Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980324015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898032401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898032401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-24
- Monat1898-03
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bkilagk z. LchM TaMM M Avjchei Nr.W, ImMg,L1.Mirz ISN. (MM-WM Musik. Zehnte (letzte) Hanptprüfuug ain Königlichen Conservatorinm der Musik. * Leipzig, 23. März. Mit dem gestrigen PrüsungSabende, der wiederum außerordentlich stark besucht war, schlossen die diesjährigen Prüfungen am Königlichen Konservatorium, die von Neueni die hohe Bedeutung deö weltberühmten Instituts bezeugten. Es wurde in allen Fächern Tüchtiges, ja AnS gezeichnete? geleistet, im Clavier- und Orgelspiel, Gesang, auf Streichinstrumenten Und von Bläsern, ferner in der Cvmpositwn, im Ensemble- wie Orchesterspiel, so daß man wohl sagen kann, daß die Schüler und Schülerinnen, die in den Prüfungen auftraten und zum größten Theile wohl auch das Eonservatorinm verlassen, eine musikalische Vor- und Ausbildung genossen haben, di« sie zur weiteren Ausübung ihrer Kunst befähigt und für ihren Lebensberuf tüchtig ge macht bat; mögen sie des Institutes, sowie ihrer Lehrer stets dantbar eingedenk bleiben und ihnen Ehre machen. Die gestrige Prüfung begann mit der Sonate für Orgel (op. 98, .4 moll) von I. Rheinberger, mit großer technischer Sauberkeit und gutem Verständniß, auch für wirkungsvolle Regislrirung, vorgetragen von Frl. Mary E. Sheppard aus Cleveland Ohio). Einen weiteren Orgelvortrag brachte das Pro gramm noch im Verlaufe des Abends: eine Sonate i^moll), componirt und gespielt von Herrn Thomas I. Erawford aus Barrhead (Schottland). Der Com- ponist hat schon in einer der letzten Prüfungen Proben seines Könnens und seiner kompositorischen Begabung abgelegt und zeigte mit genannter Sonate wiederum sein Gestaltungstalent, sowie eine, wenn auch nicht immer eigenartige, so doch erfreuliche Erfindungsgabe. Die Sonate ist von festlichem Charakter, namentlich in ihren äußeren Sätzen, und wirkt entschieden gut; ein eingeslochteneS Fugato über ein zur Bearbeitung gut geeignetes Thema bezeugt, daß Herr Crawford solide contrapunctische Studien mit Erfolg absolvirt hat; die Wiedergabe selbst war durchaus löblich und geschmackvoll. Mit dem ersten Satze aus dem Eoncerte für Pianoforte (Oäur) von Beethoven (Cadenz von C. Reinecke) trat Fräulein Violet Francis aus London auf. Die junge Dame hat fick als tüchtige Orgelspielerin bereits kürzlich erwiesen, als Pianistin kann man ihr ein äußerst sauberes, technisch gut gebildetes, klares unv flüssiges Spiel nachrühmen, das den Vortrag des nicht sonderlich schwierigen und noch wenig Beethoven'schen Satzes genußreich machte. Eine bei Weitem bedeutungsvollere und schwerere Ausgabe fiel dem Fräulein Emilie BurckaS aus Leipzig zu; sie spielte das Clavierconcerl (ox. 58, Oäur) von Beethoven, ebenfalls mit Cadenzen von C. Reinecke. Die Leistung ist als eine sehr beachtenswerthe zu bezeichnen; nicht allein befriedigte sie durchweg durch technische Sicherheit und feinere Schattirung, Frl. BurckaS verstand auch im Allgemeinen den geistvollen Inhalt des schönen Werkes stil voll zu reproduciren, so daß ihre Leistung den besten pianistischen dieses Jahres zuzuzäblen ist und besonders warme Ausnahme seitens der Zuhörerschaft fand. Als Pianistin trat ferner noch auf Fräulein Johanna Löwenberg aus Penig, und zwar mit dem Concert iop. 58, Omvll) von I. Moscheles; auch sie zeigte sich ihrer Aufgabe, die saubere, solid gebildete Technik voraussetzt, in sehr erfreulicher Weise gewachsen; man konnte ihrem Spiele überall mit Befriedigung folgen; nur am Anfänge schien dasselbe etwas durch leicht