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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010427027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901042702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901042702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-27
- Monat1901-04
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En tzss H»pStIpodttt» oder den kN DeodS «d d« Vorort« errichtet« LuS- a-best-ll« «dgeholt: vierteljährlich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung i,S Han» L.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland n. Oesterreich: vierteljährl. >l S. Mau abountrt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei dm Postanstalteu in der Schweiz Italien, Belgien, Hc^land, Luxem- bürg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, deu Douaustaaten, der Europäisch« Türkei, Egypten. Für all« übrigen Staaten ist der Bezug uur unter Kreuzband durch di« Expedition dies«! Blatte» möglich. Die Morgen-AnSgabe erscheint nm V,? Uh^> die Abenv-AnSgabe Wochentag» um 8 Uhr» Nedaction,«> Lrvedittoar Jvhannisgaffe 8. Filiale«: Alfred Bahn vorm. O. Klemm'» Sortlm. Uawersitätsstraße 3 (Pauliaum), Louis Lösche, Katharinevstr. Ich Part, und KSnigSplatz 7. a?W. Abend-Ausgabe. MxzMr TagMatt Anzeiger. Amtsblatt des königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes nnd Nalizei-Äintes -er Ltadt Leipzigs Sonnabend den 27. April 1901. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Rrclameu unter dem RedacttonSstrich f4 gespalten) 7b Lp vor den Familiennach richten («gespalten) SV Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2S L, (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 6V—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschloß für Anzeige«: Abeud-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Auuahmestellm je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets au die Expedition zu richt«. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag vou E. Polz in Leipzig. S5. Jahrgang. Die Wirren in Lhina. Lob sächsischer Truppen. Wie aus Grimma berichtet wird, hat Graf Waldersee nach einer dort vorliegenden KriegSministerialverordnung an den König Albert berichtet, daß sich die dem Expedi- tionScorp» angebörenden sächsischen Truppen durch ihre her vorragenden Leistungen und ihren frischen soldatischen Geist seine wärmste Anerkennung erworben haben. Besonders er» wähnenSwerth sei ein ErkundigungSritt des Ober« leutnantS Kirsten vom 2. Königin-Husarenregiment Nr. 19, welcher, mit 20 Reitern am 20. Januar 1901 auf brechend, auf verschneiten Gebirgspfaden in dreieinhalb Tagen 210 Kilometer zurücklegte und einen chinesischen Posten mit Umsicht und Entschlossenheit überfiel. * Peking, 26. April. („Reuter's Bureau".) Die Engländer nahmen bei Kaiping zwischen Taku und Schonhaikwan, 16 Ge schütze und 67 Wagen mit Munition. Die Chinesen boten dem befehligenden indischen Eingeborenen-Oificier zwei Wagenladungen Silber für den Fall, daß er die Geschütze nicht nehme und seinen Vorgesetzten nichts davon sage. — In der letzten Nacht wurden hier Plakate angeschlagen, in denen alle patriotischen Chinesen ansgesordert werden, sich am 15. Mai zu erheben, um die Frem den zu vertreiben. * Washington, 26. April. (Reuter's Bureau). Der erste Sekretär der amerikanischen Gesandtschaft in Peking, Squiers, telegraphirt, die Kaiserin.Wittwe habe das Generalamt für Staatsangelegenheiten eingesetzt, damit dieses ihr die öffent- liche Thätigkeit abnehme. In Washington wird