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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930812025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893081202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893081202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-12
- Monat1893-08
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Dieclamen unter dem Redactiontstrich («ae« spalteu) üO-4. vor den Familienuachrichu» (6 gespalten) 40 >4- Srüßere Schristeu laut unserem Preis» verzeichaib- Tabellarischer und Zifferosatz aach höherem Tarif. Extr«-Vellage» (gesalzt), »,r mit de» Morgen. Lu«gabe, ohne Postbesürderuaa >4 60.—, m»1 Postbesörderung 70.—>. Annahmeschlaß für Anzeige«: Abend-Autgabe: Lormittag« 10 Uhr. Morgeu-Au-gabe: Nachmittag« «Uhr. Sana- uud Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ei»« halbe Stund« früher. ^ Auzetiru find stet« an dt, Ortzetzttt«» zu richte». Druck und Verlag von L. Pol« t» Leipzig. Sonnabend den 12. August 1893. 87. Jahrgang.' Zur gefälligen Scachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 13. August, Vormittags nur dis Uhr gcössuet. l^xpeiUtlon 668 I.eiprlxer 'l'uxeblLttes. Amtlicherl Theil. Lekannlmachung. Bon heute ab beträgt bei der Reichsbank der Diskont 5 Procent, der LombardzinSfuß für Tarlehne gegen ausschließliche Verpfändung von Schuldverschreibungen des Reiches oder eines deutschen Staates 5'/, Procent, gegen Berpsändung sonstiger Effecten und Maaren 6 Procent. Berlin, Len 11. August 1893. Rcichsbank-Dircctorium. Politische Tagesfchau. * Leipzig. !2. August. Die in Arankfurt a. M. versammelt gewesenen dcutschcn Ftnanzministcr haben entweder kein Mittel gesunken, ihre „geheimen" Beratbungen vor Lauscberohrcn zu schützen, oder sie baben ein menschliches Rühren bei dem Gedanken an die im Reiche herrschende Spannung gefühlt und sich entschlossen, von dem Schleier des officicllen Geheimnisses wenigstens einen Zipfel durch die „Franks. Ztg." lüsten zu lassen. DaS Letztere scheint daS genannte Blatt selbst andeutcn zu wollen, indem cs einen Epilog zu der Finanzministerconferenz solgcnder- maßen einleitel: „Die Verhandlungen sollten geheim sein und sind es auch bis zu einem gewissen Grade äußerlich gewesen. Es wurden dafür Zweck- mäßigkeitSgründe geltend gemacht, die wir hier nicht abzuschätzen vermögen. Auch dann, wenn wir sie als voll ständig berechtigt anerkennen, bleibt der gegründete Anspruch des stcuerzahlcnden PublicumS bestehen, rasch darüber insormirt zu werden, was man mit ihm vorhat. Wir glauben daher, wenn wir unsere bisherigen Nachrichten über den Gang und Inhalt der Verhandlungen durch die nachfolgenden, unS gleichfalls aus guter Quelle zufließenden Mittheilungen ergänzen, der Allgemeinheit einen Dienst zu erweisen." Man wird hieraus wohl abnehmeu dürfen, daß die gegen alles Officiöse sonst so eingenommene „Franks. Ztg." aus Mitleid mit dem stcuerzahlcnden Publicum diesmal ,n eine wenigstens balbosficiöse Rolle sich gefügt bat. WaS ihre „auS guter Quelle" geflossenen Schlußmittheilungen betrifft, über die der Telegraph schon kurz berichtet bat, so lauten sie wörtlich: „Wie schon gesagt, sind die Verhandlungen zu einem vorläufigen Abschluß gediehen, indem man sich über die Grundgedanken der in Angriff zu nehmenden Steuerprojecte geeinigt hat, was nicht aus- schließt, daß bei der kommissarischen Behandlung der einzelnen Materien neue Gesichrspuncte in die Fragen hineingetragen werden. Di« drei Steuergattungen, hinsichtlich deren man zu positiven Ergebnissen gekommen ist, sind: die Tabakfabrikatsteuer, die Neichsstempelsteuer