erklärliche Befangenheit beeinflußt. Vortreffliches bot Herr Adolf Schumacher aus Hamburg mit dem Vortrage des Concertes für Violine (Owoll) von Wieniawsli. Sein Spiel und Auftreten zeugten von Routine und großer Sicherheit; die Fingergeläufigkeit ist hoch entwickelt und von fast tadelloser Klarheit und Reinheit, die Technik des BogenS eine vorzüglich geschulte; Wärme des Vortrags und ein voller gesangreicher Ton bilden weitere Vorzüge des jungen Geigers, rer zu den besten Hoffnungen berechtigt. Auch Gesang war gestern mehrfach vertreten; Herr Edmund Jaques aus Brantford (Canada) brachte zwei Lieder für Baßstimme (von Herrn Crawford am Flügel begleitet) zum Vortrag: „Gebet" (Der Anfang, das Ende, o Herr) von C- Reinecke und „Drei Wanderer" von H. Hermann. Das Organ ist noch etwas ichwersällig, der Klang im Uebrigen kräftig und charakteristisch, Deklamation und Aussprache recht löblich, ebenso wie die durchweg beobachtete Reinheit der Intonation. Frl. Ulricca Wiley auS Plumstead (England) hatte mit der Arie aus der Oper „Samson und Delila" von Saint-SaönS Sieh', mein Herz erschließet sich) recht guten Erfolg; ihre Stimme hat Fülle und namentlich nach der Höhe zu Kraft und Wohlklang, die Bildung zeugt von fleißigem Streben und ist vorgeschritten; dem Vortrage hätte man etwas mehr Wärme gewünscht. Mit der Arie der Susanne (Endlich naht sich die Stunde) aus Mozart'S „Die Hochzeit des Figaro" trat außerdem Frl. Margarethe Sch le müll er aus Leipzig auf; ein näheres Eingehen auf diese Leistung muß ich mir begreiflicherweise versagen. (Von kompetenter Seite wird uns mitgeiheilt, daß die junge Dame durchweg eine technisch saubere und sehr geschmackvolle Leistung geboten bat. Das sehr ansprechende Organ ist vorzüglich gebildet und die Auffassung erwies sich als eine edle und verständige. Die Red.) Daß sämmtliche Auftretenden durch reichen Bei fall und Hervorrufe ausgezeichnet wurden, braucht kaum er wähnt zu werden. Das Orchester unter Herrn Capellmeister Hans Sitt'S trefflicher Leitung bot nur Gutes und An- erkennenswertheS. G. Schlemüller. ' Leipzig, 23. Mürz. Herr Carl Prohaska auS Wien gab gestern im Saale des Hotel de Prusse seinen Clavierabend. Daß er nur sehr mäßig besucht war, ist nicht zu verwundern; stehen Loch zur Zeit Lieder» und Klavierabende im üppigsten Flor und verwunderlich ist nur, daß derartige Veranstaltungen überhaupt noch einen Zuhörerkreis finden. Herr Prohaska ist ein ganz tüchtiger Pianist, dem alles rein Virtuose des Clovirrspiels meist glücklich gr» lingt; ein hervorragender Künstler aber ist er nicht. Er vermag eS nicht, seine Zuhörer zu erwärmen, geschweige zu begeistern. Was er spielt, das klingt alles ohne innere Belebung, ohne Seele. Man sollte doch wohl meinen, daß der reproducirende Künstler mit seinem ganzen Herzen bei der Sache sein müsse. Nichts davon ist in Herrn Prohaska's Clavierspiel zn finden. Daß bei solchen negativen Qualitäten ein Clavierabend nicht zu den Glückseligkeiten dieses Erdenlebens zu rechnen ist, wird wohl selbst der enragirteste Musikenthusiast zugeben. Wie schon bemerkt, gelang Herrn Prohaska das Technische und Aeußerliche meist gut. Darum klang aber auch fast Alles etudenartig. BrahmS' (kis-moU-Sonate), Beethoven (Variationen und Fuge in Ls), Schubert (O-äur-Phantasir), Schumann („Des Abends" und „Traumeswirren"), Chopin (Etüden .X-woll und Ois-ckui und Marzurka in As) und Liszt („Valss jiuprowptu" und Rakoczi-Marsch) kamen notengetreu zum Vortrag, aber eS fehlte die Seele. Applaudirt wurde trotzdem. Nur denke ich, der Beifall galt dem Pianisten saus pbruss; für einen Künstler, der uns etwas zu sagen, zu offenbaren hat, kann der Wiener Gast wohl kauni gehalten werden. Ob Herr Prohaska seiner letzten Programmnummer (LiSzt's