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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990225015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-25
- Monat1899-02
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Di» Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. di» Abend-An-gabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action und Erpeditio«: ÄohanniSgasse 8. Tie Expedition ist Wochentag- un«nt«rbroch»n geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: ktto Niem«»'- Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Last«» Lösche, Katharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. riWgtr TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prets die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Rrclam»« untrr dem RedactionSsttich l-ge spalten) bv^z, vor den Familiennachrichteil (6gespalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Prei-.'- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. — Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung .H 60.—, mit Postbesörderung 8» 70.—. Annahmeschlüß für Anzeige«: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgra-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzet-en sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 1V2. Sonnabend den 25. Februar 1899. S3. Jahrgang. Hilfe für -ie Oesterreicher! Stärker wird in Oesterreich der Widerwille gegen den päpstlichen CleruS; immer klarer wird in weilen Schichten die Erkenntniß: wir müssen zum Protestantismus zurück, der einst unseren Vätern durch die jesuitische Henkrrarbeit entrissen ward; wir müssen, wenn wir nicht unser keutschcs VolkSthum, unsere geistige Kraft und den letzten Rest von religiösem Leben eindüßen wollen, den un» der RomaniSmuS gelassen hat. Allmählich dämmert den Handlangern des Vatikans und deS Slawentbums die Erkenntniß, daß die protestantische Be wegung zu einer ihnen gefährlichen, ja für sie verderblichen Macht anwächst. Sie laufen jetzt herbei, um das auszehrende Feuer noch zu löschen. 2m Gebrauch von Mitteln, die evangelische Wahrheit und Freiheit zu Boden zu drücken, sind sie nicht unerfahren; sie haben ihr Handwerkszeug in der schmachvollen Zeit der Gegenreformation erprobt und sind jetzt darüber, e- von Neuem anzuwenden. Ge mäß der ultramontanen Anschauung, daß die weltliche Obrigkeit der priesterlichen Gewalt als Büttel zu dienen habe, lassen sie jetzt die staatlichen Organe in mrrjorem gloriam ecclesins arbeiten. Wie willig zieht die Bureaukratie am klerikalen Strang! Man untersagt religiöse Versamm lungen und wehrt es evangelischen Geistlichen au- dem deutschen Reiche, zu ihnen ein belehrendes Wort über das, wa- Cbristentbum sei, zu sagen. Man confiScirt die Flug schriften, welche die evangelische Auffassung darstellen; selbst solche, die einfach über den Werth der Bibel, über den Begriff de- »Glaubens", über das Wesen de- Protestantismus ausklären, sogar ein Blatt, da- rubig und sachlich die Unterscheidungs lehren behandelt, verfallen dem richterlichen Unheil und dem Griff der Polizei. Gendarmen stehen vor den Localen, wo evangelische Gottesdienste gehalten werden und belästigen, wie jüngst in Karbitz geschehen, den evangelischer, Geist lichen. Und mehr noch; einen Beamten, der, seit Jahren Protestant, für den Zusammenschluß der Evangelischen in seiner Stadt zu einer Gemeinde und für den Protestantismus eifrig arbeitet, hat man in DiSciplinaruntersuchung genommen. DaS sind dieselben „sanften Mittel", mit denen die Jesuiten in der Gegenreformation den Kampf gegen die evangelische Kirche eröffneten, um dann zu brutaleren und grausameren Maßregeln zu eilen. Die Jünger des