Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021104011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-04
- Monat1902-11
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ledaktton vnd Erve-Morr: Jvha»«1Stzasse 8. Fernsprecher 183 and L2L FrltalevU»ditio«e«, Alfred Hab», Vuckhoadlg., llntversitSt-str.S, L. Lisch«, Kaltzartneustr. 1^ a. Küutgspt. 7. VezugS »Preis W der Hmeptexpedttto» oder den tm Stadt- te»trk and den Vororte» errichtete» Aus- gaoestekle» abgeholt: vterteljShrlich 4.60, — zwetmaltger tLgltcher Zv stell»»- t»« Ho»- 6.60 Durch di» Post bezöge» sür Deutschland u. Oesterreich oterteljührltch ^ll für die übrige» Länder laut ZestungSprei-liste. Haupt-Filiale Vrer-errr Strehleuer Straße 0. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Lerlin: ASntggrStzer Straße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 83VS. Morgen-Ausgabe. MxzMrIagMM Anzeiger. Nmtsvlatt des Hömgkichen Land- und -es königlichen ÄmtsgerichLes Leipzig, -es Aales nn- -es Nokizei-Ämtes -er Lia-t Leipzig. Anzeigea-PreiS die SgespaUene Petitzeile HL H. Nekla««» »»ter de« »edakttoaSstrich (ügespalteu) 78 vor de» Familtennach richte» (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer und Zifferuso- entsprechend höher. — Vebühre» für Nachweisungen und Osfertenauuahme LS H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgm-Ausgab«, ohne Postbrsörderung ^ll 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Auuahmeschluß für Anzeigen: Abe»d«Auögaber voraffttag« 10 Uhr. M»r-«»-L»Sgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen Pud stet« a» die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« »»unterbrochen geöffnet von srüh S bt« abeud« 7 Uhr Druck uud Verlag vo» A. Polz i» Leipzig. sru 561. Dienstag den 4. November 1902. Sk. Jahrgang. Willkommen König Georg! Rauschender Feste-jubel erfüllt heute unser Leipzig. Zum ersten Male, seitdem König Georg den Thron seiner Vorfahren bestiegen, besucht er die Stadt, und mit Herz und Mund bringt ihm die Bürgerschaft den WillkommenSgruß ent gegen. Nachdem die erste Zeit der tiefen Trauer, die Fürst uud Volk gemeinsam um den Heimgegangenen König Albert getragen, vorüber, drängt rS König Georg, auch in seiner getreuen Stadt Leipzig nach alter Sitte den Bund zwischen Herrscher und Volk zu erneuern. Dieser königliche Wunsch kommt dem der Bürgerschaft entgegen, die mit dankbarer Freude ihre Huldigung dem Monarchen zu Füßen legt, auch hierin sich ein« wissend mit Sachsen« weitberühmter Hoch schule. Diese begrüßt zum ersten Male in ihren Mauern den neuen rector wsgmüceotissimus, der durch die huldvolle Uebernahme dieser Würde in unzweideutiger Weise seine Absicht kundgegeben hat, Schirmherr und Förderer auch der Wissenschaft zu sein. Feierliche Zusicherungen der Liebe und Treue werden in diesen Tagen dem Herrscher au« berufenem Munde aus gesprochen werden und lebendigen Widerhall finden im Herzen jede« einzelnen Bürger«. Und sie werden der Ausdruck nicht nur de« Gefühl«, sondern auch einer auf Erfahrung be gründeten Zuversicht sein: Leipzig weiß wie da« ganze sächsische Volk, wa« e« von König Georg zu erwarten hat, weiß, daß Sachsens Fürsten von jeher ihrer getreuen Stadt Leipzig „in Gnaden zugetan" gewesen, daß sie durch ihre Gunst gefördert, wa« hier rastloser Bürgerfleiß, wa« Handel, Industrie und Wissenschaft im Verein geschaffen, und daß König Georg mit Freuden bereit ist, dem Beispiele seiner Ahne» zu folgen. Nicht die kurze Regierungszeit König Georg« ist e«, aus di« dies« Zuversicht sich gründet. Diese erfüllte längst alle, die der Tätigkeit de« Prinzen Georg mit Aufmerksamkeit gefolgt waren. Mit seinem erlauchten Bruder Albert war Prinz Georg in« Feld gezogen und hatte al« siegreicher Heerführer am Aufbau de« neuen Reiche« mitgearbeitet. Zn ihm wird der treudeutsche Sinn, dessen Leipzig sich rühmt, den wärmsten Pfleger und Förderer haben. Zn langen segenüvolleu FriedcnSjahren hat er dann in rastloser persönlicher Arbeit gewirkt zum Wohle unsere« engeren Vaterlandes. 