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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970116026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-16
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Eine der ersten dürfte das Handelsgesetzbuch sein, das, obwohl recht umfangreich, im Reichstage keine allzu langen Erörterungen Hervorrufen wird, weil es auf Grund von Berathungen mit Vertretern der Handelskreist selbst zu Stande gekommen ist, also die aus den Interessentenkreisen stammenden Wünsche so viel als mög lich schon berücksichtigt hat. Wie schnell sich die Militair- strafproceßordnung im BunveSraih wird fertigsiellen lassen, ist noch immer nickt abzusehen. Daß es jedoch nicht mehr allzu lange dauern wird, bis der Reichstag sich auch mit dieser wichtigen Materie befassen wird, ist sicher. Bis vor Kurzem wurde allgemein angenommen, daß. nachdem die ver bündeten Regierungen dein Reichstage in der laufenden Tagung bereits die verschiedenen und recht viele Einzelheiten ändernden Novellen zu den Unfallversickerungsgesetzen batten zugeben lassen, auf die Einbringung weiteren Materials in der ArbeiterversicherungSsache verzichtet werden würde. Nach den im Reichstage neuerdings gefallenen Acußerungen von Regierungsvertretern darf jedoch nuumehr auch als sicker an gesehen werden, daß in ganz naher Zeit der Bundesrath die Novelle zu der Jnvaliditäts- und Altersversiche rung, deren Kernpunkt bekanntlich die andere Vertheilung der Rentenlast ist, erledigen und dem Reichstage dann sofort zu stellen wird. Auch das Auswanderungsgesetz dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es bat, nachdem sein erster Entwurf in der Session von 1892/93 im Reichs tage überhaupt nicht zur Berathung gestellt war, zur Fertig stellung in der neu«« Kor« so langer Zeit bedurft, »aß un» genommen werden kann, die Einzelregierungen hätten'sich bereits über die grundlegenden Bestimmungen, wenn auch nicht ganz geeinigt, so doch eingehend unterhalten. ES wird daher langer Erörterungen in den BundeSrathsausschüfsen schwerlich mehr bedürfen. Dasselbe dürfte mit dein nunmehr an den BundeSratb gelangten Entwurf über den ServiStarif und die Classeneintheilung der Orte der Fall sein. Namentlich bei dem letzteren liegt der Schwerpunkt der Arbeit in den Vorbereitungen. Wir haben schon neulich ausgesührt, daß die Schwierigkeiten für diese Materie wahrscheinlich erst im Reichstage beginnen werden. Schließlich Kat man immer noch die Hoffnung, daß sich auch die Handwerksorganisations- vorlazeimBundesrathe nun bald werde erledigen lassen. Ist es den Herren, die sich jetzt überdaS Ausbleiben dieserLorlagen so sehr entrüsten, ernstlich darum zu tbun, das neue gesetzgeberische Material noch in der laufenden Tagung zu erledigen. so werden sie nunmehr ihre ganze Kraft und ihren ganzen Eifer aufbieten müssen, um den schon vorhandenen Arbeitöstoff schleunigst zu bewältigen. Geschieht dies nicht, so ist damit der Beweis erbracht, daß ihre Entschuldigungsversuche leere Ausreden sind und ihr Fernbleiben von den nächsten Sitzungen lediglich der Pflichtvergessenheit entspringt. Der von Abgeordneten der vier größten Parteien des preußischen Landtags eiugebrachte Antrag, der auf eine weitere erbebliche Einschränkung der Biehcinfuhr aus dem Auslände abzielt, bat eine nicht nur die innere Politik und daS Wirtschaftsleben angehende Bedeutung. Als die rusj > scheu Zollplackereien die Aufnahme von Verhandlungen zumZweck einer Verständigung notwendig machte», konnte von deutjcher Seite mit Reckt bervorgehoben werden, daß die bis dahin zur Anwendung gebrachten Maßregeln l,insichtlich der Vieheinjuhr auf sanitätspolizeilichen Gründen beruhten, deshalb den Handelsvertrag nicht verletzten und darum die russischen Repressalien nicht rechtfertigten. Selbst die radikale „Frank furter Zeitung", die von ihrem Standpunkte aus jede Be schränkung des freien Verkehrs verwirft, erkannte die Loyalität der Handlungsweise der deutschen Regierung an. Thatsäch- lick muß auch unsere ohnehin in wenig günstiger Lage befindliche Landwirthsckaft gerade gegen die Einschleppung von Viehseuchen möglichst geschützt werden, da diese Seuchen den Landwirth am allerschlimmsten schädigen, weil er, der mit manchen ViehversicherungSgesellschaften trübe Erfahrung gemacht hat, meist nickt gegen die Seuchen versichert ist uno deshalb den vollen Schaben tragen muß. Man wird daher dem Anträge, soweit er sanitätSPolizei!icke Zwecke ver folgt, zustimmen können. Wenn aber die Einfuhr russischen Geflügels generell untersagt werden soll, so wird dadurch dem Verdachte Nahrung gegeben, daß damit nicht GesnndheitSzwecke verfolgt werden, sondern eine lästige Eoncurrenz beseitigt werden soll. Damit aber widerspricht der Antrag dein Sinne des Handels vertrages. Diejenigen russischen Blätter, die Deutschland vor einigen Monaten mit Unrecht Illoyalität vorwarfen, würden jetzt inS Recht gesetzt werden. ES ist aber doch sehr die Frage, ob der Zeitpunkt für den etwaigen Wiederbeginn zollpolitischer Schwierigkeiten mit Rußland gerade in dem Augenblicke günstig gewählt ist, in dem die Leitung der äußeren russischen Politik einem Manne anvertraut ist, der — ob mit Recht oder Unrecht, wird abgewartet werden müssen — in dem Ruse geringer Zuneigung zu Deutschland steht. Es soll gewiß nicht gesagt werden, daß um der Gesinnungen deS Grafen Murawjew willen Deutschland Rußland gegenüber «i«e zaghast« oder nachgiebige Politik einschlagen solle. Man muß aber doch berücksichtigen, daß eS nicht räthlich ist, ihm Gelegenheit zu geben, seinem Herrscher gegenüber darauf hinzuweisen, daß Deutschland sich gegen den russischen Staat nicht streng loyal verhalte. Man muß obendrein bedenken, daß der Minister in diesem Falle die russische Landwirtbschaft hinter sich haben würde, deren Einfluß in den höchsten Kreisen wabrlich nicht geringer ist als bei uns. Es ist also um der Gerechtig keit und um der politischen Klugheit willen zu wünschen, daß der Antrag so eingeschränkt wird, daß seine Ausführung den bestehenden Verträgen nicht zuwiderläust. Geschieht das nicht, so kann man sich übrigens bei dem Gedanken beruhigen, daß der preußische Ministerpräsident zugleich deutscher Reickskanzler ist und daß deshalb die preußische Regierung sich kaum dazu entschließen wird, einem Anträge zuzustimmen, der der deutschen Reichspolitik unbequem werden könnte. In letzter Zeit ist von Verstimmungen Frankreichs gegen Rntzlanö wiederholt die Rede gewesen. So hat cS neuerdings in politischen Kreisen nicht geringes Aufsehen gemacht, daß