Rakoczi-Marsch) noch eine Zugabe folgen ließ, weiß ich nicht und hoffe es auch nicht. Die Quantität deS Gebotenen genügte vollkommen und die Qualität ließ gern aus »in Mehr verzichten. L. Aus -em Kunstgewerbe-Museum. Leipzig, 22. März. Im Vortragssaale des Grassi-Museums hielt am jüngsten Sonntag Herr Regterungsbaumeistrr Professor Richard Borrmann, Directorialassistent am königlichen Kunst» gewerbe-Museum zu Berlin, einen ungemein erschöpfenden, die Materie höchst gewissenhaft und wissenschaftlich exact behandelnden Vortrag „Ueber chinesisches Porzellan". Dadurch, daß dem erläuternden Wort auch der Gegenstand selbst durch eine Aus stellung von chinesischen Porzellanen der werthvollen Sammlung des Legationssecretairs Freiherrn Speck von Stern burg ans dem Museum für Völkerkunde, ferner einer Anzahl Stücke der chinesischen Sammlung des Berliner Kunst gewerbe-Museums und eine Collection meisterhafter farbiger Reproduktionen einer kostbaren amerikanischen Privat-Sammlung chinesischer Porzellane, der Walter-Collection, zur Seite stand, gewann die sehr beifällig aufgenommene Behandlung des Themas ein doppeltes Interesse. Drei Gebiete kennen wir in der Geschichte der Kunst, deren Schöpfungen in Zeiten, die jenseits aller geschichtlichen Kunde liegen, hlnaufrücken, die wir als Ursche, als Quellengebiete menschlicher Cultur bezeichnen dürfen: Egypten, das Stromgebiet des Euphrat und Tigris und — im äußersten Osten — China. Ob das „Reich der Milte" wirklich als ein Gebiet mit autochthoner Kunst anzu sehen ist, erscheint heute freilich als zweifelhaft; es mehren sich die Anzeichen, welche eine starke Beeinflussung der chinesischen Kunst welt von Indien und von Westasien, ja vom griechisch-römischen Alterthum her erkennen lassen. Wie dem auch sei, jedenfalls hat China das Verdienst, neben so mancher technischen Erfindung zwei Kunstzweige zuerst ausgebildet und zur Vollendung gebracht zu haben, die Seide und das Porzellan. Beide sind Erzeugnisse, die. Las eine schon im Alterthum, das andere im Mittelalter, wegen ihrer Kostbarkeit hochgeschätzt waren. Folgenreich und tiefgehend erscheint der Einfluß, den im 17. und 18. Jahrhundert das chinesische Porzellan auf den Decorationsstil Europas als auch der Länder des Islam gewonnen hat. In der Kunst des 18. Jahrhunderts bildet sogar der „Porzellanstil" eine der bedeutsamsten Erscheinungen. Daß erst so spät das chinesische Porzellan, obwohl seine Fabrikation in China noch in das erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung hiuaufreicht, für uns vorbildlich geworden ist, hängt mit dem Umstaude zusammen, daß die ostasiatische Welt erst im 16. Jahrhundert „entdeckt" wurde. Wenn man von allen übertriebenen Vorstellungen absieht, welche die Erfindung des Porzellans in mythische geschichtliche Zeiten hinaufdatiren wollen, und sich nur an sichere Ueberlieserungen hält, so läßt sich das Vorkommen des Porzellans bereits für die Mitte des 9. Jahrhunderts nachweifen. Bestimmtere Form nimmt die Ueberlieferung schon für die Mitte des 10. Jahrhunderts an, für welche sogar ein besonderer Typ nachzuweisen ist, Porzellane mit himmelblauer Glasur. Eine reichere Anzahl von Typen ist sodann an der Hand schriftlicher Ueber- lieserungen, aber auch einzelner, freilich sehr seltener Originale für die Folgezeit zu constatiren. Als erste Periode kann die Zeit bis zum Jahre 1368, welches einen bedeutsamen Wendepunkt in der Geschichte Chinas bedeutet, zusammengefaßt werden, die Regierungs zeit einer einheimischen, dann aber, seit 1260, einer mongolischen Dynastie aus Dsingis Chans Descendenz. Noch kennt die älteste Zeit keine farbig bemalte», gemusterten Stücke. Was sie hervorbrachte, waren einfarbig glafirte Arbeiten. Wenn man lediglich die Verzierungsweise