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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000811013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900081101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900081101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-08
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Sicher ist nur, daß der deutsche Borschlag so ziemlich das Gegen- tbeil von dem ist, waS die Officiösen bisher und zwar mit Hinweis auf daß bekannte Rundschreiben Bülow's als Ausfassung und etwaige Absicht der deutschen Regierung gekennzeichnet haben. Immer hieß eS, die deutsche Regierung würde sich nur auf einstimmigen Wunsch der Mächte dazu verstehen, den Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen zu stellen. Ein einstimmiger Wunsch ist jedoch bestimmt nicht geäußert worden, ob überhaupt ein solcher Wunsch von irgend einer Seite laut geworden, ist sehr fraglich. Die Meldung, Rußland und Frankreich halten angeregt, was nun geschehen soll, wird von gut Unter richteten alS .'ine Gefälligkeit eines Berliner Blattes angesehen, das sich dienstwillig zeigen wollte, als cS merkte, wie ein bedenklich großer Theil der deutschen Presse von der Er nennung des deutschen Heerführers nichts weniger als entzückt war. Der Zar, das scheint richtig zu sein, hat seine Freude über die Berufung des Grafen Waldersee ausgcdrückt, aber das beweist noch nicht, daß er sie in Vorschlag gebracht. Der Pariser „Figaro", dem beste Informationsquellen zu gänglich sind, spricht von „gewissen Mächten", mit deren Zustimmung die Ernennung erfolgt sei; von einem Wunsche ist auch hier nicht die Rede. Die ernsthafte deutsche Presse, so weit sie sich an das heikle Thema herantraut, wagt durchweg nicht zu be haupten, daß ein cinmütbiges ober auch nur ein vereinzeltes ausländisches Ersuchen Vorgelegen hat, sie schließt nur, es müsse ein einstimmiger Wunsch ausgesprochen worden sein, denn nur mit dieser Voraussetzung dürfe man sich eine wirklich einheitliche Leitung der militärischen Operationen in China ver sprechen. Nun liegt die Sache aber im Gegentheile so, daß wir zur Stunde noch nicht einmal wissen, ob alle dctbciligten Mächte auch nur der Ernennung des Deutschen zu gestimmt haben. Der „Standard" scheint dies anzunehmen, ein anderes englisches Blatt, die „Daily News", verräth Zweifel. Jeden falls überwiegt in Deutschland wie im Ausland die Ansicht, daß man cs mit einem Acte der Initiative Kaiser Wilhelm s zu thun Hal; der preußische General z. D. Becher bezeichnet dies sogar öffentlich als „sicher". Selbstverständlich werden durch diese Vorgeschichte die in der deutschen Presse bald leise, bald laut geäußerten Bedenken ver stärkt. Schon ein auf einmüthigcn Wunsch der Mächte berufener Oberbefehlshaber hätte in China einen schweren Stand. Denn wer könnte dafür bürgen, daß jeder nationale Commandeur den Wunsch seiner Regierung mit voller Loyalität erfüllte und sich jede Gelegenheit entgehen ließe, die Kriegspläne des „Fremden" zu durchkreuzen? Ein zwar nicht geradezu vctroyirter, aber doch nicht allgemein gewünschter und vielleicht auch nicht allgemeinem erwünschter Oberbefehls haber erscheint einer solchen Gefahr noch in weit höherem Grade ausgesetzt, und ist er zufällig ein Deutscher, ein An gehöriger der bencidetsten Armee der Welt, so muß er doppelt und dreifach auf der Hut vor üblen kameradschaftlichen Diensten sein. Es ist ebenso leicht, einem obersten Heeresführer das Concept zu verderben, als es schwer ist, einem UnterbefehlShaber die absichtliche Nicht befolgung eines Befehls nachzuweisen. Daß die Stellung Deutschlands zu den chinesischen Wirren durch die Ernennung des Grafen Waldersee eine Aenberung erfährt, haben wir sofort nach dem Eintreffen der ersten Nachricht hervorgehoben. Andere Blätter äußern sich ähnlich, am nachdrücklichsten die konservative „Sckles. Ztg.", die ihre Bestürzung ob des „furchtbaren Wagnisses" nicht zu verbergen vermag. Eine der von uns vorausgesehenen Consequenzen der Uebernahme ter Führung durch Deutschland wird sich, und zwar recht empfindlich, geltend gemacht haben, noch ehe Gras Waldersee chinesischen Boden betreten haben kann. Es liegt auf der Hand, daß dem jetzt auch officiöS gemeldeten Beschluß, einen beträchtlichen Nachschub deutscher Truppen vorzunebmcn, lediglich die Absicht zu Grunde liegt, das Mißverhältniß zwischen dem Functioniren eines Deutschen als Oberbefehlshaber und der numerischen Stärke der deutschen Streitkräfte abzuschwächen. Daß diese Absicht ganz neuen Datum» ist, wird klar bewiesen durch daS erst vor wenigen Tagen vom Norddeutschen Lloyd selbst uns über mittelte Dementi bezüglich der Charterung von drei neuen Transportschiffen. Jetzt meldet das ossiciöse Depeschenbureau schon die Charterung von acht weiteren Dampfern. Die Ernennung des Grasen Waldersee kostet unserem Reiche mithin noch mehr als Geldeswertb, und das wäre, mindestens zunächst, nicht nölhig gewesen, wenn einer der in China politisch und kommerziell stärker als Deutschland interessirten Mächte die Benennung de- Höchstcommandirenden zu gefallen wäre! In letzter Stunde gehen uns noch zwei Nachrichten von Wichtigkeit in dieser Angelegenheit zu; die erste lautet: L. Berlin, 10. August. (Privattelegramm.) Anfang und Schluß de» heutigen Leitartikels der „Nativ- nal-Zeitung" lauten: „Feldmarschall Graf Waldersee ist, wie wir zuverlässig erfahren, bi» jetzt zum Ober befehlshaber der für China bestimmten Truppen des Drei bunde» und Nutzlands ernannt. Er hieße wohl, die russisch-französischen Beziehungen verkennen, wenn man be zweifeln wollte, daß auch die französische Ernen nung erfolgen wird, und ebenso wird angenommen, daß die anderen betheiligten Mächte dem Oberbefehl de» Grafen Waldersee zustimmen werden." „Bor einem Menschenalter begann Napoleon III. gemeinschaftlich mit Spanien und England den Feldzug in Mexiko, der, wenngleich nicht durch Unthaten, wie die jüngst in China verübten, doch immerhin durch Vertrags verletzungen der damaliaen mexikanischen Reaieruna ver anlaßt war. Sehr bald aber fanden die beiden Bundes genossen Frankreichs, zuerst Spanien, dann England, daß ihre Interessen befriedigt waren, und sie ließen den fran zösischen Imperator allein in Mexiko; das Abenteuer, in das er so zuerst sich selbst gestürzt hatte, dann von seinen Bundesgenossen verstrickt worden war, leitete seinen Untergang ein. Wir vergleichen das chinesische Unternehmen nicht mit dem mexikanischen der sech ziger Jahre; ganz andere Nothwendigkeiten, als damals ob walteten, bedingen das Vorgehen der europäisch-amerika nischen Regierungen in China; sie gewährleisten eine ungleich weiter reichende Solidarität, als die damalige Spaniens und Englands mit Frankreich. Aber keine Solidarität selbstständiger Mächte ist eine unbedingte, und wenn die mexikanische Erinnerung keinen Vergleich, so enthält sie doch immerhin eine Mahnung zur Kalt blütigkeit, zur Anpassung der aufzuwen denden Mittel an den Zweck. Hieran darf die Ehre, daß einem deutschen General der Oberbefehl in China übertragen wird, nichts ändern." Die wahvscheinlich aus dem Auswärtigen Amte stammende Mtbheilung der „Nat.-Ztg." über den bis jetzt vereinbarten Machtbereich bestätigt durchaus unsere vorhergehenden Aus führungen, und der Schluß des Artikels enthält eine so deutliche Warnung, daß wir ihm nichts chinzuzusetzen haben, als höchstens den Wunsch, daß er einen Tag früher geschrieben worden wäre. Einen Begriff von den Schwierigkeiten, die des deutschen Marschalls warten, giebt schließlich folgende Meldung der „Voss. Zeitung": * Parts, 10. August. Die officiösen Zeitungen affec- tiren, Waldersee nur als Oberbefehlshaber des deutschen Kon tingents zu bezeichnen. Von der Opposition wird gegen die Person Waldersse's nichts cinzewandt, dahingegen erklärt, daß nach dem französischen Gesetz vom 18. Fe bruar 1844 kein fremberOfficier franzö sische Truppen commandiren dürfe. Frankreich könne dem deutschen Foldmavschall nur zugestehen, eventuell dem Kriegsrath, an dem die verschiedenen Contingentsführer theilnehmen, zu präsidiren. An der Spitze der Opposition gegen die Ernennung des deutschen Generalissimus steht die MÄinistische „Röpuiblique frangaise". Präsidentenwahl und Imperialismus in den Vereinigten Staaten. Jüngst wurde berichtet, daß Mr. Bryan bei den bevor stehenden Präsidentenwahlen sich in erster Linie nicht auf die be rühmte „Silberplanke" stützen, sondern den Schwerpunkt in den Kampf gegen den Imperialismus legen wolle. Daran würde er zweifelos sehr gut thun. Denn während die Silberplanke ihm kaum neue Anhänger gewinnen, dagegen die Gold-Demokraten wiederum abspenstig machen würde, bietet die imperialistische Politik Mc. Kinley's allerdings zahlreiche, geeignete Angriffs punkte, und Herr Bryan hätte wohl Aussicht, bei geschickter Taktik große'Schichten 'des Volkes für sich zu gewinnen. Die Mc. Kinley'sche Politik hat sich in Bezug aus die Philippinen zweifelos einen Trsubruch zu Schulden kommen lassen, und sic hat ferner insofern eine entschiedene Niederlage erlitten, als die Amerikaner noch heute von der wirklichen Eroberung der Insel weit entfernt sind. Auch auf Cuba stehen die Sachen keineswegs so günstig, wie sie eben der amerikanische Commissar, General Wood, geschildert hat; vielmehr besteht dort eine unablässig wach sende Partei von Unzufriedenen, die die Hinausschiebung der end- giltigen Anerkennung von Ouda lidro mit entschiedenem Miß trauen betrachten. Man darf also Mc. Kinley's imperialistischer Politik mit gutem Grunde den Vorwurf der Ungerechtigkeit und der Gefährlichkeit machen. Wie gesagt, es ist nicht ausgeschlossen, daß Herr Bryan mit dem anti-imperialistischen Kriegsrufe das Weiße Haus stürmt. Er würde dann wahrscheinlich einen ehrenvollen Rückzug aus der Phikippinenangelegenheit suchen, vielleicht auch in Cuba die Zügel der amerikanischen Herrschaft etwas lockern. Ein Jrrthum aber wäre es, zu meinen, daß mit dem Siege Mr. Bryan's der Im perialismus in der Union wirklich besiegt wäre. Vielmehr meinen wir, daß im Grunde genommen die Demokraten ebensolche