Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920422023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892042202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892042202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-22
- Monat1892-04
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^«dormemeutspreiD P »a -«»ptexpedtttoa «de, de» tm Stadt- tqttt md de» vororteu errichtete» Aat- stellen ab geholt: vierteljährlich4H0, W zwetmaliarr täglicher Zustellung in« peu« 5Hü. Durch die Post bezogen siir ieutschland und Oesterreich: vierteljährlich F . Direkte tägliche ltreuzdandsenduog in« Ausland: monatlich ^tl 9. . Abend. AnsgnVe. LieMorgen-AuSgab» di« Sdend-AuSgab» Uedartion vnß Lrpeditiou: IohanncSgaffe 8. UtikpeLition i ununterbrochen :et von srüh 8 bi« AbrudS 7 Uhr- Filiale»: Vit« «ly,»'« Porti«. (Alsred dahn). ^ UaiversitütSstrab« 1, Laut« Lösche. lklharinenstr. 1«, pari, uud »«»igSpla- 7. aWger J«sertto»AprriD Die 6 gespaltene Petttzeile LO Pfg. R«clernen unter demRedacttonSstrtch <«ße- spalten) HO^j. oor den FamÄranachrtchte» (h gespalten) 40-E. Gräber« Schritten laut unsere» Preis, verzeichuib. Tabellarischer und Zifferosatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gesalzt), »»r mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderuog .»l 60.—, mit Postbejürderiurg 70.—» Anzeiger. Organ fSr PoliE LocalgeschiMe, Handels- «nd GesMSderkehr. <«8 >- ' Aunahmrschluß für Inserate:' Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag« « Uhr. Sonn- und Festtag« srüh 9 Uhr. Lei den Filialen nnd Annahmestelle» je «t»o halb« Stund« früher. Inserate sind stet« aa di« »r»e»ttt«« za richte». , Denck und Verlag vo» «. Polz t» Leivzs, '^r 2V5. Freitag den 22. April 1892. 86. Jahrgang — Dingen, welche von demselben eigentlich nicht berührt wurden, zu starre Opposition trieben. Sie setzten auch den von der Regierung eingebrachten socialpolitischcn Gesetzentwürfen hart näckigen Widerstand entgegen und halsen damit den Conser- vativen den Boden ebnen, auf welchem sie sich den Gemäßigten näher» konnten. Der BersassungSconstict wird nach ungefähr zehnjähriger Dauer bald sein Ende erreichen. Ueber die gegenwärtige Stimmung in Russisch- Polen wird uns aus Warschau geschrieben: Seit bei» Ausbruch dcS letzten Aufstandes im Aalire 1863 war die Stimmung der polnischen Bevölkerung wohl noch niemals so erbittert wie gegenwärtig. Tbatsächlich siebt eS in allen Gouvernements trostlos aus. Wer anSwandcrn kann, ver saust HanS und Hof in der Hoffnung, jenseits des MeercS ein inenschkiiwiirdigcrcö Dasein si'ibrc» zu können. Aber Tausende finde» für ihr Hab und Gut keine Käufer, trotzdem daß sie ibr Besitzt!»»» zu wahren Schleuderpreisen anbielcn. Die fortwährenden Zahlungseinstellungen und BetricbS- cinschränkttiigen in de» Industrieplätzen machcn Tausende vo» Arbeiter» brodloS. Obendrein finden Arbeiter polnischer Ablnnst an militairischen »nd staatlichen Bauten gegenwärtig nur vereinzelt Beschäftigung, da die Regierung bei fast all diesen Anlagen principlell russische Arbeiter, die meist aus den sogenannten NotbstandSdistricten hcrangeholt werken, anstcllt. So ziehen Schaaren von erwerbslose» Menschen durch die ländlichen Ortschaften, wo sie an