40 Zahre hat er der Ersten Kammer angehört, fast ein Menschenalter stand er an der Spitze der Finanzdeputation. Welch eine Summe positiver ernster Arbeit, von der sicherlich so mancher im Lande keine rechte Vorstellung hat! Diese von den Wissenden um so höher gewürdigte unmittelbare Wirk samkeit im Interesse des Königreich«, die dadurch erlangte spezielle Erfahrung auf fast allen Gebieten de« öffentlichen Lebens, die geläuterte Lebensanschauung und Weisheit des höheren Alter«, die Humanität, von der Prinz Georg in seiner Tätigkeit al« kommandierender General des XII. Armee korps so glänzende Beweise gab, und nickt zuletzt die rege Teilnahme an allen wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen — da« alle« erfüllt die Bewohnerschaft Leipzigs uad die ganz Sachsens mit Stolz und gibt den herrlichen Worten, die König Georg beim Antritte der Regierung zu seinem Volke sprach, die schon erwähnte feste, un erschütterliche Basis: da« allgemeine, felsenfeste Vertrauen, daß Sachsens Geschicke in bewährter Hand ruhen und daß unter König Georgs Regierung, der Gott eine lange Dauer verleihen möge, die Tage ernster Prüfung, unter denen alle Berufsstände wert über Sachsen« Grenzen hinaus leiden, für dieses ohne dauernde Folgen vorübergehen und nur ein Uebergang zu Zeiten sein werden, die das väterliche Her^ des Königs mit derselbe» Freude erfüllen, wie die Gemüter seiner treuen Untertanen. Zn dieser Gesinnung und Zuversicht empfängt^heute Leipzig feinen König und leistet ihm den Treueid. Willkommen, König Georg, in Leipzig! Heil unserem Könige! Kudolf v. Bennigsens Charakterbild. Nach dem Vortrage des früheren RrichStagSabgeordneten vr. Friedrich Böttcher im nationalliberalen Landesverein zu Leipzig am 2. November 1902. An einem rauben Augusttage diese« ZahreS, gleichsam al« hätte die Natur auch ihren Zoll der Trauer dargebrachl, hat man Rudolf v. Bennigsen in "der stillen Abgeschiedenheit seiner hannöverschen Heimat zur Ruhe bestattet. Bier Zabre zuvor, auch an einem Auguütagc, ist Fürst BiSmarck im Sachsen walde zum ewigen Schlummer gebettet worden. So ruhen sie beide im Schoße der niedersächsischen E'de, die Männer, die im Leben so lange zu gemeinsamer Arbeit verbunden waren. E« ist keine Vcrmessenbcit, beidi in einem Atem zu nenne». Für die Größe der LeistungSiäbigkeit Bennigsens fehlt uns vielleicht heute noch der objektive Maßstab. Er selbst in seiner großen Bescheidenheit würde wohl niemals die Parallele zwischen chm und BiSmarck gestattet haben. Unter allen, die nicht al« abhängige Beamte, sonder» i« freiwilliger Weis« di« Mitarbeit geleistet habe», hat »iemaud Deunigsen such nur entfernt erreicht. BiSmarck hat nie einen Zweifel darüber gelassen, wie er diese Mitarbeit schätzte. Al« der 70. Geburtstag Bennigsens gekommen war, hat BiSmarck au- seiner Zurückgezogenheit unter Hervor- »ebung der gegenseitigen persöulicken Schätzung dem Glückwünsche die inbaltsreichen Worte binzugesügt: „wir sind nicht immer in demselben Geleise tzesahrcn, aber unsere Ziele waren immer die gleichen." Darin eben liegt Bennigsens Bedeutung. BiSmarck, der weiten Kreisen der Nation im Anfänge se>ner politischen Wirk- amkeit fast verhaßt