IgnatiuS und ihre Zöglinge, die heute das Geschick Oesterreichs mit ihrer — zuletzt immer unheil vollen — Hand führen, warten sicher auf Erfolg; sie rechnen mit der Wirkung, die der geistig entnervende Druck, den sie Jahrhunderte lang übten, bei den Leuten hervorgebracht hat. Denn daS ist keine Frage: ein Volk, vaS durch die katho lische Reaction in der rücksichtslosesten Weise gezwungen wurde, seine religiöse Ueberzcugung zu verleugnen, daS wiverwilligen Herzens zu den innerlich von ihm verworfenen katholischen Ceremonien herangenöthigt wurde, hat an geistiger Kraft nnd Selbstständigkeit, an persönlichem Bekennermuth, an der Freudigkeit fester Ueberzcugung eine so starke Einbuße er litten, daß die Zwingherren seiner Seele hoffen dürfen, mit allerlei Drohungen und Plackerei eS rasch in die Gefügigkeit wieder bineinzuängstigen. Und sicher, es wird auch unter den Oesterreichern von Henle kein Mangel an solchen sein, die vor dem Stirnrunzeln der Jesuiten und der ihnen unterthänigen Bureaukratie scheu zurückweichen, nach wie vor den Namen „Katholik" behalten und äußerlich an priesterlichen Gebräuchen tkeilnehmen werden. Wir dürfen mit solchen Leuten nicht allzu streng inS Gericht gehen, zumal, wenn wir sehen, daß auch Protestanten, daß selbst evangelische Geistliche in Oesterreich aus devoter Rück sicht auf die jetzt Mächtigen im Staate, um Nachtheile zu vermeiden, kleinliche Vvrtbeilc zu erlangen, zu der jungen Bewegung feindlich, oder ablebnend sich stellen. Ein bedenk licher Schritt war der Erlaß des k. k. OberkirchenrathS in Wien, derben evangelischenGeistlicheninderUebcrtrittSsachedieäußerste Zurückhaltung zur Pflicht macken wollte, ein Schritt, der einem sofort den Ausspruch Emil Frommel'S inS Gedächtniß rief, daß manche Consistorien nur dazu da zu sein schienen, um jedes erwachende religiöse Leben todtzuschlagen. Und auch ein solcher Mann — traurig zu sagen! — ein solcher Mann, noch im Dienste der Kirche, hat sich gesunden, der sofort von einer vertraulichen Versammlung, die über die Evangelisation in Böhme» berieth, der BezirkShauptmannschaft Anzeige er stattete, der jede Gelegenheit ergreift, um an geeigneter Stelle den Evangelischen Bund als den Zerstörer Oesterreichs anzuschwärzen. Dies jämmerliche Vorkommniß läßt erwarten, daß die protestantische Bewegung in manchen Kreisen der evangelischen Kirche in Oesterreich keine lebhafte Unterstützung erlangen wird. ES giebt genug Presbyterien, die der Bewegung schüchtern und ängstlich gegenüberstehen; es fehlt ibnen das gesunde LebenS- blut kräftiger evangelischer Begeisterung; sie sind schlaff und lau geworden. Viele Protestanten im Lande der Habs burger verschweigen ihr Belenntniß, weil jahrelang nichts ge schehen ist, was sie für dieses hätte entflammen können; denn für Tausende von Evangelischen ist noch nie protestantischer Gottesdienst veranstaltet worden. Wie sollen die Katholiken die fick dem UltramontaniSmu» entwinden wollen, Neigung und Trieb empfinden, sich der evangelischen Kirche mit tapferer Entschiedenheit zuzukehren, wenn diese so vielen Protestanten in der Diaspora für ihre hohe und heilige Sache mangelt? Die schon vorhandenen Protestanten auf den Plan zu rufen, aus ihrer feigen Gleichgiltigkeit aufzurütteln, ihnen zum Be wußtsein zu bringen, daß eS die höchste Ehre in der Welt ist, ein protestantischer Christ zu sein, daS muß als die nöthigste Aufgabe zur Förderung der Uebertrittssache be trachtet werden. Gewiß, es giebt auch so manches, was die Oesterreicher ermuthigen kann, den Ruf: loS von Nom, in energische That umzusetzen und endlich Kronland un« Kronland von dem verderblichen Einfluß der dreifachen Krone zu erlösen. Wie nötbig nnd richtig ihr Verlangen nach einem romfreien Glauben ist, wird dadurch bewiesen, daß auch in anderen Völkern die Einsicht, der UltramontaniSinus sei alles, nur nicht Christcntbum, und das Streben sich regt, sein Joch abzuwerfen. AuS den Reihen des tüchtigen französischen KlernS verlassen viele die päpstliche Fahne. Die aus getretenen Priester geben eine vorzüglich geleitete Zeitschrift „I.e chrötion tran^rus" heraus, die ebenso die volle Be achtung der Oesterreicher verdient, wie sie die Regung deS romfreien Geistes in den Ländern der Habsburger sorgsam verfolgt. In der Nummer vom 1. Februar heißt es: „Los von Rom, das ist der Ruf, der jetzt in der katholischen Kirche in Wien und Oesterreich erschallt; das deutsche VolkSbewußt- sein rafft sich auf; man findet daS Joch eines italienischen Papstes unerträglich. — DaS ist ohne Zweifel noch nicht das reine Erwachen deS Gewissens, daS diese Bewegung führt; daS ist Politik. Aber was macht das auS? Rom bat lange von der Politik gelebt und man kann an einer politischen Verdauungsstörung sterben." Durch die Vorgänge im französischen KleruS müssen sich die Oesterreicker anspornen lassen, das Christenthum außer halb der römischen Kerkermauern zu suchen; von jenen Priestern, denen „das Kreuz und nicht daS Crucifix, daS Evangelium und nicht die Kirche, daS Reich Gottes und nicht da« Paradies Dante'S" die Hauptsache ist, können sie lernen, „ein Christenthum ohne Jesuiten, ein authentisches Cbristen tbum, genährt von den Propheten und Aposteln, und nicht vm« Priestern und Päpsten", zu erstreben; sie werden dies authentische Christenthum im Protestantismus finden; sie werden »S festhalten, felbst wenn sie dafür eine Zeit lang Haß, Feindschaft und Quälereien von Bureaukratie und KleruS, den jesuitischen Schergen erdulden müssen. Aber die beste Hilfe kann ihnen nur durch die deutschen Protestanten kommen. Bon diesen erwarten sie Verständniß für ihr Vorgehen, Bundesgenoffenschaft in ihrem schweren Kampfe. Ließen wir sie ohne unsere Theilnahme, entzögen wir ihnen unseren Beistand, so würden sie eine Beute der Römlinge werden, unter deren Druck der deutsche Geist draußen bald seine letzten Seufzer aushauchen würde; dann hätten die Jesuiten — den Fuß auf dem Nacken der für immer gebrochenen Ostmark — ihr grauenhafte« Werk der Gegenreformation vollendet. Und wir würden in Deutsch land bald die Folgen diese- Triumphes spüren. Mit frecher Dreistigkeit, in dem trunkenen Uebermuth deS Sieger- würde die ulrramontane Partei daran gehen, auch unser Reich an ihr Seil ru bringen, da- noch immer die Henkerschlinge für Freiheit, Wahrheit und Volkskraft geworden ist. Auf der Generalversammlung deS Evangelischen Bundes in Magdeburg, Oktober 1898, wurde die Bildung eine- AusschusseS beschlossen, welcher die protestantische Bewegung in Oesterreich im Auge behalten und vor Allem um die kirchliche Versorgung der neu sich bildenden Gemeinden sich bemühen sollte. Die Geschäfte dieses AuSschuffeS führt vor läufig Superintendent Meyer in Zwickau. Es ist in diesem Blatte schon dargelegt worden, daß eS zunächst sich darum bandle, die schon vorhandenen Protestanten, die über viele Ortschaften zerstreut, weit von ihrer Mutterkirche wohnen, mit den lang entbehrten Gottesdiensten zu versehen und ihnen die Anstellung von Geistlichen zu ermöglichen. Je größer dadurch die Zahl evangelischer Gemeinden in Oester reich wird, um so leichter wird den zum Austritt geneigten und bereiten Katholiken der Ncbertritt zum Protestantismus. Schon jetzt — in den allerersten Anfängen der Bewegung — könnten mehr al« 10 evangelische Geistliche verwendet werden Aber dazu gehören