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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921014023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892101402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892101402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-14
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Nedarlioa und Lrveditiou: 2«ffa»»eS-affe 8. Diekrpeditton ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Ott« Ae«« « e-rtiw. lAlfre» Hatu). Universität-straffe 1, kanIS Lösche, Kathariaeustr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. MrigerCllgkdlalt Anzeiger. SW« für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschüstsverkehr. JnsertioaspreiS 4>re 6 gespaltene Petitzeile LO lsfsg^ Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 ge« spalten) 00-H, vor den gamillennachrichte» (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis- vcrjeichniff. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen - Ausgabe, obne Postbesörderung M.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Runahmeschluß für Inferatt: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn, und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmkslelleu je ein« Halde Stunde früher. Inserat« sind stets an die Srpedttt«» zu richten. Druck »ud Verlag von S. P olz in Leipzig. 527. Kreita^ den 14. Oktober 1892. 86. Zchrgang politische Tllgesschau. * Leipzig, 14. Oktober. Daß über die geschäftliche Behandlung der Militair vorlage Differenzen zwischen dem Reichskanzler und dem preußischen Ministerium nicht eingctreten sind und daß das letztere mit den Grundzügen der Vorlage völlig einverstanden ist, darf als Thatsache betrachtet werden. Und doch ist eS zweifellos, daß hinter den Coulissen etwas vorgeht, was den Nachfolger des Fürsten Bismarck mit Sorge wegen des Schicksals seines jüngsten Werkes erfüllt. Der ver dächtige Eifer, mit dem feine journalistischen Hilfsarbeiter glauben zu machen suchen, der Kaiser sei entschlossen, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Annahme des Antrages zu erzwingen, ist rin Beweis dieser Sorge. Stammt sie daher, daß im preußischen Ministerium nur geringe Neigung vorhanden ist, das Centrum günstig zu stimmen, und daß das letztere eben deshalb kühl dis ans Herr hinan den militairischen Neusorderungen sich gegenüber stellt'? Oder macht Gras Caprivi auS dem Umstande, daß seine preußischen College» so gebeunlustia gegen die parlamentarische Stütze deS Nachfolgers des Fürsten BiSmarck sind, einen Rückschluß auf den Träger der preußische» Krone, der gleichfalls nicht Lust habe, die Militairvorlage mit preußischen Concessionen an das Ccntrum zu bezahlen? Wir wissen cS nicht; aber die Sorge, die in der Umgebung des Reichs kanzlers herrscht, ist säst mit Händen zu greifen. Kein Wunder, daß die Bermulbunz Platz greift, seiner Militair vorlage könne am Ende das nämliche Schicksal bereitet werden, wie dem Zedlitz'schen Schulgesetz entwürfe. Unser Berliner ss-Corrcspondent »heilt nicht nur diese Bcrmuthung, sondern er glaubt sie auch fest be gründen zu können, indem er schreibt: „Wir haben uns vorgestern gestattet, im Gegensätze zu sonst wohlunterrichteten Berliner Zeitungen den „New-Pork Herold" »nt seiner Prophezeiung über Reichstagsauslvsungei, — das Blalt sprach wirklich gleich von einer Mehrzahl von Auflistungen — nicht ernst zu nehmen. Heute dürfen wir einen großen Schritt weiter gehen und feststellen, daß die Mitthcilung, der Kaiser gedenke den Reichstag so lange auszulösen, bis eiue Mehr- heit für die ausgcarbeitete Militair-Borlag« zu Slande kommt, nicht etwa nur „sensationell ausgestutzt" gewesen ist, sondern in unterrichteten und maßgtbenden Kreisen ungcniesseneS Er staunen über die Einbildungskraft deS tranSoceantschen CorrefprM deuten hervorgerufen Hot. Aber nicht nur die strikten Behauptungen des „New-Pork Herald", sondern auch vorsichtigere Andeutungen anderer Blätter über ein persönliches Engagement des Reichsoberhauptes in der Angelegenheit der Militairvorlage entbehren feder thatsächlichcn Unterlage. Wenn jemals eine gesetzgeberische Action „konstitutionell", d. h. unter der aus> schließlichcn Berantwortlichkeit des verfassungsmäßig verantwort, lichcn RatheS der Krone eingcleitet worden ist, so diese Militairvorlage. Der Monarch hat für seine Person noch nicht den geringsten Anlaß zu der Vermuthung gegeben, daß er nunmehr sür die geplante HcercS- vermehrung und HeereSresorm stärker erwärmt ist, als am 18. August, an welchem Tage er sich bei der Herbslparade bekanntlich mit nicht geringer Zurückhaltung über den Werth der von seiner Regierung beabfichtigten Neubildungen ausgelassen hat. Der von uns wiederholt als überaus bemerkenswcrih bezeichnete Widerstand der „Kreuzzeitung" gegen eine starke Truppenvernikh- rung — selbst unter Beibehaltung der dreijährigen Dienstzeit — stützt sich vor allen Dinge» ans diesen Umstand. In dem sür die Projekte deS Grafen Laprivi günstigsten Falle kann man von einem „oou liquet" reden, vor dem der Kaiser sich befindet. Biel- leicht haben aber in diesem Augenblick« schon dikjcnigen Er. Wägungen di« Oberhand gewonnen, welche einen Verzicht aus die Militairvorlage — wenigstens für die nächste Tagung— aerathen erscheinen lassen. Parlamentarische wie militairijche Ein flüssr haben sich in diesem Sinne energisch geltend gemach!, und trotz der halben Ablcugnung der „Germania'^ ist es sicher, daß der Ccntrumssührcr Frhr. v. Huene für die Beseitigung der Vorlage wirkt, und zwar in Verbindung oder unter Anlehnung an eine in hoher militairischer Steilung befindliche und auch der Politik nicht völlig fernstehende Persönlichkeit. Die Zustimmung des Centrum« zu der geplanten Militairvorlage erscheint aus geschlossen, von anderer Seite ist sie noch weniger zu hoffen, wie Gras Caprivi — merkwürdigerweise zu seiner Verwunde- rung — dieser Tage auf das Unzweideutigste eriahren hat. Das an sich fragwürdige Handwerk der Prophetie ist unter dem neuen Cur» ganz besonder- undankbar, aber trotzdem scheint eS nicht zu viel gewagt, wenn man die Verinulhung ausipricht: Tie Militairvorlage wird in ein er Versenkung verschwinden. Ob mit ihr auch Gras Caprivi felgt, ist eine andere, nicht besonders wichtige Frage. Als wahrscheinlich muß man den Rücktritt des Reichskanzlers sür den Fall des Verzichts aut die Militairvorlage allerdings betrachten. Sollten die Tinge diese» Gang nehmen, jo wird ferner wahrscheinlich, daß die Einberufung des Reichstag» viel später, als bisher angenommen, erfolgt, um dem preutzischen Abgeordnetenhaus ausreichende Zeit zur ruhigen Turchbcrathung der Miquel'schen Steuercntwürse zu gewähren." Eine ganz ähnliche Darlegung finden wir in der Münchener „Allgem. Ltg.", deren Gewährsmann eine Zurückstellung der Mililairvorlage aus unbestimmte Zeit für wahrscheinlich hält. Daß wir gegen ein solches „Verschwinden" der Vorlage eben so wenig cinzuweuden liätte» wie gegen die etwaige Amts- mlldigkcit des Grafen Caprivi, brauchen wir wohl nicht be sonders zu betonen. Fraglich erscheint eS u»S nur, ob das Centrum den Man» seines Herzens auch seinerseits mit leichtem Herzen „verschwinden" sehen und ob cS nickt lieber, um ihn zu Halle», ein Opfer bringe» und sür die Militair vorlage cintrelcn möchte ohne baare Bezahlung. Wir trauen nun einmal dem Cenlrum nicht, mag cS durch seine Presse auch noch so laut versichern lassen, daß cS für Dies oder JeneS nicht zu haben sei. Wenn mau die Betrachtungen liest, die jetzt so vielfach