war, hat e« Bennigsens Eingreifen in allererster Linie zu verdanken, daß das Mißtrauen gegen ibn durch das Entgegenkommen deS liberalen deutschen BürgeriumS beseitigt wurde. Es ist einer der deutlichsten Züge providentiellrr Geschickt«» entwickiung, daß dem Zerstörer deS elenden Bundesstaate« eine Persönlichkeit im rechten Augenblicke zur Seite stand, da« deuiicke Bürgertum i» entscheikungSvoller Stunde die Grundlage zur Neuwerdung deS Reiches legte. Darum ist c« eine Sckmach für Deutschland, daß B. mitten in dieser hingebungsvollen Arbeit für das Gemein» wobl verdächtigt wurde: E« fehle ihm da« Rückgrat zur Verteidigung der liberalen Grundsätze gegen da reaktionäre Junkertum. Wie viele damalige Sckmäber möchten wohl für ihre Ueberzeugung s o geduldet baden wie er. Ist er doch bervorge^angen aus der schärfsten Opposition, die reilich a lle Gemäßigten billigen werden. Es war die Zeit, wo unter dem Könige Georg dem Blinden und seinem berüchtigten Staat-minister v. Borries die hannöversche Verfassung von 1848 zerstört werden sollte. B. ist nicht al« Weltenstürmer in die politische Arena eingetreten, nur zögernd hat er diese Laufbabn eingeschlazcn. Sein Freund Planck ist es gewesen,! der ihm zuerst ein praktisches Interesse für d-e Politik bei- l gebracht hat. Nüchtern, wie sein Verstand allezeit war, hat er auch damals die Grenzen de« Erreichbaren erkannt und beachtet. Sein GerechtigkriiSgefübl aber war eL, da« ihn in die politische Arena trieb. Er stammte au« einer uralten AdelSsamilie, sein Vater war hannöverscher General, ein anderer «aber Verwandter Vertreter am Bundestag. Aus dieser Umgebung trat er mit der ganzen Energie seines Willen« der reaktionelle« Poluik eine« Borne« entgegen. Ta« kennzeichnet aber auch dir Tief« d«S Bruche«, den er vollziehen mußte, und dieser wieder ist der Grund seiner Beliebtheit beim deutschen Bürgertum gewesen. Er ließ sehr selten die Außenwelt an fick berankommen; man wußte aber dennoch, was man an diesem Manne besaß. Die Tat, die er mit der Begründung des Nationalvereins im Zahre 1859 vollbracht bat, war da« erste Aufraffen res deutschen Bürgertums nach den Enttäuschungen, welche die Bewegung von 1848 gebracht halte. Bennigsen hat diese Tat getan, ohne durch die Verhältnisse gedrängt zu werden. Er liebte e« nickt, als Weltenstürmer aufzutrrten; das Programm LeS NationalvereinS war ja nur eine Wiederholung und Auffrischung de« Gothaer Programms. Die Bedeutung dieser Tätigkeit aber lag in der Befruchtung des Bodens, der in der Reaktion von 10 Zähren sterrl ge worden zu sein schien. Das gesckah unter der Einwirkung des Krieges von 1859, der die ganze trostlose Lage Deutsch land« zum BewußljeiN gebracht halte. Bennigien verzichtete damals auf feine juristische Laufbahn, in die er kurz vorher eingetreiea war. Er bat alle« in die Schanzen geschlagen um der Gerechtigkeit und seines Zceals willen. Niemals ist der Gedanke des persönlichen Vorteils für seine Handlungen bestimmend gewesen. Bennigsen war nicht ein reicher Mana in dem Maße, um ohne gewisse Entbehrungen völlig unabhängig leben zu können. Als Führer deS NationalvereinS war Bennigsen zum be rühmtesten Manne in Deutschland geworden; aber noch einmal stand ihm ein schwerer Kampf bevor. E« tarn der große geichicht- lrche Augenblick von 1866. Kurz vor Ausdruck deS Krieges hatte Bennigien die erste Unterredung mit BiSmarck. Zu einer Au schußsikung des NationalvereinS nach Berlin gekommen, hatte BiSmaick Bennigsen zu einer Bespreckung ungeladen (Zuli 1866). Bennigsen stellte die Bediagung, daß üderHannover an dem Abende nicht gesprochen werde, und