ins Auge saßt, giebt es überhaupt nur zwei Gruppen, in welche man das chinesische Porzellan theilen kann, in einfarbig glasirte und bemalte. Beide Gruppen gehen in der Folgezeit nebeneinader und erfreuen sich gleicher Werthschätzung. Uuterden monochromen Porzellanen der Frühzeit werden im Allgemeinen drei Hauptgruppen unterschieden, die erwähnten blauen, dann die weißen, sogenannten „blaues cks Obine", die aber vom reinen Weiß, der am meisten geschätzten Species, bis zu gelblichen und grauen Tönen gehen und, als die verbreitetsten die matt oliv- oder seegrün glasirten „Seladons". Im Laufe der Zeit haben dann die Chinesen drei verschiedene Principien der Bemalung ausgebildet: die Bemalung auf der rohen, noch nicht gebrannten Schale vor der Glasur, die Bemalung durch farbige Emails auf der in einmaligem Brande er» härteten Masse und endlich die Bemalung in farbigen Emails auf der Glasur. Als die für das Porzellan am meisten bezeichnende und vornehmste Art hat durch alle Zeitepochen hindurch die Blaumalerei, die Bemalung in tiefem kräftigen Kobaltblau, gegolten. Sie ist gewissermaßen zum Wahrzeichen des Porzellans geworden und ist deshalb auch in ihren ersten Nachahmungen auf europäischem Boden, in den aUa poreellana, das heißt in Porzellan» stilj, gemalten italienischen Majoliken und mehr noch in den berühmten Delfter Fayencen im 17. Jahrhundert vorherrschend ge wesen, ja hat ihnen geradezu das Gepräge verliehen. Eine große, epochemachende Neuerung aas der Zeit des Kaisers Tsing-Hoa (1465—88) bedeutet die Anwendung farbiger Decors oder die Be malung aus der fertigen weißen Glasnr, rin Verfahren, das den Fortschritt zu einer reicheren Polychromie bedeutet. Wenn auch hinsichtlich dieser polychromen DecorS über oder aus der Glasur noch Zweifel bestehen, ob sie in das 15. und 16. Jahrhundert ge höre», so ist dagegen eine Art der Bemalung durch farbige Emails auf der verglühten, aber noch nicht glasirten Biscuitmafse noch iu die Zeit vor der Ming-Dynästie, Mitte des 15. Jahrhunderts, durch eine Reihe von Originalarbeiten nachzuweisen. Bei der Classification der Porzellane des 17. Jahrhunderts sind drei Hauptgruppen hervorzuheben: die einfarbigen und geflammten, die Blauporzellane und die farbig bemalten. Unendlich verschieden artig sind in der ersten Gruppe die Typen und ebenso sinnreich die chinesischen Bezeichnungen für die einzelnen Spielarten, die einem aufs Höchste verfeinerten malerischen Empfinden und technischen Können ihre Entstehung danken. Vielleicht die reichste Scala zeigen dir grünen Glasuren, die reingrünen bis zu den grünlichgrauen patinaartigen, die aalhautsarbigen und schlangenartig schillernden Glasuren, daran reihen sich die schwarzen und kaffeebraunen Glasuren, die weißen und kaisergelben Glasuren und die herrlichen Rothporzellane. Bei den farbig decorirten Arbeiten bilden Blau, Roth und Gold den charakteristischen Decor. Den in China selbst für das 17. Jahrhundert am meisten bezeichnenden Typ bildet die zahlreiche Gruppe der Porzellane mit vorherrschendem Grün» nächst welchem Koralleoroth domtnirt. Die Ueberlieserungen der klassischen Epoche reichen noch bis in die ersten beiden Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts, dann bereitet sich langsam der Umschwung vor, der zum Stile des 18. Jahrhunderts hinüberleitet. Das 18. Jahrhundert steht in der Herstellung der geflammten und gemischten Glasuren den früheren Epochen minde» stenS gleich, ja ist ihnen in technischer Hinsicht sogar noch über legen. Es faßt diese Periode in der unendlichen Vielseitigkeit ihres Schaffens noch einmal dir ganze gewaltige Summe technischer Er fahrung und künstlerischen Vermögens, welche eine Jahrhundert lange Entwickelung angesammelt hatte, zusammen und wirthschastet mit diesem kostbaren Capital wie ein reicher Erbe mit dem mühe los erworbenen Besitze der Väter. Sie ist daher keineswegs als ein Rückschritt zu betrachten, aber die Entwickelung war zu Ende und bald sollte der Verfall rinsetzen, der die einst so herrliche Keramik der Chinesen im Lause unseres Jahrhunderts zu einem Schatten ihrer früheren Größe erbleichen ließ. Möchte, so schloß Herr Professor Borrmann im Hinblick auf die kostbare Ausstellung des Museums, die schöne und gewählte Samm lung, welche ein günstiger Zufall in diese Räume geführt hat, auch hier immer mehr Verständniß und Liebe für eine Kunst zeitigen, deren intime Reize sich nicht prahlerisch in den Vordergrund drängen, sondern in der Stille gesucht und empfunden werden wollen, und die uns den Genius eines fremden, aber hochbegabten Volkes klarer und vollständiger wie irgend ein anderes Kunstgebiet offenbaren. V. dl. Gerichtsverhandlungen. königliches Landgericht. Strafkammer H. 6. Leipzig, 23. März. I» der Nummer 466 vom 22. Juli 1897 der im Commijsionverlage von Hermann Beyer in Leipzig allwöchentlich erscheinenden „Deutsch-socialen Blätter" wurde unter der Spitzmarke: „Jüdische Ritter des eisernen Kreuzes" ein Artikel veröffentlicht, in welchem dem jüdischen Kaufmann Rosenthal der Vorwurf der Feigheit gemacht wurde. Derselbe habe in der Schlacht bei Gravelotte, an der er mit dein 29. Jnfanterie-Regimente, dem er angehörte, theilgenommen, seinen Hauptmann, der beim Avanciren verwundet wurde, auS der Feuer» linie geholt und sei bei demselben aus Liebe zu ihin hinter der Front während der Dauer der Schlacht geblieben, während seine Kameraden muthig vorgestürmt seien. Hierfür sei er mit dem eisernen Kreuz decorirt worden, das doch sonst nur für Auszeichnung vor dem Feind, nicht für sentimentale Anwandlungen verliehen werde. Wegen dieses Artikels wurde vom Kaufmann Adolf Rosenthal in Hechingen gegen den seit 1895 die „Deutschsocialen Blätter" ver antwortlich zeichnenden Nedacteur Karl Heinrich Friedrich Wilhelm Louis Hogrefe aus Rettmar, zuletzt in Berlin wohnhaft, die Be leidigungsklage angestrengt, die von der königlichen Staatsanwalt schaft im öffentlichen Interesse vertreten wurde. Hogrefe, dessen persönliches Erscheinen zum Termin verlangt worden war, gab an, daß er den fraglichen Artikel von seinem Ver leger zugesandt erhalten habe; dem Manuskript sei von seinem Ver leger die Bemerkung beigefügt gewesen, daß der Einsender ein alter Soldat sei, der 1870/71 mitgemacht habe und dessen bisherige Mittheilungen sich als unantastbar erwiesen hätten. In einer Beilage wurden mehrere Leute aus Hechingen namentlich aufgeführt, welche die Richtigkeit des Mitgetheilten, das übrigens Rosenthal selbst verschiedentlich bei Kriegervereinsfestlichkeiten erzählt haben sollte, bezeugen könnten. In der Einsendung befand sich auch ein Passus, aus dem hervorging, daß das Mitgrtheilte bereits in einer anderen Zeitung, dem „Badischen Volksboten", ge standen habe; er habe aber diese Einschaltung in dem Artikel ge» strichen, weil seines Wissens die genannte Zeitschrift nicht mehr in Heidelberg erscheine. Nach alledem habe er kein Bedenken ge tragen, die Einsendung zu veröffentlichen. Bei der exponirten Stellung, welche er als antisemitischer Schriftsteller einnähme, habe er sich zu besonders genauer Prüfung für verpflichtet gehalten, und wenn er das Mitgetheilte nicht für wahr gehalten hätte, würde er sich wohl gehütet haben, den Artikel in die „deutschsocialen Blätter" aufzuuehmen. Nach den bei dem Bürgermeisteramt zu Hechingen eingezogenen Erkundigungen ist der Fabrikant Adolf Rosenthal der einzige Rosenthal jüdischer Consession in Hechingen, der den Feldzug 1870/71 mitgemacht hat. Er hat als Einjähriger bei der 8. Com pagnie des ersten