon mit meinem Geschick zufrieden geben — Ein dreifaches Gelächter unterbrach ihn. Wirklich — wollten Sie da« — nicht Übel — der reine Säulenbcclige! tönte cS lustig durcheinander, und Rungher setzte mit komischem Ernst hinzu: Allerdings ein Martyrium, die Aufgabe, jährlich hunderttausend Mark mit Anstand zu verzebren! Al« Junggeselle, der nicht einmal arme Verwandte zu unterstützen hat, knurrte der Major. Und mit einem Magenlriden behaftet, da« ibn noch obrnein am schrankenlosen Verzehren hindert, ließ Professor Claudius sich vernehmen. Spotten Sir immerbin, sagte Bürglin gekränkt. Ich hin nicht boshaft genug, Ihnen allen einmal, so probeweise auf einige Wochen, meinen Zustand zu wünschen Erst heute wieder habe ich schwer gelitten und komme deshalb so spät. Deo ganzen Tag nicht« als etwa« Tber und alten Wein genossen — wer soll dabei auf die Dauer bestehen? Und warnm, zum Wetter noch einmal, essen Sir nicht?
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