diese ist gehalten worden. Nur über die allgemeine politische Lage in Deutick- land haben sich die beiden Männer unterhalten. Doch hat damals Bennigsen den Eindruck gewonnen: Da« ist der Mann, der die Geschicke deS deutschen Volkes vollenden wird! Er selbst hatte, nach Hannover zurück gekehrt, noch einmal den ganzen Bruch zu vollziehen. Die Selbständigkeit deS Königreichs Hannover zu bewahren, war sein Wunsch. Alle Bemühungen aber, den König zur Neutralität zu bewegen, waren vergeblich und da« Ver hängnis nahm seinen Lauf. Bennigsens Tatkraft gehörte von jetzt ab dem Wohle deS ganze» Vaterlandes, der Mitarbeit Bismarcks. Nickt leicht war die Aufgabe, das neue Staatswesen in andere Bahnen zu lenken. Der überaus leidenschaftlich geführte BerfassungSkonflikt in Preußen war nicht tuuäitus aus getragen, uuv es bestand Vie große Gefahr, daß die Flammen auch im Deutschen Bunde wieder aufscklügen. Da traten tüchtige Männer vermittelnd ein, um die Gefahr zu be schwören. Unter diesen Männern war Bennigsen der erste, der ausschlaggebende. Wenn di« Verfassung nicht zu staod« gekommen wäre, so würde sich für unsere pottlsscke Ent» Wickelung ein ganz andere« Bild ergeben haben. Es unter liegt keinem Zweifel, daß wir Bennigsen neben BiSmarck diese liberale Verfassung deS Norddeutschen Bundes in erster Linie zu verdanken haben. Als da« Sehnen der Nation nach der Vollendung der Einheit gestillt war, galt r«, sie zu befestigen. Noch war die H e e r e « v « r fa s s u n g ia der Schwebe. Durck einen Notbehelf hatte man die Frage vorläufig bei Seite geschoben. Da kam im Zabre 1874 eine der gefährlichsten Krisen für unser neue« Staat-Wesen. Dir Lösung war das wesentlichste Verdienst R»dols v. Bennigsen«. Nack dieser Summe treuer Arbeit, die er als Führer der nationalliberalrn Partei grlrift«? hatte, war eS nur selbst» verständlich, wenn au« der Mitte des Parlaments und de« Volke« tzrrau« da« Verlarr-en laut wurd«, die ausschlag» gebenden Männer »» »errwtwortlicher Gull« zu sehen. War doch die Stellung der nationalliberaken Partei eine ganz außergewöhnliche, insofern sie trotz ihrer numerischen Ueber- legenbeit von der maßgebenden Leitung ferngeblieben war. BiSmarck bat da« Mißliche dieses Zustandes empfunden und Bennigsen 1877/78 alSMinister gewinnen wollen. Es schien auch so, als ob eS sich verwirklicken sollte. Darum war es ein Ver hängnis nicht bloß für die Partei, sondern auch für die ganze innere Entwickelung deS Reiches, daß Bennigsen und Vie national- liberale Partei damals von der Regierung ausgeschlossen blieben. Von diesem Augenblicke an datiert der Umschwung unserer inneren politiichen Entwickelung und BiSmaicks Ab wendung von der Partei, die er selbst schwer genug bereut hat. Nack der Zeit der Attentate, de» Sozialistengesetze« und der Zollvifferenzen, wo die nationalliberal, Partei vollständig versagte, kam der Auzentl ck, wo da« Zentrum sich zum ersten Male al- schwerer Alb auf die innere Entwickelung gelegt bat. Noch beute empfinde» wir eine tiefe Erbitterung über diejenigen, welche die gesunde Entwickelung ver hindert haben; leide» waren sie in unseren eigenen Reihen. BiSmarck wäre vielleicht geneigt gewesen, Forkenbeck mit in da« Ministerium auszunebmen, und Bennigsen bälte wobl auf die Unterstützung von Stauffenberg verzicktet, aber die Schwierigkeiten lagen in den Bedingungen Forkenbeck». Diese schlugen dem Fasse den Boden au- und sie waren gesäbr- lick, weil Kaiser Wilhelm sich niemals auf sie rinlassen konnte. Forkenbeck sagte uns in der ReickSlagsfraklion im Frühjahr 1880 inS Gesicht, daß er die Bedingungen nur gestellt