die Errichtung dieses Amtes alS ein Anzeichen dafür angesehen, daß die Kaiserin auf ihre willkürliche Gewalt verzichte, auch meint man, durch dieses Amt werde eS den fremden Gesandten leichter werden, mit der Re- gierung geschäftlich zu verkehren. * London, 27. April. (Telegramm.) „Morning Post" be- richtet aus Washington: Wie hierher berichtet wird, wird laut einer Meldung des SesandschastSsekretärs Squiers in Peking da- von d.r Kaiserin-Wittwe von China eingesetzte nationale Brr- waltungSamt, dem drei in Singanfu bei der Kaiserin befindliche Cabinetsmitglieder, sowie aus Peking die Prinzen Tsching und Kung, sowie Li-Hung-Tschang angehören werden, nur so lange die oberste Gewalt haben, als die verbündeten Truppen in China bleiben; danach werd« die Kaiserin-Wittwe wieder die Herrschaft über nehmen. Die bewaffnete Macht Japans wird für daS Ende des laufenden JabreS wie folgt berechnet. DaS Landheer zählt inSgesammt 603 116 Mann mit 30 000 Pferden, von denen 326 068 auf die active Armee, 179 887 auf die Reserven und 97 151 auf die Territorial-Armee entfallen. Die nach preußischem Muster gegliederte Infanterie umfaßt 13 Divisionen, die Cavallerie ebensoviel Regimenter, die Artillerie 78 Feld« und 39 Gebirgsbatterien, ferner 6 Regimenter Be lagerung-- und Festungsartillerie. Die Infanterie führt als Handfeuerwaffe ein Magazingewehr, die Cavallerie einen Carabiner; beide Waffen sind japanischer Construction. Die Artillerie ist mit Schnellfeuergeschützen, größtentheilS neuester Construction, ausgerüstet, und der Bedeutung strategischer Puncte im Innern des Landes und au den Küsten ist durch fortisicatorische Arbeiten Rechnung getragen. Dem Landheer stebt die Flotte ebenbürtig zur Seite. Sie zählt I 6 erstclassige Schlachtschiffe von 12 500 bis 15 000 t, 7 Kreuzer I 1. Ordnung mit einem Tonnengehalt von 10 000 t, 6 Kreuzer! zweiter und 8 dritter Ordnung. Zu den letzteren werden im Lause des Jahres noch 2 weitere hinzutreten. Außerdem bilden die zahlreichen Kanonenboote, Torpedos und 12 Torpedo bootszerstörer einen wichtigen Bestandtheil der Flotte. Die Gesamuitzahl der Besatzung beläuft sich auf etwa 21000 Mann. Der Krieg in Südafrika. Das FriedenSvcrmtttclnngSwcrk der Frau Botha. Aus Brüssel, 25. April, wird uns berichtet: Auf der hiesigen Transvaalgesandtschaft widerspricht man sehr energisch der englischen Auffassung, daß Präsident Krüger wegen der Haltung Botha's im Zweifel sei. Krüger besitze Versicherungen Botha's aus jüngster Zeit, wonach sich derselbe für allezeit verpflichtet hat, keine F r iedensbedingungen anzunehmen, ohne die Aufrechterhaltung der staatlichen Unabhängigkeit beider Boerenrepubliken. Sollte Botha hiervon abweichen zu müssen glauben, so würde er nur persönlich, nicht aber für das ihm unterstellte Heer die Unterwerfung an- mekdem Mtlner. In der gestrigen Sitzung des englischen Unter hauses erklärte der Staatssekretär für die Colonien Chamberlain, es sei nicht beabsichtigt, während der Ab- wesenheitMilner's, von der man übrigens erwarte, daß sie nur von kurzer Dauer sein werde, in Oranje und Transvaal in vollem Umfange Civilverwaltung einzuführen, doch werde mit der Organisation der verschiedenen Departements auf Grund der Milner'schen Vorschläge so viel als möglich fortgefahren werden. Milner werde während seiner Abwesenheit von Kitchener vertreten lverden. Ter Kleinkrieg. Lord Kitchener meldet unter dem 26. April aus Pre toria: Die verschiedenen englischen Truppentheile berichten über weitere Verluste d«r Boeren: 12 sind getödtet, 20 verwund^ N7 gefangen genommen worden, 52 ergeben. — 20 australische Buschmänner nahmen gestern südöstlich von Commissie Drift am Oli- Phants-Fluß den Kommandant« Schröder und 41 Boeren mit einem Maximgeschühe, Pferden, Maulthieren, Wagen und beträchtlichen Mengen von Munition gefangen. Die Buschmänner umzingelten die Boeren vor Tagesanbruch und er öffneten aus unmittelbarer Nähe das Feuer. Die Boeren er gaben sich sofort. — In einem zweiten Telegramme berichtet Lord Kitchener: Außer den in dem Telegramme von heute früh gemeldeten Verlusten der Boeren wurden, wie General Kit chener aus Paardeplaats meldet, noch 4 Boeren'getödtet, 180 gefangen imd 3000 Stück Rindvieh, 6000 Schafe und viele Wagen erbeutet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. April. Wenn sich der BuudeSrath demnächst mit der Einführung einer Verordnung wegen andcrweiter Regelung der Arbeits zeit der Gehilfe» im GastwirthSgrwerbc beschäftigen wird, so entbehrt es nicht des Interesses, zu wissen, welche Stellung die Vertreter der Einzelregierungen bei den darauf bezüglichen Verhandlungen der Commission für Al be i t e r st a t i st i k eingenommen haben. Der Vorstand der großherzoglich badischen Fabrikinspection, Ober-Regierungs- rath vr. Wörishofer, betrachtete an und für sich eine achtstündige Ruhezeit als ausreichend, glaubte indessen doch einer besonderen Fürsorge für die außerhalb des Betriebes wohnenden Hilfspersonen das Wort reden zu müssen. Wenn die Entfernung groß sei, erwachse hieraus eine wesentliche Beein- trächtigung der Ruhezeit. Das sei aber namentlich in den Groh- städten regelmäßig der Fall. Er beantrage daher, daß für Ortschaften von mehr als 100 000 Einwohnern die Mindest ruhezeit derjenigen Hilfspersonen, welche nicht im Hause des Arbeitgebers Wohnung haben, auf neun Stunden bestimmt werde. — Bevor wir zur Registrirung der Meinungskundgabe weiterer Bevollmächtigter zum Bundesrathe übergehen, ist es nöthig, von den Erklärungen des Frhrn. Hehl zu Herrnsheim und des Abg. vr. Hitze Act zu nehmen. Der Erstere be zeichnete die Ausdehnung der Ruhezeit auf neun Stunden als außerordentlich wünschenswerth. Wenn die Ruhe in dieser Weise bemessen werde, so bleibe doch noch ein Arbeitstag von 15 Stunden, und das sei recht erheblich, wenn man z. B. in Vergleich ziehe, daß die Gewerbeordnung für alle erwachsenen Fabrikarbeiterinnen die tägliche Arbeitszeit auf höchstens elf Stunden beschränke. Im Gast- und Schankwirthschaftsbctrieb'e werde sich freilich nicht die gesammte, nach Abzug der Ruhe übrig bleibende Zeit als Arbeitszeit im eigentlichen Sinne darstellen. Das sei aber nicht ausschlaggebend, da diese Zeit doch eine solche steter Arbeitsbereitschaft sei, und die Thatsache bestehen bleibe, daß das Personal über die außerhalb der Ruhezeit liegenden Stunden nicht frei verfügen könne. Herrn vr. Hiße erschien die Gewährung einer neunstündigen Ruhe, wenn auch an und für sich gewiß wünschenswerth, so doch praktisch schwer durchführbar. Er glaube, daß schon viel erreicht sein werde, wenn der Antrag angenommen würde, daß die Wirtschaften Nachts um 1 Uhr zu schließen seien. Wenn man sich aber vergegenwärtige, daß auf den Schluß des Betriebes noch die Abrechnung folgen müsse, so würde das Per sonal, falls di« Ruhe neun Stunden dauere, erst um 10^ Uhr Morgens den Dienst wieder aufnehmen dürfen. Das sei wohl kaum angängig, da vielfach der Betrieb schon in der Frühe be ginne. Ganz "unthunnch erscheine es ihm ferner, zwischen dem verheiratheten und unverheiratheten Hilfspersonale zu unter scheiden. — Wir kommen nunmehr wieder zu der Meinungs kundgabe 'der Regierungsoertreter, vr. v. Woedtke pflichtete vr. H i tz e darin bei, daß eine Unterscheidung zwischen dem oer- heiratheten und dem unverheiratheten Personal nicht angebracht sei. Ebenso erscheine es für ihn unmöglich, bei Bemessung der Ruhezeit über acht Stunden hinauszugehen. Eine Nothwendigkvit zu einem weitergehenden Schritte könne wohl kaum behauptet werden, zumal, wenn man bedenke, daß der Gang von und zur Arbeitsstätte an und für sich gesund sei, und daß es sich für die übrigbleibenden sechzehn Stunden zu einem Theile ooch nur um «ine Zeit der Arbeitsbereitschaft handele. Einen Vergleich mit den Fabrikarbeiterinnen zu ziehen, die durchweg während der Arbeitszeit intensiv beschäftigt werden, halte er nicht für an gebracht. Die Vorschrift, daß den Angestellten acht Stunhen Ruhe zu geben seien, werde einestheils einen großen Fortschritt gegenüber den gegenwärtigen Zuständen bedeuten, anderentheils aber, wie bei allen Vernehmungen betont worden fei, nur schwer durchführbar sein. Wolle man mit derartigen Maßregeln in das Erwerbsleben emgreifen, so sei Vorsicht dringend geboten; wache man den Schnitt von Anfang an zu scharf, so werve eine große Mißstimmung und ein starker Rückschlag die natürliche Foka lem. Habe sich indessen die Bewilligung einer achtstündigen Ruhe eingelebt, so könne immer noch in Erwägung genommen werden, ob nach den so gewonnenen Erfahrung« ein Bedürfniß zu weiter« gehenden Schritten vorliege. Der königl. sächsische Geh. Rach vr. Fischer sprach sich ebenfalls zu Gunsten der Ge währung einer achtstündigen Ruhe auS, und zwar in gleicher Weise für die verheiratheten Vie die unverheiratheten Hilfskräfte. Schließlich betont« auch d«r Vorsitzende der Com mission für Arbeiterstatistik, daß im gesundheitlichen Interesse der Gastwirthsgehilfin ein Hinausgeh« über acht Stund« nach seiner Ansicht nicht geboten sei. In einer langen Erklärung versucht der katholisch« Missionar Pater Götte in Hankau dieWcigerungzu rechtfertig«, dfi er der Bitte entgegengesetzt hat, er möge bei der Beerdigung «in«S protestantischen Matrosen des Kreuzers „Schwalbe" dieGrabrede halten. Als Grund für di«s«S intolerante Verhalten, welches Ende vorig« Jahres in der deut schen Presse mit Recht peinliches Aufsehen erregt«, führt Pater Götte zunächst die Rücksicht auf das katholische Kirchmrecht an, indem er wörtlich schreibt: „Der Grund meiner Weigerung . .., unseren verunglückten deutschen Kamerad« nach katholischem Ritus zu begraben, >wär und ist und bleibt kein anderer, als der, daß kein katholischer Priester, sei es hier in China oder anders wo, die Macht besitzt, dem Angehörigen einer anderen Religion ein specifisch katholisches Begräbniß zu gewähren. Die An wesenheit des katholischen Priesters als Officianten an dem Grabe des Dahingeschiedenen ist eine öffentliche Erklärung dafür, daß dieser in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche gestorben ist." —Wir müssen und können es dahingestellt sein lassen, ob Pater Götte in der That darum angegangen wordm ist, dem deutschen Matrosen ein „specifisch katholisches" Begräbniß zu gewähren; in der deutschen Presse war nur berichtet Word«, daß Pater Götte ersucht worden sei, eine Grabrede zu halten. Aber selbst, wenn dem Pater Götte die Bitte um Gewährung eines „specifisch katholisch«" Begräbnisses ausgesprochen worden wäre, hätte sich der genannte Missionar nicht in die Nothwendigkeit versetzt ge sehen, unter einfacher Ablehnung ein«m Vertreter der amerika nischen Mission die Angelegenheit übergeben. Denn das katholische Kirchenrecht gestattet auch dem ka tholischen Priester eine gewisse Theilnahme an der Beerdigung von Protestanten. Wie der Leipziger Kiichenrechtslehrer E. Friedberg in seinem „Lehr buch des Kirchenrechts" u. A. mit dem Hinweis« auf Döllingrr' s Schrift „Pflicht und Recht 'der Kirche gegen Verstorbene eines fremd« Bekenntnisses" anführt, darf der ka tholische Priester für verstorbene Protestanten private Gebete sprechen und Seelenmessen les«, falls zu präsunnren ist, daß fine Verstorbenen dem katholischen Glauben wegen Unbekanntschaft mit demselben nicht beigetret« sind. Die Klausel, unter welcher dem katholischen Geistlichen die Vornahme priesterlicher Func tionen bei der Beerdigung von Protestant« erlaubt ist, scheint absichtlich dehnbar gehalten zu sein, damit im Zweifelsfalle der katholische Geistliche seine Theilnahme an der Beerdigung nicht versage. Bei einem Missionar, der im Auslande lebt und am ehesten in die Lage komm« kann, bei dem Begräbniß des An gehörigen einer fremden Confession in Thätigkeit zu treten, sollte in erster Linie vorausgesetzt werden dürfen, daß er von den ihm kirchenrechtlich zustehenden Befugnissen gern Gebrauch macht. Die Annahme, als sei dem Pater Götte unbekannt gewesen, wie das katholische Kirchenrecht in der fraglichen Beziehung beschaff« ist, muß nothwendiger Weise gerade bei einem Missionar recht fern liegen. Das muß umsomehr deswegen"der Fall sein, weil Pater Götte außer dem oben angezogenen kirchenrechtlichen Grund für sein Verhalten noch einen anderen geltend macht. Göite's Erklärung schließt nämlich mit den Worten: „Der Protestant, sei er Hofprediger in Berlin oder einfacher Soldat in China, Feuilleton. N Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. Nelddruck vntoltn. An der Walbecke, derselben, wo Rudolf den Alten getroffen hat, sieht er zwei Dam« ihm entgegenkommen: Frida von Oertel und Erna. Dabei Ulrich Fetthenne, wie er, in Jagdausrüstung. Jetzt stehen sie bei Knufink«, dessen Bürde sie mustern. „Allerhand Achtung!" ruft Ulrich schon von Weitem. „Aber mir dm Airsitz so zu verderben." „Ich - Dir?" „Durch Deinen Schuß. Er ballerte ja, wie 'n«-Kanone." „Wo standest Du d«n?" „An der Schulwies«, »m« Herr Weber es nennt." Rudolf bedenkt, daß er da schwerlich seinen Schuß gehört hab« kann, läßt ihm aber gern seinen Glaub«. Nur um über haupt etwas zu entgegnen, wirft «r bin: „Meine Büchse knallt eigentlich nicht lauter, als andere." „Na, na!" „Du vrrgiht den Widerhall in den Bergen. Das ist hier nicht, wie im Karniner Flachland." „Das mag stimmen. Und bös bin ich Dir ja auch nicht wegen des verfehlten Ansitzes. Denn hätte ich bis in die Nacht auf meinem Baumstumpf gesessen, so wäre mir dies holde Wild" — «in bisch« unbeholfen verneigt er sich vor Frida — „nicht in den Weg gelaufen." Rudolf hat di« Damen, von denen Erna zu Ulrichs Worten ein Lächeln versucht, während Frida die Brau« zusammen zieht, nur flüchtig gegrüßt. „Der Herr sind seit einigen Tagen nicht in Stimmung, flüstert sie ihrer Begleiterin zu." „Können Sie's nicht lassen?" fragt Rudolf. „Ihnen dir Wahrheit zu sagen? — Nein", versetzt sie streit lustig. „Der Löwe ist ein böses Thier, tvenn man lassen Sie ihn laufen, gnädige- Fräulein, zumal er durchaus nicht verdient hat, daß Sie ihn hier abholrn wollten", sagt Ulrich. „Jedenfalls Hao« ich mit keinrr Silbe darum gebeten", ant wortet Rudolf und wendet sich zum Gehen. Erna Hänfen sendet ihm «inen langen Blick zu „Pfarrersgattinaugen!" denkt er ärgerlich. „Die wäre so 'was für Bruder Johannes." ' Dennoch hlerbt er zurück. Ohne an der — übrigens spärlichen Unterhaltung der An deren theilzunehmen, geht er neben ihnen her. Schließlich, als das Schweigen ihm selbst peinlich wird, fällt ihm ein, daß er Onkel Gerhard bei Zeiten über sein Abkommen mit Georg Knufinke berichten muß, und er beschleunigt seine Schritte. „Er hat sich schon den richtigen Oekonomentritt angewöhnt", lacht Ulrich. „Mensch, wir verlieren ja den Pust bei Deinem Siebenmeilengetapse!" „Ich animire nicht zum Mitgehen." „Und ich möchte ungern Deine Gesellschaft entbehren. Denn von Mchts wegen schuldest Du mir noch Deine Lebensgeschicht«. Das heißt, vom achtzehnten oder neunzehnten Jahre an. Bis da hin bin ich einigermaßen uu Lait. Wie hast Du Dich nur in Deine jetzige mähende und pflügende Beschäftigung hineingelebt?" Rudolf antwortet nur mit einem Blick. Frida aber fühlt ihren Arm von Erna's Hand fester umfaßt, als sie an seiner Statt die Vertheidigung übernimmt. „Ich hoffe nicht, daß die Herren in unserer Gegenwart ein« Streit vom Zaune brechen wollen. Herrn Lammert's Fleiß zu mal dürfte das ungeeignetste Object für Ihre Spottlust sein, Herr Fetthenne —" „Der's noch immer nicht weiter, als bis zum ewigen Oan- ckiüatus z'urm gebracht hat, wollen Sie vermuthlich sagen", ruft Ulrich gereizt. „Ich verstehe ungefähr — bis auf den plötzlichen Umschwung in der Laune des gnädigen Fräuleins. Aber — daS muß man ja meinem Freunde lassen: di« Weiblichkeit ist immer und überall für ihn eingetreten. Er ist der reine Cäsar: veni, victi, vier. Ewig dasselbe Spiel, von Lisa Flügge an bis — L propos, Rudolf, weißt Du, daß Deine alt« Flamme wieder in Karnin herumflackerr, seit einigen Tagen, nachdem der Alte auS dem Grsängniß in —" „Noch ein Wort!" In so drohender Haltung steht Rutvolf Lammert vor ihm, daß Frida von Oertel, Erna loSlaffend, eine Bewegung macht, als wolle sie seinen Arm an einem Schlage hindern. „Von alledem, war Sie red«, begreife ich nichts, Herr Fett henne, aber einige Rücksicht auf Ihr« Gesellschaft befehle ich Ihn«", ruft sie, und Ulrich merkt, wie die großen Frageaugen Zorn sprühen können. Starre Blässe deckt Erna'S Antlitz. Kaum daß sie die Lider zu einem der Ergrimmten aufzuhrben wagt. Ulrich Fetthenne beißt sich die Lippen wund, und Rudolf krallt die Nägel in seine Hände und murmelt unverständliches Zeug. In drückendem Schweigen geht es weiter. An der Roßwies« trennt man sich. „Leben Sie wohl!" sagt Erna Hansen leise zu Frida. „Es war kein genußreicher Spaziergang." Die Beiden sind sich während der kurzen Dauer ihrer Be kanntschaft nicht viel näher getreten. Erna steht noch ein paar Augenblicke unschlüssig, ehe sie sich langsam dem Hause zuwmdst. Schon in der Thür, sieht sie sich noch einmal nach den Männern um. Die alten Gegner stehen sich gegenüber, Auge in Auge. „Du scheinst als Aufgabe Deines Daseins zu betracht«, mir das meine zu verbittern", bricht Rudolf's Groll end lich los. Ulrich zuckt nur die Achseln. „Ich stehe Dir zur Verfügung jeden Augenblick — jetzt, wenn Du willst." Rudolf ist fast betroffen über die Antwort. Sprach das der dicke Ulrich? „Mu1h? — Eine ganz neue Erscheinung!" Ulrich zuckt unter dem Hohn zusammen. „Nicht so, wi« Du vielleicht meinst. Das überlasse ich den Bauernjungen. Aber commentmäßig —. Ich habe da —" er deutet nach dem Hintergründe des Parkes — „ein paar vor zügliche Pistolen. Sie gehör« Herrn Weber —" Rudolf folgt ihm. Tief hin<t«n, von Buschwerk verdeckt, hat sich der jung« Herr einen Pistolenstand cinrichtcn lassen. Einem Wandschrank im nahen verwittert« Gartenhaus« entnimmt Ulrich den Kasten mit den Waffen. „Secundanlcn sind hier schwer zu beschaff« und auch nicht nöthig. Bitte, auf das Laden zu achten." Mit Sorgfalt mißt er die Pulvermengen für jeden Lauf ab und setzt die Kugeln auf. „Es ist am besten so. Wir waren Feind« von klein auf und sind's von Frischem geworden, sobald wir uns als Männer wiedersahen. — Sie soll", flüstert er dann leidenschaftlich, „sie soll ihn nicht haben." „Wen mchi, Ulrich Fetthenne?" fragt Rudolf. D«r Oger ist bei dem Hantiren seines Gegners merkwürdig ruhig ge worden. Nun dreht sich Ulrich heftig nach ihm um und zeigt auf die Pistol«. „Da liegen die Dinger. Du hast di- Wahl Wen nicht? Dich nicht, dem alle Weiber nachlaufen, von der schwarzhaarigen gemeinen Katze, bis " „Halt!" ruft Rudolf und greift nach einer von den beiden Waffen. „Wir sind nicht hier, uns zu schmähen wie ein paar Marktweiber. Am allnwenigsten hast Du Grund dazu, ein unglückliches Wes«, das sich nicht einmal Vertheidigen kann, zu höhn« —" Ulrich ist außer sich. „Bertheidige Du sie doch!" Auch seine Finger umklammern jetzt den Kolben einer Pistole. „Zehn Schritt, wenn's beliebt." In Hast ssie Entfernung abschr«itend, stellt er sich dem Ander«» gegenüber. „Können ja hernach sagen, riner von uns sei mit ihrem Namen auf den Lippen gefallen. Lisa, die Katze!" Ein paar Secunden ringt Rudolf mit sich selbst. „Deine eigene Schwester ist sie!" ruft er dann und hebt die Waffe. „Eins —" Aber sein Arm senkt sich vor Ukich's aschfahlem Gesicht. „Ein Wort noch!" ruft dieser. „Zu lügen pflegtest Du nicht —" „Wer sagt, daß ich's thu«? — Hast Du noch nicht Lust? — Ich zähl« bis drei —" Das Wort stockt ihm. Ulrich Fetthenne lehnt an einem Pfosten. „Meine Schwester!" stöhnt er. Die Waffe wirft er achtlos in den Sand. Erst jetzt fühlt Rudolf Lammert die Wucht deS Grauenhaften, das sie Bride beginnen wollten, zugleich mit der Wirkung seiner Eröffnung, und das erwachende Mitgefühl mit dem einstigen Schulkameraden rankt unmerklich, aber blitzschnell seine weich« Arme um den Kern haßgehärteten Trotzes. Mit stillem Ernste geht er auf den Gegner zu. „Laß!" ruft der, erg-reift aber im nächsten Augenblicke seinen Arm und zieht ihn mit sich, auf die Bank vor dem Tischchen mit dem Pistolenkasten. „Ich wüßte nicht, warum Du Deine Passion, die Wahrheit zu sagen, hättest aufgeben sollen. Aber für ein bischen Aufklärung wäre ich dankbar. ES ist doch keine Kleinigkeit, plötzlich 'ne Schwester bescheert zu krieg«, d«r man früher 'mal als verschmähter Liebhaber nachgelaufen ist." Er schlägt die Hände vor das Gesicht und brütet vor sich hin. Rudolf weiß nicht, ob er Alles hört und versteht, waS er erzählt — von dem Senator in Karnin und Lisa'S Mutter, von dem verkommenden Trinker, den die Leut« für ihr« Vater halten. Aber er hat das vage Gefühl, Klarheit schaffen zu müssen: so hält er an dem Fanden seiner Erzählung fest. „So!" sagt Ulrich endlich, den Kopf ein wenig zu ihm auf richtend; „das wäre Sie neue Schwester! Wi« Mama sich freuen wird, nun zwei Stiefkinder zu hab«, mit denen sie Staat mach« kann; Staat! So wie mit mir, den sie an ihrem Schürzen bans durch die Welt gezottelt hat mit ihrem: Nur nicht über arbeit«, Ulrich! Du bist ja Dernes Papas Einziger und hast eS eigentlich gar nicht nöthig. DaS Arbeit« meine ich. Und heg
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