der Pariser „Temps", der gemeinhin als daS Organ des französischen Auswärtigen Amtes gilt, am Vorabend der Ernennung de« Grasen Murawjew zum Nachfolger des Fürsten Lobanow nicht nur die russischen Personenfragen in scharf pointirter Weise erörterte — in Petersburg ist man bekanntlich gerade auf diesem Gebiet besonders empfindlich —, sondern auch die angeblicke Geschäftsüberladung deS Zaren und die Mittel zur Abhilfe in einer für diesen wenig schmeichelhaften Sprache berührte. Es ist da von der „Unerfabrenbeit" des „jungen Zaren" die Rede und von dem „vielleicht etwas naiven guten Willen", mit dem Kaiser Nicolaus bei seiner Thron besteigung den Vorsitz in der Commission für die Sibirische Eisenbahn beibehalten habe. Diese indirekte Kritik der Person deS Zaren muß um so auffälliger er scheinen, als zu der Zeit, wo die in Rede stehenden Betrachtungen erschienen, am Ouai d'Orsay sehr wohl bekannt sein mußte, daß die Ernennung des Grasen Murawjew unmittelbar bevorstand, dessen Zuneigung zu Frankreich sür die französische Presse unzweifelyaft ist. Welche Bewandtniß es inil dem Projekt der Einsetzung eines Regentschafts- ratbs für die Zeit des Aufenthalts des Zaren in Livadia hat — auch diesen zieht der „Temps" in den Kreis seiner Betrachtungen —, ist noch nicht aufgeklärt. Man sieht nur, daß dieser Gedanke dem Organe des Herrn Hano- taux wenig zusagt. Seitdem der „Temps" in den ersten Tagen diese« MonatS die Haltung Rußlands in der türkischen Finanzfrage, d. b. die Ablehnung des Vorschlags, einen Delegirten in den Conseil cko la Volt« ?uliligue zu entsenden, erörtert hat, scheinen die Verstimmungen sich erheblich ver schärft zu haben. Daß sie vorhanden waren und wohl auch noch sind, bestätigt der „Temps" selbst, indem er nach der Wabl Mnrawjew'S, welche er eine „bezeichnende" nennt, u. A. sckreibt: Graf Murawjew sei der Candidat der Zarin-Mutter gewesen, welche sich die Aufgabe gestellt babe, über die von Alexander III. begonnene Politik wie über ein heiliges Erbtheil zu wachen. Sie babe in dem Grafen Murawjew das geeignetste Instrument für diese Ausgabe ge sehen. Die Thalsache schon, daß wieder ein definitiver Minister in Petersburg die Geschäfte leite, werde zweifellos die französische Politik vor gewissen Ueber raschungen und kleinen Verdrießlichkeiten bewahren, welchen sie dir Geschäftsführung des provisorischen Minister« (Schischkin Die Red^ ausgrsetzt hatte, dessen Credit vielleicht nicht ganz auf der Höbe seiner guten Absichten gewesen sei. DaS sagt genug. Die Nachricht, daß der derzeitige russische Bot schafter in Konstantinopel Herr v. Nelidow in Kurzem an die Stelle LeS Barons Mobrenheiin in Paris treten solle, wird bisher mit Achselzucken ausgenommen. Ueber die Veranlassung der englischen Expedition im Nigcrgcbict veröffentlicht die Nigergesellschaft folgende, andere als „humanitäre" Absichten nicht kennende Darstellung: Nupe ist der kriegerischste und mächtigste von den Vasallenstaaten deS Reiches Sokoto, zu welchen auck noch Adamaua, Muri, Bakundi und Zeria gebören. An die Emire dieser sämmt- lichen mobamedanischen Staaten Kat die Nigergesellschaft Subsidien gezahlt, um sie bei guter Laune zu erhalten, an den Emir von Nupe allein jährlich 40 000 -S. Man sah sogar über geringere Verletzungen der bestehenden Verträge hinweg und war zufrieden, wenn der Sultan von Sokoto und Gando seine Emire nur von allzugroßen Ausschreitungen abhielt. Aber die in Nupe herrschenden Fullah be trieben die Sclavcnjagd auch auf dem staken Ufer des Niger und südlich vom Benne in einer Weise, welche die Nigergesellschaft unmöglich länger ruhig mit anseben konnte. Dies ist die Ursache der gegenwärtigen Kriegserklärung an Abu Bokari, den Emir von Nupe. Die Hauptstadt de« Landes, Bida, liegt etwa 64 Kilometer landeinwärts vom linken Nigerufer. Die Masse der Bevölkerung beste!,l aus Haussanegern, die herrschende Rasse sind aber die Fullah. Südwestlich schließt sich an Nupe der nördlick von der englischen Colonie Lagos gelegene kleine, eben falls mohamedanische Staat Jlorin an. Die breite Be- völkerungsmasse besteht dort aus Joruba, die herrschende ebenfalls aus Fullah. Diesen Staat versucht nun gegen wärtig der Emir von Nupe in Güte oder Gewalt zur Allianz zu bewegen, aber die Nigercompagnie will dies uni so weniger dulden, als der Emir von Nupe oder der Makum, wie er auch genannt wird, ohnehin nach Süden immer weiter um sich greift. Sie hofft, wenn sie ihn besiegt hat, Jlorin für sich selbst zu gewinnen. Der Makum verfügt über etwa 22 000 Krieger, aber nur die Reiterei ist ernsthafter zu nehmen, und an solcher besitzt er nicht mehr als 2000 Mann. Diese Darstellung wird durch die Mittheilung englischer Blätter in charakteristischer Weise dahin ergänzt, es handle sich nickt bloS um eine Vertheidigung von Gebieten der Nigergesellschaft, sondern auch von solchen, welche der englischen Regierung selbst unterstehen. Also diese selbst ist bei dem Nigerzuge mit bethciligt. Ein Zweifel kann jetzt nicht inehr bestehen, daß der englische Vormarsch sich gegen Nupe richtet. P. Staudingcr erklärt, daß Nupe nominell unter dem Haussa-Sultan von Gando stände, dcch habe sich der Emir fast ganz unabhängig gemacht; der frühere deutsche Commiffar I. von Puttkamcr erklärte sogar, Nupe sei ganz unabhängig. Als der Emir Maliki in Bida zum ersten Male erfuhr, daß die Agenten der Niger-Gesellschaft sich in seinem Lande HoheitSrechte an maßten und Zölle erhoben, war er so wüthend, daß er diese Leute umbringen lassen wollte und nur schwer zu beruhigen war. Er ließ verkünden, daß die Engländer von ihm nur das Recht zum Handeltreiben erhalten hätten. Wenn die Engländer jetzt einen Angriff auf Nupe mache», so greifen sie in die gesammten Verhältnisse der Haussaländer ein. Was Deutschland anlangt, so mag an Folgendes erinnert werden. Eine von der „deutschen Colonialgesellschafl" entsandte, vom deutschen Auswärtigen Amte unterstützte Expedition unter vr. Grüner war am 6. Oktober 1894 von Misahöbe nach den Nigergebieten ausgezogen und überholte am lO. Januar die sranzojische Expedition Decoeur, obwohl diese ursprünglick einen Vorsprung von 300 Kilometern gehabt batte. So zog Grüner nord-nordostwärtS durch mehrere Reiche der Ein geborenen, bis er in Say den Nigerstrom erreichte. Diesen fuhr er etwa 200 Kilometer abwärts bis Karmomna, wo die Expedition sich theilte, indem der eine Theil den Niger ab wärts weiter fuhr, der andere durch das Land Borg» den Rückmarsch antrat. Ans diesen Zügen schloß Grüner mit mehreren Sultanen Verträge. Grüner traf am 4. September 1895 in Berlin ein und überreichte dem Aus wärtige» Amte die Verträge, durch die er unter deutschen Schutz gestellt hatte die Sultanate Adaim am weißen Woltafluffe, Nbema Matgu nördlich vom neutralen Ge biete Salaga, daS nördlich hiervon liegende Groß Pama, endlich die großen Reiche Gurma und Gando. Wir sind dadurch mit den jetzigen Vorgängen direct in Ver bindung gebracht. Die Franzosen rückten 1894 mit mehreren Expeditionen nach dem Niger, und zwar in der Richtung auf Nupe hin, vor. Der Gouverneur Ballot und der Commiffar Alby kamen bis nach Buffa am Niger. Französischerseits legte man den Schwerpunkt auf den Be sitz des Sultanats Borg», welches westlich dis in das Hinterland von Togo, östlich bis zu den Nigerländern hineinreicht. Nachdem die Franzosen im November 1894 12, FeriiHetsn. Die Nir-orfs. Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verdaten. James machte eine Bewegung, die seine Empfindungen verrieth. Dann stieß er herau«: „Ich danke Ihnen aufrichtig. Und darf ich noch etwas auf Ihren Einwand, ans meinen vermeintlichen Spott er widern, Comtesse — verzeihen Sie — Cousine — Sie sehen, wie schlecht ich lerne —" „Over wie wenig verwandtschaftlich Sie noch fühlen", unterbrach Jsabella, schalkhaft lächelnd, seine Rede. „Nein, eben daS am wenigsten, das ist leider gerade gar nicht zutreffend." „Oho! Leider, mein Herr Vetter. Wie ist daS zu ver stehen ?" „Nun ja! Ich wollte sagen, daß im Gegentheil meine verwandtschaftlichen Empfindungen sehr lebhafte sind, daß ich aber fühle, wie wenig Rechte ich noch auf Ihre Güte habe." Sie sah ihn wie am gestrigen Tage forschend an. Sie schien wieder im Zweifel, ob sie seine Worte ernst nehmen solle. „Oft umspielt Ihre Lippen ein ironischer Zug, Vetter. Ich habe schon darüber nachgedacht! Ist'« nicht der Reflex Ihres mokanten Wesens?" James schüttelte eifrig den Kopf. „Meine Gesinnungen sind so ehrlich, wie das Wasser bell und rein, das hier an unseren Küsten vorüberrauscht. Ich möchte auch sagen: nirgends wäre ein Spielen mit Worten unangebrachter, als in meiner Situation, nirgends — un angebrachter Ihnen gegenüber —" „Sie meinen?" Sie warf'S nur hin, um etwas ihrem Ohr Wohlgefällige« zu hören. Sir freute sich seines LobeS. Nun eben hatten sich die Rollen vertauscht. Sie kam ihin nicht minder entgegen, als er ihr. James aber sagte warm und freimüthig: „Ich sag'S Ihnen ohne Complimente, auS redlichem Herzen. Nie sah ich ein junges Mädchen, daS mir so vollendet vorgekommen, wie Sie — nach außen und — innen — Ich habe mir heute Morgen in« Gedächtniß zurück gerufen, wie Sie gestern die Dinge behandelten und ich sagte mir: nur Jemand, der zugleich so gut und so klug ist, konnte so handeln. Wer bin ich? Was bin ich? Ein junger Fremd ling aus fernen Landen, der nichts ist, vorstellt und hak, dem nur seine unvergeßliche Mutter ein starkes Gefühl für Mensch liches und für Pflichterfüllung mitgab. In der großen Welt aber gilt nur Rang, Macht, Reichthum, Ansehen. Nicht ein mal eine Empfehlung steht mir zur Seite. Ich könnte ein Betrüger sein. Ich könnte die Papiere, die ick Ihnen vor legte, entwendet haben. Wie schwach ist meine Position. Mein Taufschein lautet auf James Jrlaik. Ich hätte mich nicht wundern dürfen, wenn ein Märchen Ihrer Erziehung und Ihres Standes