Ostpreußischen Füsilier-Regiments Nr. 33 ge standen und ist mit dem eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Die Ordenscommission in Berlin hat bestätigt, daß dem Einjährig- Freiwilligen Gefreiten Adolf Rosenthal vonr ersten ostpreußischen Füsilier-Regiment Nr. 33 das eiserne Kreuz verliehen worden ist. Adolf Rosenthal und die vom Beklagten benannten Personen sind in Hechingen kommissarisch eidlich vernommen worden und es wurden die Vernehmungsprotokolle zur Verlesung gebracht. Adolf Rosenthal hat an der Schlacht bei Gravelotte theilgenommen und nach seiner Meinung daS eiserne Kreuz erhalten, weil er mit einigen wenigen Kameraden beim Zurückgehen seiner Compagnie den Platz bis zum Ende der Schlacht behauptet hatte. Seine beiden überlebenden Kameraden seien in gleicher Weise aus gezeichnet worden. Gleich beim Beginn der Schlacht sei nicht sein Hauptmann, sondern derjenige der siebenten Com pagnie verwundet worden. Beim Zurückgehen habe er ihn nicht liegen lassen wollen, sondern aus dem feindlichen Feuer heraus geholt und hinter der Schützenlinie in einen Graben niederaelegt. Er fei aber nicht bei ihm geblieben, sondern mit seinen Kameraden wieder vorgegangen. Daß er diese Geschichte in Kriegervereins- kreisen erzählt habe, sei wohl richtig, aber nicht, wie sie in den „Deutsch-socialen Blättern" wiedergegeben worden ist, er habe ins besondere nie von seinem Hauptmann gesprochen. Nach seiner Entlassung habe man ihn: sogar die Qualification zum Reserve- osficier wegen Auszeichnung vor den: Feinde und guter Führung nachgeschickt. Die übrigen abgehörten Zeugen bestätigten in der Hauptsache die Angaben Adolf Rofenthal's, der Bericht der „Deutsch, socialen Blätter" erwies sich nach ihren Bekundungen als völlig unzutreffend. Seinen Gewährsmann zu nennen, weigerte sich Herr Hogrefe. Nach der ganzen Tendenz des Artikels konnte dessen beleidigender Charakter dein Beklagten, wie Herr Staatsanwalt Vr. Lange aus führte, nicht entgehen, er beantragte daher, Hogrefe wegen Be leidigung aus 8 186 des Reichsstrafgesetzbuchs zu einer empfind lichen Geldstrafe zu verurtheilen. Der Angeklagte mußte in seinem Schlußwort zugeben, daß thatsächlich von dem Einsender etwas objectiv Falsches behauptet worden sei, er habe aber bei der Ver öffentlichung keineswegs die Absicht der Beleidigung gehabt, denn die Tendenz des Blattes richte sich gegen den Bolksstamm, nicht gegen die Person. Schließlich bat er zu seinen Gunsten in Erwägung zu ziehen, daß er stets sorgfältig alle Veröffentlichungen vorher geprüft habe, wie das schon daraus hervorgehr, daß er in seiner dreijährigen Thätigkeit als Redacteur keine Strafe bis jetzt sich zugezogen habe und im vorliegenden Falle nur durch die Glaub würdigkeit seines Gewährsmannes zur Aufnahme des Artikels ver anlaßt worden sei. Er habe Scheerereien und Kosten von dem selben schon viel gehabt und bitte, die Geldstrafe mäßig zu bemessen. Der Gerichtshof ging über den Antrag der königlichen Staats anwaltschaft hinaus und erkannte auf einen Monat Gesängniß. Das Urtheil ist innerhalb vier Wochen nach Ausfertigung in den „Hohenzollernschen Blättern" und aus innerhalb der gleichen Frist von Rosenthal zu stellenden Antrag in den „Deutschsocialen Blättern" auf Kosten Hogrefe's bekannt zu machen. In dem Artikel wird behauptet, daß Rosenthal sich in der Schlacht bei Gravelotte der Feigheit schuldig gemacht habe, cs werden von ihm Thatsachen behauptet, die nicht erweislich wahr sind. Der beleidigende Charakter der Behauptungen hat Hogrefe nicht entgehen können. Zu seinen Gunsten wird als festaestellt angesehen, daß er de» Artikel nicht verfaßt, sondern nur fast unverändert zum Abdruck gebracht hat. Er hastet schon aus 8 20 des Preßgesetzes. Da Hogrefe aber den Artikel mit Kenntniß seines Inhalts ausgenommen hat, ist er aus 8 186 deS R.-Str.-G.-Bs. zu bestrafen. Die außerordentliche Schwere der Beleidigung, der schimpfliche Vorhalt im gehässigen Tone recht- fertigen eine Freiheitsstrafe, Hogrefe mußte ganz besondere Bedenken tragen, bevor er nach 27 Jahren den Angriff erhob, durch welchen er den Beleidigten schwere Nachtheile zufügte. Mit Rücksicht auf die bisherige Unbescholtenheit Hogrefe's wurde eine einmonatige Gefängnißstrafe festgesetzt. 's Plauen, 23. März. Die in Chrieschwitz bei Plauen wohnende Stickersehefrau Rannacher holte, alS sie am 18. December v. Jrs. früh 5 Uhr aufgestanden war, um für ihren ans Arbeit gehenden Mann Kaffee zu kochen, Kohlen vom Keller herauf und nahm zu gleich ihr vierjähriges Kind mit auf den Abort. Sie gab dem Kinde einen brennenden Span in die Hand, damit es sich nicht fürchte. Als sie die Treppe wieder emporstieg, hörte sie Geschrei, sie stellte den Kohlenkasten weg und eilte die Treppe hinauf. AlS sie oben ankam, hatte rin im Haufe mitwohuendes Mädchen das Feuer — es war daS Henid des Kindes vom Saum bis heraus zum Herzen verbrannt — schon erstickt. Die Mutter nahm La - tzemd vollends ab, konnte es aber nicht verhüten, daß ihr Kind am andern Tage an Herzlähmung verstarb. Es hatte zahlreich Brandwunden jeden Grades auf den« dritten Theile der Körpei oberfläche. Frau Rannacher hatte sich gestern vor dem hiesige r Landgerichte wegen fahrlässiger Tödtung zu verantworten. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft bat für die Angeklagte um eine möglichst geringe Strafe: Frau Rannacher habe durch den Tod ihres Kindes bereits eine so entsetzliche Strafe erlitte» und »riefte solche noch tagtäglich, daß dagegen die menschliche Strafe geriuz erscheine. Frau Rannacher wurde zu einem Monat Gesängniß verurtheilt. Thätigkeit des Samariter-Vereins M'eiprig. Im Monat Februa r 1898 wurde nach den Meldungen au di Geschäftsstelle die erste Hilfe in 536 Fällen beansprucht, und zwar bei 515 Unfällen und 21 plötzlichen Eckrantungen, 16 Fälle wnrkm nicht in Behandlung genommen. Tie Hilfe der l. Sanitäts wache (Nicolaisnaße, Ecke Nicolailirchhof) wurde in 184 Fälle» (134 mal am Tage und 30 ma: in der Nachti nachgesucht. Bei diesen handelte es sich um 169 Er wachsene und 15 Kinder, welche in 175 Fällen auf der Wache una in 9 Fällen in ihrer Wohnung ärztliche Hilfe beanspruchten. Be handelr wurden 170 wegen äußerer unv 7 wegen innerer Leiden. In einem Falle wnrde Geburtshilfe geleistet. Nicht behandel! wui den 4 Personen, da in einem Falle der Tod schon eingerreten war, in 2 Fälle» nur dec Krankentransport aurgesiihrt wurde und ein Patient eine Behandlung ablehuke. Zuriickgewiesen wurden zwci ältere Krankheitsfälle. Betriebsunfälle kamen 70, Verletzungen iu der Trunkenheit und in Schlägereien 6 vor. Die Hilfe der II. S a n i t ä t L w a ch e (Pelerssteinweg. 17) oec langten insgesammt 158 Personen (118 am Tage und 40 in du Nacht, darunter 146 Erwachsene und 12 Kinder), in 148 Fällen auf der Wache und in 10 Füllen in der Wohnung, von welchen 138 wegen äußerer und 10 wegen innerer Erkrankungen behandelt wurden In einem Falle trat der Tod sofort ein. 4 Patienten wnrdcn nicht behandelt, da in drei Fällen schon ärztliche Hilfe zugegen war, wüm rend ei» Kranker schon dem Krankenhaus zugesiihrr wurde. Äl: nicht zur ersten Hilfe gehörig wurden 5 Fälle zuriickgewiesen. B lriebsunsälle sind 50 zu verzeichnen, wogegen 4 Personen in der Trunkenheit und 12 in Schlägereien Verletzungen erhielten. Die III. Sauitätswache (Dresdner Straße 22) wurde vcu 118 Patienten (96 am Tage und 22 in der Nacht) in Anspruch gc uommen. Von diesen 105 Erwachsenen und 13 Kindern (III ans der Wache und 7 außerhalb derselben) gewährte man 112 äußere» und 3 inneren Kranken die erforderliche Hilfe. Geburtshilfe wurie in einem Falle geleistet. 2 Fülle wnrdcn nicht behandelt, da ein Patient am Erkraniungsort nicht mehr zu finden war, und 1 Ja l zuriickgewiesen werden mußte. Betriebsunfälle kamen 55, Ve. letzungen in der Trunkenheit 3 und in Schlägereien 12 vor. Von den S a n i t ä t s w a ch c n wurden auf Verlangen für Polizei, Gericht u. i. w. 8 Bcfundscheine ausgestellt und 21 Kranken transporte ausgcfiihrt. Im Vieh- und Tchlachthof haben die als Nothhelj.r ausgebildeten städtischen Beamten in 65 Fällen unv in der Markt h a l l e in 4 Fällen die erste Hilfe gebracht, von denen 13 Fälle so fort eiueni Arzte überwiesen wurden. Nach Ausweis der von den betr. AmILstellen eiugegangene.'. Zählkarten griffen auf den Straßen und an öffentlichen Ve: gnüguiigrorten die Schutzleute und Feuerwehrleute bei 5 und die Freiwilligen H i l s s m a u n s ch a f t e n bei 2 Unfällen helfend ein. Besonders hervorzuheben sind von äußeren Verletz ungcn: 3 Gehirnerschütterungen, II Kuochenbriiche (darunter drc offene), 6 Verrenkungen, 6 Verstauchungen, 7 bedeutende Que: schungen, 49 ausgedehnte Weichtheilwunden, 2 gefährliche Bis, Wunden, 14 Fremdkörper im Auge, 2 in dec Speiseröhre, 12 i c Weichtheilen, 2 ausgedehnte Verbrennungen und I eingeklemmte.- Unterleibsbruch; von inneren Erkrankungen: 2 Jäi!- fchwerer Bewußtlosigleit, 3 Krampfanfälle, 2 Schlaganfälle, 5 E. krankungen der Luftröhre, 1 der Lungen, I des Herzens, 2 de.- Magens und Darmes, I Fall von Kolik und 2 innere Blutungen. Nachweis der Levölkeruugsvorgäuge in Leipzig im Monat Februar 1888. Das statistische Amt -er Etadt Leipzig. Bevölkerungsvorgänge .ST p L u Elaudwcmt E rrlvüj III l IV j V tA'U<L'i»PP - - - Smwobinnabl aus denl.Juli 1838 bkrecknet: Stantwamll I84v!6.StandwamlUNüU3ü. f. Siantwamt III87 7ÜO.Standk»aml IV71270, Slandr»aml V I3IL5, juiammkn «22071. -! Geborene Lebendgrborene mänuliche I . 232 169 50 142 12 6)c> - weibliche . . 207 l60 58 133 21 577» - zusammen . . 439 329 108 275 33 1184 Todtgeborene männliche . . . 9 4 1 3 — 17 - weibliche . . . 8 8 4 3 — . zusammen . . . 17 12 5 6 4>> Gest orbene (auSschl.Todtgeborenej Gestorbene überhaupt männliche 134 88 15 50 s 296 « - weibliche 127 82 15 41 8 273 - - zusammen Darunter Kinder im Alter von 261 170 30 91 17 56:' 0-1 Jahr 71 59 9 34 9 18.' Darunter ehelich geborene . . 45 32 5 26 7 115 » unehelich geborene 26 27 4 8 o 6. Todesursachen, Zahl der Fälle: 1. Pocken — —» —- — 2. Masern und Rötheln . . 6 4 3 — 13 3. Scharlach I 3 —- — —— 4 4. Diphtherie und Croup . 6 14 — I —- 2! 5. Unterleibstyphus einjchl. gastrische« und Nervensiebcr . I — — — — I 6. Flecktyphus —— —— —— —— — — 7. Okolera asirttiea. .... 8. Acute Darmkrankh. einschl. —— — — —- Brechdurchfall . . . 10 21 1 5 <> 40 darunter u) Brechdurchfall aller Altersclassen . . . - — — I — 1 b) Brechdurchfallv. Kindern bis zu 1 Jahr . . . — —. —. I — 1 9. Kindbett. (Puerperal.) Fieber 3 — — — —- 10. Lungenschwilldsucht . . . 11. Acute Krankheiten der Atb- 28 21 5 13 — 67 mungsorgane ..... 30 20 6 14 70 Darunter Influenza . . . 12. Alle übrigen Krankheiten — —— —- — 161 85 l7 52 IS 3L> 13. Gewaltsamer Tod: ») Verunglückung .... 6 1 —— 3 — 10 b) Selbstmord 9 1 1 1 I-' c) Todtscblaa —— — —— Nachstehende herdarragende renommirte errnäbigten greifen Vesten» empfohlen. Qonlaotaat« »««tlnzzanUOn. »vslls Varaoti». IW I I»n HLVSSV, »»«ms»»d »E, Telepdoa ämt 3^9l. ruial», LV — Eigen« Ardaratur-Nerkftatt und VmnttkrlungS'Auftalt. — EngraS-Lager in simmtlichen Iuvehörtheilen. Inhaber vvä hält die Firma Ankauf eine» Fahrrades zu Wesentlich u. s. ui. kauptxesetiäkt uvä 700 xrossv. xvsokütrte I^rnbatm LUsvvS'trLSSv LL
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder