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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020102
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- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Textverlust, Paginierung nicht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-01
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Die Morgen-Ausgabe erscheint «m '/»7 Uhr, dir Abend-Ausgabr Wochentag» um S Uhr^ Ne-aciioa vud ErveLittour Io-aune»gaffe 8. Die Expedition ist Wochentag« nnnnterbroche» gröffurt von stütz 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filiale«: Ktt» Klemm'» Lorttm. (Alfred Hahn), Uuiversitätrsttabr 3 lPaulinum), L-nt» Lösche, Katharinknstr. 14, pari, «nd K0nig»pl«d 7. lvezug-'Pret- M d« Hnnptexprdition oder de« t» Stadt, deztri und den Vororte« errichteten Ao»« -abrstrllea abgeholt: vierteljährlich^l4.S0. bet zweimaliger täglicher Anstellung in« Han« ^l K.S0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährltch 6,—. Lirecre tägliche Kreuzbaudiendung tu» Au»land: monatlich ^l 7.S0. Abend-Ausgabe. MpMer Tagtlilllü Anzeiger. Ämlsblatt -es Äötttglichen Land- NN- ÄNttsgenchles Leipzig, des Nathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. «nzetseruPrei- «iN i-tzie -gespaltene Petitzeile SO Seelamr» unter demRedacttou«strich (4a*» Walten) SO>a, vor den FamtltrnlleLricht« (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Brei«, verzeichniß. Tabellarischer und gtsstrnsatz nach höhere« Tarif. Extra»veilagen (gefalzt), nur mV dm Morgen-Ausgabe, ohne Postbefärderunz' VO.—, mrt Postbrförderung 70.—. Annahmeschluß fLr Anzeigen-. Ab end-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Viorge u-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Set den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anreißen find stet« au die vrpedttty» zu richten. Druck und Verlag von S. Pol» tu LelhztE 36. Dienstag den 1. Februar 1898. 62. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, l. Februar. Wenn wirklich am letzten Mittwoch die Mehrheitsparteien deS Reichstags den erhofften Wahlsieg des Bündlcrö Lucke- Patershausen über den nationalliberalen „Agrarier" Schmitt-Reichenbach im ReichStagswahlkrcise Homlmrg- Kufcl im Voraus gefeiert haben, so müssen sie nun zu einer Trauerfeier sich rüsten, denn Herr Lucke ist, wie der Tele graph bereits gemeldet hat, in der Stichwahl unterlegen. Die bitterste Enttäuschung hat dieser Ausgang dem Cent rum bereitet, das feierlich verkündet hatte, daß man Herrn Lucke mit aller Kraft unterstützen müsse, um end lich einmal Bresche in den nationalliberalen Besitzstand in der Pfalz zu legen. Nach der auf Herrn Lucke in der Stichwahl gefallenen Stimmenzahl haben auch alle Centrums- wähler des Wahlkreises diese Weisung befolgt und im Verein mit den socialdemokratischen Wählern für Herrn Lucke gestimmt, denn dieser hat genau so viel Stimmen erhalten, als in der Hauptwahl er, der EentrumScandidat und der socialdemokratische Bewerber zusammengenommen. Die sreundnachbarlichc Hilfe des Centrums und der Social demokratie hat sich aber als unzureichend erwiesen, ja höchst wahrscheinlich hat sie gerade ganz wesentlich zur Auf rüttelung derjenigen Elemente beigetragen, die bei der Haupt wahl sich säumig verhalten hatten. Die Parole „gegen ge werbsmäßige Agitatoren und Ultramontanismus" ist eben, wie wir schon kürzlich hervorhoben, in der Pfalz die schlechteste nicht. Kaum minder bitter ist die Enttäuschung der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe, die Herrn Lucke zu ihren thätigsten und scrupellosesten Agenten zählt. Sie wird freilich den Glauben zu erwecken suchen, daß sie gar keine Ursache habe, untröstlich zu sein, denn Herr Schmitt-Reichenbach sei gleich Herrn Lucke Mitglied des Bundes der Landwirthe. Gehöre er auch nebenher zu den Nationalliberalen, so habe er dock nicht als Mitglied dieser Partei, sondern als Mitglied des Bundes den Sieg erfochten, der also lhatsächlich Sieger auch über die Nationallibcralen sei. Aber das ist Spiegelfechterei. Wäre Herr Schmitt-Reichen bach ein Agrarier im ^sinne der Herren v. Ploetz, vr.Hahn und Genossen, so wäre ihm eben Herr Lucke nicht als Gegcncandivat gegenübergestellt worden, und hätte die Mehrheit der Wähler deS Wahlkreises einen Mann nach dem Herzen der Berliner Bundesleituug gewollt, so wäre Herr Lucke und nicht Herr Schmitt gewählt worden. Das wirthschaftSpolitische Pro gramm deS Letzteren enthält nicht das Geringste von den extremen Forderungen, nach denen die Berliner BundeS- leitung die Zugehörigkeit zu ihrem Programm bemißt, wäh rend Herr Lucke für den Antrag Kanitz gerade so begeistert ist wie für die übrigen „großen Mittel", deren An wendung die Bundesleitung fordert. Ist Schmitt trotzdem gewählt worden, so ist dies gerade deshalb geschehen, weil er ein Bündler im Sinne der Berliner Leitung nicht ist und nicht einmal scheinen will, und Herr Lucke ist trotz ultramoutaner und socialdemokratischer Hilfe unterlegen, weil er als getreuer Sohn des „Vaters Ploetz" bekannt war. Letzterer und seine College» in der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe mögen also die Sache drehen und wenden, wie sie wollen, thatsächlich sind sie die Unterlegenen und sind sie obendrein geschlagen von einem Bunvesmitgliede, das ihre Führung nicht anerkennt, die von ihnen geforderten „großen Mittel" zur Förderung der Landwirthschaft als schädlich verwirft und ihre Agitationsweise auf daS Ent schiedenste mißbilligt. Die dem Reichstage jetzt zugegangene Vorlage über die Rcichspoftdnmpfcr enthält, wie die „Köln. Ztg." hervorhebt, eine erfreuliche Ueberrasckung. Nach der Vorlage, wie sie im vorigen Jahre dem Reichstage zngegangen war, und auch nach der ursprünglichen Vorlage dieses Jahres sollte die Fahrt nach Ostasien verdoppelt werden, und zwar von dem Tage an, wo der bisherige Vertrag zum Erlöschen kommen und durch den neuen ersetzt werden würde. Schon als man diese Verträge abschloß, hatte man nicht verkannt, daß bei dem steigenden Handel nach Ostasien eine sofortige Ver doppelung der Linie im höchsten Grade wünschenswcrth sein würde, man hatte aber davon Abstand nehmen müssen, weil der Bau neuer, den neuen verschärften Bestimmungen ent sprechender Schiffe wenigstens b^Iahr in Anspruch nehmen würde und weil der Lloyd ohne erhebliche Opfer nicht sogleich andere, den Anforderungen des Reichsdienstes entsprechende Schiffe aus den übrigen Linien seiner Flotte hcrausnehmen konnte. Die Verdoppelung der Fahrten Härte also erst nach etwa zwei Jahren erfolgen können. Inzwischen haben die Ereignisse in China einen schnelleren Lauf genommen, als man zuerst annehmen konnte. Nicht allein die That- sache, daß durch die Besetzung von Kiao tschau deutsche Interessen in erheblichem Grade in China festgclegt worden sind, sondern auch die bevorstehende Eröffnung großer Einfuhr linien in China und der immer schärfer zu Tage tretende Wettbewerb vonHandel und Industrie aller Staaten brachten die deutsche Regierung zu der Ueberzeugung, daß hier keine Zeit zu verlieren, daß rasches Handeln doppeltes Handeln sein werde. Derjenige, dem es gelingt, sich in der Zeit der entstehenden Handelsverbindungen fest,zusetzen, wird weit mehr Aussichten auf Erfolg haben, als Derjenige, der erst dann auf dem Platze auftritt, wenn Andere schon Verbindungen angeknüpft, Einfluß gewonnen und die Landesbewohner an ihre Waare und ihre Art des Handels gewöhnt haben. Von dieser Auf fassung ausgehend und dabei den Wünschen aller in Ostasien handeltreibenden Kaufleute und Industriellen entsprechend, hat die deutsche Regierung im letzten Augenblick au den Nord deutschen Lloyd die Anfrage gestellt, ob es ihm denn nicht doch noch vielleicht möglich sein werde, die Fahrten sogleich nach Genehmigung der Vorlagein verdoppelter Za hl anzutreten. Die hierdurch an den Lloyd herantretende Ausgabe war eine außerordentlich schwere, da von Neubau von Schiffen natürlich in wenig Monaten keine Rede sein konnte, die Beschaffung erstklassiger schneller Dampfer aber, wie sie für deu asiatischen Dienst erfordert werden, auf den ersten Blick kaum möglich erschien. Es konnte überhaupt nur so geschehen, daß man Schiffe, die auf anderen Linien fuhren und ursprünglich für einen andern Dienst gebaut waren, in den Dienst der Neichslinie stellte, und zwar Schiffe von großem Tonnengehalt und bedeutender Geschwindigkeit, einer Ge schwindigkeit, wie nur wenige deutsche Dampfer sie auf zuweisen haben. Trotz dieser Schwierigkeiten hat sich der Lloyd bereit erklärt, sogleich nach Annahme der Vorlage den ostasiatischen Dienst in zweiwöchcntlichen Fahrten auf erst klassigen und allen Forderungen des Reichs entsprechenden Dampfern aufzunehmen. Durch dieses Entgegenkommen werden die dringendsten Wünsche unserer Kaufleute in Ost asien erfüllt und wird unserer Industrie die Gelegenheit ge boten, kraftvoll einzugreifen und sich die Anderen, die sicher nicht zögern werden, nicht über den Kopf wachsen zu lassen. Durch die Veränderung hat die Vorlage eine Verbesserung erfahren, die bei der Berathung wesentlich ins Gewicht fallen und die Zahl der Freunde des Entwurfes noch ver mehren wird. Wird Zola's Proccf; Klarheit in die Dreyfus- Affaire bringen? Die französische Regierung hat bekannt lich den Proceß nur auf einen Theil der in seiner Anklage ent haltenen Beschuldigungen beschränkt. Zola suchte diesen Coup dadurch zu durchkreuzen, daß er eine enorme Zahl von Zeugen vorlud, um so die ganze Dreyfus-Angelegenheit aufzurollen und gewissermaßen eine Revision des ProcesseS herbeizuführen. Es scheint indessen, daß auch dieses Mittel ihm nicht helfen wird. Zunächst hat eine ganze Anzahl von Zeugen bereits erklärt, daß ihnen die Sache ganz fremd sei und daß sie nichts zu bekunden wissen würden. Sodann befindet sich unter den von Zola be nannten Zeugen eine größere Anzahl von Diplomaten. Es ist schon bemerkt worden, daß diese Diplomaten von vornherein das Recht haben, die Ablegung des Zeugnisses abzulehnen. Sie dürfen nicht einmal auf dem gewöhnlichen Wege geladen loerden, sondern sie müssen auf diplomatischem Wege angefragt werden, ob sie geneigt sind, Zeugnis; abzulegen. Wenn sie aber selbst dazu bereit sind, so werden sie nicht zum Termine vorgeladen, sondern durch einen richterlichen Beamten in ihrem Palais ver nommen. Damit würde schon für Zola und seinen Vertheidiger die Möglichkeit entfallen, durch Kreuz- und Querfragen aus den Diplomaten herauszubekommen, was sie wissen wollen. Des Weiteren sind aber auch einige Bestimmungen des französischen Strafprocesses den Plänen Zola's abträglich. So haben nach dem Artikel 321 des O'vcio ckv I'instruction crimiuells die Zeugen nur über die Dinge auszusagen, die in der Anklage schrift erwähnt sind. Ihr Zeugniß darf weder verlangt, noch zugelassen werden über Dinge, die mit der Anklage nicht zu sammenfallen. Der Präsident kann es ablehnen, unnütze Fragen zu stellen, ja, er ist nach Artikel 270 des angeführten Gesetzes sogar dazu verpflichtet. Denn nach diesem Artikel muß er Alles zurückweisen, was geeignet ist, die Verhandlung zu verlängern, ohne in die zur Anklage stehende Sache Klarheit hineinzubringen. Nun wird Zola gewiß behaupten, daß er ja gerade die Absicht habe, in die Dreyfus-Angelegenheit Klarheit hineinzubringen, der Präsident aber wird darauf Hinweisen, daß ihn die Dreyfus- Angelegenheit gar nichts anginge, sondern nur di« zur Verhand lung stehende Beschimpfung des ersten Kriegsgerichts. Ja, sogar hierin kann unter Umständen Zola noch beschränkt werden; im Allgemeinen ist es nämlich zwar dem Angeklagten gestattet, den Beweis der Wahrheit für seine unter Anklage gestellten Behauptungen zu erbringen, in Bezug auf durch die Presse be gangene Delikte sagt indessen Herr Fabreguettes, Mitglied des Cassationshofes, in seinem Commentar, daß, wenn die Unwahr heit einer beleidigenden Behauptung bereits dadurch festgestellt sei, daß in einer Strafsache ein endgiltiges Urtheil bereits ergangen sei, der Beweis der Wahrheit in einem Verleumdungs- processe nicht angetreten werden dürfe. Nur auf dem geordneten Wege der Revision, nicht aber in einem Strafprocesse dürfe die Unrichtigkeit eines ergangenen Urtheils nachgewiesen werden. Folgt das Schwurgericht dieser Auffassung, so steht von vorn herein fest, daß Zola verurtheilt wird, ohne auch nur das ge ringste Licht in di- Dreyfus-Angelegenheit bringen zu können. Nach der gegen Zola herrschenden Stimmung kann man es als ziemlich sicher annehmen, daß der Präsident des Schwurgerichts von den ihm zustchenden Bestimmungen Gebrauch machen und, dem Wunsche der Regierung entsprechend, Zola mundtodt machen wird. Er wird die Zeugen einfach darnach fragen, was sie über die von Zola vorgebrachte Behauptung, daß das Kriegsgericht ungerecht verfahren sei, ja, das Recht gebeugt habe, wüßten. Darüber wird natürlich die große Mehrzahl der Zeugen nichts wissen, denn darüber könnten naturgemäß nur die Officicre, die an dem Kriegsgerichte betheiligt waren, Auskunft geben. Da aber General Billot bereits den Officieren verboten hat, in dem Processe Zola's Aussagen zu machen, so wird gerade diese Be hauptung Zola's aller Voraussicht nach beweislos bleiben. E: ist also vorauszusehen, daß, wenn nicht unerwartete Zwischenfä!': cintreten, Zola zu einer hohen Strafe v-rurtheilt werden wird, ohne seiner Sache irgendwie genützt zu haben. Die „Nat.-Ztg." wollte bekanntlich erfahren haben, Rußland habe von der Türkei die Erlaubniß erhalten, Kriegsschiffe jeder Größe durch den BoSporu» und die Dardanellen zu senven unter der Bedingung, daß die Schiff- innerhalb dieser Wasserstraßen nicht halten. Sollte sich, so wurde hinzugefügt, dies Gerücht bestätigen, so würde Rußland bei einem etwaigen Conflict in Ostasien England und Japan gegenüber einen erheblichen Vortheil erlangen, da es in kürzester Zeit sein asiatisches Geschwader durch die Flotte des Schwarzen Meeres verstärken könnte. Wie nun unterm gestrigen Datum vom Wiener „k. k. Telegr.-Corr.-Bureau" gemeldet wird, hat tha> sächlich einSchifs derFreiwilligen russischen Flotte, der „Sara tow", am Sonntag mit 12 Kanonen und Schnellfeuergeschützcu. 1600 Soldaten und 600 Auswanderern den Bosporus passiv!, um sich nach Wladiwostok zu begeben. Dem „B. T." wird hierzu aus Wieu gemeldet, bezüglich dieser Schiffe bestehe ein russisch-türkisches Einvernehmen, demzufolge bereits Präcedenzfälle solcher Durchfahrten vorhanden seien. Auch London scheint über die Konstantinopeler Nachricht nicht in Allarm geratben zu sein. Von dort wirb der „Münchener Allg. Ztg." telegrapbirt: Eine autoritalive Bestätigung der Meldung, daß der Sultan allen russischen Kriegsschiffen die Durchfahrt durch die Meerenge» bewilligt habe, steht bisher aus. In der Annahme, daß die Nach richt zweifelhaft sei, wird man durch die Meldung bestärkt, daß «in russisches Kriegsschiss der Freiwilligen Flotte Odessa verlassen hat, nm noch Ostasien obzugehen. Es ist wohl möglich, daß die Durchtastung dieses einen Schiffes zu einem Miß» er- ständniß geführt habe, aus welchem die Nachricht von der Er öffnung der Meerengen für russische Schiffe überhaupt beruht Mit der verallgemeinerten Oessnung der für Kriegsschiffe vertrags mäßig geschlossenen Meerengen erschiene die Dardanellenfragc ausgeworfcn und einer der wichtigst«» Puncte der Orientfrage zur Diskussion gestellt Die nächsten'Tage werden zweifellos Aufklärung über die Tragweite des Ereignisses der Durchfahrt deö „Saratow" und darüber bringen, ob Rußland auf weitere Kreuzer der Freiwilligen Flotte, wie berichtet wurde, 10 000 Mann von Odessa nach Ostasien zu befördern beabsichtigt, wo sie die an geblich bereits in Talien Wan und Port Arthur befindlichen Truppen verstärken sollen. Die „Balndschistatt"-A»gckcgenhcit ist auf dem Wege, ein für England noch weniger erfreuliches Gesicht zu bekommen. Er scheint sich nämlich herauözustellcn, daß die auf dem englischen Schiff im persischen Golfe durch ein englisches Kriegsschiff beschlagnahmten Waffen doch nicht russischer, sondern englischer Herkunft waren und den Theil eines schwung haften Handels darstellen, welchen englische Fabriken und englische SchiffSsirmen im persischen Golfe betreiben. Es wird in englischen Blättern darüber daS Folgende mitgetheilt: Die Beschlagnahme der „Baludschistan" hat zeitweise das Ge schäft von drei großen Birminghamer Wassenfabriken lahmgekegi, weit die in dem Handel steckenden Londoner Kaufleute den Waffen fabrikanten den Auftrag erthrilt haben, einstweilen die Fabrikation eiuzustellen. Das stimmt nicht ganz zu der bisherigen Nachricht, daß die in Muskat beschlagnahmten Gewehre nebst der Munition ursprünglich von Petersburg kamen. Es hat seit lange «in bedeutender Waffenhandel zwischen Birmingham und oem persischen Golf stattgesnnden. Ein bekannter Fabrikant erklärte letzter Tage, Laß er die letzten drei Jahre hindurch jede Woche 100 Gewehre und 20 Eentner Munition dorthin abgesandt Feuilleton. Älice. 4s Roman von I. Lermina. Nachdruck verboten. „Dann werde ich mir wenigstens sagen können, daß ich für Gaston's Glück Alles versucht habe", versetzte die junge Frau. „Doch ich habe die Ueberzeugung und das Vertrauen, daß Sie sich täuschen. Sagen Sie selbst, bin ich nicht liebenswürdig, kann man mir widerstehen, haben Sie nicht selbst, als ich noch kleiner war. Alles gethan, was ich nur wollte?" „Ja, aber ich bin doch nicht Frau v. Versannes?" „Frau v. Versannes ist eine Frau wie alle Anderen, und schließlich will ich ja gar nicht «ine allzu große Summe von ihr verlangen. Es wird mir schon gelingen; ich werde sie so lange und so viel bitten . . ." „Bis sie Sie vor die Thür setzt." „Meine gute Madame Benoit, ich bitte Sie im Namen meines Vaters." Die Erinnerung an den Doctor Berthomieu war zur rechten Zeit heraufbeschworen worden, denn für Madame Benoit war der alte Doctor ein Gott gewesen, ein Mann, an dem sie wie an einem überirdischen Wesen gehangen hatte. Jetzt widerstand die Alte nur noch der Form wegen. Sie glaubte allerdings nicht an den Erfolg; aber sie wollte wenigstens der Tochter des alten Doctors die Möglichkeit lassen, ihren Mann zu retten. „Hören Sie", sagte sie plötzlich mit festem Entschlüsse, „ich weiß, ich begehe eine Thorheit; trotzdem will ich sie begehen. Glauben Sie aber nicht, daß die Sacke leicht ist. Meine Herrin ist auch nicht zwei Stunden hintereinander dieselbe . . . Könnten Sie vielleicht gegen zehn oder elf Uhr Abends frei sein?" „So spät, warum?" „Weil sie zu dieser Stunde immer ruhiger ist. Ich koche ihr dann ihren Thee, -und manchmal ist sie sogar liebenswürdig. Aber das hängt Alles an einem Faden und die Stimmung kann jeden Augenblick wechseln." Sie ging lebhaft im Zimmer hin und her, murmelte un verständliche Worte vor sich hin, dann blieb sie plötzlich vor Alice stehen und sagte