und die Weinsteuer. Auch die Wehr- sleuer und di« Jnseratensteuer sind, wie schon erwähnt, in den Kreis der Berathungen gezogen worden, aber — vorläufig wenigstens — mit negativem Resultat. Bisher — und hoffen wir: aus die Tauer — sind die Bedenken, die sich gegen die beiden genannten Steuern geltend machten, über wiegend gewesen. Was die T a b a k f a b r i k a t st c u e r betrifft, so haben wir die Grunvzüge des Projektes bereits erörtert. Hinzufiigcn wollen wir »och, daß die Stempelung, die eingesührt werden soll, an der Verpackung vorgenommen werden wird; unerläßlich ist ferner eine Eontrolc der Bücher des Fabrikanten. Tic verpackte und mit dem Stempel versehene Maare wird von dem Händler ohne jede Beschränkung oder Controlirung dem Kleinverkaus auSgesctzl: eS ist also Niemand gezwungen, bestimmle Quantitäten einzukanien, sondern der Detailhandel voll. zielU sich vollständig in der bisherigen Weise. In Aussicht ist übrigens genommen, daß bei den bevorstehenden CominisjionS- beralhiiiigen diejenigen Staaten, die bei der Tabaksrage bejvnderS intcrejsirt sind, vorzugsweise gehört und berücksichtigt werben sollen.— Der geplante Zuschlag zur Reickisstempelstcucr wird einerseits in einer weiteren Ausbildung der Börscnsteuer, andererseits ui der Einführung der Quittungssteuer bestehen. Ueber die letztere kann mitgetheilt werden, daß sie als progressiv wirkende Werthsteuer nicht gedacht wird; die Abstempelung der Quittungen dürste, um die Belästigung des Verkehrs moglichit ein- zujchränkcn, einfach durch Aufkleben von Stempelmarie» aus die Quittungen durch das Publicum selbst erfolgen. — Was die dritte der in Betracht kommenden Steuern anbctrisst, die Weinsteuer, so ist zu bemerken: die Neichsweinsteuer soll eine Luxus st euer sein und weder die Einnahmen der Einzelstaaten ans den bisherigen Weinslcuern schmälern, noch den Co»>um billiger Weine vcrtheuern. Sie soll lediglich die Qualitätswcine in Betracht ziehen, unter denen auch die Schaumweine inbegriffen sind. Fallen sollen die bis herige», die Besteuerungen cinengcnden Bestimmungen des Zollvereins vertrags. Es soll nicht nur die Grenze des Steuersatzes hinausgeschoben werden, sondern auch die bisher bestandene Einschränkung beseitigt wer den, wonach nur in den eigentlichen Weinländcrn der Wein zur Com- niunalbestcuerung hcrangezoge» werden kann. (So dürfen z. B. in Nassau die Eommunen Weiiisleuerzuschlag erheben, nicht aber in der Rheinprovinz, weil Preußen kein eigentliches Weinlaud ist). Ter Grundgedanke, über den inan sich geeinigt hat, ist demnach der: der Wein als Consumartikel breiterer Volksschichten wird der Be steuerung durch den Einzclstaat und die Commune unterliegen, womit zugleich die Möglichkeit gegeben ist, nothwcndige Reformen durchzuiühren; der Wein als Luxusartikel (QualitälSwcin) wird dem Reiche als Einnahmequelle zugewicjen. Vom Schaumwein, auS dem man einer früheren Schätzung zufolge 3 Millionen Mark herausschlaqcn wollte, hofft man einen bedeutend tiühcren Ertrag zu erzielen. Weitere als die hier genannten Steucrgaltungen sind nicht zum Gegenstände der Berachunge» gemacht worden. Tie Frage, ob und welche Stcucrarten beweglich gemacht werden sollen, ist wenigstens insoweit zu beantworten, als die Tabakfabrikat- sleuer nicht zu ihnen gehört, und das Gleiche dürfte bezüglich der Weinsteuer Her Fall sein." Hieran schließt das Blatt noch eine Schilderung des Ge- sammte indrucks der Beralbungcn, die ihr von einer „der Eonserenz nahe gestandenen Seite" zugcht und folgendermaßen lautet: „Dieser (Gesammteindruck) soll ein sehr günstiger sein; man sei in