Im perialisten sind, wie die Republikaner; es ist nur der Ton, der die beiderseitige Musik unterscheidet. Mr beobachten eben in Amerika dasselbe Scharrspiel, wie in England. Dort ist die liberale Partei zuerst vollständig auf den Sand gesetzt worden, weil sie sich der imperialistischen Strömung widersetzte, und sie ist jetzt dahin ge langt, so gut an dem imperialistischen Strange zu ziehen, wie ihre Gegner. Das Verlangen nach der Ausdehnung und Einigung des Reiches mtspvicht eben der Entwickelung und dem Kraft gefühle des englischen Volkes und ist daher vom britischen Stand punkte durchaus berechtigt. Ein ähnlicher Proceß nun vollzieht sich in der Union. Auch hier ist zweifellos der Gedanke, daß daS junge und kräftige ameri kanische Volk über seine gegenwärtigen Grenzm hinausschreiten und an der Weltherrschaft theilnehmen solle, bereits tief in der Nation eingewurzelt;. eS ist die einfache und natürliche Aeußerung eines starken und aufstrebenden Volke», wie sie in ähnlicher Weise jetzt auch bei uns sich geltend macht. Mc. Kinley hat diesen Ge danken etwas vorschnell, etwa» abenteuerlich und nicht in jeder Hinsicht geschickt zu verwirklichen begonnen, und deswegen bietet seine imperialistisch« Politik Blößen genug. Kämen aber die Demokraten an» Ruder, so würde sich vielleicht der Curs der im perialistischen Politik ändern, die Politik selbst aber bliebe die gleiche. Dazu wird jede amerikanisch« Partei durch das Derhält- ntß der Union zu den Skaatm Mittel- und Süd-AmrrikaS ge zwungen. Dort läßt sich ein unausgesetzte» Bestreben der Union ver folgen, die Länder de» amerikanischen Srdtheile» wirthschaftlich und politisch unter ihre Abhängigkeit eu bringen. Meriko ist politisch von der Union abhängig, Nikaragua soll in Rücksicht auf den Canal am liebsten zu einem Bundesstaate gemacht werden, Peru soll die strategisch wichtigen Gallapagos-Jnseln abtreten. In wirthschaftlicher Hinsicht ist z. B. Guatemala zum guten Theile eine Depenldenz der Union, und überall, besonders in Mexiko, Brasilien, Paraguay, dringt das amerikanische Capital mit größter Macht und Schnelligkeit vorwärts. Politik und Handel arbeiten einander zielbewußt in die Hände, um das Netz über die Staaten Mittel- und Südamerikas zu werfen, und wenn aucy eine demokratische Regierung vielleicht die Philippinen preis geben würde, so würde sie in Bezug auf den amerikanischen Con tinent um kein Haar von der imperialistischen Politik abweichen. Wir Deutschen haben in Mittel- und Südamerika auf Hunderte von Millionen sich belaufende, wirthschaftlich« Inter essen; auch sind in einzelnen dieser Staaten zahlreiche deutsche Landsleute, die ihre Nationalität treu bewahren, angesisdelt. Die pan-amerikanische Politik ist also auch von unserem Stand punkte aus gefährlich. Vorläufig freilich droht keine unmittelbare Krisis, obwohl man durchaus nicht wissen kann, ob nicht plötz lich in diesem oder jenem Staate der latente Jnterrssenconflikt offen ansbricht. Dem sei jedoch, wie ihm wolle, die Hauptsache ist, daß wir die Situation bei Zeiten richtig beurthoilen. Mr. Bryan mag vielleicht unter dem Zeichen des Änti-Jmperialismus siegen, der Imperialismus aber in der Union wird bleiben und wird sich, wenn er unter einem demokratischen Regiment? von ge fährlichen überseeischen Experimenten absieht, nur um so ener gischer die Staaten Mittel- und Süd-Amerikas zum Objecte nehmen. Die Wirren in China. —g. Taku, Tientsin, Peitsang, Aangtsun sind von den Verbündeten im Sturm genommen, nach langem, fast allzu langem Zögern ist die Nemesis in den letzten Tagen rasch vorwärts geschritten — sollte der Negierung in Peking der bleiche Schrecken schon in die Glieder gefahren und sie bereits mürbe sein? Aus Sbangbai wird gemeldet, dem Vernehmen nah sei ein Edirt erlass«» woroen, o^S'Ll-Hung-Tschang beauftragt, über den Frieden zu verhandeln. Unmöglich ist eS nicht, nnd wir würden es freudig be grüßen, wenn die Nachricht sich bestätigte. Selbstverständlich aber kann nach dem, was nun einmal geschehen, der Friede nur in den Mauern Pekings dictirt werden. Uebcr die Einnahme NanglsunS wird auS Cbifu der „Daily Mail" vom 8. August depe- schirt: Bei Tagesanbruch crm Montag marschirten die Ver bündeten auf Aangtsun, 19 Meilen von Tientsin. Die Stellung wurde von 15 000 Chinesen gehalten, die östlich vom Flusse gut verschanzt waren. Nach vierstündigem heißen Kampfe wurden die Chinesen auS ihren Werken vertrieben. Die Verluste der Verbündeten betragen 200 Todte und Verwundete, größtentbcilS Ver wundete. Gestern wurde von Kundschaftern eine große chinesische Armee, dreißig Meilen südöstlich von Tientsin, ermittelt. Sie traf Vorbereitungen, den An griff auf die Stadt zu erneuern, was die Rückkehr der Pekinger Entsatzcolonne nöthig machen dürfte, da die Besatzung von Tientsin zu schwach sei, den Feind zurück zuwerfen. Eine ähnliche Befürchtung batten wir gestern sckon an gedeutet, aber es ist doch anzunehmcn, daß die Verbündeten in Tientsin einen erheblichen Theil ihrer Streitkraft zurück gelassen haben. Tie französisch-englische Rivalität in den Südprovinzen des chinesischen Reiches nimmt be stimmtere Formen an. Es wird uns berichtet: * Hongkong, 9. August. (Telegramm.) s,.ReutersBureau") Zwei indische Regimenter gehen morgen von hier nach Shanghai ab, rin drittes wird nächsten Sonntag folgen. * Shanghai» 10. August. (Telegramm.) s„Reuters Bureau") Der französische Consul erklärt, in der nächsten Woche würden hier zum Schutze der französischen Niederlassung 3000 annamttischer Truppen gelandet werden. Mandschurei. * Petersburg, 10. August. (Telegramm.) Nachrichten deS Generalstabs. Viceadmiral Alexejew telegraphirt aus Niutschwang über Tichifu vom 5. d. Mts.: Niutschwang wurde am 4. d. MtS. von den Unsrigen genommen. Bei der Einnahme wirkten die Schiffe „Otwashnyi" und „Gremjaschtschyi" und das Minenboot „206" mit. „Otwashnyi" bombardirte die Stadt, „Gremjaschtschyi" dasFort. Die Bevölkerung wurde entwaffnet. Die russische Verwaltung wurde et »geführt. —General Gröde- kow telegraphirt an den KriegSmtnister aus Chabarowsk vom 9. d. M.: 1) Charbin wurde am 3. d. M. durch unser Detachement eingenommen. 2) General Rennenkampf holte am 7. d. M. eine Chinesenabtheilung von 800 Mann Infanterie, 3M Mann Cavallerte und 10 Geschützen ein und schlug sie. Hierbei erbeutete eine Schwadron de» Amur-Regiments zwei chinesische Geschütze. Der Kampf erstreckte sich bis zum Orte Jujut. Am Abend gingen die Chinesen zur Offensiv« über und umgingen unsere beiden Flanken, wurden jedoch mit großem Verlust durch Kartätschenfeuer und wieder- holte Aosaken-Attacken zurückgeschlagen. Rennenkampf bekam Infanterie, Artillerie und Kosaken zur Unterstützung. Oberst Denisow, der am 25. Juli au» Muladzjan ausmarschirte, kam mit dem Nikdeken- Detachrment am 4. d. M. nach Charbin. Au» Charbin wurden ihm zwei CScadron» rntgegengeschtckt. — Ein Bericht detIngenteor» Htrschmann «u» Lschisu vom 5. d. M. meldet, daß die Linie von Daschizao in den Händen der Chinesen ist, die am 26. Juli die Station Gajt schon zerstört und auf der Linie bedeutenden Schaden angerichtet hätten, so daß die Strecke neu erbaut werden müsse. Gajtschou wurde nach hartnäckigem Kampfe wieder genommen. Die Linie wird wieder hrrgestellt. Regengüsse stören die Arbeit. Japans Ziele. Aus London, 8. August, wird der „Liberalen Corresvon- denz" geschrieben: Ich bin in der Lage, folgende Aeußcrungcn eines Mitgliedes der hiesigen japanischen Gesandtschaft zu berichten. Der Herr sagte: Die einzige Macht, welch« bisher frei und offen erklären konnte, daß sie weder einen Krieg gegen China führen wolle, noch daß sie auf Kosten des chinesischen Reiches Landerwerb erstrebe, ist Japan. Wir haben ganz andere Ziele; wir bilden jährlich Hunderte von jungen befähigten Chinesen auf unseren ver schiedenen BilSungsaustalten aus und wir wissen, daß diese in China dereinst eine starke Partei schaffen werden, welche in einem engen Bündniß zwischen China und Japan die Zukunft der gelben Nasse erblicken. Wenn wir daher jetzt 10 000 bis 30 000 Mann japanischer Truppen nach China gesandt haben, so wollen wir nichts Anderes, als die dort herrschende Anarchie beseitigen, und wir sind überzeugt, daß dieselben Truppen, die heute todesmutbig die chinesischen Stellungen augreifen, sobald sie erst in Peking sind, von der gesetzmäßigen chinesischen Regierung als Bundesgenossen aner kannt werden. Dies ist di« feststehcnde Politik Japans und danach richtet unsere Negierung ihre jeweiligen Maßnahmen ein. Wenn dieselbe bisher als im besonderen Einvernehmen mit einer oder der anderen Macht stehend angesehen wurde, so konnte dies nur deshalb geschehen, weil die betreffende die gleiche Politik wie Japan zu verfolgen schien. Man wird aber sehen, daß wir uns Niemandem gegenüber ge bunden haben und sollte morgen irgend eine Macht die Absicht zu erkennen geben, daß sie unter Benutzung der jetzigen Wirren einzelne Theile Chinas, sei es im Norden, in der Mitte oder im Süden, an sich bringen will, so wird man sofort erfahren, daß die Regierung zu Tokio hiergegen den nachdrücklichsten Einspruch erheben wird. Li-Hnng-Tschang als Kaiser von China. Man schreibt uuS ans London unter dom 8. August: Im englischen Unterbaust machte Brodrick, der Unter staatssekretär deS Auswärtigen, gestern die Antwort der eng lischen Negierung an Li-Huug-Tlchang unter großem Beifall bekannt. Der alte chinesische Diplomat batte es für an gebracht gehalten, sich zum Sprachrohr der chinesischen Regierung zu macken und drohte, daß die Europäer in Peking getödtet werden würden, oder wie er sich zarter auStrücktc, ihre Situation würde gefährdet erscheinen, wenn die Alliirteu darauf bestünden, nach Peking zu marschireu. Darauf wurde ihm die Antwort, daß diejenigen, die die Negierung in Peking bildeten, persönlich für jedes Verdrecken gegen die englischen Untertbanen ver antwortlich gemacht werden würden. Es ist dem guten Li kein Zweifel darüber gelassen, daß die Voranlwortung meint, daß die Anführer und .Mandschuprinzen, die an der Sacke betheiligt waren, unzweifelhaft geköpft werden sollen, wenn die Europäer ihrer habhaft werden. Wie Herr Li-Hung-Tschang dies« Botschaft ausgenommen bat, ist nickt bekannt, dagegen scheint es, als ob er jetzt in Peking wieder einmal in Ungnade zu fallen drobt. Er hat starke Ausdrücke gegen den beut« allmächtigen Li-Ping-Heng gebraucht, und dessen Cbristenverfolgungen getadelt. Dadurch hat er sich in grundsätzlichen Widerspruch mit Peking gesetzt und seine Weigerung in die Hauptstadt zu gehen wird nun erklärlich. Geht er nickt nach Peking, weil er bei dem Gedanken ein unangenehmes Gefühl am Halse verspürt, oder hat er be sondere Pläne? Eine sehr auffallende Nachricht, die eine Antwort auf diese Frage sein könnte, kommt hierzu aus Washington. Tort baden politische Kreise von „einer absolut zuverlässigen Quelle" die Nachricht erhalten, daß Li-Hung-Tschang jetzt seine Zeit für gekommen hält, daß er mit dem Thron offen gebrochen bat, und sich selbst jetzt zmm Herrscher aller Chinesen machen will. Es ist schon wiederholt behauptet worden, daß Li nach der chinesischen Krone strebt. Die Nach richt aus Washington, die sehr bestimmt klingt, besagt fol gendes: Durch seine Weigerung, nach Peking zu kommen uno seinen Kopf in die dort für ihn bereit gehaltene Schlinge zu stecken, bat Li-Hung Tsckang endlich den Schein, als ob er zu den Mandschus in den besten Beziehungen stände, von sich geworfen. Der Bruch ist vollständig, und der offene Kampf hat begonnen. Die Hoffnungen Li s basiren auf der Annahme, daß die Mächte energische Maßregeln ergreifen werden, um die Be leidigungen ihrer Gesandten zu rächen, und daß infolgedessen die Kaiserin-Wittwe und ihre Ralbgeber aus der Hauptstadt stieben werden, ehe die Alliirten ihren Einzug halten. Damit ist seine Zeit gekommen: er wird sich an die Spitze der Negierung stellen und seine Landsleute auffordern, die MandschuS zu vertreiben. Li bat den mächtigen Einfluß ter angesehenen alten chinesischen Familien, die alle di« Mandschus als Eindringlinge bassen, hinter sich, und auch die Vicekönigc des Süden« stehen auf seiner Seite; da sie augenblicklich so ziemlich alle die besten Hilfsmittel deS Landes, Geld und Soldaten, zur Verfügung haben, ist ihre Beihilfe von unschätzbarem Wertbe für Li. Aber nickt nur innerhalb deS himmlischen Reiche» hat Li mächtige Anbänger, sondern, wenn man den Washingtoner Gerüchten glauben darf, auck in Amerika und England, sowie in den kontinentalen Staaten. Die chinesischen Ge sandten in Washington, London. Pari», Berlin und Peters burg unterstützen die Pläne Li s mit aller Macht. Keiner von ihnen darf eS wagen, nach China zurückzukehren, so lange die jetzigen Leute am Ruder sind und deshalb sind si- gern bereit, die Kaiserin-Wittwe mitsammt ihren Anhängern unschädlich zu machen. Der chinesische Gesandte in London, Sir Cbib Eben Lofengluh, une Mr. Wu Ting Fang, der Gesandte in Dash- ington, die Beide ProtSgös Li-Hung.Tsckang'S sind, babcu bereit» in seinem Auftrage in London und Amerika sondirt, ob von dort au» eine Unterstützung der Pläne 8>'S zu erhoffen ist, und haben dabei erfahren, daß England oder die Bereinigten Staaten zwar Li in keiner Weise ermulhizen oder dircct unterstützen werden, daß aber weder Amerika noch England sich im Falle eine- Staatsstreiche» einmischen werden, um die Mandschudvnasti« zu schützen. Und weiter würden
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