entschlossen: „Es ist besser, Sie lassen mir noch vierundzwanzig Stunden Zeit, ich werde daS Terrain sondiren, und wenn ich sehe, daß die KsKe Zweck hat, so werde ich Sie benachrichtigen." „Aber zögern Sie nicht, die Angelegenheit ist dringend." „O, diese Jugend, sie möchte immer mit Windeseile an's Ziel kommen! Haben Sie es denn so eilig, Ihre Illusionen zu ver lieren? Also warten Sie morgen zu Hause; wenn es mir ge lingt, so werde ich Ihnen schreiben, aber rechnen Sie nicht allzu fest darauf." „Und ich bin fest überzeugt, daß Sie Glück haben werden", rief Alice und klatschte in die Hände. Ausgelassen ergriff sie die Alte bei den Armen und wirbelte mit ihr im Zimmer herum. Dann nahm sie sie beim Kopf und küßte sie auf beide Wangen, und als die Andere sich sträubte, rief Alice in lustigem Tone: „Ich liebe Sie, ich bete Sie an, Madame Benoit; Sie sehen, ich kann Alles, was ich will . . . Und ich werde meinen geliebten Gaston retten." Dieser Tag sollte für Alice noch andere Freuden in sich bergen, denn Gaston kehrte frühzeitig nach Hause zurück, und zum ersten Mal seit langer Zeit schlug er seiner Frau vor, mit ihr an diesem Abend einen Spaziergang über die Boulevards zu machen." Vielleicht hätte sie es vorgezogen, den Abend zu Hause zu zubringen, doch sie fühlte sich ganz verwirrt, sie hatte Angst vor dem nächsten Tage und befürchtete wohl auch, mehr zu sprechen, als sie wollte. Ein Wort war ihr entschlüpft, das Gaston Argwohn einflößen konnte, er hätte sie ausgefragt, sie hätte nicht lügen können und er hätte ihr sicher verboten, ihren Plan zur Ausführung zu bringen, was ihr einen großen Kummer bereitet hätte. Es war ihr erstes Geheimniß, und sie fühlte sich nicht stark genug, es nicht zu vrrrathen, und wäre es auch nur in Folge einer Anspielung gewesen. Gaston erklärte, der Bewegung zu bedürfen. Thatsächlich hatte sie ihn seit langen Monaten nicht so lebhaft und so red selig gesehen. Gewöhnlich lagerte eine düstere Traurigkeit auf seinem Gesichte, er wollte nicht sagen, was er dachte, und zog es vor, zu schweigen. Alice aber, die sein Schweigen seinen Sorgen zuschrieb, versuchte nicht, ihn zum Sprechen zu veranlassen. An diesem Abend aber war Gaston ein ganz anderer. Er schien gleichsam ein Bedürfniß, sich auszusprechen, zu empfinden, und eine weniger unerfahrene Person als Alice hätte sicher eine unnatürliche, fieberhafte Aufregung bei ihm bemerkt. Sie suchte nicht weiter in den Charakter ihres Gatten einzudringen, sondern freute sich dieser Lebhaftigkeit, die ihr als ganz etwas Ungewohntes erschien. Er erläuterte ihr seine Pläne und zeigte eine große Zuversicht. „Ich werde mein Ziel erreichen", sagte er, „ich fühle es; o, wern Du wüßtest, Alice, Du würdest nicht mehr behaupten, es fehle mir an Energie. Siehst Du, bis jetzt war ich zu schüchtern, zu feige." „O, Du Gaston, zu feige!" „Ja, die Gesellschaft unterwirft sich nur denen, die die Kühn heit haben, sie sich unterthan zu machen. Man wird ja sehen, ob ich zu den Leuten gehöre, die vor einem Hindernisse zurück schrecken." Er sprach sich nicht weiter aus, welches Hinderniß er meinte, und Alice wagte nicht, ihn danach zu fragen. „Teufel!" rief er, „ich sehe es jetzt ein, das alte Sprüchwort hat Recht: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!" Der rauhe, fast brutale Ton dieser Worte ließ Alice fast erzittern, und sie flüsterte: „Wage nur nicht allzu viel." Er biß sich auf di« Lippen, um einen Augenblick später seine Declamationen, die sie nicht recht verstand, wieder aufzunehmen. „Ja", rief er, „es wird ein Tag kommen, da sich Leute finden werden, um das sociale Gleichgewicht wieder herzustellen; es bedarf dazu nur wenig Energie, und die werde ich haben." Er hatte mit lauter Stimme gesprochen, und da sie sich auf dem Boulevard Montmartre befanden, auf dem sich eine zahl reiche Menschenmenge drängte, so fiel es ihm auf, daß man ihn beobachtete. Er drückte den Arm seiner Frau heftiger an sich und erst auf dem Börsenplätze verlangsamte er den Schritt. Plötzlich fühlte Alice, daß er zitterte, und sic rief ängstlich: „Was ist Dir denn, hast Du Schmerzen?" „Nein, nein", versetzte er mit veränderter Stimme, „Du irrst Dich. Es herrscht heute Abend eine unerträgliche Hitze, das ist Alles." Es war ein Frühlingsabend und die Temperatur ziemlich mäßig. Alice fühlte, wie eine plötzliche Angst ihr Herz beschlich, und sie schmiegte sich inniger an ihren Gatten, als wenn sie ihn von irgend einer unbekannten Gefahr bedroht fühlte. Er sprach nicht mehr, ging mit hastigem Schritte und gesenktem Kopfe und sie wiederholte wieder: „Mein Freund, Dir fehlt etwas." Er antwortete mit einem so heftigen und trockenen „Nein", daß sie bestürzt schwieg. Sie wagte nicht mehr, ihn zu fragen, denn sie fürchtete, ihm zu mißfallen. Woher kam nur diese plötzliche Veränderung? Eben noch so heiter und lebhaft, schien er jetzt in die düstersten Betrachtungen versunken. Sie kehrten nach Hause zurück, und er sah so blaß aus, daß sie nicht umhin konnte, ihm mit Thränrn in den Augen um den Hals zu fallen; doch Gaston stieß sie fast grob zurück. „Laß mich, sage ich Dir! WaS soll das heißen? Bin ich etwa ein Kind? Ich habe nichts und mir fehlt nichts. Was sollte mir auch fehlen? Ich verbiete Dir, mich so anzusehen." Noch eine Weile ging es so weiter fort, dann beruhigte er sich wieder und setzte sich unbeweglich nieder. Es schlug II Uhr, hastig erhob cr sich und wandte sich der Thür zu. Schon hatte cr die Hand auf die Klinke gelegt, da kehrte er nach einigen Augenblicken des Zögerns wieder zu seiner Frau zurück und sagte in herrischem Tone: „Ich bleibe, ich bin müde." Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus; es war augen scheinlich die höchste Zeit, daß sie dazwischentrat, denn Gaston schien gefährliche Pläne zu hegen. Ach, wenn es ihr nur gelang! In dieser Nacht schlief sie wenig, sondern betrachtete nur ihren Gatten die ganze Zeit hindurch. Er erschien ihr noch schöner als gewöhnlich mit seinem blassen Gesicht, das sich von dem Schwarz des Haares seltsam abhob. Sie glaubte, in seinen Mundwinkeln eine Falte des Schmerzes, vielleicht sogar der Wuth zu entdecken, die sie bis dahin noch nicht bemerkt hatte. — — Am nächsten Morgen brach er zeitig auf und erklärte, er werde erst spät nach Hause kommen, sie möge sich seinetwegen nicht beunruhigen. „Ich bin Dir wohl gestern recht seltsam vorgekommen", sagte er zum Abschied, „es war ein vorübergehendes Unbehagen. Du bist mir doch nicht etwa böse, daß ich ein wenig heftig gegen Dich gewesen bin?" Dann hatte er sie umarmt und war mit der größten Kaltblütigkeit fortgegangen. Wie immer hatte sie ihm durch das Fenster nachgesehen, doch er ging schnell und hatte sich nicht einmal umgcwendet. Sic blieb noch einige Augenblicke am Fenster stehen und sah ihm nach, als sich die Thür geräuschlos öffnete und ein leises Hüsteln sich hinter ihr bemerkbar machte. Sic wandte sich hastig um; Davidot stand auf der Thüc- schwelle und hielt einen Brief in der Hand. „Ich bitte Sie um Verzeihung, doch man hat dieses vor einer Viertelstunde gebracht, mit dem Bemerken, es Ihnen allein zu übergeben." „Ich danke Ihnen", sagte Alice, das Billct nehmend, „ich weiß, was es enthält." Sie hatte die Handschrift der Madame Benoit erkannt, die sie früher so häufig auf den Rechnungsbüchern des väterlichen Hauses bemerkt hatte. Davidot hatte sich discret zurückgezogen und sie erbrach das Siegel. , „ES ist mir halb gelungen; finden Sie sich heute Atzend
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