an die ErinneruugSfeier sür die Entdeckung Amerikas angekiiüpft werde», fühlt mau sich versucht, eiue Parallele zu der in unscrn Tagen vollbrachten oder an- gcbahiiten Erschließung deS letzten große» Erdtbeils, des afrikanischen, zu ziehen. Es hat damals wie jetzt nickt an kleinen engen Geistern gefehlt, welche über die unfruchtbare Abenteuerlust und die nutzlose Vergeudung de- Wagemutbes spotteten. Und wenn wir heute aus die folgen reiche Entwickelung zurückblickcn, die auS den kühnen Tbatcn der Seefahrer auS der pyrcnäischcn und apenni» irischen Halbinsel aufsproß, welche gewaltige Errungen schaft der Cultur. welche unendliche Bereicherung des menschlichen Daseins! Wir sind weit rnlfcrnt, einen ähnlich großen Gewinn von der Erschließung dlfrikaS »uS zu versprechen. Dem stehen natürliche Verhältnisse des BedcuS und KlimaS entgegen; eine europäische Cvlonisation des Landes wie in Amerika kann hier kaum jemals siattsindcn. Aber durchaus verfehlt ist cS dock, aus geringen Erfolgen oder einzelne» üdeln Erfahrungen eines einzigen Jahrzehnts die völlige Nutz- und Werthlosigkcit deS Unternehmens folgern zu wollen, den dunkeln Erdtbcil dem Verkehr und der Cultur Europas zugänglich zu machen. WaS die Menschheit an den noch ungchobencn iialürlichcn Schätzen dieser reiche» Welt gewinne» wird, das läßt sich nach Verlauf weniger Jahre noch nicht bcurtheilen. DeS „Schweißes der Cvcln" aber ist der Ver such werth, und unsere Ururenkcl mögcn Wohl auch dermal einst die Tage feiern, da külme, aufopferungSmulbige Männer auSgezvgen sind, ein großes Cullurwerk zu vollbringen. Unsere Zeit mit de» gewaltigen wirtbschaftlicken und socialen Kämpfe», mit dem täglich schwieriger werdenden Ringen ums Ta sein, mit der wachsenden Ucbcrvölkerung, mit der gäbrenden Unruhe in allen geistigen, gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnissen ist nicht gemacht, fort und fort allein die alten ausgetretenen Bahnen zu wandeln. Gleich dem Zeitalter der Reformation, mit dem das unsrigc oft mit Recht verglichen worden, geziemt eS u»S, neue Wege und Felder sür die Bethätigunz menschlicher Arbeitskraft und Unternehmungslust aufzusuchcn, neue Ziele des Streben« und SchasfenS auszustellen. Und wen» dabei auch manche Täuschungen und Mißerfolge in Kauf genommen werden müssen, Diejenigen, welche nichts als Hindernisse und Schwierig kcitcn zu bereiten, nichts als Mißtraue», Klcinmuth und Vc sorgniffe auSzustrcuen wußten, werden sich mit dieser Ver sündigung an dem schassenden und ringenden Menschengeist ebenso wenig den Dank der Nachwelt verdienen, wie die kleinmütbigen HöflingSseclcn, welche vor Jahrhunderten den genuesischen Seemann mit Neid und Verblendung vcrsolgten. Tie dem österreichischen Ministerpräsidenten Grasen Taaffe durch Kaiser Wilhelm zu Theil gewordene doppelte Auszeichnung durch Verleihung des Schwarzen Adler- ordenS und persönliche Uederreichuna desselben hat, wenn die darüber auS Wien vorliegenden Mitlbeilungcn begründet sind, in allen Kreisen daselbst lebhafte Gcnugtkuung hcrvor- gcrufcn, indem man hierin ein Zeichen erblickt, baß gewisse Verstimmungen verschwunden sind, auf deren Vorhanden sein man schließen zu müssen glaubte, weil bekannt lich anläßlich der ersten Anwesenheit des Kaisers Wil helm in Wien »ach seiner Thronbesteigung der damalige ungarische Ministerpräsident Herr von TiSza den Schwarzen Atlcrordcn erhielt, eine gleiche Auszeichnung deS Grasen Taasse aber milerbliebcn ist. Nur vereinzelte Stimme» bringen die nunmehrige Decoriruna des Grafen Taasse mit den politische» Wandlungen i» Oesterreich in Verbindung. Auch heute »och fehlt die Bestätigung der Pariser Meldung über ein angeblich gegen de» Zaren verübtes Attentat. Daö in Paris erscheinende Blatt „XIX. Siöcle" bat bekanntlich die Meldung zuerst veröffentlicht. Dieselbe stammt von Reisenden, die am l l.Lctobcr auS Len, Innern Rußlands iu Eydtkuhnen cingelrvsfen sind. Wir haben die Einzelheiten der Meldung zum Abdruck gebracht, gleichzeitig aber dem Mißtraue», daß sie begründet sei, AuSvruck gegeben, und wir müssen auch heute daran fcsthalte», ziimal da die russische Botschaft in Paris erklärt hat, keine Nachricht von einem Attentat gegen de» Zaren empfangen zu haben. Die Einzelheiten dieses angeblichen Attentates haben übrigens eine sebr verdächtige Aehnlichkeit mit dem von Hartmann gegen Alepander 1l. verübten. Tic in Folge der letzten Wahlen bekanntlich ganz und gar dem NadicalismuS verfallene Londoner Grafschafts- Verwaltung hat bereits eine ganze Reihe von Beschlüssen gefaßt, welche man als die beginnende Auslieferung Londons an die Socialdemokratie charaktcrisirc» könnte. Dahin gehöre» die Beschlüsse, GaS. Wasser und Verkehrsmittel von Stadt wegen zu monopolisiren, ein Vor gehen, daö die Socialdcuiolratcn crmulhigt hat, einen noch weiter gehenden Vorstoß in der Richtung der Commu- »alisiruiig privater Tbäligkcitcn ins Werk zu setze». Der Winter ist im Anzüge, alle Welt möchte sich zu möglichst billigen Preisen möglichst reichlich mit Brennmaterial versorgen ; was ist also einfacher, als daß die Londoner Grasschastsverwallung ein Edict erläßt, kraft dessen in so und so viel Sladtgcgcndcn communale Stapelplätze angelegt werden, wo der kleine Mann seinen FcuerungSdedarf zum Selbst kostenpreise von der Stadt entnimmt'? Ein der artiger Antrag ist buchstäblich von einer unter Führung deS bekannten VolkSmanncs John BurnS stehenden socialdemo- kratischcn Abordnung bei dem Londoner Grafschastsrathe gestellt und von letzterem durchaus nicht etwa kurzer Hand abgcwiescn worden. Im Gegenlhcil hat er versprochen, die Sacke in sorgsame und svmpatlnsche Erwägung zu ziehen. Nach ihren bisherigen Leistungen konnte diese Körperschaft auch nickt anders bandeln, wenn sie sich nicht eines gröbliche» Ver stoßes gegen ibre Priueipicn schuldig macke» wollte. Nacktem sie die im städtischen Dienste bcnötlngtc Arbeit den Arbeitern zu exorbitanten Preisen abkanst, nachdem sic in Begriff ist, die Arbeiter auf den i» städtische Regie übernommenen Tram- babncn nach und von den Arbeitsplätzen zu Mininialprciscu zu befördern, die den BctriebSauswand nicht einmal annäbcrnd decken, ist cs nur in der Ordnung, wenn der Arbeiter auch seinen Fcuerungöbedarf auf städtische Unkosten zu- gewendct erhält. Höchstens könnte man sich darüber wundern, daß die Socialdemokratie nicht noä> weit ausschweifendere Forderungen stellt — doch was nicht ist, kann noch werden. Ta sind B. die Bäcker »nd Schlächter, welche ebenso gut wie die Kohlenhändler an den Cviisumentcn prositiren. Warum errichtet man nicht auch gleich communale Fleisch- und VrodvcrkaufSstcllen mit obliga torischen Minimalprcisen? Die Commnnalisirung der übrigen Bictualicn- und Getränk-Branchen könnte Nachfolgen, ebenso die der Kleider- »nd Schubwaarenbranche, überhaupt aller sür de» Arbeiierconsum ins Gewicht fallenden Betriebe. Gebt darüber ^die städtische Finanzlage in die Brücke, so dürfte sich die Socialdemokratie noch am ersten zu trösten wissen und ihr Geschäft, fremde Terrains abzugrascn, ander wärts svrlsetzen. Nach sicheren Mittkeilungen aus Konstantinopel ist von einem mehrfach angcdcutete» neue» diplomatische» Schritle Rußlands, der angeblich auf Vorstellungen wegen der Berufung des Generals Brialmont zur Begutachtung der Befesiigungspläne sür die Meerengen und die Erlangung von weiteren Concessionen bezüglich der Durchfahrt russischer Schisse hinauslausen sollte, bisher nichts bekannt. Wenigstens ist bisher eine bezügliche Note nickt überreicht worden, was indeß nicht ausschlicßl, daß sich die beziiglichcAiiküiitigung bewahrheiten und Rußland koch mit einem zweiten diplomatischen Schritte an die Pforte heranlrclen könnte. Nach einer weiteren Meldung bat die Pforte nunmebr die letzte russische Note beant wortet. Tie Antwort ist durch den russische» Botschafter übermittelt worden; cS ist auch die Versicherung darin ent-, halte», daß der Empfang Stambnlvw's nur ein Act der' Höflichkeit gewesen sei und die Türkei keineswegs beabsichtige, von der ibr vorgeschriebcnen Politik abzuwcichcn. Der Londoner „Standard" hebt hervor, cS sei besonders auf- aefallen, daß der russische Botschafter Nelidofs seil seiner Rückkehr »ach Konstantinopel dem Sclamlik nicht bei- gcwohnt habe. Eü ist seit langer Zeit eine feststehende Thatsache, daß bei allen Wahlen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, welches von demokratischer Seile so gern als daS Musterland der persönlichen Freiheit und po litischen Vollkommenheit gepriesen werden, Geld de» Aus schlag gicbt. Positives hierüber war aber nur wenig bekannt, weil die Parteien etwaige allzu scandalöse Ent hüllungen jeder Zeit rechtzeitig zu unterdrücken wissen. Um so größeres Aufsehen macht jetzt ein Aussatz des Professors I. W. Jcnkö von der Eornell Universität im neuesten Hefte deS „Century", der auf Grund actcnmäßigtn Materials das geradezu beispiellose Beste chiingSsystcm bei den Wablen in Amerika schildert. Die Angelegenheit ist gerade jetzt, wo der EiitscheidungSkanipf zwischen Clcveland und Harrison bcvorstcht, von höchstem Interesse, und diese Enthüllungen werden voraussichtlich nicht ohne Folgen bleiben, da jeder anständige Mensch darüber empört ist. Man sollte cS nicht sür möglich Hallen, aber cs gicbt in Amerika Bezirke, wo alle Stimmen käuflich sind. In einem Bezirke von Ost- Ncw-Iork sind von 400 Wählern nur 30 nicht sür Geld zu haben. In einer aiidcrc» Stadt dieses Staates wurden 1888 gegen 20 Proc. der Stimme» gekauft. In diesem Staat scheint überhaupt die Corrnption am ärgste» zu sein. I» Rhode Island sind von 04 000 Stimmen 0000 käuflich. Es ist nichts Ungcwöhulichcch daß Farmer mit ihren Söhnen und gemiethctc» Leuten zur Statt fahre» und ibre Stimmen in einer Art Auclion dem höchsten Bieter überlassen. Wo kommen nun die zu solchen Maßnahmen erforderlichen riesigen Summen bcr? Tie Hauptgnclle ist eine Besteuerung der Candidatcn. Icker bezahlt mindestens 0 Proc. des Geballs, das er im Falle der Wahl zu erwarte» hat. Ist er dazu zu arm, so muß ein reicher Bewerber für ibn einlrelcn. Dazu komme» die reichen Mittel des Nationalcomilös, ferner freiwillige Beiträge. Tie letzteren belaufen sich oft auf ungeheuere Frnilletsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschals. 12f Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Aber das war ein grenzenloser Leichtsinn von mir! Wie soll ich da aiiSkommen? Ich babc schon an die Fabrik in Niederau geschrieben, neue notbwcndigc Bestellungen! Ta kann ich mich nicht einschränken — sonst verpufft Alles, meine schönsten Vorbereitungen sind vergeblich gewesen." „Ich habe Dein Wort, Vater . ." „Gicb mir's zurück . . sei mein braver lieber Sohn! Ich weiß schon . . die Drainage . der Ankauf neuer Böcke . . doch daS bat ja alles keinen Werth! Laß mich nur erst die rechte Mischung getroffen baden. Tann soll auch unser Gut in Blüthe kommen. Ich brauche Alles . . Alles" Diesmal aber bestand Enrico hartnäckig auf seinem guten Recht . . er legte, che cS der Later hindern konnte, seine Hand auf einen Haufen Tausendmarkscbeinc, der ungcsähr der Summe entsprach, die ikm der Vater zugesaat. Da erhob sich dieser und ging, die Hände ringend, im Zimmer auf und ab . . eine Thräne rollte in seinen grauen Bart. . und mit einer weinerlichen Stimme rief er auS: „O, die Kinder sind ein Unglück, ein wahres Unglück! Große Erforscher der Wahrheit, große Entvccker müssen kinderlos sein. Da kommen sie mit ihren Anforderungen . . man ist gut, man ist schwach, man läßt sich erweichen . . und die schönsten Pläne werden gekreuzt, die schönsten Erfolge verkümmert. Nimm nur, nimm! Ick brauchte das sür Niederau: doch daS ist Dir ja gleickgiltig! Greis' zu mit Deinen Harpycnkrallen! Du befleckst eiu großes Werk mit Deiner Habgier." „Vater . . e- ist ja nicht für mich .. eS ist für Dich, für uns Alle!" „Halbe Erfolge. So komme ich nickt vorwärts! Ich muff au- dem Vollen schöpfen können. Gehe doch lieber Alles zu Grunde, damit ich aus der Brandstatt das Gebäude eines neueren schönen Glückes aussühren kann . . und daS wäre ein Bau, der mir zugleich die Unsterblichkeit sichert. Greis' nur zu . . cS ist ja nicht daS erste Mal, daß der Sohn dem eigenen Vater den Lebensnerv durchschneidet." Seiner Mutter, seiner Brüder gedenkend, blieb Enrico unerbittlich: er zählte die zehn Tauscndmarkschcinc dem Vater vor, gab ihm einen Schein darüber und sagte dann: „Ick werde Dir von der Verwendung derselben sür die Wirtschaft genaue Rechenschaft geben." „Wirtschaft", rief der alle RiSpori in krainpsbastcr Erregung, die Fäuste ballend, mit denen er sich vor die Stirn schlug; „Wirtbschaft . . daS ist Sacke der Bauern! Muß mir der Bauer in den Nacken schlagen, wenn ich unver gängliche Entdeckungen sür die Wissenschaft machen will? Eine Düngersuhrc versperrt mir daS Thor zur Unsterblich keit! Unglaublich! das kommt von der Nachgiebigkeit! Nimm und geh . . ich mag Dich so bald nicht Wiedersehen!" In diesem Augenblicke kugelte der kleine Basilio zur Thür herein, mit der frohen Meldung, daß der Niederschlag in der einen Retorte allen Erwartungen entspräche! Da richtete sich der Alte stolz aus . . sein Auge leuckicte, und dem vorauöslicgenden Basilio stürzte er wie ein Trunkener nach. Er vergaß sein Geld, seine Papiere —! Enrico schloß den Schrank ab und brachte ihm den Schlüssel nach. An der Gartentbür traf er seine Mutter . . sic war so ausacrczt, daß sie ihre in der Laube sitzenden Gäste mehrfach im Slick ließ. Enrico wandelte mit ihr einen dichlvcrwachseiicn Laudengang aus und ab. „Beruhige Tick! . Ich habe mir daS Geld erobert, das mir Vater versprochen hat, mit Mühe erobert! Es soll nicht bloS der Landwirthschast, auch Deiner Hauswirlbfckast z» Gute komme». Sorge nicht länger, lieb Mütterchen! E wird Alles gut gehen." „O, er bat ja keine Nacht ruhigen ScklaseS mehr! Ta zündet er sich da» Licht a» und wandelt Trepp aus, Trepp ab — oft hinüber ins Laboratorium. Ich höre, wie die schwere Thür in ihren Angeln knarrt, wie er sie hinter sich donnernd zuscklägl . . und dann kommt er oft zurück mit so sorgenvoller Miene, al- drohe dem Liebsten eine schreckliche Gefahr. Und cö ist nichts, gar nichts, als daß ihm irgend ein Experiment mißlungen ist, daß ihm eine Mischung ein anderes Gesicht zeigte, als er erwartete. Und dann kann er keine Rübe finden . . er öffnet di: Fenster, um frische Luft zu schöpfen; er schließ» sic wieder, er murrt, daß der Mond >bm ein höhnisches Gesicht schneidet, daß die Blumendüftc ilm betäuben auS Aerger darüber, daß er der organischen Basis der Blumen nachspürt und ihn-n daS Geheimniß ihrer Seele raubt! „Nur Geduld, liebes Mütterchen! Er wird seiner ver geblichen Anstrengungen allmälig müde werden." „Kümmert er sich denn noch um unö? Wa« bin ich ibm, und wir Alle? Er bat kaum einen Blick für uns! Er, rin so geistreicher herrlicher Mann, so voll tiefer Ge danken . . o wie hing ich früher an seinem Munde! Ich ver stand ihn, seine Liebe lehrte mich das Verständnis;! Es war ihm Herzensbedürfnis;, mich zu sich cmporzuzicbcn. Und wie war ich selig dabei . . mit dem wachsenden Lickt de» Geistes die wachsende Wärme des Gefühls! Ick vergötterte ihn — und er . . ich dars'S wohl sagen . . :r vergötterte mich nicht weniger. Und jetzt .. o wie traurig ist Alles iim- gcwanbclt! Tie Fahne, die er mir vorantrug, bängt zerfetzt an der Stange.. er ist ein unsteter, nienschenjeiiiklichcr Mann geworden. Wir sind ihm eine Last, und der Gedanke, daß er auch für uns sorgen muß, während er seinen Plänen und Idee» leben möchte, ist ihm peinigend." „Beruhige Dich, Mütterchen . . keinen SchmerzenSzug in dem lieben Gesicktcke» .. den küss' ich weg! Bringen wir nur da« Gut in die Höbe, so wird « eine Weile schon geben.. und mit der Zeit wirb sich Alles zum Besseren wenden " Enrico selbst glaubte nicht an das. was er sagte; doch er mußte die Mutter trösten um jeden Prei«; eS brach chm fast das Herz, wenn er sie so trostlos Iah. E» war Zeit, sich nach den Gästen umzuseben, die schon zu lange allein geblieben waren Nur die beiden jüngsten RiSpori leisteten ibnen Gesellschaft. Frau Lorca unterhielt sich ganz gut mit den Kindern; sie hatte in ihrer üppigen Genußsucht etwa« Naive», ganz wir die Kleinen, die ia auch vom Leben nichts al« Freute verlangten. Den Kleinsten, Umberto, hatte sie auf den Schooy genommen und ließ ibn die angenehme Mandelmilch kosten, welche ihnen Frau Rispori vorzcsctzt batte; sie schmeckte ikm auöuchmcui' und er griff immer wieder nach dem Glase. Der ältere, Victorio, batte etwas Nachdenkliches; er richtete allerlei Fragen an Frau Locca, zu ihrem größten Mißvergnügen, denn cö war ibr »»begaciii, zu antworten, und bisweilen fragte der Knabe ganz merkwUrdige Dinge, auf welche sie überhaupt keine Anlwort wußte. Nora beschäftigte sich nicht mit den Kindern, sic balle kein Ver ständlich sür geistiges KnoSpcnlebcn; »nr daS erweckte ibre Tbcil- nabme, was voll entfaltet war. Als Enrico in den Gängen des Gartens sichtbar wurde, da schüttelte Frau Locca idrcu Umberto ab, der sich als eine rnilicbsaniine Klette crwicS, die sich durchaus nicht wellte loSbaken lasten, und auch Nora crbob sich, ui» dem Vetter entgegenzugeben. Tic beiden Frauen grüßten ibre» Liebling mit besonderer Wärme; ibm zu Liebe batte Frau Loeca ja der Familie Rispori ei» große« Opfer gebracht und rechnete ans entgegenkommenden Tank. TaS fühlte Enrico heraus und das verstimmte ibn-, er suckle sich der Schuld des Dantes mit einigen sebr höflichen Worten zu entledigen und glaubte damit seine volle Freibeit wicbcr- gewonnc» zu haben, so daß er die umstrickenden Netze von Mutter und Tochter getrost zerreiße» könnte. Man ging in de» Gängen de-Gartens aus und ab ... zunächst batte Frau Locca auf ibn Beschlag gelegt. Es war ein gcsäbrlichcr Weg — so viele duftende volle Rose» attunclcu zur Rechte» u»d zur Linjcn ihr üppige« Leben an»; hier eine MarfchallNiel, dort eine Jeanne d'Arc, die gelblich schimmernde Tbecrose mit ibrem milden Wohlgcruck, so aumnthig von den schlanken Zweigen bcrübernickcnd . . welch ein bunter Flor mit seiner Farbcnglulh und seinem Lebcnsvdem, mahnend an da« Glück des Lebens, der Liebe! Viele dieser Rosen blnblc» bis in den Spätberbst . . gekörte Frau Locca nickt zu ibnen? Und in der Thal, unter ihren Schwestern aus dem Blumenreiche schien sie zu süblcn, wie stattlich und voll sic selbst erblüht sei. DaS Selbstgefühl sprach ans den strablcndc» Augen, mit denen sie zu Enrico cmporblickte; sie reichte ihm oft zärtlich die Hand, wen» da« Gespräch solchen Ausdruck der En>- vsindung vcrstaltetc; ihr seidenes Kleid knisterte bei jeder Annäherung, die oft nicht so zufällig war, wie es de» An schein hatte . . und cS war, als hörte man die sprühenden
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