den meisten Thürcn vergebens um ein Stück Brod anllopfcn, da viele Bauern selbst kein Brod haben oder sich »nr aus Kleie. Kartoffel», Spreu, Baumrinde u. s. w ein kaum genießbares Brod-Surrogat backen. Aus den Bettlern aus den Bandstraßen werden nicht selten Diebe und Räuber und die Anzahl der schweren Verbrechen ist in allen Gouver nements in erschreckend schneller Zunahme begriffe». Be sondere RussificirungSmaßrcgcln sind neuerdings für Cougreß- Polen nicht mehr erlassen worden. Aber der schrankenlosen Willkür »nd dem bekannten ErpreffuiigSsyslem der russische» Beamten zum Zwecke der Selbstbereicheruug steuert die Regierung auch in den flagrantesten Fälle» nicht mehr. In dieser Hinsicht sind noch niemals so viel Skandale zu ver zeichnen gewesen, als in der Jetztzeit. In Warschau, Plock und Lublin haben neuerdings wieder eine Reihe Polizei- bcz. Ver- waltungSbeanite Gewcrbtreibendcn, Kauflenteu, Fabrikanten rc. ganz bedeutende Summe» entlockt, welche dir Gebrandschatzten auch aus Furcht vor fortgesetzten Polizrichicanen zahlten. Der Haß innerhalb des PolciilhumS gegen die Russen bcz. die „russische Wirthschaft" wird immer i»tc»s?vcr. Besonders ist die« im südliche» Polen und namentlich in den Bezirken an der ostgalizischeu Grenze der Fall, wo die religiöse Verfolgung der Unitcn durch die orthodox-russische Kirche bez. durch die unwissenden und moralisch so anrüchigen Popen noch immer kein Ende nehmen will. Hier fordert das denkbar brutalste BcrfolgungSsystcm immer neue Opfer, die meist nach Sibirien oder wenigstens nach dem äußersten Osten deö europäische» Richland geschickt werden. In den an Galizien angrenzenden Bezirken ballen viele Landlcutc gar nicht mit der Aeußerung zurück, daß sic im Falle eines russisch-österreichischen Kriege« sich ganz offen auf die Seite der Ocsterreicher stellen und lchtercn bei einem Einmärsche in Polen alle mögliche Unter stützung angedeihcn lasse» werden. In den gebildeten und wohlsitiiirtc» polnischen Gesellschaftsklassen ist man natürlich, was politische Acußerungcn anbelangt, ungemein rcscrvirl, aber die Stiniinuug dürste auch hier kaum eine andere sein, als die eben geschilderte in den bäuerliche» Kreisen. Es ist übrigens interessant, daß in vielen Gegenden Polen« die Bauern der felsenfesten Ueberzcugnng leben, die hundertjährige Bnßzeit für das Polciithuin sei nunmehr ihrem Ende nahe Ueber lang oder kurz würde ein gewaltiger Krieg auSdreche» und Polen im Jahre 1895 — als dem Ccntenarium seiner letzten Theilung — wieder in die Reihe der selbstständige» Staaten rintrelen. Politische Tagesschau. - * Leipzig, 22. April. Wenn «S gilt, den Eonservativeu den Vorwurf zu machen, suchten durch Erzeugung von Mißstimmung gegen die örse und ihre Vertreter Stimmen- und Bauernfang zu treiben, so führt sicherlich Herr Eugen Richter die Haupt- stimmc, obgleich er selbst sich nicht scheut, durch Erregung von Unzufriedenheit und Mißstimmung sich den Boden für seine LroberungSzügc vorzuberciten. Jetzt thul sich seine „Frei sinnige Zeitung" viel darauf zu gute, daß die von der deutsch- msiunigen Partei in Bayern in Umlauf gesetzte Petition sür Aufhebung des InvaliditätS-VcrsicherungS- zesetzeS eine große Anzahl von Unterschristcn (245 