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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980908024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898090802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898090802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-08
- Monat1898-09
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-734 BnfteSe vSv bVt ttsferlscheu SHutzkrvpvr «wfgrspärt kvvvdrn War. Der Tod Quawa'» ist m der Geschichte der Colouie Deutschostafrika em brachteuSwerthe» Creigniß. Jetzt erst kann man den Waheheaufstand für beendet halten. Uhehe ist die Zukunft Deutschostafrikas, nicht nur al» AnsiedeluogS- arbiet für deutsche Auswanderer, sondern auch al» Reiskammer für die Länder a» indischen Ocean. 9a der letzten Sitzung des Reichstag« wurde angeregt, i» Straßburg eine Hauptstation für die Beobachtung »aa Erdbeben zu errichten und dieselbe in eine wiflenschast- liche Verbindung mit einer anderen Anzahl gleicher Stationen in Deutschland zu setzen. Straßburg erscheint deshalb besonders geeignet für Errichtung eines solchen Instituts, weil dort seit langer Zeit in umfangreicher Weise seismische Beobachtungen gemacht sind. Jenen Wünschen dürfte, einer z officiösen Auslassung zufolge, durch den nächsten ReichShauö- haltSrtat vollkommen Rechnung getragen werden. Da» „Volksblatt für Anhalt" erhebt die Forderung, der erste, theorettschejTheil des foetatdemokrattschen Erfurter Programm» solle überhaupt aus dem Programm fort- bleiben: „Theoretische Ansichten gehören nicht in ein Programm, sondern nur Forderungen. Und der zweite Theil unseres Programms Ware mit Rücksicht auf unsere prak tische Politik noch weiter und besser auszubauen." Der „Vorwärts" weist diesen Vorschlag entschieden zurück, weil die Streichung des theoretischen Theils das Hauptsächlichste dessen aufgeben hieße, was die Socialdemokratie von den bürger licher^ Parteien unterscheidet; dagegen würde sich mit vollem Recht die ganze Partei auflchnen. Angesichts dieser Aus lastung sei daran erinnert, daß der von der socialdemokrati schen ReichStagSfraction erlaßene Aufruf zur ReichötagSwabl den theoretischen Theil des Erfurter Programms so gut wie vollständig unter den Tisch fallen läß.t Hat sich etwa da gegen die „ganze Partei" aufgelehnt? Kann die Social demokratie mit der Verschweigung des socialrevolutionären TheilS ihres Programms Geschäfte machen, so thut sie es eben, unbekümmert darum, ob sie das Hauptsächlichste von dem aufgiebt, was sie von den bürgerlichen Parteien unterscheidet. In dem Strudel der TrcyfuSbcwcgung wird dem Oberstlieutenant Henry und dem Generalstabschef BoiSdesfre allem Anschein nach noch eine ganze Anzahl anderer Stützen der Republik folgen. Wir theilten schon mit, daß dem „Matin" zufolge der neue Kriegsminister Zurlinden sich ge äußert habe, die weitere Untersuchung habe ergeben, daß mehrere Officiere des Generalstabes sich in der DreyfuSangelegenheit einer gewissen strafbaren Hand lung schuldig gemacht haben. Welcher Art diese Ver schuldung ist, dürfte aus der Hinzufügung hervor gehen, daß GeneralstabSosficiere zu dem Polizeidienste des geheimen JnformationS (-Spionage) Bureaus nicht mehr ver wendet werden sollen. Die DreyfuS-Blätler wollen daraus schließen, daß Henry Mitschuldige hatte, ja daß er von seinen Vorgesetzten zur Fälschung befohlen und nachher von ihnen im Stiche gelüsten worden sei. Sie dürften damit den Nagel nicht neben dem Kopf getroffen haben. Gegen die verdächtigen Officiere wird selbstverständlich eine kriegsgerichtliche Unter suchung eingeleitet werden müssen, deren Resultat allem Anschein nach der völlige Zusammenbruch deö Generalstabes sein wird. Pariser Blätter behaupten sogar, daß Henry'S Selbstmord von den Vorgesetzten veranlaßt wurde und daß er starb, um deren Schuld nicht an den Tag kommen zu lassen. So schreibt da» „Petit Journal": „Der Körper des Selbstmörders lag auf dem Bette, bekleidet mit einer grauen Hose, einer Flanelljacke und einem Kattunhemde, die Füße mit Lederpantosfeln. Der Oberst hielt noch in seiner linken Hand das Rasirmesser, mit dem er sich den Tod gegeben hatte: sonderbare Einzelheit, dieses Rasirmesser war geschlossen. Der Oberst hatte an der linken Seite Les Halses eine tiefe und sehr glatte Schnittwunde von 11 Centimeter Länge, an der rechten eine 9 Centimeter messende Schnittwunde, neben der man noch zwei andere kleine Schnitte bemerkte, welche andeuteten, daß die Hand deS Obersten herumgetastet hatte, ehe sie den tvdtlichen Streich führte." Die „Petite Röpublique" kann es sich nicht erklären, wie der Selbstmörder, nachdem er den tödtlichen Schnitt voll zogen, noch daS Rasirmesser habe zuklappen können. Ver schiedene Aerzte hielten es überhaupt für unmöglich, daß ein Selbstmörder zwei kräftige Schnitte mit dem Rasirmesser nacheinauder auSsühren könne. Deutsches Reich. ei Berlin, 7. September. Der Streit im socialdemo kratischen Lager über die Betheiligung der Social demokratie an den preußischen Landtags wahlen spitzt sich immer mehr zu. Zuerst hat, wie wir kürzlich mittheilten, der Abgeordnete Bebel im „Vorwärts" den Nichtbetheiligungsbeschluß der Berliner „Genossen" scharf getadelt und letzteren vorgeworfen, sic hätten gegen den Ham burger Parteitagsbeschluß gehandelt. Zugleich forderte er alle auMLkffgw PrnkeigäMr allf, PH durch da« Beispiel der Ber liner nicht beirren zu lassen. Im „Vorwärts" protesttren nun heute die socialdemokratischen Vertrauensleute von Berlin, Teltow-BeeStow und Niederbarnim energisch dagegen, daß man ihnen auf der einen Seite vorwerfe, sie hielten den Hamburger Parteitagsbeschluß nicht, und gleich zeitig ihnen wieder empfehle, gegen den Beschluß zu handeln. Denn darauf lause es hinaus, wenn Bebel ausführ«, eS wäre in Berlin möglich, so viel Wahlmänner durchzusetzen, daß die Gegner gezwungen werden könnten, der Socialdemokratie einige Mandate zuzugestehrn. Da seien Compromisse unvermeidlich und diese seien eben durch <d«n Hamburger Beschluß verboten. Die obengenannten Vertrauensleute drehen jetzt den Spieß um und rathen den auswärtigen „Genossen" Folgendes: „Ueberlegt euch erst sorgfältig, ob ihr für die Parteien, welche etliche sonder bare Schwärmer in der Partei leider jetzt auch schon zur „bür gerlichen Opposition" rechnen — das Centrum und die National liberalen — eintreten könnt; hütet euch vor Compromiffen, welche corrumpirend wirken müssen; lehrt unsere Arbeitsgenossen kämpfen, aber nicht im Heerbann der bürgerlichen Patreien!" Uebrigens sind neuerdings auch noch in einer weiteren Anzahl von brandenburgischen Wahlkreisen Beschlüsse gegen die Be theiligung an der Landtagswahl gefaßt worden. * Berlin, 7. September. Heber die Betheiligung an der Palästinafahrt des Kaisers seitens der eingeladencn Persönlichkeiten und Behörden schreibt man der „Schles. Ztg.": „Wenn auch heute noch nicht alle Anmeldungen für die Fahrt zur Einweihung der Erlöserlirche in Jerusalem eingetroffen sind, so läßt sich doch schon ziemlich genau übersehen, wie viele Personen auf dem dazu gemietheten Dampfer „Mitternachtssonne" die Reise mitmachen werden. Im Ganzen werden es etwa 130 Ver treter von Kirchenregierungen, kirchlichen Anstalten und Ver einen sein. Von Johannitterrittern bctheiligen sich etwa 50. Die Eingcladenen haben das Recht, je einen Familienangehörigen — entweder die Frau oder ein erwachsenes Kind, sei es Sohn oder Tochter — mitzunehmen. Davon machen viele der Gäste Gebrauch, daher kommt es, daß außer der obigen Zahl sich auch noch allein zwischen 40 und 50 Damen an Bord befinden werden. Die Gesammtzahl der Passagiere wird ungefähr 200 betragen; dazu kommen noch Diener u. s. f. Die deutschen Kirchenregicrungen haben nicht durchgängig Geistliche oder Mit glieder der kirchlichen Behörden zu ihren Vertretern ernannt, sondern zum Theil auch Staatsbeamte mit dieser Aufgabe be traut; so wird das Herzogthum Sachsen-Altenburg durch den Staatsminister v. Helldorf vertreten. Auch Oberinnen von kirchlichen Anstalten nehmen an der Fahrt und Feier Theil. Die Annahme, daß viele deutsche evangelische Fürsten sich dem Kaiser anschließen würden, bestätigt sich nicht. Zwei deutsche Regenten, darunter ein preußischer Prinz, haben zwar den Wunsch zu er kennen gegeben, sich an der seltenen Feier zu betheiligen, aber derselbe dürfte sich nicht erfüllen lassen. Auf den kaiserlichen Schiffen ist dem Vernehmen nach kein Platz mehr vorhanden, na mentlich nicht für fürstliche Personen. Diese Prinzen müßten sich also, da sie auch nicht auf dem gemeinsamen Dampfer fahren können, eigene Dampfer oder wenigstens einen gemeinsamen miethen. Dafür und für die nöthigen Einrichtungen u. s. w. dürfte jetzt die Zeit zu kurz sein. Einige Gäste haben auch den Wunsch ausgesprochen, Damaskus zu besuchen, doch dürfte das unmöglich sein." — ES konnte nicht fehlen, daß die Unfälle der Torpedo boote zu einer Erörterung des Wertbes und der Bedeutung dieser schwimmenden Kriegsmittel führten. Nicht nur die Torpedoboote, sondern alle Kriegsschiffe sind mehr oder weniger vom Wind und Wetter abhängig, und bei orkan artigem Sturm werden auch die besten Artilleristen mit den besten Geschützen wenig Treffer erzielen. Die deutschen Torpedoboote sind, wie der „Voss. Ztg." geschrieben wird, nicht so sehr für ihre Mitwirkung in großen Seeschlachten als für die locale Küstenvertheidigung bestimmt. Hier werden auch die kleineren Boote, und gerade diese, eine wichtige Rolle spielen. In den allermeisten Fällen können sie den Augenblick deS Eingreifens selbst wählen, Wind und Wetter müssen ihnen günstig sein, wenn sie mit einiger Aussicht auf Erfolg ihr Ver- nichtungSwerk unternehmen wollen. Für jede feindliche Flotte, der eS gelingen sollte, sich den deutschen Küsten zu nähern, werden sie eine stetige Beunruhigung sein, da der Gegner immer zu ihrem Empfange gerüstet sein muß. Bei Nebel oder dunkler Nacht giebt es gegen Torpedoboote der Küstenvertheidigung kein anderes Mittel als das Flüchten auf die hohe See. — Die Hebung des gesunkenen Torpedo bootes „8 85" ist dem Nordischen Bergungsverein in Ham burg anvertraut worden, welcher unter Leitung des Herrn Dablström steht, der sich durch sein Eintreten für die Ver wirklichung des Projekts der Verbindung der beiden deutschen Meere einen Namen gemacht hat. Der Bergungsdampfer „Reiher" geht mit Ponton» von Hamburg nach der StrandungS- stelle bei Fehmarn. Das verunglückte Torpedoboot liegt in einer Wassertiefe von zwölf Metern im weichen Sande auf recht mit einer Neigung nach Backbord gebettet. — Der Staatsminister Frhr. v. Berlepsch ist gestern aus Seebach hier angekommen und im Kaiserhof abgestiegen. Dort hat auch der deutsche Consul in Tunis, v. Bary, Wohnung genommen. Der Direktor der Colonial »AbtHeilung de» Au»- wärtigen Amte», WirN. Geh. LrgationSrath vr. v. Buchka, ist, wie die „Kreuzztg." mittheilt, von seinem Urlaube nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Colonial- Abtheiluug in vollem Umfange wieder ausgenommen. — vr. Paul Krause, der frühere Vicepräsident de» Abgeordnetenhauses, hat der „Kreuzztg." zufolge seine Be werbung um den Posten de» ersten Bürgermeister» von Charlottenburg zurückgezogen. — Wie au» London gemeldet wird, war bei der Ge- dächtnißfeier für Gordou Pascha in den Ruinen von Chartum am Sonntag Morgen der deutsche Militair- attachS in voller Uniform anwesend. — Der Viceadmiral z. D. Klatt ist dem „B. L -A." zufolge in Stralsund gestorben. * Remscheid, 7. September. Zum Aerztestreik haben die Mitglieder der Krankcncasse auf Grund des Gesetzes das Ein schreiten der Düsseldorfer Regierung beantragt. Drei Re- gierungsräthc weilen heute hier, um mit dem Cassenvorstand und den Aerzten behufs Beilegung des Streiks zu verhandeln. Man hofft eine Einigung zu erzielen. (Frkf. Ztg.) * Altenburg, 6. September. Mit dem Hofmarschall deS Herzogs von Sachsen-Altenburg steht gegenwärtig der Groß industrielle Krupp in Verhandlung wegen Ankaufes der in der Nähe von Mur-GoSlin gelegenen herzoglichen Fidei- commißherrschaft Pila. Krupp hat die Absicht, dort eine große Gefchützgießerei nebst ausgedehntem Schießplatz zu errichten. * * Meiningen, 7. September. Die Synodalwahlen deS Herzogthums sind unter mäßiger Betheiligung gestern erfolgt. (M. Z.) * Ans Eisasj-Lothringcn, 6. September. DieSteue r- kraft der Reichslandc bewegt sich, wie der „Magd. Ztg." geschrieben wird, erfreulicherweise anhaltend in aufsteigen der Linie. Beispielsweise hat sich, wie aus der amtlich ver öffentlichten Statistik hcrvorgeht, die Einnahme an Regi- strirungsabgaben im Jahre 1897 bis 1898 auf 7 016 645 belaufen, gegenüber 6 029 102 cA im vorhergehenden Jahr und einem Etatsooranschlag von 5 Millionen Mark. Dieses Er- trägniß ist das höchste bisher erreichte und in der Hauptsache auf die bereits bei der Etatsberathung im Landesausschuß seitens des Unterstaatssecrctairs v. Schraut hervorgehobene außerordentliche Steigerung des Liegenschaftsverkchrs in den großen Städten und im Gebiet der Eisenindustrie zurück zuführen. Die Abgaben für Kauf- und Tauschverträge über unbewegliches Vermögen haben mit 4 906 000 cÄ die entsprechende Einnahme des Vorjahres um 446 000 überschritten. Von diesem Mehrbetrag kommen rund 300 000 auf die Verkehrs steuerämter Straßburg I und Mühlhausen I, weitere 120 000 auf die Aemter Metz I und Dicdenhofen I. Von der Gesammt- einnahme von 4 906 000 o-l kommen 2 105 000 auf land- wirthschaftlich benutzte, 2 801000 auf andere Grundstücke. Im Zusammenhang hiermit steht die Mehreinnahme aus Dar lehensverträgen mit 129 000 <^V, die ausschließlich aus den Aemtern Mühlhausen I, Colmar I, Straßburg I und Schiltig- heim aufgebracht wurde und eine Folge der ungewöhnlichen Bau- thätigkcit in den Bezirken dieser Aemter ist. Endlich hat sich aus dem Verkehr mit Bergwerksantheilen, deren Uebertragung durch das Gesetz vom 21. Juni 1897 auch bei privatschriftlichcr Beurkundung registrirungspflichtig erklärt wurde, eine er hebliche Einnahmevermehrung ergeben. Der bedeutende wirth- schastliche Aufschwung unseres Landes macht sich außerdem auch durch das Anwachsen «des Preises der Grundstücke und durch dir stetige Ausdehnung der Großindustrie bemerklich. Oesterreich-Ungarn. Kaisermanöver; Ausgleich; Friedenskongreß. * Luzias, 7. September. Nach Schluß des heutigen Manövers versammelte Kaiser Franz Joseph die Manöveroberleitung, sowie sämmtliche höhere Befehlshaber um sich und sprach seine hohe Befriedigung über die ab gelaufenen Manöver auö. Um 3 Uhr Nachmittag reiste der Kaiser nach Wien ab. * Pest, 7. September. (Telegramm.) DaS Abgeord» netenhaus setzte die Debatte über den Antrag deS Minister präsidenten Baron Banffy, betreffend die Feststellung der Tage», ordnung, fest. Guellner (Nationalpartei) meinte, die Regierung treibe ein frivoles Spiel mit dem liberalen Programm. Die liberale Partei sei bereit, um jeden Preis die Zollgemeinschaft aufrecht zu erhalten, nur um sich selbst auch weiterhin die Macht zu sichern. HoranSky erklärte, die Nationalpartei werde alle Mittel der Haus ordnung anwenden, um die Regierung zu einer Acußerung über den Ausgleich zu veranlassen. Er lehne den Antrag Banffy ab. Pulszky sührte aus, das Landesinteresse verlange, daß Ungarn nicht ein Schauspiel der inneren Zerrissenheit biete. ' Tas Vorgehen der Opposition, die jede Verhandlung unmöglich machen wolle, sei geeignet, auch für Ungarn das betrübende Schicksal derjenigen Länder heraufzubeschwören, in denen die Volksvertretung keiner positiven Action fähig sei. Es sei von der Negierung absurd, ein Programm für den Fall einer Eventualität zu verlangen, die vielleicht gar nicht eintreten werde. Der Weg, auf dem dir Regie rung sortschreite, sei klar: man wolle womöglich die wirthschaftliche Zollgcmeinschast, namentlich dem Auslände gegenüber, aufrecht zu erhalten, und ferner die Interessen Ungarns auf der Grundlage selbstständiger Verfügungen zu wahren suchen. Die Absicht der Opposition, die Actioussähigkeit des Parlaments zu mindern, erachte Redner für eta groß«» nationale» Unglück. (Beifall recht», aroßer Lärm link» ) Rakow-zky (Bolkspartei) sagt, so lange Baron Banffy Ministerpräsident sei, werde die Volk-Partei nicht verhandeln, weil die Regierung sie stets irre führe. Im weiteren Verlaus« der Debatte erklärt HoranSky, di« national« Partei wolle keine Obstruktion treiben, sie werde aber keine Tagesordnung votiren, bevor die Regierung nicht die gewünschten Aufklärungen gegeben habe. Gras Alexander Karolyi erklärt, er sei niemals gegen rin selbstständiges Zollgebiet gewesen, sondern nur gegen den Zollkrieg. Thatjache sei, daß er den Wunsch geäußert habe, eS möge ein Zoll- und Handelsbündniß zu Stande kommen. Hierauf wurde die Debatte auf Freitag vertagt. Loma Bison tai richtete sodann folgende Anfrage an den Ministerpräsidenten: „Ist der Ministerpräsident geneigt, Aufklärungen darüber zu geben, welche Stellung unser Auswärtiges Amt gegenüber dem Frtedrosvorschlage des Kaiser» von Rußland einnimmt? Ist der Ministerpräsident geneigt, allen ihm zu Gebote stehenden Einfluß geltend zu machen, damit der sowohl von monarchistischem Gesichtspunkte, wie sprciell im Interesse Ungarns hochwichtige Vorschlag LeS Kaiser» von Ruß land einer freundschaftlichen Unterstützung unseres Auswärtigen Amte- theilhasttg, sowie, daß das Zustandekommen der Conferenz zur Geltendmachung deS im russischen Vorschläge enthaltenen Ge dankens in jeder Weise gefördert werde?" Dir nächste Sitzung findet am Freitag statt. Frankreich. Die Rote Murawjew'S. * Part», 7. September. Der „Libertö" zufolge beant worteten fünf Mächte, darunter Frankreich, Murawjew'S Rundschreiben zustimmend. Gegenwärtig schweben Verhandlungen zum Zwecke der Ausarbeitung eines Pro gramms für die Arbeiten der Conferenz. (Frkf. Ztg.) Niederlande. KröttuiigSfcier. * Amsterdam' 7. September. Die Königin sowie die Königin-Mutter wohnten heute den Volksfesten und Vorführungen der „Niederländischen Turner-Liga" auf dem Platze hinter dem Rijksmuseum bei. Auf prächtig geschmückten Tribünen nahmen die hohen Damen mit ihrem Gefolge Platz und ließen darauf den historischen Festzug an sich vorüber ziehen. Derselbe zerfiel in drei Theile: der erste stellte das Ende des 16. Jahrhunderts, der zweite den Beginn des 17. und der letzte die Mitte desselben Jahrhunderts dar. Den Mittel punkt der ersten Gruppe bildeten Wilhelm von Oranien (der Schweiger) und seine vier Brüder, alle auf prächtig geschmückten Rossen. Da sah man ferner die großen Staatsmänner jener Zeit, wie Oldenbarneveldt, Pouw u. A. Die zweite Gruppe schaarte sich um den Prinzen Moritz von Oranien, der im Panzer hoch zu Roß einherritt, umgeben von seinen Feldherren. Die begleitende Soldateska — Artillerie und Infanterie — gab in ihrer Ausrüstung eine getreue Nachbildung der Truppen jener Zeit, und auch der Wagen, der ihnen folgte, zeigte schöne de korative Anklänge an ein Kriegsschiff jener Tage. Auf ihm erblickte man die Seehelden Admirale de Ruyter, Tromp, van Galen im Kreise ihrer Kameraden, die vor dem Feinde erbeuteten Fahnen tragend. Vor und hinter dem Prunkwagen schritten Bannerträger und als Sinnbild der regen Handels-Beziehungen Hollands eine originelle Gruppe von Chinesen, Japanern, Indern und Arabern. Musikcorps beschlossen diesen Theil des Fest zuges. In der dritten Abtheilung interessirten besonders die Gestalten der großen Maler Rembrandt, Ruijsdael und Franz Hals. Hinter Ersterem sah man alle Figuren seines berühmten Gemäldes „Die Nachtwache" einherschreiten. Vier Musik corps, reich costllmirt, beschlossen den schönen Zug, der in allen seinen Theilen von der dichtgedrängten Menschenmenge lebbaft begrüßt wurde. Spanien. Rach dem Kriege. * Madrid, 8. September. (Telegramm.) General Polavieja faßte ein Manifest ab, in dem er erkärt, er sei von vielen Seiten aufgefordert worden, sich an die Spitze einer neutralen Partei zu stellen; die jetzt bestehenden Parteien hätten sich überlebt. Diese seien der Hauptgrund des Unglücks, daö das Land betroffen. General Polavieja erklärt schließlich, er werde, wenn die Königin-Regentin die Möglichkeit gebe, an alle gut gesinnten Männer den Appell richten und die Verbindung mit den bisherigen Parteien zurückweisen. * Madrid, 8. September. (Telegramm.) Der Kriegs minister verbot die Veröffentlichung:des Manifestes deS Generals Polavieja. Man glaubt, daß ein Deputirter in der Kammer dieses Manifest verlesen werbe. Die republi kanische Minderheit in der Kammer wird bezüglich des Gesetz entwurfs über die Friedensverhandlungen öffent- licke DiScussion beantragen. Wenn diesem Anträge nicht entsprochen wird, ist sie entschlossen, den Sitzungen fern zu bleiben. * Santander, 8. September. (Telegramm.) Von den mit den letzten Schiffen von Cuba zurückkehrenden 2100 Spaniern starben während der Ueberfahrt 76, bei Einlieferung in das hiesige Lazareth 6 Soldaten. * Madrid, 7. September. (Deputirtenkammer.) Sal meron bringt einen Antrag ein, der dahin geht, die Verant wortlichkeit der Regierung hinsichtlich des Krieges, des Friedens und der Verfassungsvcrletzung festzustellen. Sagasta vcr- langt Berathung in geheimer Sitzung; letztere wird beschlossen. Die schlossen, wortkarg, ernst und grübelt stundenlang still vor sich hin." — «. „Mama bot Euch an, vorläufig zu uns zu kommen." „Ja, Henny! Axel dankte es ihr auch, bat sie erber, uns die Entscheidung noch zu erlassen; er ist sich noch nicht klar, wie Alles werden wird. Es geht ein Riß durch unser Leben! Gott mag uns helfen, das Richtige zu thun." Nun vernahm man ganz deutlich den scharfen, abgerissenen Schall der Ehrensalven, die draußen auf dem Friedhof über die Gruft des alten Soldaten donnerten. Hedwig und die Kleine zuckten zusammen, und auch Henny rollten wieder die Thränen über die Backen. Sie haste den Onkel aufrichtig lieb gehabt. Schon als kleines Mädchen war sie gern und oft gekommen und hatte mit ihm viel Scherz getrieben. Und dann schien es ihr, als könnte Hedwig energischer und that- kräftiger sein, als dürfe sie nicht Alles dem Bruder überlassen, aber sie fühlte wohl, daß die Cousine eine mehr passive Natur war, die sich nicht selbst Aufgaben stellte, sondern sich solche willig stellen ließ und dann pflichttreu ihr Bestes gab. „Wie denkst Du Dir Deine eigene Zukunft, Hedwig?" „Nun, ich werde mir mein Brod verdienen, so wie es Vater wollte, aber ich krauche mindestens noch ein halbes Jahr, um ein« Stellung in einem kaufmännischen Geschäft zu bekommen, und die Kleine dort" — sie deutete, die Stimm« sinkend, zu Toni hinüber, die am Fenster stand und trübselig mit dem Zeigefinger allerhand Kreis« über di« beschlagene Fensterscheibe zog — „für sie müssen wir sorgen, bis sie erwachsen ist! Es bleibt uns ja ein kleines Capital, welches gerade dafür reichen wird!" Die Thränen stürzten ihr wieder aus den Augen. „Henny, wi« gut hast Du «S, noch b«i den Eltern leben zu können!" „Ja, gewiß, Hedwig! Aber di« Frage wird auch einstmals an uns herantreten, einmal sicher! Und dann wird es noch viel schwerer sein. Ich glaube nicht, daß noch Vermögen genug da sein wird, um uns Schwestern selstfländig zu machen. Man ist ja jung und soll nicht daran denken, aber heute, hier, in diesem Hause kommen die Gedanken doch!" Sie versanken in stilles Grübeln und erst Axel's Rückkehr schreckte sie aus dem brütenden Schweigen auf. — Er nickte ihnen trübe lächelnd zu, sah sich wortlos im Zimmer um und ging dann in den Raum, wo der Sarg gestanden hatte. — Dort warf er sich auf das Sopha, drückte den Kopf an die Lehne und weint« zum ersten Male seit des Vater« Tod. — Seine jungen Schultern beugten sich unter der Last, die Va» Ls-rn ihnen auferlegtr. S» war so schwer, «inen klaren Gedanken zu fassen, so lange der Schmerz mit dumpfem Gewicht auf ihm lastete, aber das Weinen that ihm doch gut. Dann kam nach einiger Zeit ein leichter Schritt durch das Zimmer und eine sanfte, kleine Hand legte sich an seine Schulter. „Lieber Axel, halte doch den Kopf hoch." Er richtete sich auf und sah Henny an. „Thue es um Deiner Schwestern willen", fügte sie hinzu. — „Ja, ja, Henny, ich will schon, wenn ich nur wüßte wie?" Er sprang hastig auf. „Oh, dieser Mammon! Dieses widerliche, ekelhafte Geld! Ja, ganz recht, es war ein Blödsinn, «in verdammter Unsinn, daß ich Künstler wurde! Vater wußte es wohl, nur er war zu schwach gegen mich. Kaufmann hätte ich werden sollen, oder Schlosser, oder Tischler, dann wüßte ich doch, wozu ich die letzten Jahre gelebt hätte! Was habe ich denn vor mich gebracht? Nichts, gar nichts! Mit fünfundzwanzig Jahren ein Bummler! Ein Bettler!" „Auf jeden Fall; Axel", unterbrach sie ihn — „giebst Du nicht Knall und Fall Deinen Beruf auf. — Thu' es nicht! Es wäre ein« Sünde! Ich flehe Dich an, übereile nichts." Er blickte verwundert in ihre Augen, die noch dringender baten als ihre Worte. Das war es gerade, was ihn gequält hatte. „Es wird schließlich Wohl nichts Anderes übrig bleiben, Henny! Wir haben nicht viel Zeit, um abzuwarten. Als Zeichenlehrer an einem Gymnasium oder einer Handelsschule, oder als Musterzeichner werde ich wohl enden. Es ist zwar ungefähr so, als ob man geistig vcrfaulen soll, aber was kann es helfen!" — „Thu's nicht, Axel! Um Gotteswillen nicht! Du wirst un glücklich, unbefriedigt sein Dein ganzes Leben lang!" Er schritt unruhig auf und ab, ohne klar zu empfinden, wie überraschend eigentlich solche Worte aus Henny'S Munde klan gen. — Sie hatte ihatsächlich gar kein Verständnis, für seine Befähigung, fein Streben und Können, sie konnte eS nicht haben, so wi« sie erzogen war! — Aber der Instinkt der Frau wittert fast die Genialität eine« ManneS, auch ohne dessen Werke be greifen zu können. Was Männer nach langem Prüfen und Nachdenken herausfinden, faßt die Frau oft früher, als Jene es ergründen. Henny litt unter dem Gedanken, daß er, der Noih gehorchend, Alles über Bord werfen könnte. „Ach was!" sagte er schließlich. „DaS hilft AlleS nichts! Der gerade und ehrlichste Weg ist der beste; natürlich läßt sich da» nicht über» Knie brechen, und ich will nach München zurückgehen. — Ich weiß nicht, ob ich Dir sagt«, daß Frau Seefried gestern mein hier ausgestelltes Bild gekauft hat? So, Du wußtest es noch nicht! — Es ist mir fast, als hätte jene Frau mir Lin Almosen gereicht; aber es war gut gemeint von ihr, und Leute, die nichts haben, sollen nicht stolz sein. Reinlichkeit und Stolz kosten Geld!" Er lachte bitter auf. „Immerhin langt die Summe gerade für ein Jahr in München, und so lange werde ich dort bleiben. Wer weiß, man könnte Glück haben!" „Wie mich das freut!" Henny senkte den Kopf; es war ihr unbehaglich, schmerzlich, daß jene Frau Axel's Bild gekauft, — etwas in ihrer Seele sträubte sich dagegen und es wurde ihr schwer, Axel in dieser Lage zu sehen, noch dazu, da er sich dessen bewußt war. Sie hätte gewünscht, daß er keinem Menschen zu Dank verpflichtet gewesen wäre, am wenigsten einer Frau. „Und Deine Schwestern, Axel?" Er warf sich, tief Athem holend, auf einen Stuhl. — „Deine Mutter bot mir an, sie zu sich zu nehmen. — Henny, kann ich ganz offen sein?" „Gewiß, Axel." „Nun gut! Sieh, wegen Hedwig wäre es mir schon recht; sie findet vielleicht bald eine Stell«, aber Toni? Du wirst selbst zugeben, daß der Einfluß Deiner Mutter und Eures Hauses nicht gerade dahin wirken würde, das Kind systematisch darauf zu erziehen, einmal auf eigenen Füßen stehen zu müssen; es geht nicht und würde eine Sünde sein gegen unseren Bater! So schwer es mir wird, ich muß es ablehnen. Ich sprach heute schon mit dem Pastor Lehnert: er will gegen mäßiges Kostgeld die Schwestern vorläufig aufnehmen. Willst Du es übernehmen, dieses Deiner Mutter schonend beizubringen?" „Ja, Axel, sehr gern!" Henny mußte die Folgerichtigkeit seines Denkens und Handelns anerkennen. Dabei wußte sie nur zu gut, daß ihre Mutter etwas angeboten hatte, was sie eigentlich gar nicht ausführen konnte; sie wußte genau, daß ihre Mutter erleichtert aufathmen und doch die Pikirte spielen würde, weil man ihren großmüthigen Vor schlag verwarf. — Es giebt Menschen, die gern großmüthig erscheinen, besonders 'n Fällen, wo sie ziemlich genau wissen, daß ihre Großmuth nicht angenommen werden wird. Der Dank cassirt sich dann leicht ein und das liebe Gewissen ist beruhigt. — „Und wenn auch", sagte sie, — „Ihr seid in einer Lage, wo Re Rücksicht auf Euch selbst alles Andere überwiegt. Halte den Kopf hoch, Axel!" Sie warf selbst den Kopf auf und blickte ihn zuversichtlich an. — Es war etwas von dem frischen, muthigen Hurrah-Aus- druck in ihren Zügen. Er stand auf und nahm ihre Hand. „Henny, ich wollte, Hedwig hätte etwas von Deiner Ent schlossenheit. Es steckt kein rechter Nerv in ihr, kein frischer Lebensmuth! In dieser ernsten Stunde darf ich wohl die Wahr heit sprechen und ganz offen sein. Es gab da etwas zwischen uns Beiden, was uns zu einander zog, nicht wahr, Henny?" Sie beugte nur den Kopf wie zur Bejahung. — „Und ich denke, Henny", fuhr er fort, „wir wollen gute Freunde bleiben fürs ganze Leben! So durch Dick und Dünn! Mehr werden wir uns ja nie sein können. — Für mich wird wohl zunächst die Zeit vorüber sein, wo ich träumen darf, und nachher möchte es zu spät dazu sein." Das waren die Worte, die bewiesen, wie viel älter Axel Sternfeld in wenigen Tagen geworden war, und daß er ge sonnen sei, die Unerbittlichkeit der zunächst liegenden Pflicht anzuerkennen, eine Fähigkeit, die manche Leute nie erwerben, und die Diejenigen, welche dieselbe sich zu früh aneignen, vor der Zeit alt macht und ihnen etwas fortnimmt, was nie wieder- kommt. Sein« ehrlichen, grauen Augen suchten die ihren. Er hatte ihre Hand losgelassen und dieselbe hing willenlos am schwarzen Stoff ihres Trauerkleides herunter; es war kein Ring an den Fingern und kein Reif am Handgelenk! Die Hand sah sonst so energisch aus, war so gern bereit, sich zu einer allerliebsten, runden Faust zu ballen, und jetzt schien es, als yätte sein Hände druck allen Willen daraus fortgenommen. Henny Hurrah! — Ja, sie schien es vergessen zu haben, daß sie früher so gern Hurrah rief. Es fehlt« nicht viel, so hätte sie sich ihm an den Hals geworfen, aber die Trauer dieses Hauses, der Ernst in Axel's Augen, das ganze Elend und die geringen Hoffnungen, die sich kaum hervorwagten, wirkten doch zu niederdrückend. „Ja, Axel!" sagte sie tonlos. „Es ist kalt hier", meinte er und ging zum Ofen. Während er mit mehr Geräusch, als nöthig war, einige Schaufeln voll Kohlen auf die Gluth warf, sagte er: „Vorläufig wenigstens heißt es, die Zukunft der Schwestern sicher zu stellen, und ich will den Kopf nicht hängen lassen." (Fortsetzung folgt.)
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