Mittel, reiche Mittel. In den ersten Jahren werben die Hauptlast die deutschen Protestanten tragen müssen. An sie wird, wie wir hören, demnächst ein Ausruf gerichtet werden, auf den wir schon heute die Auf merksamkeit unserer Leser lenken möchten. Die Mitwirkung -er Arbeiter an -er Beaufsichtigung -er Gruben. Der Bericht der Commission, die vom preußischen Handelsminister Brefeld im April und Mai v. I. nack Belgien, Frankreich und England entsandt worden ist, um sich über die dort bestehende Mitwirkung der Arbeiter an der Beaufsichtigung der Gruben durch Delegirte und die da mit gemachten Erfahrungen zu unterrichten, wird nun im Auszuge bekannt gegeben. Außer den Hauplstädlen, in denen bei den Centralbehörden Erkundigungen eingczogen wurden, besuchte die Commission die wichtigsten Berabaubezirke, und zwar in Belgien MonS und Lüttich, in Frankreich Nord, Pas de Calais und St. Etienne und in England den Süd- Wcst-Bezirk (Monmouthshire), Süd-WaleS, Newcastle (Nort- humberland), Durham und Aorksbire. Sie begnügte sich nicht damit, die Ansicht der Bergbehörden über den Gegenstand zu hören, sondern suchte auch so viel wie möglich die der Berg- Werksbesitzer oder ihrer Vertreter und die der Arbeiter in Erfahrung zu bringen. In Großbritannien besteht die rrwähnte Einrichtung seit 1872. Die in einem Bergwerke beschäftigten Personen können von Zeit zu Zeit zwei aus ihrer Mitte oder zwei nicht als Bergwerke- ingenieurr thätige Personen, welche active Bergleute sind, bestellen, um daS Bergwerk auf ihre eigenen Kosten zu besichtigen; drn so bestellten Personen ist gestattet, wenigstens einmal in jedem Monat jeden Thril Le- Bergwerks zu befahren und zu besichtigen. , In Frankreich ist die Einrichtung durch daS Gesetz vom 8. Juli 1890 geschaffen worden. Nach demselben werden durch die Grubenarbeiter Delegirte bestellt, welche die unterirdischen Arbeiten der Bergwerke, Gräbereirn und Steinbrüche zu dem ausschließlichen Zwecke zu befahren haben, die Vorkehrungen für die Sicherheit des daselbst beschäftigten Personals und andererseits bei Unfällen die Umstände zu prüfen, unter welchen der Unfall stattgesunden. In Belgien ist rin Gesetz vom 11. April 1897 seit Ende 1897 in Kraft; es bestimmt, daß alle drei Jahre diejenigen Abteilungen der Industrie- und ArbeitSräthe, welche die Steiukohlenindusuie vertreten, dem Minister für Industrie und Arbeit Candidaten Vor zuschlägen haben zur Anstellung als Delegirte sür die Beaus- sichtigung der unterirdischen Betriebe auf den Steinkohlenberg, werken. Die Delegirten müssen u. A. mindestens 10 Jahre als Bergarbeiter oder Aufseher in dem betreffenden oder in einem angrenzenden Bezirk thätig gewesen sein; sie werden aus einer Reihe vorgeschlagener Candidaten durch den Minister aus drei Jahre ernannt. Jeder Delegirte hat die unterirdischen Betriebe seines Aussichtsbezirkes mindestens 18 Mal iin Monat zu befahren und Bericht zu erstatten, der dcn Arbeitern zugänglich ist, und erhält aus Staatsmitteln eine jährliche Entschädigung von 1800 Fr. und Reisekosten. Ueber die Einrichtung in Belgien lagen bei deren Neu heit noch keine Erfahrungen vor: ob sie den an sie geknüpften Erwartungen voll entsprechen werde, erscheint der Commission fraglich. In Frankreich sind die Arbeiter mit dem DelegirteuHesetz lange Zeit nur theilweise zufrieden gewesen. Ueber oie jetzige Stimmung war nichts Sicheres zu erfahren Lange Zeit war in Folge dieser Einrichtung daS Verhältniß zwischen Grubenbesitzern und Arbeitern gespannt. Aus der Statistik der beim Bergbau Frankreichs in den letzten 20 Jahren vorgekommcnen tödtlichen Verunglückungen sei ersichtlich, daß die Zahl dieser Unfälle seit 1891, d. h. seit dem Bestehen des TclegirtengesetzeS, erheblich abgenommen habe. In welchem Maße die Delegirteneinricktniig an dieser Abnahme mitgewirlr bat, lasse sich aber schwer sagen. In England sind di günstigst en Erfahrungen gemacht worden. Der Bericht darüber besagt: Zwar ist die Einrichtung nur ans einem Theile der Gruben zur Einführung gelaugt und aus manchen wieder aufgegebcn worden, weil deren Arbeiter das Interesse an ihr verloren hatten. Wo sie noch besteht, wirkt sie jedoch zu allseitiger Zufriedenheit. Namentlich ist dies auf den explosionsgefährlichen Gruben in Monmoutshire und Süd- Wales der Fall. Tie Arbeiter sehen in ihr dieEefüllung einer wichtigen Forderung und fühlen sich beruhigt. Die Bcrgwcrksbesitzer erblicken in der Einrichtung ein Mittel, durch welches etwaige Gerüchte über vor- handene Gefahren am besten zerstreut werden können. Der haupt sächlichste praktische Nutzen der Einrichtung von den Arbeitgebern und auch von den meisten Arbeitern wird darin gesehen, daß ihr Bestehen für die unteren Grubcnbeamten einen Ansporn bildet, die Grube in F-nilleton. Kiautschauer Allerlei. i. Seit dem November des Jahres 1897 weht die deutsche Flagge über Kiautschau, der Vorhut deutschen Handels im fernen Osten. Dort hat der dentsche Aar seine Krallen ecngeschlagen. Das Land ist deutsch und wird deutsch bleiben, wie der Kaiser in seiner markigen Weise gesagt. So ist es denn kein Wunder, wenn man in Alt-Deutschland mit diesem jüngsten Gebiets zuwachs sich immer angelegentlicher beschäftigt, wenn die Ge danken von Tausenden sich dorthin wenden und mancher deutschen Mutter Sohn, dem Jugendmuth und Thatendrang den Fittig heben, auf dem Weltumsegler „Phantasie" schon die Reise nach Kiautschau unternimmt. Zweifellos, di« Zeit wird kommen und ist wohl schon ziemlich nahe genickt, da es sich für deutsche Kaufleute und Gewerke verlohnen wird, nach Deutsch-China aus zuwandern und dort deutsche Intelligenz und deutschen Fleiß Früchte sammeln zu lassen. Wer solche Absichten hat, der ver säume nur ja nicht, über Land und Leute, über Vie Verhältnisse, wie sie dort nun einmal in Kauf genommen werden müssen, und über die Chancen, die seiner warten oder auch nicht warten, sich jetzt schon zu unterrichten. Freilich, an solchen, die genaue Auskunft geben könnten, ist kein Uebersluß, ja derer, die Kiautschau gründlich kennen, giebt es nur wenige, und wirklich auftlärend, populär und anziehend zugleich hat eigentlich nur einer unserer Welrreisenden, Ernst n. Hessr-Wartegg, über da- neue „Wunderland" geschrieben. Unsere Leser kennen den erfahrenen und erprobten Schilder» fremder Länder, Völker und Sitten schon auS seinem klassischen Buch über China und Japan. Sein neuestes, bei I. I. Wcber in Leipzig soeben erschienenes Werk, hat er unter dem Titel „Schantung und Deutsch-China" (cartonlrt 14 in Originaleinband 18 -M unserem Kiautschau in seiner näheren und weiteren Umgebung gewidmet. Rasch entschlossen reiste von Hesse-Wartegg vier Monate, nachdem Deutschland von diesem „Platz an der Sonne" Besitz ergriffen, nach der Bucht, um die dortigen Verhältnisse von den -verschiedensten Gesichtspunkten kennen zu lernen, und durchzog den größten Theil der Provinz, alle Orte besuchend, welche für Deutschland von irgend welchem Interesse fein können: die großen Städte und Waarenmärkte, die Kohlen- und Industriegebiete, die Sitze der deutschen Mission in Schantung, sowie die Gegenden, durch welche die projectirten deutschen Eisenbahnen fahren werden. Ueberall hat unser Forscher die Gelegenheit wahrgenommen, Originalphotographien aufzunehmen — meistens sind es überhaupt die ersten, die ge macht wurden — und so ist sein prächtiges Werk Blatt für Blatt mit den instruktivsten Illustrationen geradezu besäet. Wir folgen hier von Hesse-Wartegg ein Stück auf seinen Kreuz- und Querzügen, müssen ihn aber balv allein wandern lassen, denn die Fülle dessen, was er zu erzählen weiß, ist so gewaltig, daß unser Raum auch nicht für den tausendsten Theil ausreichen würde. Den Ort Tsingtau, ein armes Chinesen'oorf, das sich an der Südküste der die Bucht von Kiautschau abschließenden Land zunge nahe dem Strand des Gelben Meeres hinzieht, lernte v. Hesse-Wartegg als das eigentliche Hauptquartier der deutschen Besatzung kennen. Ihm zeigte sich dort schon überall deutsche Ordnung und deutsche Reinlichkeit. Sonst findet man in China keine Stadt, in welcher die Häuser numerirt wären, in Tsingtau besitz: jedes einzelne Haus seine Nummer, die von der Regierung angctaufien Häuser tragen ein kleines schwarz- weiß-rothrs Wappenschilv neben der Haurthür aufgkinalt, die ge- mietheien Häuser, mit den iVeamtenwohnungen, Acmtern rc. eine schwarz-weiß-rothe Scheibe. Straßenbeleuchtung giebt eS in China sonst nur in größeren Städten, und auch dort sind es nicht die Stadtbehörden, sondern einzelne wohlhabende Bürger, welch« eine Laterne opfern, oder die 'Bewohner einzelner Straßen einigen sich, um ihrer Straße Beleuchtung und Bewachung zu geben. In Tsingtau standen die Laternenpfähle schon längst, die Lampen fehlten noch, vielleicht weil es gerade Mondschein war und bekanntlich Sparsamkeit auch eine der deutschen Tugen den ist, allein gegenwärtig, nachdem schon wieder bald ein Jahr verflossen ist, wird in Tsingtau längst Niemand mehr bei Nacht «in Bein brechen oder in's Gelbe Meer stürzen können. Die paar chinesischen Polizisten in Tsingtau erkennt man leicht an dcn fchwarz-weiß-rothen Lappen, die sie auf ihrer Kapp« und auf dem linken Aermel ihrer blauen Jacke tragen. Dieser Lappen allein verleiht ihnen Autorität, denn sonst unterscheiden sie sich von ihren schlitzäugigen Mitbürgern nur dadurch, daß sie einen dicken Stock in ihrer Rechten tragen und jedem Officier stramm wie ein deutscher Dragoner den militärischen Gruß entbieten. Don „Hotel-" war vorläufig nur eins, das Hotel Kaiser vor handen,da-ein spekulativer Chinese aus Shanghai „bewirthschaf- tete". DrrWirthdi«s«SHotels,daS noch nicht einmal Logirzimme: hatte, sprach bereits — man staune — deutsch. „Jk sabe deutsch", sagte er zu v. Hesse-Wartegg unter tiefen Bücklingen. „Gobcnal at gebene pamischu open Otel, kommen Si«, luksi, no hebe pisi man, no habe dima, bei an bei." Das sollte heißen: „Ich kann deutsch; der Gouverneur hat mir Erlaubniß gegeben, ein Hotel zu eröff nen, kommen Sie, besehen Sie es, ich habe noch keinen Gast, weil ich kein Zimmer habe, aber nach und nach." Pamischu ist nach de: zwischen Chinesen und Europäern in den 'Häfen üblichen Um gangssprache — Pcrmission, luksi — loolc .-ce« (schaue), pisi — piees d. h. Stück (ein Stück Man — ein Mann), bei an bei — englisch bze null l>^. Mochte das Hotel Kaiser nun auch noch so fragwürdig sein, es hatte doch «in klrines, recht behagliches Wirthsstübchen mit moderner europäischrr Einrichtung. Auf dem Kaminbrett standen batterieweise Münchener und Pilsner Bier, Gin und Whisky, und wenn von den Kriegsschiffen Matrosen nach der „Stadt" auf Urlaub kamen, ging es hier und in den Kneipen lustig zu. Die Besatzung Tsingtaus durfte noch nicht ans Kneipen denken, da es von früh bis abends allzu viel mit der Einrichtung des Ortes als Hauptquartier zu thun gab. Am bevorzugtesten waren die „Zauberflöte" und „Zum Riffpiraten", klein« nach der Straße sich öffnende Chinesenstübchen, hinter denen die langbezopften Söhne Asiens ihre geistigen Getränke feilboten. Seit von Hesse-Wartegg's Abreise ist das Hotel Kaiser wieder ge schlossen worden, aber es sind dafür zwei neue entstan den, das Hotel „Aegir" und das „Strandhotel". Auch eine bayerische Bierhalle — was will man mehr — ist schon vorhanden mitsammt einer Kegelbahn, und Sonntags geht es dort sehr lustig zu. Die Lebensmittelpreise waren noch gering, vorzügliche Eier wurden das Stück mit 1 verkauft, das Pfund Schweine fleisch kostete 12 H, Wildenten 40 große Krautköpfe die in Schantung massenhaft gebaut und exportirt werden, 2 bis 3 H. Heute ist es wohl nicht mehr so wohlfeil dort. Die Jndustrieerzeugnisse, die in den Läden zu haben waren, erwiesen sich als recht armseliger Natur, ausgenommen Porzellan- und irdenes Geschirr von sehr hübschen Formen und ansprechen der Zeichnung, dann vorzügliche Stoffe aus Rohseide, von denen das Meter etwa 60 Pfennige kostet. Sonst finden sich noch Strohgeflechte, Matten, Strohschuhe, Gürteltaschen, Tabaks pfeifen, Messer, Nägel und Eßwaaren. Die Barbierläden sind kenntlich an einem an einer Stange ausgchängten Zopf au- Men- schenhaaren. Die hauptsächliche Nahrung besieht aus Schweinefleisch, Kraut, Bohnen, Gemüsen, Erdnüssrn, Kuchen au- Rri-mehl unv Maccaroni, von denen jedes Jahr für viele Millionen Mark ausgeführt werden. 'Da die Kohlengewinnung noch arg dar niederliegt, wird das Feuer sofort nach Bereitung der Mahlzeit ausgelöscht, uin zu sparen. Was heute an Europäern in Deutsch-China vorhanden ist, gehört mit wenigen Ausnahmen dem Kricgerstande an und dem gemäß ist auch das ganze Leben der „rothen Teufel", wie Vic Deutschen gern von den Chinesen gcnann: werden, militärisch geregelt. Ein Kanonenschuß, von den Wällen des Artillerie lagers abgrfeuert, verkündet dir Mittagsstunde und um 9 Uhr Abends schmettern di« Trompeten der rings um Tsingtau ge legenen fünf Militärlager die Retrarte. Erst des Abends ver sammeln sich die Ofsiciere in den Messen der verschiedenen Lager; jedes besitzt seine eigene Officiersmesse in irgend einem noth dürftig hergerichteten Raume, aber das thut der Fröhlichkeit keinen Eintrag. Im Ostlager, wo der Stad des Marine-Jn- fanteriebataillons liegt, concertirt zuweilen das vorzügliche Orchester, besonders wenn die Kameraden aus den anoeren Lagern zu Tisch geladen sind. Eins fehlt nur unseren braven Soldaten draußen. Das ist die deutsche Frau, di« ihnen daS 'Leben behaglich gestalten und verschönern könnte, v. H«ssr-Wartegg sagt darüber: „Es war im November des vergangenen Jahres (1897), als der sandige Boden von Deutsch-China zum ersten Male di« Abdrücke der Nägel deutscher Soldatenstiefel zeigte, und bis zum April dieses Jahres (1898) ist noch keine Mathilde oder Anna, oder Klara auch nur auf fünfhundert Kilometer Entfernung zu seben «ge Ivesen. Dreitausend deutsch« Männer sehnen sich in chinesischer Einsamkeit nach ihren Frauen und Bräuten. Nicht eine Einzig beglückte Tsingtau mit ihrer Gegenwart, nicht das bescheidenste Stubenmädchen war bisher zu sehen, und es ist auch wenig Hoffnung vorhanden, daß e» so bald besser werden könnte. Denn welcher deutsche Soldat könnte ohne Weiteres zweitausend Mark hergeben, um sein Lied nach Kiautschau kommen zu lassen. Dazu kommen abermals zweitausend Mark für die Rückfahrt. Und di« braven Soldaten, welche dem deutschen Reiche «in schönes Stück des fremden Landes eroberten und welcht auf diesem entlegensten Außcnposten. auf dem die deutsche Flagge weht, unter großen Entbehrungen Wacht halten, verdienen es wirklich, daß man Daheim daran denkt, wie in Kiautschau eine „Fraueninvasion" kn Scene gesetzt werden kann."
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