den wenigen Tagen der Besprechungen weiter gekommen, alS sonst durch Monate dauernde Eorrespondenz. Infolge dessen sollen die Conserenzen auch in künftigen Bedarfsfällen wiederholt werden. Tie Vertreter deS Reiches und Preußens habe», wie sich auS mancherlei Anzeichen schließen läßt, gefunden, daß auch die Finanzvcrwaltungen der Einzelst aatcn hervorragend tüchtige Kräfte besitzen; hoffentlich trägt diese Erkenntnis! dazu bei, daß daS Reich und Preußen in wachsendem Maße den berechtigten Interessen, insbesondere des Südens, gerecht werden. Als einen Gewinn mag man es auch bezeichnen, daß Lurch die Eonserenz die Ansicht sich besestigt hat, daß der jetzige Zustand unhaltbar ist, wonach den Reichsausgaben keine Grenze gezogen ist. Und da man selbst in de» Kreisen der Finanzministcr sich der Einsicht nicht verschließt, daß die irgendwie heranzichbarcn Stcucr- quellen durch die Verwirklichung der jetzt erörterten Projecte erschöpft werden, müßte eine solche Erkennlniß dazu führen, daß man an eine Einschränkung der Ausgaben des Reiches — »nd hier käme natürlich dos Militair in erster Reihe in Betracht — zu denken habe. Die Denkschrift in ihrer jetzigen Form soll nicht per öffentlicht werden, vielmehr wird dem Reichstage eine neue Denkschrift vorgelegt werden, was ganz begreiflich erscheint, da durch die Berathungen eine Reihe der zu erörternden Fragen ein ganz anderes Gesicht gewonnen hat. Die Commiffioii, über deren Zusammensetzung und Aufgaben wir schon Mittheilung machten, dürste erst im September d. I. in Berlin zusamnientreten." Tic Feder, auS der diese Schilderung stammt, ist ersichtlich eine süddeutsche. Daß sie aus der Eonserenz selbst sich im Sinne einer Einschränkung der militairischen Ausgaben ausgesprochen haben sollte, glauben wir nicht, denn sonst würde wahrscheinlich die gerükmte Einigkeit etwas gelitten baden. Ucberbaupt wird diese Einigkeit auf eine starke Probe erst noch gestellt werden, denn cS bleibt der Septembcr- bcrathung noch eine große Aufgabe zu lösen übrig. Ueber den „beweglichen Factor" hat man sich allem Anscheine nach noch nicht verständigt. Ein seltsames Gerücht kommt auS Bayern. Der „Nürnb. Anz." thciltc schon vor mehreren Tagen mit, in München wecve erzählt, daß der Prinz reg ent zu Gunsten seines ältesten Sohnes, des Prinzen Ludwig, abzudanken beabsichtige. Wir haben bisher dieses Gerücht unerwähnt gelaffen, da sich nirgends in der bayerischen Presse eine Bestätigung dieser Meldung fand. Jetzt jedoch nehmen auch die Münchener „N. Nachr." von der Mittheilung des „Nürnb. Anz." an deutungsweise Kennlniß, indem sic eine Aeußcrung wieder- qcben, die „ein sehr hochstehender Herr" zu seiner intimen Umgebung gethan haben solle: „Ich werde nicht nach Wunsch offen und rückhaltlos von den Dingen unterrichtet; die Excellcnzen suchen mir Alles zu bcschö »igcn!" Ob solche Aeußerungen wirklich gefallen sind,muff natürlich dabingestcllt bleiben; jedenfalls aber würden sie noch keinen ausreichenden Grund für Rücktrittsgedanken abgebcn. Bestehen solche, so müssen sie auf andere Ursachen zurückzu- sübrcn sein, die tiefer liegen und mit „beschönigenden Excellenzcn", die entlassen werden können, nichts zu tbun haben. Und gerade das weckt Besorgnisse, die hoffentlich durch ein entschiedenes Dementi von berufener Seite zer streut werden. AaS „Mährische Tagblatt" in Olmütz giebt Auf schluß über die auch von jungczechiscker Seite neulich gemeldete Agitation der Klerisei in Mähren behufs Schaffung einev '-atholischen Eentrumspartei. Das erwäknte Blatt verweist aus die Bewegung, die sich in allen Pfarrhöfen bemerkbar mackt, und auf das geschäftige Treiben des Klerus, den vollen Einfluß auf Herz und Sinn deS Volkes wieder zu erlangen. Bedenklich erscheine es, daß an der Spitze der ganzen Bewegung als ihr Urheber und Leiter nicht der Erz bischof von Olmütz, sondern der streitbare Bischof Bauer von Brünn siebe. Die Deutschen Mährens haben sich von klerikaler Seite nie einer Unterstützung erfreut. Im Süden und Nordwesten des Landes bat die kleri kale Agitation schon seit Jahren sich ohne den ge ringsten Erfolg bemüht, dem Deutschthum den Boden abzugraben. Wir sehen, sagt daS genannte Blatt, diese Agi tation bereits am Werke und glauben, Ursache zu haben, sie auch fernerhin nickst fürchten zu müssen. Fest und selbst bewußt steht das Deutschtkum Mährens seit einem Viertel- jahrhnndert in dem ibm aufgedrungencn Kampfe. Es wird in demselben nicht ermatten, ob cs nun gilt, nationale oder freikeitlicke Güter zu vcrthcidigcn. Im Ringen um den nationalen Besitzstand fand eS ohnehin stets den Klerus in jenen Reiben, die ihm gcgenüberstandcu. DaS klerikale Auf gebot kann unS also nur zu erhöhter nationaler und politischer Wachsamkeit aufmuntern; es kann unS aber weiter keine ernste Sorge cinflößen. Anders steht die Sache im czcchischen Lager. Dort bildeten die Truppen des klerikalen Heer- Feiiilletsii. In des Reiches Ostmark. 1S> Roman von B. W. Zell. Nachdruck verbaten. (Fortsetzung.) Brzwicki stutzte heute ein wenig, als er LeczynSki sah. Seiner Rechnung nach mußte dieser, dessen Verhältnisse er genau kannte, vollständig scrtig sein und aus dem Trockenen i'itzen, denn Niemand wie er wußte so genau, wie ungeheure Summen der stets unglückliche Spieler in den letzten Monaten verloren. Und nun sah er ibn mit sehr vergnügtem Gesicht beim Sekt sitzen, die mit Cassenschcincn gefüllte Brieftasche neben sich, und horte gleich beim Eintritt seine heisere, lallende Stimme: „Wo bleibt denn nur Brzwicki — wir können doch nicht obne ihn daS Spiel beginnen." Als er dann im selben Augenblick den Vermißten erblickte, begrüßte er ihn lärmend, dielt ihm ein gefülltes Glas Cbampagner entgegen und drängte: „Nun eil' Dich, Brüderchen — ich möchte heut' endlich Revanche für alles Pech der l-tzten Zeit nehmen." Revanche! AiteS, unseliges Loreleylied aller unglücklichen Spieler, das sie rettungslos am Felsen zerschellen läßt! Man spielte. Und eS ging in diesem versteckten GasthofS- stübchen eines Städtchens der russisch-polnischen Grenze genau so her wie in den eleganten Spielhöllen von Monaco oder in den aristokratischen Cirkeln irgend eines Unionclubs. Ucberall und in jeder Gesellschaft macht daS Spiel die Menschen gleick, hebt alle Nana- und StandcSunterschiede aus und entfesselt schließlich daS Thier im Ebenbild Gottes — so auch hier. Was unter heiteren Scherzen, scheinbar nur zum Zeitvertreib, begonnen, gestaltete sich in. Verlaus der Stunden zu einem verzweifelten Kampf um Mein und Dein, und je mehr der Wein die Köpfe erhitzte und verwirrte, um so wilder, dämonischer wurde dieser Kampf gefübrt, an den die Betheiligten Alles zu setzen bereit waren — Gut, Ehre, Leben, denn welchem verzweifelten Spieler schwebte nicht als letzte Rettung die Kugel vor? George v. Malkiewicz war mit dem Nachtzuge in I. ein- aetroffen. Er hatte keinerlei Nachricht von seiner Ankunft nach seinem kleinen Besitzthum gelangen lassen, eS erwartete ihn daher auch kein Wagen am Bahnhof. Die wenigen Droschken, zu denen eS I. in allerjüngster Zeit gebracht, waren schnell vergriffen, auch hätte sich Wohl keiner der Nosselenker ent schlossen, jetzt in der Nackt ein paar Stunden Landweg