745) ge sunden hat. Das leitende Organ der Drutschsreisinnigen befindet sich aber im Irrthuni, wenn eS diese» Ersolg als eiuen solchen seiner Partei ansicht, denn nicht Tausende von Unterschriften, wie eS sagt, sondern die Mehrzahl kommt au» Regierungsbezirken, in denen das Centrum doininirt und jtdenfallS der Deutschsrcisinn wenig oder gar keinen Bode» hat. Mit dieser Feststellung soll indeß der deulschsreistnnigcn Partei das „Verdienst" der Priorität bei jenem staalö- männischen Unternehmen nicht abgcsprochcn, sondern nur con- strlirt werden, daß das Centrum ebenso wenig von einer sachlich zwecklosen und darum lediglich aus die Erzeugung reu Mißstimmung berechneten Agitation zurückschreckt wie der Teutschfreisinli. Selbst der dentschfrcisiiinigc Abg. Hirsch, der gesprächigste Gegner des VcrsorgungSgcsetzeS, hat im Reichstage anerkannt, daß die Befehdung diese« Gesetze« nicht die geringste Aussicht aus Ersolg hat. Wenn der Deutsch- steisinn trotzdem einen Petitionssturm gegen dasselbe an rublasen versucht hat, so steht diese Bewegung auf der selben Höhe wie die nach der bündigen Abweisung durch die Regierung fortgesetzte zünftlerische Agitation auf Einführung de« Befähigungsnachweises. Man be zeichnet den Massen ein unerreichbare« Ziel lediglich, um sie um sich zu versammeln und bei Gelegenheit sür er reichbare Zwecke zur Verfügung zu haben. Ti'c Unzufrieden- best über das Altersversorgungsgesetz hat in weit höherem Grade ihre Quelle in den damit verbundene» „Scheercreien" als in den durch dasselbe bedingte» pekuniären Verpflichtungen, sin erstercr Hinsicht wird die Erfahrung Erleichterungen er möglichen uud das Uebrige wird die Gewöhnung ihn». In nicht zu ferner Zeit wird der „Freisinnigen Zeitung" die Bekämpfung drS Invaliditätsgesetzes i» Bayern so wenig gedankt werden, wie schon jetzt ihr vorjähriger Feldzug gegen die preußische Steuerreform. Wenn da« Blatt aber hierin anderer Ansicht sein sollte, warum befürwortet eS nicht die Anpflanzung des PelstionSsturms gegen das AltcrSversorgungs zesetz auf da« außerbaycrischc Deutschland? Am 26. April nimmt das preußische Abgeordneten bauS mit der ersten Berathung des Gesetzentwurfs über die Bahnen unterster Ordnung seine Arbeiten wieder auf. Ani darauffolgenden Donnerstag wird voraiissichlich der Nach- tragSetat sür den neuen Ministerpräsidenten zur ersten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt werden. ES ist nicht anzunchmen, daß sich die erregte politische Stimmung durch die Ruhe der Osterferien wesentlich gemildert bat. Die Parteien haben gegeneinander und zum Theil auch unter sich selbst so Vieles, was der Aussprache harrt, daß man sich aus lebhafte Auseinandersetzungen und Redeschlachten bei dieser Gelegenheit wird gefaßt machen dürfen, zumal wenn auch die Regierung, wir man erwarten kann, den Anlaß ergreifen wird, über so Mancherlei Auskunft zu geben, was die Gemüthrr in den letzten Wochen bewegte. Auch sonst ist der Arbeitsstoff deö preußischen Landtages noch ein riemlich reichhaltiger und der Schluß der Session oor Pfingsten wird wohl nicht in Aussicht genommen werden können, auch wenn größere neue Vorlagen nicht mehr ein- gchen. IuSbesondere wird die Novelle zum Berggesetz mit ihrer einschneidenden Bedeutung für die gesammte Berg werksindustrie in zweiter und dritter Berathung noch lebhafte Debatten Hervorrufen und geraume Zeit in Anspruch nehme». Nach dem soeben auSgegebcncn Verzcickmiß der unerledigten Vorlagen sind außerdem noch zu erledigen: neben drei Rech» nungSsachcn die beiden Gesetzeistwürfc über die Aushebung von Slolgebühren, die Gesetzentwürfe über die Ansbcbung der Steuerbefreiung der NeichSunmittelbarcn, über die Er weiterung und Ausrüstung des StaatseisenbahniietzeS, übe» die Besetzung der Unterbeamtenstellcn im Eommunaldienst mit Militairanwärtcrn, die schleswig-holstcinsche Landgemeinde Ordnung, sämuitlich in zweiter und dritter Lesung, d» Gesetzentwurf über die Bahnen unterster Ordnung m drei Lesnngen. Dazu Anträge aus dem Hause und CommissionS- bcrichtc. Tie Lösung der italienischen M inisterkrisiö ist eine politische Schwergcburt. Heute liegt die telegraphische Meldung vor, daß in einer gestern Abend in Rom abgehaltcncn Br- rathung der bisherigen Minister beschlossen wurde, daß alle Minister mit AuSnahnie de« FiuanzniinistrrS Colombo, welcher der Berathung nickt beiwohnte, im Cabinet verbleiben. Die vacanten Miiiislerposteii für Finanzen, Ackerbau »nd Posten solle», so heißt es in der Meldung weiter, neu besetzt werden. Zugleich wurde beschlossen, er hebliche Ersparnisse in den militairischen Ausgaben sür die Colonien hcrbcizusühren. Hiernach ist im Lause der letzten 24 Stunden eine Wendung wieder insofern cingctrrten, als nuiiniehr vom Eintritt des Generals Ricotti in das Cabinet nicht mehr die Rede ist und General Pelloux als KrieaS- minister in demselben verbleibt. Die nothwendigen Er sparnisse sollen nicht mehr in der Heeresverwaltung im Allgemeinen vorgenommcn, soudern auf die »lilitairische» Ausgaben für die Colonien beschränkt werden. Ob mit diese»! AuShilsSmittcl cs gelingen wird, die vorhandenen Schwierig keiten zu beseitigen, kann erst die Zukunft lehre» Jedenfalls liegt auch nach der vorstehenden neueste» Meldung die ganz« Angelegenheit noch sehr unklar. Die am Mittwoch vollzogenen Wahlen zum dänischen Folkething haben ein in hohem Grade bemerkeuSwertheS Resultat ergeben. Dem Wahltag war mit um so griff,-rer Spannung eutgegengcsehe» worben, als di« Linke zun, ersten Mal getrennt in den Kumpf zog. Bei den letzten Wable» batte die Opposition von den 102 Mandaten de« FolkctbingS nicht weniger als 77 gewonnen. Iltdessen dieser große Wahl sieg batte auch eine Kehrseite, indem die innerhalb der Linke» allnialig zu Tage getretenen Gegensätze sich derartig ver schärfte», daß eine Spaltung in zwei Gruppen eintrat. Vo» den 77 Mitgliedern der Linken sonderten sich 38 ab, welche, des anbauernden Haders müde, zur Versöhnung mit der Regierung sich geneigt zeigten »nd als die „Partei der Moderate»" fortan eine Politik dcS Entgegcnkon»»enS sich zur Richtschnur machten. Herr Estrup hat den Zwiespalt der feindlichen Brüder erfolgreich ausgenutzt. Die Wahlen haben eine merkwürdige Verschiebung der Parleivcrhältnissc im Folkething herbcigeführt. Die Rechte besaß bisher 25 Man date; sic hat am Mittwoch 5 gewonnen, verfügt also jetzt über 30. Die gemäßigte Linke dagegen ist von 38 aus 43 ge kommen und die radikale Linke von 34 auf 28 gesunken. (Das Ergebnis) der eineu Wahl auf den Farörinscln steht noch aus Die moderate Partei ist also jetzt die stärkste Gruppe im Folkething, die radikale die schwächste. Die Mode raten und die Conscrvativcn, welche schon seit Jahresfrist in den meisten Fragen zusailimeiigcgangcn sind, verfügen über eine erdrückende Mehrheit. Damit ist eine vollständige Umwälzung der inneren Lage iu Dänemark angcbahnt, wobei wir annehmen, daß auch Ministerpräsident Estrup deS ewigen HaderS müde sein und eS an nichts fehlen lasten wird, um mit seinen neuen Freunde» auf freundschaftlichem Fuße zu bleibe». Die Radikalen haben den Fehler begangen, daß sie des BerfaffungSconflicteS wegen auch in solchen politischen Deutsches Reich. » Q Berlin, 2l. April. In der heutigen Sitzung dtS Colonialraths fand die Berathung einer vom Zolldirector sür Ostafrika an den Gouverneur cingereichten Denkschrift statt, welche bezweckt, die jetzt bestehenden Werthzöllc bei Einfuhr und Ausfuhr allgemein oder thcilwcise in GewichtS- zolle zu verwandeln. Der Vorsitzende Geh. Rath vr. Kayser gab einen kurzen Ueberblick über die bistorische Entwickelung der Einführung von Zöllen in Ostafrika. In der General debatte sprach sich Director LucaS von der Deutsch-Ostafrika- iiischen Gesellschaft dein Gedanken der Denksckrist gegenüber iin Ganzen zusliinmend ans, hatte aber im Einzelnen und ür jetzt verschiedene erhebliche Bedenken, jedenfalls halte er cS sür wünschcnSwcrth, die Frage im Einvcrständniß mit de» bciiachbarten Colonialstaalen, besonders England und Portugal zu regeln: ähnlich sprachen sich die Herren v. Iacobi, Vohsc», Wörmann, HernSheim, Herzog u. A. aus. Alle Redner aber betonten, daß zur Zeit einer Zoll- änderuiig iiiliiierhi» große Bedenke», auch jinanrieller Art, ciitgcgcnständeli. Die Denkschrift ging an eine Commission von sü»s Mitgliedern »nd zwar wurden, wie schon tele graphisch gemeldet, gewählt die Herren Herzog, Lange», HcrnSbc»», Vohsc», Wörnian». In die gestern bestimmte Commission sür die Sclavensragc wurden ernannt vr. HcSpcrS, Fürst Hohenlohe, v. Iacobi, Thormählen, Weber. Beide Commissionen haben heute Nachmittag Sitzungen gehalten. Die nächste Plenarsitzung findet morgen 1 Uhr statt. LH Berlin, 2l. April. Die Immunität der Ab geordneten, wie sie gegenwärtig besteht, kommt nur den jociatdemokratischen Agitatoren zu Gute, die davon in allen Fällen Gebrauch machen. So setzte im vorigen Jahre der Abgeordnete Grillciibergcr einer Privatklage, die wegen Ver leumdung gegen ihn aiigcstreugt worden war, den Einwaiid der Iuiiiiunität entgegen und in der Sache ist dann weiter nichts geschehen. Der Abgeordnete Kunert bat zwölf Straf proccssc auf dem Kerbholz, darunter allein fünf wegen Maje- stätSbcleidiguna; der größte Tbcil soll in Folge seiner Im munität inzwischen verjährt sein. Es erscheint unter solchen Umstände» Loch dringend geboten, de» Artikel 3l der Reichs- Verfassung ahzuändcru, denn die Absicht des Gesetzgebers ist eS sicher nicht gewesen, Personen, die zufälliger Weise Mit glieder dcS Reichstags sind, rin Privilegium auf straflose Uebertretung der Gesetze zu ertbeilen. Wir können deshalb nur wünsche», daß der vom Abgeordnete» Rinteleii zu tz. 64 St.-G-B. gestellte Zusatzantrag: „Die Verjährung ruht während der Zeit, in welcher die Strafverfolgung aus Grund deS Gesetzes nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann", vom Reichstag angenommen werde. — Die Confcrrnz der Vorstände freier eingeschriebener HilsS Kran kcnc assen i» Hamburg nah», gestern mit schwacher Majorität folgende Rciolution an: „Die Confcrcnz ist der Ansicht, daß auch unter den neuen Bcstiiiiniiliigeii dcS Kranken- versicheruugögcsetzeS ein Weiterbcstebcn der freien Caffen sehr wohl möglich ist, »nd erwartet deshalb, daß die freien Caffen ihre Thätigkcit wie bisher so auch fernerhin fortsetzen werden". Die Coiiscrcn; faßte diese» Beschluß, obwohl viele Mitglieder ihre Ucberzeugung dahin auSsprachen, daß in Zukunft weder die selbstständigen freie» Caffen besteben könnten, »och die Zilschußcaffen sür die Mitglieder vortheilhast sein würden. Aber die Beamte» der Caffen mochten nicht gern ihre Posten verlieren, »nd das wäre beim Eingehen der Caffen allerdings der Fall. Bindend ist der Beschluß der Confcrcnz sur die Caffen selbst nicht. — Die Socialdeniokratcil in Hartha habe» beschlossen, durch ibr GcnieinderathSniitgticd Grünberg iin Gciiicinderalh den Antrag auf Bewilligung von 50.^ Zuschuß zur Maifeier zu stelle». Weiter kann die Naivctat nicht getrieben werden. Die socialdemokratischcn Colporteure, die größtcntheilS eine recht kümmerliche Existenz führen, hofften, durch den Verkauf dcS MaifestzeichcnS und der Maifcstschrist ein Stück Geld zu verdienen, aber da hatten sie ihre Rechnung ohne Herrn Feuillets»». Mo-erne Junggeselle». l7 Roman von B. W. Zell. Itachdriia »erboten. (Fortsetzung.) Rungher hatte sich ganz erregt, wie überwältigt von einem neuen Gedanke», erhoben und schien denselben im Auf- und Riedcrschrciten weiter auszusyinnen. Mit stockenden Pulsen, kaum wagend, die Augen zu ihm zu erheben, schaute Cornelie ihm nach. Was ahnte ihr Gatte — war er wirklich der rechten Lösung des RäthselS auf der Spur? Aber nein, da« war ja unmöglich — Ae selbst hatte di« ErNärung des Grafen ja getroffen svie ein Blitzstrahl — wie konnte auch nur ein Meusch unter der Sonne ahnen, was sie Beide sc fest in de« Herzens tiefstem Grunde bewahrten. Jetzt blieb Rungher vor ihr stehen. Meinst Du nicht auch, Cornelie, daß Remmelin vielleicht schon damals die fürchterliche Krankheit hcrannahcn fühlte uud eS für Ehrensache hielt, mit Franzi zu brechen, so lange es noch Zeit? Sie athmete wie erlöst auf — Gott sei Dank, er war auf töllia anderer Spur. ES wäre nicht unmöglich, entgegnete sie leise. Weiß eS Melanie schon? Nein — wenigstens erfuhr sie eS nicht durch mich. Ich sehr sie ja jetzt so selten, man muß vier Mal bei ihr vor- sprcchen, bevor man sie einmal zu HauS trifft. Auch davon wollte ich eigentlich längst mit Dir reden, Geliebte. Mir ist völlig unerfindlich, woher Deine Cousine plötzlich über so reiche Geldmittel verfügt, die ihr ermöglichen, toller als je in Sans und Braus zu leben. So wie ick ihre Verhältnisse — leider nur allzu aeuau — kenne, muß sie langst zu Ende mit ihren Hilfsmitteln sein und schon seit Monaten erwarte ich zitternd einen völligen Zusammenbruch. Hast Du eine Erklärung für diesen so plötzlich vorhandenen Uebcrfloß? >.. Cornelie hatte sich bemühen müssen, seinem Gcdankcngaog zu folgen. Die furchtbare Mittheilung über Remmelin hatte all ihr Denken vollständig gelähmt und es dauerte einige Minuten, bevor sie sich zu einer Antwort auf seine Frage aufraffte. Ich — wie sollte ich das wissen? fragte Cornelie. Nie hat mich Melanie zu ihrer Vertrauten in irgend einer An gelegenheit gemacht, und ich selber hielt sie für sehr ver mögend, bis ich durch Dich das Gegentheil erfuhr. Rungher sah sinnend vor sich nieder. Leider hat sie auch mir in letzter Zeit ihr Vertrauen ent zogen — ohne allen Grund natürlich. So wie ich sic kenne, hat sie irgend etwas Besonderes vor und will sich von Niemandem in die Karten sehen lassen — und daß ich jenen Michelson jetzt öfter als je in ihrem Hause treffe, giebt mir noch mehr Anlaß zur Sorge. Aber Melanie ist so heiter, so sorglos . . . Eben das gefällt mir nicht. Ihre Heiterkeit ist erzwungen und ihre Sorglosigkeit unnatürlich Als sie damals, nach dem Zusammenbruch ihrer Pläne mit Remmelin, tagelang bleich und starr wie ein Bildwerk umberging, fand ich daS natürlicher. Ich muß wieder einmal erustlich mit ihr sprechen und nöthigenfalls eine Beichte erzwingen. Bin ich doch ihr einziger Freund. Vielleicht kann ich Dich doch auf ein« Fährte weisen, sagte Cornelie jetzt, nachdem sie sich gezwungen, nachzudenlcn. Franzi sprach mir neulich davon, daß Büralin viel bei ihnen verkehre und ihre Mama sowohl als sie selbst mit Liebens würdigkeiten aller Art überschütte... Sieb da, der Duckmäuser! lachte Rungher auf. Nie hat er im Iunggesellenclub, in dem man mich, wie Du weißt, trotz meine« Abfall« noch duldet, mit einer Silbe erwähnt, daß sein Berkehr mit deu Rathenows jetzt lebhafter als früher ist. Trotzdem wüßte ich nicht, wa- das mit Melanien anscheinend aufgrbeffrrter materiellen Lage zu thuo haben könnt«. Doch, meinte Cornelie. Büralin ist reich und vo« noblem Charakter — e« dürfte ein Wort, eine Andeutung vo» Melanie genügt haben, ihr bedeutende Summen... Aber Melanie wird diese« Wort nie sprechen! rief der Rath^hrstzg.^ Auch daria kenne ich sie.-^sir ist leichtsinnig, verschwenderisch, aber stolz! Und wie könnte sie auch Geld von ihm annehmen — eS ist doch ganz unmöglich, Cornelie! Diese stützte müde das Haupt in die Hand. Du hast Recht — cö ist unmöglich und nur die nach wirkende Erschütterung über Deine trübe Nachricht entschuldigt meinen wirren Gedankengang. Sprechen wir also nicht mehr davon. ^ Denken aber, denke», Geliebte, werde ich noch viel an Deine Worte und mich von nun an mehr als bisher um unsere gemeinsame Freundin kümmern. Jetzt aber laß u»S unfern gewöhnlichen Spaziergang antreten, er ist uns heute wohl nöthiger als je. Last mich daheim, Friedrich, bat sie. Du weißt, es liegt in meiner Art, jede GemüthSbewegung allein Niederkämpfen zu müssen. Stört Dich Dein Gatte dabei? fragte er mit zärtlichem Vorwurf. Ich meine, Mann und Weib müssen alles gemein sam trage». DaS Wort traf Cornelie ins Herz. Gemeinsam — daö war ja eben ihr Unglück, daß sie nicht alles gemeinsam mit ihm tragen konnte. Dennoch bat sic noch einmal, beute zu- rkckbleiben zu dürfen, und er fügte sich wie gewöhnlich, nicht ohne über den „Pantoffelhelden" bitter zu ironisiren. - Nun war sie allein. Es war höchste Zeit, denn nicht länger mehr konnte sie die unbefangene Miene zur Schau tragen. Kaum, daß ihr Gatte die Thür hinter sich geschloffen, brach sie zusammen und ein leidenschaftlicher SchmerzenS- auSbruch durchschütterte ihren Körper. Das also war«, wa« wie ein Alp erdrückend auf mir lag all die Monate hindurch — die Ahnung heranziehendcn Un heil«! rief sie schluchzend. Es war also nicht Phrase, als er damals sagte, er könne nicht ohne mich leben — mein Besitz war ihm Daseinsbedingung und dieses Dasein ward zerstört in dem Augenblick, als ich mich kalt von ihm wandte, um einem andern anzugchöreu. Heiliger Gott, wer mir sagen könnte, ob ich damit gesündigt — ob eine so unbeschränkte Liebe nicht ein Recht gievt, auch Liebe zu fordern — er wäre vielleicht gerettet, wenn ich an seiner Seite geblieben wäre! ^ Und dann klammerte sie sich wieder an da« Vielleicht. HiWer^wilt^.tVAen.— seit^seiner^Geburt Lafür^ver anlagt. sagen ja wohl die Aerztc? Er sprach mir von einem Traumbild, das ihn seit seinen Iugcndtagen fast greifbar umgaukclt und da« meine Züge getragen — war nicht schon daS krankhafte Vision? Und daß ich jener Idcalgestalt gleiche, ist nicht auch das vielleicht Einbildung? O, einen leitenden Faden finden in diesem Labyrinth quälender Ge danken, mich freisprechen lassen von der Schuld an seinem Elend — welch eine Erlösung! Wieder versank sie in stummes Brüten. Mich »leiiiem Gatten entdecken — nein, nein, jetzt noch weniger als vorher! Aber mit Remmrlin's Aerztc» will ich sprechen — mit seiner Mutter — mit ihm selbst. Sie schauerte zusammen und starrte mit weit geöffneten Augen vor sich hi». Mit ihm selber — entsetzlicher Gedanke! Und doch, es wird das Beste sein — ich lyuß das Opfer auf mich nehmen um meinet- — um feinet- — ja, um Rungher'ö willen. So kann cS nicht weiter gehen — dieser Zustand des Zweifels, der Halbheit und Oual »st unerträglich. Klar muß ich darüber Werve», wohin ich gehöre, ob zu meinem Gatten, oder zu ihm, der meiner bedarf, der nicht leben kann ohne mich, und doch — sic schlug sich mit gellem Auf» lachen an die Stirn — was ist denn da noch zu schwanken und zu zweifeln; Mein Gatte — damit ist doch Alle» gesagt. Die Frau gehört zu ihrem Gatten . . . Und nein und aber mals nein — hat nicht Rungher selbst mich gelehrt, daß die Formel am Altar nichtig sei, sobald daS Gefühl sie nicht unterschreibt ? Auf welchen Platz aber mich mein Empfinden treibt, will ich entscheiden, nachdem ich den Unglücklichen ge sehen und gesprochen. Nachdem sie Viesen festen Entschluß gefaßt, kam Ruh« über sie und Naren Geiste« konnte sie das Wie überlegen. Daß Rungher auch diesmal nichts davon erfahren durfte, verstand sich bei ihr von selbst. Wie aber zu dem Kranken gelangen? Nach vielem Hin- und Herdenken kam sic zu dem Ergcbuiß, daß hier wohl der gerade Weg der beste sein dürfte, und sie beschloß, sich zur Gräfin Remmelin zu begeben, welche sic ja vom Verkehr »iit Melanie her persönlich kannte Der Wunsch, der gebeugten Mutter warm empfundenes Beileid auSmdrückcn und zugleich nach dem Befinden dcS Kranken zu fragen, gab Grund genug sür deu ungrwöhulichcn Besuch.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite