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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189710100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18971010
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18971010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-10
- Monat1897-10
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1897
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BezrrD--Prei- Hau-tex-editlim ob« dm im Stadt, bmirk «d dm Vororten errichteten Vos- -»estellm abarholt: oterteltichrltch^lE «t twetmaliger täglicher Zustellung in» hau- ücko. Durch dt, Post bezogen für Deutschlaud und Oesterreich: vierteliährlich 6^— Dirrcte täglich« Kreuzbandjeudung in» Au«land: monatlich „4 7.bO. Die Morgeu-Lu-gab« erscheint nm '/,? Uhr, die Abend-Ausgab« Wochentag« um ä Uhr." Nedartts« »«- Lr-e-itto«: Auhanne-gaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag« «nnntrrbrochei» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uh^ «q«>c>> Filiale«: vtt* Klemm s Sorti«. (Alfred Hahn), UniversitSt«straßr 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kathariuenstr. 14, part. und König-Platz 7. < tMM.TWUÄ Anzeiger. Amtsösalt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Ratljes nn- Polizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. AuzeigenPreis " die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 ge spalten) SO^j, vor den Familiennachrichtrn (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis«. Tabellarischer und Ziffernsay »ach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbeförderung ^il 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 517. Sonntag den 10. October 1897. , S1. Jahrgang. Aus -er Woche. Eugen Richter hat eS s. Z. zuerst in Erfahrung gebracht, als Fürst Bismarck die ersten Vorbereitungen zum Ver lassen d«S ReichSkanzler-PalaiS traf. Er darf also eine gewisse Autorität im Puncte von Kanzlerentlassungen in An spruch nehmen. Trotzdem glauben wir, daß er mit der Meldung, Fürst Hohenlohe habe schon dreimal seine Demission gegeben, daS Opfer eines mystificationsfrohen Subalternen geworden sei. Der jetzige Reichskanzler, der beim Eintritt in diese- Amt Wohl kaum an eine dreijährige Dauer seiner Kanzlerschaft gedacht bat, dürfte die Absicht eine- baldigen Rücktritt- oft genug bekundet haben; darauf deutet auch eine diesen Sommer in Kiel gethane Aeußerung de- Kaiser- hin. Vor einen Entschluß hat er jedoch den Monarchen Wohl noch nicht gestellt. Die „Gegenwart" hat bei einer Anzahl von Professoren, Schriftstellern und anderen Personen »»gefragt, wie sie über die Griechen und insbesondere über die Haltung Deutsch land- gegenüber Griechenland dächten. Diese Art geistiger Picknick- hat sich in Deutschland nicht stark eingebürgert, vermutlich weil man hier der Ansicht ist, daß dabei keine ordentliche Mahlzeit zu Stande komme. Die Griechen-Enquete liefert auch kein Material gegen die Nichtigkeit dieser Meinung und hätte wohl mit Stillschweigen übergangen werden können, wenn sie nicht in der „Norvd. Allg. Ztg." eine Kritik erführe, die für andere, mit den Urlheilen der meisten Befragten nicht einverstandene Zeitungen einigermaßen compromittirend ist. Das Berliner Blatt wendet sich vorzugsweise gegen eine überaus scharfe Verurteilung, die da- Verhalten der deutschen Presse zum griechisch türkischen Cvnflicte durch den hiesigen Professor Ratzel erfahren hat. Es reclamirt aber einen von diesem Gelehrten gemachten Vorwurf, den nämlich, der ofsicielle» auswärtigen Politik unter allen Umständen durch Dick und Dünn zu folgen, als einen Ruhmestitel der Presse. Dieser Auffassung von patriotischer DiSciplin vermögen wir ebensowenig zu folgen, wie Herrn Professor Ratzel, der sich wie folgt aus gelassen hat: „Daß es sich in der griechischen Frage nicht bloß iim Völker- recht und Bankrott handelte, sondern auch um große Culturfragen, die uns rein menschlich ergreifen, schien bei uns gar nicht empiunven zu werden. Wie auf Verabredung behandelten dieselben Zeitungen, die gern von deutscher Wellpolitik reden, die großen lLulrurfragen des Orients so subaltern, als ob ihre Reducieure Polizei- beamte niederen Ranges wären, die nur von Rechtsverletzungen und Strafen träumen. Es herrschte etwas wie ein burcaukratijcher Aerger gegen Griechenland. Für die edlen- Motive einer opfer reichen nationalen Erhebung kein Wort des Verständnisses, für die Verluste und Enttäuschungen kein Funke von Mitgefühl. Wohl aber zweckloser und dazu meist platter Hohn in Fülle. Die Welt politik wird aber nicht mit Grobheiten gemacht, und ein Volk, das sich ohne Noth Haß erregt, handelt höchst unklug. Unsere Diplo matie mag tausend Gründe gehabt haben, aus die Seite der Türkei zu treten, und die Nation mag diese Politik billigen, auch wo sie sie nicht im Einzelnen versteht. Darum ist aber doch nicht gesagt, daß die ganze öffentliche Meinung sich gleich ans dieselbe Seite schlägt. Ist es nicht eine Gefahr, wenn rin Volk mit jeder Phase seiner Diplomatie sich identificirt? Unsere Zeitungen suchen ihrem Publicum zu gefallen, indem sie ihm eine Realpolitik vormachen, die den hartgesottenen Diplomaten beschämen kann. Es ist ein bedenkliches Zeichen der Zeit, daß auch darin die Brutalität sür populär gilt. Und ist denn diese Preßpolitik so praktisch? Ich halte sie eher für kurzsichtig. Europa kann die Griechen sehr wohl brauchen; und das gilt nicht am wenigsten von Len mitteleuro päischen Mächten, denen große wirthschaftliche Aufgaben im Orient winken. Bon einem Verständniß dieser Thatsache hat man wenig stens in der deutschen und österreichischen Presse sehr wenig bemerkt. Wollen wir die wirthschaftlichen Früchte der Politik unserer Diplo maten z. B. in Kleinasien ernten, so ist ebenso wichtig, mit den Türken befreundet, als mit den Griechen nicht verfeindet zu sein. Die mitteleuropäischen Mächte haben im Orient dieselbe Aufgabe, der sich Frankreich in der besten Zeit der Politik des dritten Napoleon w dmete: zwischen Rußland und England das Interesse zu wahren des übrigen Europa an der Offmhaltuug der Levante als eines großen freien Feldes für die Culturarbeit der Völker des Westens. Tarin besonders unterscheidet sich nicht Deutschlands Auf gabe von der der anderen. Und wir sehen es glücklicherweise auch rüstig vorwärts arbeiten. Wozu also die gehässige Haltung der deutschen Presse in der großen Mehrzahl ihrer Organe? Sie hat doch nicht blos den Aerger der verkürzten Staatsschuldner Griechen lands auszndrücken. Noch weniger hat sie auf den Beifall der Türken zu spcculiren. Sie hat aber Len Charakter eines großen Volkes zu vertreten Wie unlogifch die Völker sind! Sie sind es so sehr, daß Der sicherlich keine gute Politik macht, der nicht mit diesem Mangel an Logik rechnet. Wir möchten jedem Volke zurnfen: Laß deinen Staat seine Politik machen und mache du die deine. Geht es mit rechten Dingen zu, dann treffen endlich Beide beim gleichen Ziele zusammen. In anderen Dingen sind uns manche „nrcaua iiuperü" kund geworben. Hier fehlt es noch sehr." Um an unserem einzigen Berührungspuncte mit Herrn Prof. Ratzel zu beginnen: es ist in der That eine Gefahr, wenn ein Volk mit jeder Phase feiner Diplomatie sich idcn- tificirt. Nicht einmal der Verzicht auf die Kritik der Diplo matie kann unbedingt empfohlen werden, wenn er auch in der Regel wegen des ungenügenden Einblicks der Oeffentlichkeit in das Gewebe der auswärtigen Politik geboten sein wird. Keinesfalls aber ist cS berechtigt, das nationale Gefühl einem jeden Schritte der Diplomatie anzupassen. Diesem Gedanken hat ja wohl Pro fessor Ratzel Ausdruck geben wollen. Zu einem Tadel der öffentlichen Meinung Deutschlands gegenüber Griechenland läßt er sich absolut nicht gebrauchen. Den Griechen und den Türken gegenüber trat bei uns vielmehr in diesem Jahre in die Erscheinung, was dem Leipziger Kritiker selbst als daS Ideal vorschwebt, wenn er der Nation zuruft: „Laß deinen Staat seine Politik machen und mache du deine; geht es mit rechten Dingen zu, dann treffen endlich beide beim gleichen Ziele zusammen." Noch mehr vielleicht. Die Befriedigung über daS Vorgeben der deutschen Regierung dürfte reine so ungetheilte gewesen sein, wie die Abneigung gegen Griechenland. Die wiederholte Aneignung einer führenden Stelle in der Orientpolitik hat vielfach Bedenken erregt, die Verurtheilung des griechischen Friedensbruches und die Genugthuung über seine exemplarische Bestrafung sind allgemein gewesen. DaS deutsche Volk hat diesmal in der That Gefühlspolitik getrieben, und es ist das Unglück des Herrn Professor Ratzel und weniger Anderer, einer AuS- nabnieempfintung anheimgefallen zu sein. Darüber rechten wir nicht, wir bedauern nur, daß sich nicht auch die isolirten Gelehrten eine gewisse Zurückhaltung auferlegt haben, sondern sogar bis zu beleidigenden Unterstellungen, wie hinsichtlich der verkürzten Staaisgläubiger, vorgegangen sind. Eö ist zwar in Deutschland nicht berechtigt, Sympathien für einen rasfunrt bandelnden betrügerischen Bankrutteur — und als solcher ist Griechenland entlarvt worden — zu fordern, aber die schlechte Stimmung gegen das Land wurzelt keineswegs in dem Unwillen über jenen kalten Schurkenstreich, und die Verquickung der Forderungen der Staatsgläubiger mit der Entschädigung der Türkei hat sogar nicht überall in Deutsch land Billigung gefunden. Nun die „Cultur" und die edlen „Motive", deren Beachtung Herr Professor Ratzel vermißt. Aber diese sind bei dem Volke, das heule das alte Hellas bewohnt, für profane Augen nicht zu entdecken gewesen. Man weiß sehr wohl, daß griechisch sprechende, außerhalb des Landes wohnende Millionaire durch Begründung von wissenschaftlichen und Kunstanstalten Athen mit einer Culturtünche überzogen haben. Es ist aber auch nicht unbekannt, daß die sich Griechen nennende Bevölkerung der im dritten und im neunten Jahrzehnt de« Jahrhunderts von der Türkei abgetrennten Gebietstheile sich als eullurell unfähig erwiesen hat. Der Ackerbau ist zum größeren Theil auf einer primitiven Stufe geblieben, die Gcwerbethätigkeit ist gering, die Verkehrs verhältnisse barbarisch, die Verwaltung verfault, die Rechts pflege ein Hohn auf diesen Namen. Ein verkommener Staat aber, wenn er sich auszubreiten versucht, hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung edler Motive, an deren Stelle der „opferreichen (welches sind die Opfer?) nationalen Erhebung" auch in Wirtlichkeit die Begier der verderbten griechischen Parla mentarier und Negierungsmänner, neue AuSbeutungsgebicte zu gewinnen, zu Grunde gelegen hat. Was die Graeken an Gesittung bringen, zeigt deutlich die Verwahrlosung thessalischer Städte, die 188l an „Hellas" gefallen sind. Unter Anderm sind dort die von den Türken angelegten und liebevoll gepflegten öffentlichen Brunnen und Pflanze» anlagen verfallen oder dem Verfalle nahe — gewiß gerade nach unseren deutschen Begriffen ein sonderbarer Recktstitel auf den Namen von Cullurträgern. Die Zu- muthung, die im alten Griechenland hausenden Slawen oder Albanesen von 1897 durch die BrilledesclassischenAlterlhums zu sehen, ist für Nichtgelehrte doch zu stark. Ebensowenig kann man an ein Volk, das einigermaßen politisch denken gelernt hat und sich überdies seiner Zerwürfnisse mit Dänemark noch gut erinnert, billigerweise das Verlangen stellen, es möge sich bei einem Conslicte wie dem zwischen Griechenland und der Türkei von dem Philistergefühle leiten lassen, nach dem der Kleine immer der bemitleidenswerthe Unschuldige und der Große der verruchte Unterdrücker ist. Wir glauben durchaus nicht, daß die Mohamedaner auf Kreta in der Abwehr sänftiglich verfahren sind, aber die Angreifer sind die von den athenischen Geschäftspolitikern aufgestachelten Christen gewesen. Daß wir die Griechen in der Levante so gut brauchen können wie die Türken, muß nicht in Abrede gestellt werden. Aber vor dieser opportunistischen Erwägung die nun einmal vor handenen, unseres Erachtens im Nechtsgefühl, im männlichen und kriegerischen Sinne der Deutschen wurzelnden Sympathien und Antipathien zurücktreten zu lassen, daS wäre eben die „den hartgesottensten Diplo maten" beschämende Realpolitik gewesen, wie sie Herr Ratzel so sehr verabscheut. Bleibt der „Hohn". Du lieber Himmel! Wenn ein Zwerg den Riesen mit der einen Hand am Barte zupfen möchte und ihm mit der andern die Tasche zu leeren sucht, dabei aber — trotz des gezeigten guten Willens — nickt flink genug ist, sich dem dergestalt redlich verdienten schmerzhaften Ueberlegen über die Niesenbeine zu entziehen, so findet der Deutsche entweder eia solches Schauspiel komisch und er lacht, oder er wendet sich von der mit Feigheit ge paarten Freckheit verächtlich ab. Wir können doch wegen der Heldenthaten des Themistokles und selbst wegen der levantinischen Händler nicht auS unserer Haut heraus. In der uiederbayerischen „Bundes-Ztg." ist zu lesen: „In einer Cavitelsconferenz im Wahlkreis Pfaffenhofen soll aus der Mitte der Consereiiz heraus (sicher von irgend einem jugend lichen Fanatiker) „angeregt" worden sein, die Absolution von der Nichtangehörigkeit zum Bauernbund abhängig zu machen. Das sei allerdings denkbar, meint hierzu ein Centrumsblatt, aber dann sei F-irrll-tsir. Äus dem Leben -er deutschen Kriegsmarine. Von H. von Niessen, Capitainlieutenant a. D. Nachdruck vrrboten. m. In fremden Häfen. „Land, recht voraus!" tönt's vom Ausguck im Vormars als Meldung an den wachthabenden Officier. Dieser und der Navigationsofficier haben schon mit Kikern nach vorn gespäht, um die erwartete Küste am Horizont zu entdecken. Noch einige Augenblicke und sie können dieselbe nun auch von der tiefer liegenden Commandobrücke aus sehen. Erst in kaum wahrzunehmenden Umriffen als scheinbar graue Wolke auftauchend, nimmt das Land, dem das Schiff in voller Fahrt zustrebt, bald feste Formen an, dieser und jener Berg tegel tritt deutlich hervor, dort sieht man schon dunklere Schatten die Thäler und Schluchten markiren. Jetzt kommt auch Farbe in das Bild, das Grün der Vegetation tritt l-ervor und da, das Weiße dort, ein Leuchtthurm auf einem Felsvorsprunge! Rasch wird eine Peilung darnach ge nommen, um, falls erforderlich, einen anderen Curs einzu schlagen, da Strom und Compaßfehler immer Abweichungen von jenem hervorbringen. Nun heben sich schon allerorten die Hellen Häuser, meist von Grün umgeben, vom dunkleren Hintergründe ab, Kirchen ragen empor, rechter Hand sieht man Befestigungs werke und vor der sich immer mehr ausbreitenden Stadt eine Anzahl Schiffe liegen, unter denen die Kriegsfahrzeuge sofort durch ihre eigenartig geformten Gefechtsmarsen auf fallen. Ist kein Dienst an Bord, so sammelt sich bald die Mannschaft an Deck an, um das hübsche Bild zu betrachten, denn später beim Einlaufen in den Hafen darf sich Niemand von außen blicken lassen, das Schiff nicht als wandernde Tribüne erscheinen. Solange man aber noch weitab ist, wird es nicht so genau genommen, denn neugierig ist doch nun einmal Jeder, besonders wenn es die An« und Einfahrt in einen Hafen gilt, !)en man vorher nicht gesehen hat. Früher war es noch anders. Da brauchte so ein Schiff 40, 50 bis 70 Tage, um »on einem Hafen in den anderen zu gelangen, gar nicht zu r»ben von den Handelsschiffen, die sich — wie heute noch zuweilen ein halbes Jahr und länger auf See hermmtreiben. Wpr eS da den Leutchen zu verdenken, daß sie jede Er« höhunm an Deck, die Reservehölzer, Decksboote u. s. w. er klettert len, um den so lang entbehrten Anblick des Landes zu genießet- ^S sich schon auf Dutzende von Seemeilen, lange bevor nstM ?S wahrnehmen kann, durch Erd- oder Blumen geruch biMrkbar macht?! HeutMk^' wo die Kriegsschiffe mit wenigen Aus nahmen dampfen, werden viel häufiger Häfen ange laufen, eir-M weil man viel schneller hinkommt und aus dienstlichen . Vckstchten nicht zu lange darin liegen bleiben kann, andererseits aber, weil man genöthigt ist, die Spenderin der treibenden Kraft, die Kohlen, öfters zu er gänzen. Das hat auch den Vortheil, daß die Kriegsflagge mehr gezeigl wird und wenn auch ein gut Theil Poesie bei diesem Hasten und Jagen verloren gegangen ist, so bietet doch das Wechselvolle der Reize des Seelebens genug! Natürlich gilt es vor dem Einlaufen das Schiff hafen klar zu machen. Die Takelage, soweit solche vorhanden, wird in Ordnung gebracht, das Tauwerk steif gesetzt, die als Schutz gegen das Verrußen dienenden Rauchbezüge werden abgenommen, die Anker zum Fallenlaffen bereit ge macht, die Seitenboote hübsch gerade gehängt, damit das Schiff sich geziemend präsentirt, denn dort am Lande, noch mehr aber an Bord der im Hafen liegenden Schiffe warten seiner unzählige kritische Beobachter und man sollte nicht meinen, was für einen großen Einfluß es hat, ob der An kömmling einen guten oder minderwerthigen Eindruck macht. „Alle Mann auf, klar zum Ankern", hallt es auf dem selben, in stolzem Bogen windet er sich durch die Reihen der im Hafen liegenden Schiffe und bald rauscht unter dem dumpfen Gepolter der auslaufenden Kette der Anker an der vom Lootsen bezeichneten oder frei gewählten Stelle in die Tiefe. Gleichzeitig entfaltet sich, ist es ein fremder Kriegs hafen, die Nationalflagge des betreffenden Landes am Topp des vordersten Mastes und wie sie ausweht, kracht auch schon der erste Schuß des ihr geltenden Saluts aus den Geschützen, bricht sich in mehrfachem Echo wie langhinhallender Donner an den Häusern und Berghängen. So entbietet mit 21 Schüssen das durch das einlaufende Schiff repräsentirte Land dem besuchten seinen Gruß. Dieser wird sofort von einem Fort oder Kriegsschiff in gleicher Weise erwidert; dann folgen die persönlichen Salute sür den Gouverneur, Admiral, Festungscommandanten, kurz, alle in selbstständiger, einflußreicher Stellung befind lichen Persönlichkeiten, sodaß manchmal das Geschieße kein Ende zu nehmen scheint, namentlich wenn mehrere Admiral schiffe verschiedener Marinen anwesend sind. Unterdessen kommt ein Boot mit einem Officier zum Complimentiren längsseit, welcher dem Commandanten im Namen seiner Marine Aufwartung macht. Die Hafenpolizei prüft die Gesundheitspässe, denn schon sammeln sich un zählige Boote um das Schiff, in welchen alle möglichen Lebensmittel, namentlich Obst, Bier, Brot und — Wäscherinnen, zu erblicken sind, die ebenso wie die Schiffs besatzung nur auf die Freigabe des Verkehrs warten, um sich in einer Fluth über das Schiff zu ergießen. Der Consul erscheint, bringt zuweilen die Post mit und wird beim Vonbordgehen mit einigen Schüssen salutirt. Ja, die Post! Auf sie wartet Jeder an Bord am sehnsüchtigsten. Ein wahrer Sturm findet auf das Bureau bezw. den Wacht meister statt, um einen Brief von den Lieben daheim zu er langen. Fragende Blicke, ausgestreckte Arme, freudige „Hier"-Rufe und Gesichter, aber auch enttäuschte Mienen. Dieser Vorgang wiederholt sich in jedem Hafen. Wüßten die Angehörigen zu Hause, wie namenlos glücklich ein Lebenszeichen von ihnen ihre Söhne und Brüder da draußen an Bord macht, sie würden wohl noch häufiger zur Feder greifen. Jeder, der keinen Brief erhalten, sucht Trost in der Zeitung, wenn er eine ergattern kann, denn diese gehen fort wie warme Semmeln, Alles reißt sich darum, der In halt wird geradezu verschlungen. Dann heißt es aber: „An Land!" Zwar laufen von den fremden Schiffen, Casinos und Clubs fortwährend Einladungen ein, doch daran denkt am Ankunftstage keiner außer dem ersten Officier, welcher sich den Kopf zerbrechen muß, wie es einzurichten, um seine Officiere richtig darauf zu Vertheilen. Der arme erste Officier! Er, die zweite Persönlichkeit an Bord, muß es sich Abends von den von Urlaub zurückkehrenden Kameraden erzählen lassen, wie es an Land ausschaut, denn er kann die beiden ersten Tage gar nicht daran denken, das Schiff zu verlassen. Dieses muß erst in Ordnung gebracht, gereinigt, gemalt und geputzt werden, damit es sich etwaigen Besuchern wie ein Schmuckkästchen präsentirt. Dann sind die beur laubten Mannschaften zu mustern, daß sie in tadellosem Anzuge an Land gehen und ihrem Vaterlande, ihrer Marine Ehre machen. Es findet sich überall genug zu thun für die Mutier des Schiffes, zumal da der Vater, der Commandant, häufig zu officiellen Besuchen abwesend ist und vertreten werden muß. So haben die beiden höchsten Spitzen die schwerste Last zu tragen! — Was kümmern sich aber die Anderen darum? Die Officiere ziehen, soweit sie dienstfrei ind, ihr Civil-Packchen an, das oben an Deck vor dem Ein teigen in die Boote einer gegenseitigen kritischen Betrach- ung unterzogen wird. Ja, wahrhaftig! Ich glaube gar, da lacht so ein verschmitztes Matrosengesicht über seinen Lieutenant. Bereitet es doch den Leuten im Anfänge diebischen Spaß, zu sehen, wie ihre Officiere sich in Civil ausmachen. Sollte einer dieser einmal einen Cylinder auf setzen, es würde zu einem doch ganz disciplinwidrigen, lauten Gelächter kommen?! — Wer natürlich wieder auf sich warten läßt, sind außer einigen Officieren, die es contract- lich haben, die Badegäste. Endlich legt das Boot ab. Die Leute an den Riemen legen sich ordentlich in's Zeug, als ob sie selber es eilig hätten, an Land zu kommen und hier wartet bei der Anlegestelle schon ein Menschenauflauf des in rascher Fahrt daherschießenden Bootes. Männer, Frauen und namentlich Kinder drängen sich von allen Seiten neugierig heran, sodaß es schwer hält, einen Durchweg durch die lebendige