mir mit einer kalken Verneinung begegnet wäre. Sie aber — Cousine — haben mich gleich gütig au gehört. Sie haben dem — hier in diesem Lande paßt der Ausdruck — völlig Verlassenen sogar die Hand zum Bunde hingestreckt, bochberzig und selten vorurtheilSfrei haben Sie gehandelt. Und jetzt lassen Sie mich an Ihrer Seite gehen wie einen Gleichberechtigten, — ja — Sie lassen mich einen Blick gewinnen in Ihr großes, gutes, vornehmes Herr — wahrlich, glücklich ist der Man», der Ihnen im Leben näher treten darf, dem Sie Ihre Freundschaft schenken." Er schwieg, und sie, von Nöthe schier übergossen, schritt neben ihn« her wie ein Kiud. „Was Sie da Alle- sagen — wie Sie Ihrer Phantasie freie» Lauf lassen —" stieß sie verwirrt und den Kopf sanft tadelnd bewegend, heraus. Und wiederum mit ernster Miene: „Ick hatte mich für oder gegen Sie zu entscheiden. Halbes mag ich nicht. Ich entschied mich für Sit, weil Sie James Rixdorf sind, und weil —" „Sie stockte, hielt die Augen gesenkt und stieß mit dem Sonnenschirm die Steinchen vom Erdboden zur Seite." „Weil ?" „Nun ja, weil ich auch vou Ihnen — einen guten Ein druck empfing. Und ich will Ihnen auch sagen, was ich eigentlich verschweigen wollte: Ich verließ heut« uur die Enge de« HauseS und ging hierher, weil Ihre Angelegenheiten mir keine Ruh« ließen. Ich kam nicht zu einem Entschluß, ob und wie ich Ihre Sache bei meiner Mutter einleiten wolle — kurz, ich war bei Ihnen mit meinen Gedanken au« Pflicht —" Jame- seufzte leise auf. Eben noch hatten seine Minen gestrahlt. So Viele« drängte sich auf seine Zunge, er wollte e« auch Alle- sagen, da kau« daS Wort — Pflicht Verändert, mit der Miene ihrer gestrigen Zurückhaltung hatte sie es gesprochen. WaS Freundliche«, WarmeS in ihrem Wesen zu Tage getreten, besaß — so sagte er sich — keinen tieferen Inhalt. Alles ^usammenfaffend, WaS in iym aufquoll, sagte er: „Zunächst nochmal« Dank! Ich wollte, Sie könnten in mein Inneres blicken, Cousine, damit Sie erkennten, welch» Gefühle mich bewegen. Aber Eines: Sie betonten eben am Schluß das Wort Pflicht — Sie betonten e- auffallend. Verzeihen Sie, daß ich es sage, daß ich Sie etwas frage: Muß ich annehmen, daß — sich dieses Gefühl vrr Pflicht, das Sie leitet für mich — niemals in etwas Andere- ver wandeln kann — daß —" Sie sab ihn rasch und gemessen an, diesmal fast zurück weisend. Aber ebenso schnell besann sie sich und sagte: „Nein! Nein! Ich mag nickt Komödie spielen. Sie sollen wissen, was mich bewegte. Sie haben, da ich Ihre Verbündete geworden, ein Recht darauf: Pflicht, ja, Vetter! Pflicht! Ich betonte das Wort, weil ich in solcher hänge Anderen gegenüber, weil sich daraus eine Zurückhaltung gegen Sie ergiebt. Sie haben mir nichts verhehlt, ich will Ihnen auch völlig offen begegnen. Wenn ich meinen Wünschen folgen könnte, wäre ich längst au« dem Hause und meine eigenen Wege gegangen. Meine Mutter — ich sage e« mit tiefem Schmerz — ist eine stark selbstische Natur. Sie besitzt eigentlich nur Sinn und Interesse für ihre Bequemlichkeit, ibr Wohlleben, ihren Hund, ihr Geld. Etwa« hat sie auch sür mich über, aber cS richtet sich doch im Grunde mehr auf die Befriedigung ihrer Eitelkeit, ihrer Herrsch« und Habsucht. So führe ich denn ein durchaus unbefriedigtes Leben. Ich bi» ganz auf mich angewiesen und Sie wissen selbst, wie vie höchsten geistigen Schätze an Werth zusammenschrumpfen, wenn man sie allein genießt. Nur die Natur mit ihrem fromm erhabenen, ewigen Angesicht vermag unsere Seele, ohne gelbeilteS Mitempfinden, zu erquicken. Und ich bin jung, und ich möchte eiwas erleben, ich möchte Glück ertheilen und empfangen, ich möchte Liebe fühlen und — erwidern. Das ist de« Weibe« Beruf. Was bietet mir die Familie? Nichts! — Meiner Mutter Stolz und vornehme Ab geschlossenheit sckließen aus, daß wir einen Umgang pflegen, burch den wirklich etwas dem Geist und Gemüth geboten wird. Immer stolpert meine Mutter Uber ibre Standes- vvrurtheile. Und doch bin ich trotz dieser meiner Auflehnung gegen da« Bestehende wie m,t Fesseln gebunden -- au« Pietät, au« Liebe — sie ist dock einmal meine Mutter — aus Pflichtgefühl. Sehen Sie, da ist das Wort Pflicht. E« läßt fast nichts aufkommen von anderen Regungen, Wünschen und Entschlüssen. Erst heißt - bei den Egoisten, was sage ich dazu, dann kommen die andern erst ganz all mählich. Und Ihnen wird meine Mutter sicher sehr schroff begegnen, sie wird sich so zu Ihnen stellen, weil — weil —' „Weil! Ich bitte, sagen Sie mir Alles —" „Nun ja, weil — weil sie meine Vereinigung mit Axel wünscht, weil sie mich drängt, ihn zu heirathen. Da paffen Sie ibr nicht mit Ihren Ansprüchen, mit Ihren jetzigen und künftigen, auf die sie für jenen und mich rechnen möchte." Jsabella hielt inne. Sie hatte zwar offenbar noch etwas zu sagen, aber sie unterdrückte eS. „Und Sie, Sie, Cousine — Jsabella — wollen Sie Axel heirathen?" stieß James, nur mühsam sich beherrschend, heraus. Sie zog erst die Schultern und holte tief Athein, dann sagte sie mit gedämpfter fester Stimme: „Ja! Ich will'«. Weil ich nur diesen Ausweg sehe, a»S dem Bann herauszutreten, und zugleich ibr zu genügen. Sie sehen also, schloß sie weick, ohne eniporzublicken, auch bei mir »st alles anders, als «S erscheint — auch ich babe Sorten, auch ick bin unfrei. — Und so ist der, welcher sich ein „Ver lassener" nennt, der so rasch verzagen will, immer noch weit glücklicher, als die beneidete Jsabella von Todtlrbrn " Ein so ernster Ausdruck trat in ihre Züge, daß eS James heiß durchs Herz zog. Und eben das hielt ikn ab, zu tlmn, wonach es ihn mit allen Fibern drängte, ihr tausend gute, zärtliche Worte zu sagen, sie zu bitten, das Bündniß noch weit fester mit ibm zu schließen. Er beschränkt« sich daraus, still und wortlos neben ibr herzuschreiten. Und nun waren sie auch an den EinzangSpunct wieder angrlangt, und nach einigen Schlußworten, in Vene» sie wiederholte, daß sie ihm sobald wie möglich schriftliche Nach richten zukommen lassen werde, trennten sie sich. „Adteu, Adieu!" betont« sie mit freundlichem Gruß, aber obne das in Blick und Miene, wonach ihm verlangte mit Allein, was in ihm war an Durst, Sednsucht und Verlangen. Al- Jame- da« Hotel gegen Abend betrat, fand er zu seiner großen Ueberrasckung eine Einlavung zu einen, Diner von seiner Tante. Da Jsabella davon Nicht- erwähnt hatte, wußte er keinen Zusammenhang zu finden. Schließlich be rubigte er sich durch den Gedanken, daß ihm sicher an, nächsten Tag« «in« Aufklärung durch feine Cousine werdrn würde, und
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