zuriick- zulegcn. George beschloß daber, im Gasthos zu übernachten und morgen früh zuerst nach Zilkowo zu gehen, das nur eine halbe Stunde von I. entfernt lag. Sein ganzes Herz drängte stürmisch einem Wiedersehen m:t Iuza entgegen, nach der er sich so unbeschreiblich sehnte. Wollte aber ein Besitzer in der Stadt übernachten, so gab es für ibn nur eine Unterkunft: Schenk's Hotel, und auch George lenkte seine Schritte dortbin, bestellte bei dem ihm untertbänig entgegeneilenden Kellner ein Zimmer für die Nacht und ließ sich sodann im Spciscsaal ein Mahl anflragcn. Als er dasselbe, müde und hungrig von der weiten Reise, ziemlich eilig verzehrt batte und eben den Kellner berbciwinktc, damit dieser ihm sein Zimmer weise, trat der Wirth, der nie einen seiner Leute während deS HazarvspielS zuließ, sondern stets selber diesen Kreis seiner Gäste bediente, in den Saal. Er kam auS den Hinteren Räumen und wollte nur einen Auftrag ertheilen, blieb aber erfreut stehen, als er George erblickte. Wohl wissend, daß alle Edellcute dieser Gegend sich wie Brüder betrachteten, die kein Geheimniß vor einander hatten, nahm er keinen Anstand, den jungen Mann von der Anwesenheit Leczynski'S und anderer befreundeter Besitzer zu unterrichten. „Herren sind im Hinteren Saal, machen wie üblich ein kleines Spielchen", sagte er mit gedämpfter Stimme. „Offen gestanden, scheint mir Herr v. LeczynSki beute gefährlich er regt, bat leider in letzter Zeit viel Verluste gehabt und auch diesen Abend wieder, vielleicht bestimmen Tie ihn, endlich auf- zuhörcn. Keiner der anderen Herren ist klar und besonnen genug, daS cinzusehen, und mir selber wird die Sache etwas unheimlich." George war ganz bestürzt und glaubte anfangs, nicht recht gehört zu haben. LeczynSki, den er als einen anscheinend völlig umgewandelten Menschen verlassen, den er ruhig und geborgen in wohlgeordneten Verhältnissen im Kreise der Seinen auf ilkowo geglaubt, er sollte sich hier in der Stadt lange nach iitternacht an einem wüsten Gelage bethciligen, sollte spielen, und daS schon seit längerer Zeit, also mit vollster Ueberlegung, nicht vom Rausch deS Augenblicks dazu verleitet? Es war nicht denkbar, und doch bestätigte der Wirth auf eine noch malige Frage das ganz ausdrücklich. Und nun erinnerte sich George plötzlich auch noch deS Wortes, das LeczynSki dem Grafen gegeben und mit dem er Enthaltsamkeit vom Spiel gelobt. Iuza batte ihm bas damals thränenden Auges erzählt. Wie würbe eS sie treffen, daß ihr Vater ein Ehrloser! Dieser Gedanke jagte ihm eine Blut- Welle inö Gesicht und trieb ihn in wilder Hast aus dem Saal. „Sic wissen ja Bescheid, Herr v. Malkiewicz", rief ibm der Wirth noch nach. „Im letzten Zimmer des Seitenflügels, ich folge gleich." George von Malkiewicz durschritt eilig mit zusammen- geprcßtcn Lippen und drohend gefalteter Stirn einen langen Gang von Schenk's Hotel, dann mehrere geschlossene Räume und blieb endlich hochaufathmcnd vor dem dicken Vorbang stehen, der hier den Eingang verhüllte. Die Thür hinter dem selben mußte nickt ganz geschlossen sein, denn ein betäubend heißer Lusstrom, Weinduust und Cigarrenqualm quoll ihm ent gegen, während zugleich wüster Lärm drinnen im Raum er tönte. Anfangs war in dem wirren Durckcinander keine einzelne Stimme zu unterscheiden, bis eine solche — George wußte nicht, wem sie gekörte — klar und vernehmlich ertönte: „Still, wer kann etwas versieben, wenn Ihr alle wie toll durcheinander schreit? WaS willst Du, LeczynSki? Glaubst Du, daß Dir Unreckt geschehen?" Der Lärm verstummte allmäliz bei diesen Worten, und George hörte dann deutlich Iuza'S