Mauer zu finden, wenn sie auch meist in ihren einzelnen Schichten freundlich Platz macht. Ist sie glücklich durchbrochen, so ist die Reihe der Neugierde an den eben Gelandeten. Die Hafenanlagen, Straßen, Häuser, die Sauberkeit und Ordnung, vor Allem aber auch die Menschen werden einer genauen Betrachtung unterworfen; gilt es doch ein fremdes Land, ein fremdes Volk kennen zu lernen, um sich selber daran zu bilden und später auch daheim darüber berichten zu können, was man Alles geschaut hat da draußen in der weiten Gotteswelt. Einige suchen die Sehenswürdigkeiten auf, Andere, mehr materiell angelegte Naturen, machen «in« Tpazierfahrt, wenn sie nicht irgendwo eines Pferdes oder Esels habhaft geworden sind, auf welchem sie zur Befriedigung ihrer, den meisten Seeleuten eigenen Reitwuth, oft gewagte und nicht ganz einwandfreie Kunststücke vollführen. Schließlich stranden sie aber Alle in irgend einem Hotel oder Restaurant, am liebsten dort, wo es Musik zu hören giebt. Die Leute ziehen überhaupt meist in Trupps durch die Straßen, ihre Uniform erregt Aufsehen und sie benehmen sich — einzelne wenige Ausnahmefälle abgerechnet — sehr gut. Das muß man ihnen lassen, namentlich im Vergleich zu den Mann schaften anderer Marinen. Sie sind nüchterner und ruhiger. Auf See bleiben sie nicht mehr so lange wie früher, werden daher dem Alkoholgenuß nicht so entwöhnt und vertragen mehr, wenn es auch natürlich manchmal vorkommt, daß sie „blau von außen, blau von innen sind, sodaß es Einem ordentlich blau vor den Augen schimmert", wie sich ein Be richterstatter über die Eröffnungsfeier des Kaiser Wilhelm- Canals ebenso launig wie treffend ausließ. Dann muß wohl beim Anbordkommen die Talje den Wankeligen Beinen helfen, den allzuschweren Kopf die Fall reepstreppe hinaufzubringen. — Mit den Matrosen fremder Marinen vertragen sie sich sehr gut, mit französischen kommen sie nicht zusammen, da sie nie gleichzeitig beurlaubt werden. Die Officiere finden sehr bald Anschluß, sowohl unter den fremden Kameraden, als in Familien, wobei meist diejenige des Consuls eine Rolle spielt. Da werden Pick nicks, Bälle an Land und an Bord veranstaltet, Diners in den Clubs oder den Officiermessen gegeben, wobei je nach Art der Veranstaltung ein kleiner Kreis unter sich bleibt, oder die ganze ofsicielle Welt in voller Gala erscheint. Beides bietet viel des Interessanten, begehrter sind aber die unge zwungenen Zusammenkünfte auf den häufig sehr umfang reichen prächtigen Besitzungen der Landsleute oder Fremden. Erstere kommen natürlich in der Freizeit schaarenweise an Bord, da die Anwesenheit eines deutschen Kriegsschiffes immer ein Ereigniß für sie ist. Stellt dasselbe doch ein Stück heimathlichcn Bodens dar; ein Bindeglied zwischen den; Reich und seinen Angehörigen da draußen in allen Welt- theilen. Wie es nun aber einmal das LooS des Seemanns mit sich bringt: gerade wenn es anfängt hübsch und nett zu werden, muß er sich losreißen von den ihm lieb gewordenen Bekannten und es ist auch gut, daß es so ist. Was sollte sonst aus dem Dienst werden! Lichtet das Schiff dann die Anker, sieht man in der Ferne Tücher wehen und erkennt man durch das Glas die Gesichter der zurllckgelassenen, neu gewonnenen Freunde, so mag ein Bedauern über den so schnellen Wandel der Schick sale im Menschenleben in einem aufsteigen. Der Dienst, das Bewußtsein, angenehme Erinnerungen hinterlassen zu haben und vielleicht später in anderen Häfen noch schönere Zeiten zu verleben, helfen darüber hinweg.
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