habe, um die Verhandlungen zum Sckeitern zu bringen. Bennigsen war zugegen uuv fuhr so wild aus, wie ick ibn nur einmal in meinem Leben gesrbcu bade. Von persönlichem Neid war Forkenbeck« Tat nickt diktiert, sondern er stand unter der Erwägung, daß er tür den Nachfolger Wilhelm« eine liberale Regierung schaffen müßte. Ein dem kron- prinzlicken Hause sehr nabestebende Persönlichkeit batte ven Ausspruck de« Kronprinzen wiederholt: „Wenn ich an die Regierung komme und finde alsdann nicht eine starke liberale Partei vor, wie soll ich dann liberal regieren?" Foickenbeck und seine Genossen wollten sich für di« Zukunft aufiparen und die Bedürfnisse des Augenblicks vernachläisigen. Das konnte Bennigsen al« Realpolit ker nicht, yzstmacken. So bat im letzten Grunde nicht die Zoll differenz, sondern der Gegensatz zwischen der Bennigsenjchen Richtung an der Seite BiSmarcks und jener, die sich für die Zukunft aufsparen wollte, die Spaltung unserer Partei heibeigesübrt. Don da an ist dem gemäßigt liberalen Bürgertum der Einfluß geraubt, den eS vorder beiessen batte. Bennigsen wurde vielleicht am schwersten getroffen, er, der Helfer in der großen Politik, wurde mehr und mehr an die Seite geschoben. Er blieb auch 1881 auf seinem Posten bloß au» patriotischer Pflicht. Bald genug zwang ibn diese zu einer anderen Maßnahme, die für seine Freunde die sckmerz- lichsle Prüfung bedeutete. Dennissen legte seine Mandate nieder. Als wir an einem Mon'ag früh im Juni >883 die« körten, waren wir wie vom Donner gerührt. Zubelnd aber begrüßten uns die Sezessionisten, frohlockend, daß die Politik Bennigsens Schiffbruch gelitten habe. Unsere kleine Gemeinde verlebte sckwcre Tage-, eS gab auch Zweifler unter uns. Da wurden Zur hiesiger Vertreter, Stephani, und ich nach Hannover gesandt, um Bennigsen zu befragen; und als wir seme Gründe hörten, mußten wir anerkennen, daß er nicht ander» bandeln konnte. Nutzlos würde er seine Kraft verbraucht haben, darum ging er, um sie für größere Aufgaben zu schonen. Bismarck hatte ihm vorher schwere Vorwürfe gemacht und die Partei war gespalten wegen der Rückgängigmachung der Kultur kampfgesetze. DaS Zahr 1887 führte ibn zurück in die parlamentarische Arena; da war er der Mann, welcker der Frage deS Septennars eine andere Wendung gab. Er und Miquel kehrten zurück, um noch einmal eine große nationale Partei dem Kanzler zur Verfügung zu stellen. Während des KarlellreichStage« aber, vollzog sich auch an anderer Stelle eine groge Wandlung. Er war kaum zu Ende, als BiSmarck die Stätte seiner welthistorsscken Wirkiamkeit ver lassen mußte. Bennigsen ist auf seinem Posten geblieben, nicht mit Freuden, wobl aber auS Pflickt biS 1898. Um so größer ist unser Dank dafür, Laß er auch unter Umständen blieb, wo er fast nur mit feiner eigenen Person wirken konnte. Diese setzte er in jedem ernsten Falle ein, z. B. in dem Kample gegen ven Zedlitzicken Schulgesetz entwurf. Seine damalige Rede im Reickstage baue die Wirkung, unsere Kuliureniwickelung vor großem Schaden zu bewahren. Nickt al« gebrochener Mann schied Bennigien 1898, hatte aber vielleicht daS Gefühl, daß eS nun genug sei der bitteren Erfahrungen: „Jetzt bin ich alt genug, um auch einmal ein Gentleman sein zu können", sagt» er rn jenen Tagen zu uns. Er kehrte zurück zu seiner ersten Liebe, zu seinen Studien. Nicht eia innerer Drang batte ibn zur Politik getrieben, sein eigenste- Bedürfnis war das Suchen nach Wahr best. Er besaß eia universales Wissen von seltener Art. ES gab kein politische«, kein ästhetische- Gebiet, wo er nicht zu Hause gewesen wäre. Die Einzelbeiien der großen wirtschaftlichen Aufgaben beberrkchre er mit voller Souveränität. Wa« er aber auck aus staatSwissenlchattlichem und uaturwifsenschaftlichem Gebiete suchte, seine Seele bing zumeist an der Philosophie, weil ibm die Wabrbeit über alle- ging. DaS ist der tragische Zua in diesem Realpoliiiker, immer wieder daS Unmögliche zu*erforschen. ES war ihm die beseligendste Lust, in di« tiefsten Probleme sich zu ver senken. „Ich bi» «in Träumer", sagte er nicht selten von sich, obwohl «r neben BiSmarck der größte Realpolitiker der neuesten deutsch«» Geschickte war. Drei Zabre lang bar er in aller Stille diese» Träumereien nackgedanzen. Gemütlich vollständig umgewandelt, zeigte er eine tief« Heiterkeit und Fröhlichkeit, wie sie in diesem hoben Alter nur selten be- lchieveu wird. Die Philosophie und die Beschäftigung mit andere» Wissenschaften ließen sein innere- Wesen so sonnig durch leuchten. Auch der Genuß am Familienleben ist ihm erst in den letzten Zabre» beschert worden. Tic Erziehung sriner K,udir. mit denen er reich gesegnet war, war nach seinem Urteil da« Verdienst seiner Frau. Sie bat stelS i» Treu« dem Hau-wesen vorgestandcn. Zn der Stille des Land lebens war sie als Edelfräulein ausgewachsen. Sie verdient den größten Dank; denn ohne sie wäre Bennigsens Ausdauer im politischen Leben nicht denkbar geweien. An ihrer Seite batte er die letzten Zabre genossen, bis ein ganzes Zamilienglück in empörender Weise zertlört wurde. Auch un Alter vo» 78 Zadren hätte Bennigsen in religiöser Ergebung dielen Schlag hingenommen, wenn ihm nicht auck die treue Gesährtm nach 48>äbriger glücklicher Ebe entrissen worden wä>e. Unter diesem Schlage ist er zusammengebrockeu. Sollten wir darum dem Gesch cke zürnen, daS ihm keine Freude mehr bescheren konnte? Der Tod ist ihm ein Freund gewesen. Zn einer Stunde die Summe dieses Lebens zu ziehen, ist kaum möglick. DaS Andenken zu ehren und die Liebe auch Iber da» Grab hinaus zu beiäligen, hat uns heute zu dieser Ehrung Rudolf v. Bennigsens vereinigt. Gesegnet sei sein Andenken in deutschen Landen für alle Zeit! Deutsches Reich. -i- Berti«, 3. November. DicBernichtung VeS haitianischen Rebellenkreuzers „Erste L Pierrot" durch das Kanonenboot „Pan ther" wird im neuesten Hefte der „ M a r i n e »Rund schau" von einem Seeoffizier, natürlich auf Grund ein wandfreien Materials, eingehend geschildert. Dieser Be richt ergänzt die bisherigen Mitteilungen durch ver-' schiebens interessante Einzelheiten. Dahin gehört zu nächst die Voraussicht des Kommandanten des „Panther", der schon nach der Ankunft in St. Thomas auf Grund der neuesten Zeitungsnachrichten alle Anordnungen traf, um für die sofortige Meiterfahrt nach Haiti bereit zu fein. Nach dem Empfang des kaiserlichen Befehls, das Rebellen schiff wegen Seeraubes, begangen am deutschen Dampfer „Markomannia", sofort aufzusuchen, mit oder ohne Kampf zu nehmen und bis auf weiteres besetzt zu halten, wurde der „Panther" sogleich in allen Teilen gefechtsbereit ge macht. War doch bekannt, daß Admiral Killick geschworen hatte» „er wolle sein Schiff lieber in die Luft sprengen, als cs der Regierung oder sonst jemandem übergeben". „S. M. S. „Panther"," fährt hier die „Marine-Rundschau" fort, „mußte daher die Aufnahme des Kampfes durch den Rebellenkreuzcr als wahrscheinlich voraussetzcn, falls cs nicht gelingen würde, den Gegner so vollständig zu über raschen, daß jeglicher Widerstand zur Unmöglichkeit wurde. Im Interesse der Vermeidung unnötigen Blutvergießens auch unter den an sich unschuldigen haitianischen Mann schaften, die blindlings ihrem langjährigen Admirale Killick folgten und sich des Seeraubes und der Verletzung der deutschen Flagge jedenfalls nicht bewußt waren, er schien letzteres als die beste Lösung der Aufgabe, und darauf wurde von vornherein hingearbeitet. S. M. S. „Panther" mußte dementsprechend den Versuch machen, die „Erste ä Pierrot" aufzufindcn und zu überraschen, ehe diese von der Anwesenheit L. M. S. „Panther" er fahren konnte." — Daß dies glückte, ist bekannt. Da Killick zu jener Zeit zu Land war, bat ein Djfizier des Rebellcnschiffeö, eine Vermittelung durch den in Gonaivcs befindlichen deutschen Konsularagenten anzunehmen. Es wurde ihm aber bedeutet, daß der „Panther" lediglich den kaiserlichen Befehl auszuführen habe und ihm folgendes Ultimatum gestellt: 1) Sofortiges Streichen der Flagge: 2) Verlassen des Schiffes durch die Mannschaft innerhalb einer viertel Stunde; 8) jegliche Vorbereitung zum Wider stande unterbleibt: 41 jeder Verstoß gegen Punkt 1 bis :r hat unmittelbare Eröffnung des Feuers zur Folge. Der Mannschaft wurde aus folgenden Gründen freier Abzug gewährt: N An Bord der „Erste ä Picrrot" waren 150 Mann Besatzung; es wäre schwierig oder unausführ bar gewesen, diese Anzahl mit etwa 20 aut dem „Panther" entbehrlichen Leuten an Bord des Gegners aufzufindcn, zu entwaffnen und zu bewachen. 2) Mit dem Moment der Entsendung deutscher Mannschaften auf das Rebelleuschiff wäre der „Panther" in die Lage gekommen, Feuer zu geben auf ein Schiss, auf dem sich deutsche Mannschaften befanden. Man wußte auf dem „Panther" von Killicks Entschlossenheit zur Sprengung seines Schisses. 4j Aus dem eingeschlagcnen Wege konnte unnötiges Blutver gießen vermieden werden. — Dagegen war der „Panther" außer stände, zu verhüten, daß Killick sich an Bord seines Schiffes begab, weil letzteres an der Grenze des befahr baren Wassers lag und deshalb der „Panther" sich nickt zwischen „Erste ü Pierrot" und Stadt legen konnte. Killick blieb an Bord, um seinen Schwur einzu'öscn, von der Besatzung außerdem noch der sinnlos betrunkene Schifssarzt und zwei Stewards, wc'che die günstige <§e- legenheit zum Stehlen mit dem Leben bezahlt haben. Denn Killick lüste seinen Schwur tatsächlich ein und sand so einen ehrenvollen Tod. „Seine Handlungsweise", sagt die „Marine-Rundschau" in einer Anmerkung, „verdient Achtung." — Ein Fortbringen der brennenden „Ers,e » Pierrot" war nickt möglich, einmal, weil der Brand sick über das ganze Schiff verbreitet batte, sobald es in eine andre Lage zum Wind gebracht wurde, zweitens, weil selbst beim Löschen des Brandes das Schiff ohne Schlepp dampfer nickt sortgcschasst werden konnte, da es stcncrl.'s war. Die Vernichtung der „Erste » Picrrot" erfolgte durch zwei Erplvstonen im Vorschiffe, hcrvorgerukcu durch Treffer in die vorderen Munitionskammer«. „Ans alle Fälle", schließt die „Marine-Rundsckmu" ihren für die Hinsicht, Tatkraft und Humanität des Kommandanten S. M. S. „Panther" gleich ehrenvollen Bericht, „wird der Republik Haiti die von deutscher Seite geübte prompte Justiz eine heilsame Lehre sein nnd gegen zukünftige Ver wickelungen hoffentlich vorbeugend wirken." * Berlin, 3. November. (Die Sozialdemokratie al« Arbeitgeberin.) Der al« Bodenrefermer und sozial» polnischer Schriftsteller bekannte Arzt vr. E b el ing-Berlin beginnt in der „Deutschen Arbcitgeber-Zestung" eine Artikel serie, welche schon nach dem b,»ber vorliegenden erste» Teile da- Interesse nicht nur der gesamten Aerztewelt, sonder» auch aller geb.ldele» Kreise verdient. vr. Ebelmq behandelt dir Lage, in welcher die deutschen Aerzte sich sc-*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite