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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040205021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020502
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- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-05
- Monat1904-02
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Reklamen unter dem Rebattivn: strich (4 gespalten > 7b vor den Familiennach- richten 6 gespalten) ÜO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hober. Gebühren für Nachiveisungen und Osfertenannahme 2ü Extra-Beilagen gesalzt-, n u r mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t 60 —, m l t Postbesörderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgrn-AuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Berlaa von E Polj in Leipzig Inh. vr. «., R. ür W Klinkhardt). Ar. 65. Freitag dm 5. Februar 1901. Var Wcbligrte vom Lage. * Offiziös wird erklärt, die preußische Staats, regierung sei in allen ihren Gliedern von der unbedingten Notwen big k eit durchdrungen, das preußische Wahlrecht im wesentlichen unver ändert aufrecht zu erhalten. * Der Reichstagsabgeordnete für Lüneburg, vr. Iänecke (natlib.), dessen Wahl von der Kommission für ungültig erklärt wurde, soll sein Mandat nieder gelegt haben. * Die in Breslau abgehaltene Hauptversammlung des Verbandes Schlesischer Textilindustriel- le r beschloß, den Verband in eine Organisation zur Wah rung des sozialen Friedens zwischen Arbeit gebern und Arbeitnehmern, auch zur gemein samen Bekämpfung unberechtigter Ausstände und Forde rungen der Arbeiter auszugestalten. * In Japan glaubt man, nach englischen Quellen, jetzt nicht mehr an die Erhaltung des Frie dens, doch ist die russische Antwort noch nicht überreicht. Der Aufstand in Äidwestafrika. * Englands schlimme Hand. Früher sagte man: „Der Rubel rollt." Heute muß man viel eher sagen, Englands schlimme Hand zeigt sich überall. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, welche große Nolle englische Umtriebe bei den AusslandSbewegungen in unseren Schutz gebieten gespielt haben. Wir haben auch gleich zu Anfang des Aufstandes aus die möglichen Motive (Erzgruben aufmerksam gemacht. Uebereinstimmend damit führt ein vorübergehend in Kapstadt weilender Bewohner Deutsch- Südwestafrikas in der Berliner Zeitschrift „Südafrika" über die wahre Ursache der Aufstände in Deutsch Südwest- afrika folgendes auS: „Das herausfordernde Benchuie» der Bvndelzwarts ist nicht zum geringsten Teil dem Schüren englischer Händler zuzuschreiben. Diese Leute sind für große Handelsgesell- ichaften, Zweige der mächtigen „De Beers", tätig und verstehen es, den dummen eingebildeten Häuptlingen ein glückliches Leben unter englischem Regime vorzugaukeln. Es würden recht hübsche Durchstechereien bekannt werden, wenn nach dein Nicderwerfen de- -lufstandes ein strenges Berbör der daran beteiligt gewesenen Haupt linge vorgenommen würde. Solche Händler wissen sich dadurch be liebt zu machen, daß sie bessere Preise für Vieh, Häute, Hörner and andere Produkte bezahlen als deutsche Händler oder solche unter den Boeren. Dadurch, daß erstere so schlechte Preise zahlen und für geliehenes Geld horrende Zinsen fordern, herrscht nicht allein Unzufriedenheit unter den Hottentotten, sondern auch unter den eingcwanderten Boeren, die sich mit der Absicht tragen, eine Art Konsumverein zu bilden, der ihre Ein- und Ver käufe besorgen soll. Mt dieser Idee tragen sic sich schon lange. Aber wegen der großen Abstände geht der Plan nur langsam seiner Ausführung entgegen. — In Jingokreisen spricht man unverhohlen darüber, daß Deutschland über kurz oder lang seine Kolonien doch satt bekommen werde. Habe man doch im Deutschen Reichstage selbst schon über den Berkaus derselben gesprochen. Afrika für die Engländer! Tas ist die Losung dieser Jingos. In denselben Kreisen wurde bekanntlich der Ausstand der Wit» doois angezettelt. Ter auS der Kapkolcmie ausgewanderte Boer van der Werthuisen, der jetzt in Gibeon friedlich eine schöne Farm bewohnt, wurde seinerzeit mit einer Menge Gewehre und Munition zu Mtbooi geschickt und wußte diesen unter allen möglichen Vor- iprrchungen seitens RhodeS Konsorten zum Ausstand zu bewegen. .,De Beers" hatten damals ihre Augen aus mutmaßliche Diamant felder in Teulfch-Sndwestasrika fallen lassen. Jeder in Deutsch- Lüdwestafrika gewesene deutsche Offizier weiß dies. Jetzt sind die Herren vorsichtiger geworden, nachdem sie damals von der eng lischen Regierung — nicht allzustart — auf die Finger geklopft worden waren. Sie senden harmlose (!) Händler aus, die das Land durchziehen, ein einträgliches Geschäft machen und dafür das Heil predigen, das den Hottentotten unter dem „vuiou jneü'' erblühen werde." * Opfer Les Aufstandes. Ter „Kolonialen Zeitschrift" meldet ein Privattelegramm aus Windhoek weitere Opfer des Auf standes: Der älteste Bruder des Kaufmanns Kurpisz in Schild berg (Posen), Tames, Blohm aus Bremen: wahrscheinlich gelötet Hoegner, Watermeyer, Muellendorf, Gerber, Biereck, Alisch, v. Falkenstein mit Frau und zwei Kindern: schwer verwundet Finster und Feldmann. * Tic Kompagnie Kranke. Es war bisher noch nicht bekannt, von woher die Kompagnie Franke kam, die Windhoek und Okahandja entsetzt bat. Die „Nordv. Allg. Ztg." schreibt darüber: Tie von Oberleutnant Franke geführte Kompagnie, welche Windhoek und am 27. Januar das 16 Stunden weiter nördlich ge legene Okahandja entsetzt hat, ist die zweite Kompagnie der Schuytruppe, deren Standquartier Lmaruru ist und die gegendie Bondelzwarts südwärts abgerückl war. Ter zu 167ü Meter Höhe aussteigendc Kaiser-Wilhelms-Berg, auf dem bas Hauptlager der Herero erstürmt wurde, liegt im Osten von Oka handja, von dieser Siedclung durch einen Nebensluß des Swakop, den Schmelenshoop-River, getrennt. Tic „Oljisangati-Bcrge" sind wohl die Höhenzüge bei der etwa lö Kilometer nordöstlich von Okahandja gelegenen Siedelung Lljisangati, wo auch R. Kux, wohl der Bruder des bei Okahandja gefallenen Landwirts Georg Kux, eine Farm besitzt. Die ostasiatische Arisis. Trotz des sicheren Selbstgefühls, das die Japaner zur Schau tragen, sagen sich die einsichtigen Staatsmänner dieses Landes doch, daß die Aussichten Japans auf einen schließlichen Erfolg recht gering sine, sofern Japan seine Kräfte allein mit Rußland messen muß. Als Verbündete kouimen für Japan zwei Mächte in Frage, China und England. Run lieft mau schon seil einiger Zeit, und zwar vor nehmlich in englischen Blättern, daß der eine chinesische Gouverneur so und so viel Tausend Mann auf die Beine gebracht, daß der andere 20 600 moderne Gewehre bestellt und daß der dritte in einer feierlichen Eingabe an den Thron daraus ausmerksam gemacht bat, China würde zu Grunde geben, wenn es sich in einem Kriege zwischen Rußland und Japan einer schwächlichen Rcuiralikäl befleißigte und sich nickst vielmehr auf die Seite Japans stellte, ras die Integrität Chinas sicherstellcn wolle. Der letzterwähnte patriotische Gouverneur — cs ist der von f-)ünnau — hat seiner Eingabe an den Thron freilich verstanrigerweise hinzugesügt, baß, damit China in wirksamer Weise eingreifen könnte, unverzüglich Reformen eingesührt würden, insonderheit auf dem Gebiete des Heerwesens. Der gute Mann hat ganz recht, aber ehe diese Reformen beschlossen und eingesührt sind, und vor allem, ehe sich ihre Wirkung zeigt, kann Japan zehnmal von Rußland niedcrgeworfen worden sein. Wenn China unmittelbar nach dem Kriege niit Japan (1804 Oö) ebenso aus der Niederlage die entsprechenden Lehren zu ziehen gewußt hätte, wie Preußen nach der Niederlage von 1806/07, so könnte China allerdings sür Japan einen Verbündeten abgeben, vor dem Rußland Respekt haben müßte, ja, dann hätte Rußland sein kühnes Spiel in und niit der Mandschurei voraussichtlich gar nicht gewagt. Wie die Dinge aber jetzt stehen, stellen die Chinesen im Ernstfälle nur einen sekr minderwertigen Sukkurs für die Japaner dar. Ganz etwas anderes wäre es, wenn England seine ge waltige, in den ostasiatischen Gewässern befindliche Flotte den Japanern zur Verfügung stellte. Da der Krieg in sehr wesentlichem Maße ein Seekrieg sein würde, so wäre die englische Hülfe für Japan um so bedeutungsvoller, als die vereinigte japanisch - englische Schlackstfloite in Oslasien ter vereinigten russisch - französischen bei weitem überlegen wäre. Das bisherige Verhalten Englands in dieser Frage läßt aber darauf schließen, daß die englische Regierung sich, wenn es nur irgend angeht, um die Beteiligung ain Kriege Herum drücken wird. Vom egoistischen Standpunkte — und dieser ist für Staatsmänner, die das Gefühl der Verantwortung für ihr Land besitzen, der einzig gegebene — haben die englischen Politiker vollkommen recht, wenn sie die Beteiligung am Kampfe vermeiden wollen, denn für England erwächst auö einem Kriege zwischen Japan und Rußland selbst in dem Falle Vorteil, daß Japan besiegt wird. Allerdings würde dadurch das Prestige Rußlands in ganz Asien gesteigert werken, was für England natürlich unerwünscht ist, aber diese Unbequemlichkeit würde mehr als ausgewogen werden dadurch, daß Rußland nicht nur durch die großen Opfer an Geld und Menschen, die auch ein siegreicher Krieg erfordert, zeitweilig geschwächt würde, sondern daß es eine dauernde Schwächung erfahren würde durch die Not Wendigkeit, für alle Zeiten dem revanchedurstigen Japan gegenüber vu veckotu- zu sein. Selbst der Ricfcniuagen Ruß lands kann ja doch nicht das japanische Reich mit seine» mehr als 40 Millionen Einwohnern verschlingen. Japan würde ein selbständiger Staat bleiben und als solcher immer daran denken, die Niederlage eines Tages well zu inachen. Sv würde also ein japanisch russischer Krieg, wie immer er ausgeht, die russischen Aipirationcn nach dem Persischen Golfe, Afghanistan und Indien hin aus lauge, lange Zeit hinaus lahmlegen. Diesem ungeheuren Gewinne gegenüber könnte die Alleinherrschaft des russischen EinslusseS in Nord- oftasien voin Standpunkte der englischen Interessen aus nur eine geringe Rolle spielen. Unter diesen Umständen ist es für die Engländer viel wichtiger, Japan in den Krieg hineinzuhetzen, als selbst daran leilznnehinen. Und wir sehen, wie die englische Presse fast ausnahmslos nach diesem Rezepte verfährt. Fällt deshalb die russische Note etwa in dem Sinne aus, daß der Frieden erhalten bleibt, so wird man in England viel aigrierter über die Russen sein, als jetzt, wo man ihnen verwirft, in frivoler Weise die Japaner zum Kriege herauszusorkern. * Londou, 4. Februar. Tcm „Reutcrschen Bureau" wird aus Doti» gemeldet, in Anwesenheit des Kaisers habe heule eine Beratung der alten Staatsmänner srattgefunden und man glaube, daß in dieser Beratung eine Entscheidung von größter Wichtigkeit getroffen worden sei. In Tokio herrsche allgemein der Eindruck, das; jetzt jede Hoffnung aus Erhaltung des Friedens ver schwunden sei. * Washington, 4. Februar. Die japanische Regierung hat ihren hiesigen Gesandten Takahira von dem Auslaufen der russischen Flotte aus Port Arthur in Kenntnis gesetzt; über die Bestimmung der Flotte enthälr die Mitteilung nichts. * Petersburg, 4. Februar. Ter Dampfer der Freiwilligen Flotte „Kasan" ist am 3. d. M. in Port Arthur eingctrossen, der Dampfer „Orel" ist am 2. d. M. von Odessa nach Wladiwostok in See gegangen. * London, ü. Februar. zTel.) Rach Blätlernieldungen aus Soeul sind etwa 6000 Mann russischer Truppen in Port 88. Jahrgang. Arthur nach Korea eingeschisft worden. Die Transportschiffe werden von russischen Kriegsschiffen geleitet. Man erwartet, daß die Truppen in Tschemulpo landen und sich aus dem Landwege nach Soeul begeben werden. — Aus Washington erfahren mehrere Blätter, Vas amerikanische Staatsdepartement habe die Nachricht erhalten, daß 6 russische Kreuzer von Nimfchwang nach Korea abgegangen seien * Port Arthur, 2. Februar. (Tel.) Die russische Flotte segelte am Mittwoch ab und kehrte gestern zurück, ging aber nicht in den Hasen. politische Lagesschau. * Leipzig, 5. Februar. Die Beratung der Entschädigung unschuldig Verhafteter beweist einmal wieder die melancholische Wahrheit, daß es nichts Vollkommenes unter -er Sonne gibt. Eine Siegel mit so viel Ausnahmen haben wir lange nicht gelesen, Uw es ist wirklich nicht ganz leicht, vor lauter Mängeln die Vorzüge des Entwurfs zu gewahren. Ter Abgeordnete Heine mar denn auch der mephistophelischen Ansicht: „Trum besser wür's, daß nichts entstünde". Aber auch die Vertreter derjenigen Parteien, die man als die arbeits willigen bezeichnen konnte, übten einschneidende Kritik an der Vorlage. Ta sollen nu^diejenigcn Anrecht auf eine Entschädigung lmben, deren Unschuld klipp und klar be wiesen ist, so daß cs von nun an zweierlei Arten von Frei gesprochenen geben wird, die einen, die wirklich, und die andern, die „man soso" sreigesprochen sind. Da soll -er unschuldig Verhaftete keine Entschädigung erhalten, wenn die Handlung, die zu seiner Verhaftung «Anlaß gab, gegen die „guten Sitten" verstieß. Aber leider ist der Begriff der guten Litte ein ungemein strittiger. Auch der soll keine Entschädigung erlmlten, der etwa vier Wochen gebrummt hat und dann ohne Gerichtsbeschluß aus der Haft entlasten wird, einfach deswegen, weil der Staatsanwalt einsieht, daß er sine Sottise begangen hat. Und wenn die Enr- schädigungöpflicht verneint wird, so ist keine Berufung möglich und der einzige Trost für das Opfer der blinden Themis bleibt: Lerne zu leiden, ohne zu klagen! Hat jemand durch Fahrlässigkeit seine Verhaftung herbei geführt, so bekommt er nicht einen roten Heller, und wann ließe sich schließlich nicht nachweisen, daß er sehr wohl noch rechtzeitig — auskneifen konnte, seine Verhaftung also nur durch Fahrlässigkeit hevbeigeführt hat? Eins wird man sagen dürfen: von wahrhaft humanem Geiste zeugt diese Vorlage nur im Prinzip, und wenn sie zu stände kommt, so wird dem Reichstage ein erheb liches Verdienst zugesprochen werden wüsten. Es liegt so nah, ist so menschlich, ob all dieser Fußangeln und Fallstricke die Geduld zu verlieren. Aber Nieberding will es nicht anders, und so wird wohl Genügsamkeit in diesem Falle die beste Politik sein. Wir find ein ehrliches Geschlecht. In einer Briefkastennotir der neuesten „Hilfe" macht Pfarrer Naumann den Versuch, daS berufene national soziale Hetzgedicht über Crimmitschau zu recht fertigen. Nachdem er vorausgeschickt hat, daß nicht er der Verfasser des Gedichtes sei, fährt er fort: „Es ist ein alter, bewährter Freund, besten Mitempfinden durch die Nachrichten aus Crimmitschau auf das bitterste getroffen wurde. Noch ist es nicht verboten, für das Unrecht, das darin liegt, wenn die Führer des Arbeiterkampfes als Opfer fallen müstea, ein deutsches Rechtsgefühl zu haben, und noch hat der Dichter (und es ist ein Dichter) die Freiheit, etwas bewegtere Töne anzuschlagen, Feuilleton. In der Brandung. loj Roman von Wilhelm Fischer. (Nachdruck verbalen.) Achtes Kapitel. Frau Grete war in der Tat eine Meisterin in der Kunst der Verstellung, sie verstand sich zu beherrschen, und ,v verriet auch nichts in ihren Mienen die pikante Ent deckung, die sie gemacht hatte, als sie lachend den beiden, uns dem Kinderzimmer zurückkehrenden Damen erzählte, wie sehr der Baron aus den Wolken gefallen war, und welch' köstlich verblüfftes Gesicht er geschnitten habe, als er den Verlust der „Düte" gewahrte „Die Waise von Lowood mußte gerächt werden", lachte die alte Justizrütin froh auf. In diesem Augenblick trat vr. Werner in den Salo»; er sah sehr überarbeitet ans nnd machte einen nervösen, verhafteten Eindruck, auch schien er es eilig zu haben. „Ihr Diener, weine Herrschaften. Wally, ich wollte dir bloß witteilen, daß ich Tcrwin habe. Jedenfalls wickelt sich die Sache schnell ab. Wenn der Graf kommen sollte, dann . . . „Du erwartest ihn?" fragte Wally schnell: er nickte. „Du bist wohl stark beschäftigt, lieber Freund: man sieht eS dir an", meinte der Baron. „Sie müssen sich mehr schonen, Herr Doktor", warnte die Justizrätin in ihrer alles bemutternden Weise. „Nur nicht krank werden. Sic wüsten sich mehr zerstreuen. Das hilft I" „Tie haben recht, teuerste Fra« Rättu. Ich stehe später zu deiner Verfügung, Baron! Sie entschuldigen mich, meine Herrschaften." Vr. Werner brückte noch seiner Fran die Hand, dann eilte er aus dem Zimmer. „Mein Mann ist gegenwärtig aber auch zu schrecklich iu Anspruch genommen", sagte Wally, ihm einen liebe, vollen Blick nachwcrfend. „DaS ist mein Mann auch; aber ihn verjüngt es, wenn er nicht mehr weiß, wo ibm vor Arbeit der Kopf steht", bemerkte Krau Grete nachlüsfia. „Werner sieht in der Tat sehr überarbeitet aus", be- stätigte der Baron. „Richt! ? Haben Sie ,» auch schon bemerkt", fiel Frau Wally ivrgeud ein. „Er nintz sich schonen. Aber das sind ganz allein die Folgen Ihres Prozesses." Diese Bemerkung war in Gegenwart der Fran vr. Römer eine Unvorsichtigkeit, Wally sah cs an dem höhnischen Lächeln, mit dem Frau Grete die Bemerkung ihrer „Äkivalin" quittierte. „Sie werden mich gewiß um dieses Prozesses willen noch hassen, meine Gnädigste", lachte der Baron ans. „Irgend ein persönliches Interesse habe ich an dem Prozesse nicht", versuchte Frau Wally ihre Unvorsichtigkeit zu redressieren. „Seine Details nur und was d rum und dran hängt, haben mich nervös gemacht." „Mir ist das schon ausgefallen, meine Teuerste", meinte Frau Grete spitz und mit einem Lächeln, von dem man nicht wissen konnte, ob es natürlich oder gekünstelt war. „Wirklich, meine Liebe", entgegnete Frau Wally herb. „Vielleicht täuschen wir uns beide." „Wer ist heutzutage nicht nervös", rief Frau Grete, nicht ohne eine Schärfe im Ton, aus, die einen sind eS der Sünden der Väter willen, die sich vererben, bis ins vierte Glied, andere, weil sie ruhelos von den Kurien der Schuld und der Lüge sich verfolgt misten, und wieder andere, weil es die Mode mit sich bringt. Das letztere ist das Angenehmere." „Das sind fatale Ansichten, Frau Doktor", entgegnete die Frau Justizrütin nnd schüttelte mißbilligend das greise Haupt. „Ich würde die Jugend nicht mcbr be neiden, hätten Sie recht." „Und dennoch hat Frau vr. Römer recht, wenn sie von Furien der Mode spricht", sagte der Baron. „Die konventionelle Oberflächlichkeit mag nur diese drei Arten der Nerventötung kennen." — Frau Wally sprach es in einem nervösen, aufgeregten Ton „Ich kenne eine vierte, das Mitleid! Und ich nehme sie sür mich in Anspruch. Ja, ich meine das Mitleid mit einem Menschen, der, von den lnnttzutage immer hochgchcndcn Wogen der Verleumdunq erfaßt, gegen den himmel anstrebenden Fels der Gemeinheit geschleudert wird. . . ." „Ich wette, meine Herrschaften, unsere mitleidige Freundin spielt schon wieder auf ihre piva« ck« rc-zistancs, den famosen Prozeß Treuberg an", lachte Frau Grete höhnisch und scharf auf, ihrer Gegnerin einen heraus- fordernden Blick zuwersend. „Und wenn ich daS täte, Frau Rechtsanwalt Römer!" — Fran Wally zitterte vor Erregung. „Wenn es so wäre! Bet Gott, Madame, wer würde mir dies, mein Mitleid verargen?" Frau Grete nahm den ihr hingeivorfenen Fehdehand schuh auf. „Vielleicht ich, Madame!" entgegnete sie höhnisch und ihre Augen blickten haßerfüllt. „Ich glaube an ein selbst loses Mitleid nicht, ich glaube nur an ein Mitleid, das geheime Gründe bat, die man leicht erraten kann und, wo es sich der Mühe lohnt, auch wird." „Türmen Sie Berge der Bosheit, der Verleumdung und kleinlicher Rachsucht auf, Madame", rief Wally leiden- schcrftltch und geringschätzend auö. „Das Gemeine der eigenen Handlungsweise decken Sie nicht zu. Ja, damit Sie cs wissen, ich bemitleide den Grafen, weil er schutzlos den Machinationen eines gewissenlosen Strebers aus gesetzt ist." ,/Mein Munn wird sich zu verteidigen wissen; es ist das seine Sache", sagte Fran Grete und erhob sich höhnisch überlegen. „Auch ist es vier Uhr; das Konzert beginnt. Gestatten Sie, meine Herrsckmften, daß ich mich empfehle." Damit rauschte sie hoch erhöbe,»en Hauptes zur Türe hinaus, alle Beschwichtigungsversuche des Barons ab lehnend. Wally ging erregt im Zimmer auf und ab. „Hier berrscht ein Geheimnis", sagte sich der Baron, mährend die alte Justizrütin ihre junge Freundin zu be- ruhigen suchte, was ihr auch nach langem Zureden gelang. Weder sie, noch der Baron, noch Wally dachten in diesem Augenblick daran, daß vr. Römer von seiner Frau ge zwungen werden könnte, die Beleidigung mit einer Herausforderung Vr. Werners zu beantworten. „Meine Erregung", verteidigte Wally ihr Bevhalten, „dazu der Abscheu vor der blasierten Frivolität, welche diese Frau zur Schau trägt, riß mich hin. ES war töricht von mir. Ich gestehe es; aber wer kann für sein Tem perament." „Es war unklng!" sagte die Justizrütin vorwnrssvoll, „Sie^rben jetzt an ihr eine erbitterte Feindin." „Wie ich bisher eine geheime an ihr batte. Ich habe Beweise." „Und dennoch wäre es besser, dieser Zwist hätte sich nicht ereignet", sagte der Baron ernst. „Die Klugt-eit mag Ihnen beiden ja recht geben; ich will es zugcbcn, aber ich habe zu viel erduldet." „Falsche Freunde sind immer gefährlicher wie erklärte Gegner", sagte die Justizrütin beschwichtigend, „aber tun Tie ihr nicht unrecht, meine Beste?" „Frau vr. Römer ist kokett, mehr nicht. Für gefähr. tich halte ich st« nicht", meinte der Baron. „Da kennen Sie diese Dame herzlich schlecht, Herr Baron", lachte Wally höhnisch. „Ich weiß nicht, warum sie mich haßt; aber ich fühle es, daß sie mich haßt und daß sie hinter meinem Rücken gegen mich konspiriert. Ich weiß das, wenn ich auch zugeben will, daß ich etwas über eilt gehandelt habe." „Ein Mißverständnis, meine Gnädigste", meinte der Baron. „Wenn Sie befehlen, verpflichte ich mich, Krcru vr. Römer zu beruhigen." „Ich kann das nicht, lieber Baron!" lehnte Krau Wally das Anerbieten des Barons ab. „Ich bin einmal nicht gewöhnt, mir das Geringste zu vergeben. Sie hat mich gereizt. Ueberlassen wir also alles dem Zufall." „Ja, ja, das ist das Beste", bemerkte die Juftizrätin zu stimmend. „Der leidige Prozeß ist an allem schuld. Schlagen Sic Ihren Verwandten einen Vergleich vor. Versöhnen Sie sie mit dem Grafen." „Die Frau Justizrat hat recht", sagte Wally eifrig „Sie müssen den Vermittler zivischen Ihren Verivandren spielen. Der Prvzcb darf so nicht weiter gesül»rt werden." „Darf, meine Gnädigste, darf!" wiederholte der Baron unwillig. „Jä> gestehe, das Interesse, welches die Damen an dem Prozesse nehmen, überrascht mich. Damit Sie es nun wissen, ich lmbe bereits Schritte hinter dem Rücken des Herrn l)r. Römer unternommen." „Und?" fragte Wally lebhaft interessiert. „Die Antwort meiner Familie", entgegnete der Baron achselzuckend, „steht noch aus. Ich lmbe incineu Ver wandten vorgestellt, wie sehr dieser Prozeß hier meine gesellschaftliche Position tangiere; wie seör unser Namen darunter leide. Und so weiter." „Glauben Tie, daß Ihre Verwandten sich umstimmen lasten werden?" fragte Fra» Wall», nur bald beruhigt. „Möglich und nicht möglich, meine Gnädigste", er widerte der Baron etwas ungeduldig. „Meine Ver wandten sind starrsinnige LandedeUeutc, die schwer zu überzeugen sind." „Ich weiß selbst nicht, wesdalb ich so -ränge und jage, und nrich gerade für diesen Prozeß so interessiere", lachte Frau Wailo etwas gezwungen. „Was ist mir schließlich auch -er Prozeß. Seltsam, ich habe das ost gesagt, und trotzdem meine Anteilnahme." „Sic interessieren sich vielleicht um diesen Prozeß, weil Sie sich um seinen Ausgang und um den Ehrgeiz Werners sorgen. To, wie ich ihn kenne, würde er eS schwer er tragen, diesen Prozeß zu vertteren. Das fürchten Sie,
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