Vater mit seiner heiseren, jetzt ganz besonders schwankenden Stimme sagen: „Unrecht? Eine Büberei ist'S! Solch ein andauerndes, unverschämtes Glück kann kein Bankbalter baben, Brzwicki muß mit falschen Karten spielen." Ein Faustschlag auf den Tisch, der alle Gläser erklirren machte, begleitete diese Be hauptung. Darauf wieder wildes Schreien und Toben von allen Seiten, bis Brzwicki'S dünne, krähende Stimme den Lärm durchdraug. „Laßt ihn, er ist sinnlos betrunken und weiß nicht, WaS er spricht. Auch kann ein derartiges Pech, wie cS ihn in letzter Zeit verfolgt, Wohl einen Menschen zur Raserei bringen. Nun, ich verzeih'« ihm, und Ihr glaubt seinen Unsinn nicht, damit wäre also die Sache erledigt." „Mit Nichten!" schrie nun wieder LeczynSki. „Ich will Revanche haben, Revanche, oder eS giebt ein Unglück!" „Aber wie willst Du weiter spielen", rief ein anderer, „da Du vollständig kahl bist?" „Borgt mir Geld, von dem, was Ihr mir abgenommcn!" schrie wieder LeczynSki. „Unsinn, welcher glückliche Spieler leibt von seinem Gewinn? Es bringt Unglück und ist wider den Brauch; Du kannst eS nicht verlangen." Eine kleine Pause entstand, während welcher LeczynSki etwas bannS bisher die Elite der nationale» Streitschaaren. Dort standen sie im Vordertreffcn, und ohne ihre eifriae Mit wirkung zählte das Czcchcnthum in Mähren wenig siegreiche Tage. Wenn sich diese Triarier heute von den großen czcchischen Heerhaufen absondern, so liegt in dieser Thatsache zweifellos eine Schwächung deS Czechenthum« in Mähren. Man fühlt dies auch im Lager unserer nationalen Gegner. Die Iungczechen sehen sich auf ihrem eigensten Terrain, dem der intensiven Agitation unter der Landbevölkerung, bedroht. Sie sürcktcn, der klerikale Einfluß, dessen Machtgebote die slawische Landbevölkerung seit Iahrzchn blindlings zu gehorchen gewöhnt war, könnte ihren Bestrebungen ein uner« wartet jäbeS Ende bereiten, und eS dämmert ihnen eine Ahnung auf, daß sie es aus diesem Felde mit einem, wenn auch nicht überlegenen, so doch wohlauSaerüsteten Gegner zu thun haben werden. Die Führer der Ältczechen aber scheu den letzten Nest von Macht und Einfluß aus ihren Händen gleiten, und selbst der Schein der Macht läßt sich von ihnen nicht mehr sesthaltcn. Sie müssen entweder volle Unter werfung unter die klerikale Führung geloben oder vom Schau plätze abtrelen. Plan darf begierig sein, ob sie einen ehren vollen Rückzug antreten oder eS vorzichen werden, als Troß knechte im klerikalen Heerbanne weiter zu kämpfen. Indem Gladstone endlich im euylischc» Unterhaus« eine Hcrbsttaguug ankündigte, hat der greise Staatsmann für die ganze liberale Partei in England, die sich auf ihn stützt, wie er auf sie, daS erlösende Wort gesprochen und da durch unter den Liberalen des Inselreiches eine freudige Be wegung hervorgerufen. Zwar hatte die liberale „Daily NewS" schon vor einigen Tagen erklärt, daS Hau» der Ge meinen werde in der dritten Octoberwoche neuerdings ein- bcrlifen werden, allein daS Zögern Gladstone'S, eine bestimmte Zusickcrung in diesem !Linne zu ertheilen, erhielt die Regierungspartei in der Besorgniß, das Jahr 1893 werde vorübergehcn, ohne daß auch nur ein Theil der erwarteten Nesormgesetze zu Stande gebracht sein würde. DaS hätte für den sehr wahrscheinlichen Fall von Neuwahlen im nächsten Jahre die sichere Niederlage der liberalen Partei bedeutet, der es die Wählerschaften nicht verziehen hätten, wenn sie über Homerule ihr ganzes Resormprogramm vernachlässigt hätte. Ganz zutreffend schreiben daher die „Daily New»", Glad^ stone S Entschluß, die Aufgabe, mit der da» Land ihn betraut, zu lösen, werde die liberale Partei im ganzen Lande mit einem neuen Geiste erfüllen. Ob dieser neue Geist indeß Kraft genug besitzt, uni den alternden liberalen Premier am Ruder zu erhallen und den Sieg an das Banner der englischen Liberalen auch weiter zu fesseln, bleibt abzuwarten, kann unS Deutschen auch ziemlich gleichgültig sein. Den» bei dem egoistischen Naturell, daS nun einmal allen Engländern eigen, haben wir Deutschen von Groß britannien nichts zu erboffen, auch wenn ein Salisbury wieder an Gladstone'S Stelle träte. DerEngländer arbeitet in ersterLinie stets für sich, WaS wir ihm im Grunde gar nicht einmal ver argen könne». Die Hoffnung also, die wir etwa auf England setze», wird sich in alle Wege nur so weit erfüllen, als Eng land mit seiner wirklichen oder auch nur moralischen Unter stützung ein gutes Geschäft macht. Wenn einmal Kastanien aus dem Feuer zu holen sind, so wird sich der Engländer, gleichviel ob die Liberalen oder die Conservativen an der Regierung sind, wohl hüten, diese undankbare Arbeit zu übernehmen. Diese Aufgabe zu lösen, wird der Engländer stets dem Deutschen überlassen, und auS diesem Grunde haben wir Deutschen auch an einem etwaigen Sturze des CabmeteS Gladstone nur ein ziemlich geringes Interesse. wie „Canaillen" murmelte. Dann rief er wieder laut: „So werde ich Wechsel geben, Papier her!" „Worauf denn Wechsel?" klang nun Brzwicki'S spöttische Stimme. „Zilkowo gehört ihm nicht, obwohl er unS da glauben machen will, er verwaltet cS nur für den Grafen PodbielSki." Ein Stuhl ward hastig zurückgestoßen, man hörte taumelnde Schritte, die wieder von anderen überhallt wurden. Augen- sckeinlich hatte sich LeczynSki erhoben, um sich auf Brzwicki zu stürzen, wovon ibn die Anderen zurückbieltcn. WüsteS Durch einander von Stimmen, auS denen keine verständlich hervor tönte, begleitete den Vorgang. Dann hörte man wieder Brzwicki'S Stimme: „Ich will ihm ja Genugthuung geben — von Herzen gern — wann hätte ich das je verweigert? Aber ich kann doch nicht gegen eine leere Karte setzen. Schaffet ihm angemessenen Einsatz und ich will nicht nur den Gewinn deS ganzen Abend» dagegen setzen, sondern diese Summe noch verdoppeln." „Hört den Großsprecher", tönte eS daraus wieder zurück. „Er hat gut bieten, da er genau weiß, daß LeczynSki nicht mithaltcn kann." „So helft ihm doch, da Ihr so angelegentlich seine Partei nehmt", höhnte Brzwicki weiter. „Wir können cS nicht." „Nun gut, so blcibt'S eben." „Halt!" rief nun wieder LeczynSki. „Ich setze mein Vor spann von beute, die vier Rappen!" „Decken den Einsatz nicht, selbst wenn sie Dein Eigcntbum sind", gab Brzwicki zurück. „Aber nun laßt unS ein Ende machen, LeczynSki setzt sonst noch, wie es zu unserer Väter Zeiten Poleiisitte, seine Frau zum Einsatz." RoheS Gelächter folgte diesem Hohn, wußten doch all diese Menschen, die Trunk und Leidenschaft zu Bestien gewandelt, welch' ein Einsatz die todtkranke Frau war. DeS Lauschers Herz schwoll vor Empörung und Schmerz. Iuza'S Mutter, die edle Dulderin, selbst sie war diesen ent setzlichen Menschen nicht heilig! Er hätte bervorstürzen und sie alle niederschmcttern mögen, aber mit knirschenden Zähnen zwang er gewaltsam den Groll hernieder ; noch mußte er warten, um zu erfahren, WaS eigentlich der Schluß dieser entsetzlichen Orgie sein werde. Und dann hörte er wieder LeczynSki, den Trunkenheit und Wuth jetzt ganz genommen haben mußten, keuchend stammeln: „Die Frau nicht, Du Hund, die laß ruhig sterben. Aber mein Mädel, die Iuza, meinst Du, daß die den Einsatz Werth
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