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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040526026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904052602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904052602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-26
- Monat1904-05
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Abend-Ausgabe Nr. 284 Jahrgang. Donnerstag den 26. Mai 1904. SZb rüeo.) Feuilleton «I >1). ' («/»> VLISN I« äs. sllzsit srtso. S»m- d »ra t»oN» «w«r »nwk. /LvNr >oton.» vrisl '3«b SSOV 3^75 1500 1100 urstso. lläsr,- 0^2 t^.- rb.— ihnen etwa noch verbliebenen Mittel hier anznlegen und daß dann tatsächlich eine allgemeine Landflucht eintritt." Die Zeitung weist auch ihrerseits auf die Tatsache hin, Nicht nur in den Häusern, die den seinen Ton an gaben, galt der abendliche Besuch von Wirtschaften durch jenen Angehörigen als nicht mit der Reputation vereinbar und nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet, auch unter dem Bürgerstande herrschte nach dieser Richtung vorwiegend eine Solidität, die löblichen und förderlichen Gegensatz zur unmäßigen Zechlust der Zünfte wie der Patrizier in früheren Zeiten bot. Jahrhunderte mit bösen, verheerenden Kricgsläusten hatten schon nach und nach an den alten Trink- und Trunkenheits-Unsitten ge mildert und die Wendezeit des letztocrgangenen die lange französische Gewaltherrschaft gebracht, der die Befreiungs kriege gefolgt waren. Diese Vorgänge von vieljähriger Andaner übten noch in weitem Umfange ihre Nach wirkung, mannigfach diirch ein Herabgekommensein zuvor wohlhabend Gewesener, säst allgemein in einer Erschwe rung des erfolgreichen Ringens um den Lebensbedarf; einschränkender, unnötigen Ausgaben und Vergnügungen mehrender Ernst behauptete die Oberhand. Man war sparsam geworden, in den Prosefsorenkretsen sogar bis zu einem ziemlichen Grade von Nüchternheit, der ihre abendlichen Teegescllschaften mit einigen dünnbestrichenen und -belegten Butterschnitten für gesundhungrige Leute z» einer schreckhaften Vorstellung machte; doch auch das Bier- oder höchst seltene Wein-Verlangen der Bürger beschränkte sich zumeist auf einen gemeinsamen Trunk von raume Zeitlang in den lautlos-stillen Gängen auf und ab, die Lust kam seiner Brust heute als von einer be sonderen, fast wie noch nie so gewesenen Köstlichkeit vor, zuweilen atmete er sie, stillstehend, ein paarmal in tiefen Zügen ein. Durch den Kopf zogen ihm Gedanken, doch in einander verwickelten Fäden ähnlich; wenn er einen für sich herauszulösen suchte, gelang's nicht, sondern ward nur ein verwirrtes Knäuel daraus. Allmählich schwand die Tageshelle von den Büschen um ihn ab und am noch nicht verdunkelten Himmel tauchte westwärts, einem blaffen Wolkenflöckchen gleich, die erste schmale Sichel des wieder beginnenden Mondes hervor. Nach der blickte er eine ge raume Weile auf, und wie sie im verdämmernden Blau mehr und mehr einen Silberglanz annahm, erschien sie ihm als ein schönes, deutendes Vorzeichen, doch wofür, wußte er sich nicht zu sagen. Er nickte dem kleinen, aus dem Acther her glimmernde Fäden in seine Augen herab spinnenden Lichtstreifen nur einmal mit einem freudigen Empfinden zu und verließ dann durch seinen Zaunausweg den Garten. * Im Golf von Petschili feuerte am Dienstag ein japanischer Kreuzer auf einen deutschen Dampfer, dessen Signale er mißverstand. (S. russ.- jap.-Krieg.) * Im Norden von Schantung brach eine Bc-> wegüng aus, wie sie vor den Boxerun ruhen stattfand. * Ten Russen ist die beabsichtigte Zecstörung derHafenanlagenvonDalnymißlungen. (S. russ.-jap. Krieg.) * Eine große Feuersbrunst zerstörte einer Meldung aus Memphis in Tennessee zufolge den ganzen südlich des Nazooflusses gelegenen Teil der Aazoocity im Staat Mississippi in einer Länge von zwölf und einer Breite von drei Häusergevierten. Unter den zerstörten Gebäuden befinden sich das Rathaus, das Gerichtsgebäude, das Postgebäude, alle Banken, sowie Geschäftshäuser und Zeitungsdruckereien. schule in Preußen im Sinne einer konfessionellen StaatS- anstalt unserer Verfassung nicht entspricht." Damit hat er unsern Standpunkt bündig gekennzeichnet, nur mit dem Unter schiede, daß wir ihn beute noch einnehmen und daß Herr vr. Friedberg seit vierzehn Jahren umgelernt hat. Selbstver ständlich kann niemand etwas dagegen einwenden, wenn ein Ab geordneter in einem so langen Zeitraum seine Auffassungen über diese oder jene politische Frage modifiziert; indessen sehen wir nicht ein, warum gerade der Friedberg von 1904 gegen den Friedberg von 1890 recht behalten soll. Durch den neuen Antrag ist der konfessionelle Charakter der Schule gesetzlich festgelegt und die Simultanschule prinzipiell zur Ausnahme erklärt worden. Um die Konsequenzen nicht zu sehen, die sich hieraus praktisch ergeben werden, muß man schon sehr rechtssichtig sein. In dieser Beziehung dürfte ein Kompromiß zwischen dem ent schiedenen Liberalismus und den jetzt nach rechts ab geschwenkten Teilen der Partei nicht herzustellen sein. So bedauerlich diese Spaltung uns erscheint, so kann unserer Ansicht nach doch nicht einen Augenblick Zweifel darüber herrschen, auf welche Seite sich diejenigen zu scharen haben, die den liberalen Traditionen, wie Gneist und andere hervorragende Männer sie vertreten haben, treu bleiben wollen. Auf dem Wege der Herren Friedberg und Hackenberg gerät der Liberalismus in eine prinzipienlose Opportunitätspolitck hinein, die seine Existenz in Frage stellt und sogar seine Existenzberechtigung als zweifelhaft erscheinen lassen würde. Gerade das ist die Aufgabe des Liberalismus in einer Zeit, in der auch in der Politik nur noch Gewinn und Verlust kalkuliert wird, Bannerträger der Idee zu bleiben und sich eines von leichten Köpfen viel verspotteten Idea lismus nicht zu schämen. Trotz mancher augenblicklicher Mißerfolge wird eine derartige Haltung sich auch praktisch belohnen, denn ganz sicher wird eine Zeit kommen, in der daS deutsche Volk denjenigen dankbar sein wird, die solche Fragen, in denen keine materiellen Interessen auf dem Spiele standen, nicht mit Gleichgiltigkeit als „Dinge, die wechseln" behandelt haben, sondern sich dessen entsännen, daß es schließlich doch der Idealismus war, der unser Volk mittelbar auch auf politischem und materiellem Gebiete groß gemacht hat. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die ausschlag gebende Presse des Landes sich fast einstimmig gegen die preußische Fraktionspolitik ausgesprochen hat. In dieser Beziehung ist von besonderem Interesse, was die „Köln. Ztg." gegenüber einem nationalliberalen Abgeordneten sagt. Der Abgeordnete hatte in der „Köln. Ztg." die „Verbesserungen" des Compromisses gegenüber dem Zedlitzschen Entwurf von 1892 hervorgehoben, worauf die Zeitung ihrerseits antwortet: Wir bestreiten nicht im geringsten, daß der Zedlitzsche Entwurf vom Jahre 18921 noch schlechter im Sinne des Liberalismus ge wesen ist als der jetzige Antrag. Sieht man aber näher zu, so ist der Abstand zwischen den beiden Versuchen zur Regelung der Volks schulfragen gar nicht so erheblich. Der Zedlitzsche Entwurf ermög lichte die Entwicklung der Privatschulen, er zwang die Kinder der Dissidenten in den kofessionellcn Religionsunterricht hinein, er legte die konfessionelle Ausbildung des Lehrpersonals fest und er schuf alle Schuldeputationen zu konfessionellen Organisationen um. Diese 51^ 120^ 14)^2 110^4 so-. 4K'. * In Varna wurden drei Personen ver haftet. welche eine Höllenmaschine für einen Mordanschlap nach Makedonien einschmuggeln wollten. (S. Ausland.) * Nach einem Telegramm aus HarriSburg in Penn- sylvanien wurden in einer Grube bei W i l I i a m s t o w n fünfzig Bergarbeiter durch schlagende Wetter verschüttet. 7 Leichen sind bisher geborgen. Vie pleuttkcbe Zcbulttage. Der nationalliberale Abgeordnete Or. Friedberg hat in der Berliner „Nationalzeitung" die Haltung der National liberalen in der Schulfrage in einem ausführlichen Artikel ver teidigt. Wir haben zu der Frage bereit« grundsätzlich Stellung ge- nommenundsebenunSdurchdieAusführungendesHerrnvr.Fried- berg zueinerAenderungunsererAnschauungen nichtveranlaßt. Die „Boss. Ztg." ruft Herrn vr, Friedberg einige Aeußerungen aus einer Rede vom 5. Dezember 1890 ins Gedächtnis, in welcher er ausgesprochen hat, „daß die konfessionelle Volks- Di . Paul Rohrbach, der neuernannte kaiserliche Kommissar für Deutsch-Sübwestafrika, befindet sich wohl und hält sich zur Zeit in Grootfontein auf. Auf einer Postkarte, die heute auf unserer Redaktion einlief, teilt er einem Redaktionsmitglied mit, daß er — vorläufig ungestraft — unter Palmen wandle. Var Mchtigrte vom rage. Den alarmierenden Nachrichten über kriege rische Absichten Chinas anläßlich des russisch japanischen Krieges wird, wie wir erfahren, in Ber - liner diplomatischen Kreisen weder im all- gemeinen, noch besonders im Hinblick auf die augenblick liche Lage auf dem Kriegsschauplätze Glauben beige messen. * Der Straßenbahner - Aus st and in Posen ist durch gütliche Einigung vermieden worden. (S. Dtsch. Reich.) Nachbarn und Bekannten im Gasthaus nach Schluß der Tagesarbeit bis zur häuslichen Abendkost. Zu dieser stellten sie sich, besonnen des frühen Aufstehens am nächsten Morgen vorgedenk, zwischen ihren vier Wänden wieder ein; die nicht von der niedrigsten, nach Branntewein lüsterne Bevölkerungsklaffe ausgesuchten Schänkstuben wurden für eine Zeitlang fast leer und füllten sich da und dort erst wieder, wenn die Anwart- schaststrägcr aus den höchsten Bildungsstand eintrafen, um ihren unerläßlichen abendlich-nächtlichen Verpflich tungen bei'm Bier- oder Punschglase, indes nicht einem, sondern einer langausgiebigen Reihenfolge, nachzu kommen. Zukünftige würdevolle Superintendenten, Schulrektoren, Professoren, Gerichts- und Sanitätsräte wetteiferten daun in den vielfältigen Kehlenlcistungen des Hcrunterstürzens von „Halben" und „Ganzen", des Singens zum größten Teil dichterisch wertloser, die Bnrschcnfreiheit verherrlichender Lieder, eines dazwischen hinüber und herüber Schreiens, Kreischens und Lärmens, bis die Stimmbänder heiser versagten, zum weiteren Gebrauch immer rascher erneuter Anfeuchtung bedurften Auch die Zunge» waren ohne Unterlaß tätig, doch nicht zum Führen einer Unterhaltung über wissenschaftliche oder sonstig ernsthafte Gegenstände; beinahe ausschließlich wurde „gcdiftelt". das hieß, es suchte einer den andern durch größere Mundfertigkeit und schnodderige Rede wendungen, zu ausplatzendem Gelächter der Vorsitzenden, nntcrzukriegen, nach dem studentischen Jargon „aus den Pott zu jubeln". Wie in Auerbachs Keller ging's „mit wenig Witz und viel Behagen" zu, zur völlig ausreichenden täglichen Befriedigung der Kneipgenoffcuschaft, die in oorpore bei akademischen Feierlichkeiten von dem Professor der Beredsamkeit in der lateinischen Festrede als „klon ckecms »ckolesoentia«" bezeichnet ward. Einzelne schritten, freilich manchmal erst recht spät, zu besserer Selbstbesinnung vor und bildeten sich nachträglich zu nutz- bringenden, auch hervorragenden Vertretern der von ihnen erwählten Wissenschaften auS; die Mehrzahl da gegen beharrte leiblich un>d geistig im versumpften Geleise ihrer von „jugendlicher Begeisterung" erfüllten llntversi- tätsjahre fort, bis sie schließlich in Gestalt nie zum Eramen gelangender, „zwanzig- nnd mehrsemestrigcr, bemooster Häupter" irgendwohin in Verschollenheit weg- schwand oder für ihre nachmaligen BerufSpflichten die große Durchschnittsmasse von „studierten Leuten" lieferte, deren Bildung, Gedankenkreis und Wissen bei richtiger Bemessung oft unrer der Stufe tüchtiger Handarbeiter zu- udix. 2-i. M/L, I Xnt- >v>ä«o, <i«r c von idurr. t VN- ' ttö/5) «iov., >m»n prtic. »visov r.msn, Lor». ver rurztich-japaaizche Krieg. Neuer Vsinbardeineut von Arthur * Tschifu, 25. Mai. Ein heute hier eingetroffener Franzose, der am 22. Mai von Dalny abgefahren ist, hat die gestrige Beschießung von Port Arthur mit angesehen. Er berichtet, daß acht große japanische Schiffe sich eine Stunde lang um den Hafeneingang legten und in Zwischenräumen von zehn Minuten ihre Breitseiten ab- feuerten. In Dalny war, als der französische Reisende es verließ, alles ruhig; doch sagt er, man habe dort stündlich einen Angriff der Japaner erwartet. Die Militär- und Civilbeamten seien gerüstet, Dalny zu verlassen; von Civilpersonen seien nur noch einige in nichtamtlicher Stellung befindliche zurückgeblieben. Der von den Russen vor einiger Zeit gemachte Versuch, die Docks rind Anlege st ellen in Dalny zu zerstören, seimißlungen. General Stössel habe auf die Nach- richt von dem Untergange des Panzerschiffes „Hatsuse" hin angeordnet, daß der Versuch nicht erneuert werden soll. Die Japaner stehen, wie berichtet wird, mit ge schlossener Truppenmacht in Pitzewo und Kintschau, und sollen bereit sein, auf beiden Seiten der Halbinsel auf Port Arthur zu marschieren. Heute hat im Golf von Petschili ein japanischer Kreuzer auf den deutschen Dampfer „Tschifu" gefeuert, dessen Signale er mißverstanden hatte. In der letzten Nacht ist auf der Höhe des Vorgebirges Liau-ti-schan auf den schwedischen Dampfer „Karin" gefeuert worden, doch weiß man nicht von wem. Vie Stellring der Japaner. präzisiert Generaladjutant Kuropatkin in nachstehendem Telegramm an den Zaren: Bei Föngwantscheng find gegen 40 000 Mann japanische Truppen zusammen- gezogen, bei Piamyn vier Linienregimenter mit 50 Ge schützen. Kleine Abteilungen japanischer Truppen rücken von Föngwantscheng nach Ssiujan vor. Dieser Vormarsch vollzieht sich äußerst langsam und unter großen Vorsichts- maßregeln. Auf dem linken Ufer des Tayangho nahm ein Teil dieser Truppen, nämlich 3000 Mann Linien- und Garde-Infanterie und 3 Eskadrons Garde-Kavallerie, am 22. Mai staffelförmige Aufstellung zwischen Ssediachoge und Salilsaipudsa auf dem Wege nach Ssiujan. Gleich zeitig wurde festgestellt, daß der Gegner auch von Föng- wantscheng und Piamyn nach dem Unterlaufe des Tayangho in der Richtung auf Luanmiau vorrückt. Ab teilungen seiner Vorhut sind auf das rechte Ufer des Tayangho übergesetzt, und am 22. Mai besetzte eine dieser Abteilungen, die etwa drei Kompagnien und eine Es- ) In IQ- Leder. Ksdau * Die Mitglieder des böhmischen Landes- ausschusses sprachen sich gegen die Einbe rufung des Landtages aus, da die Session wegen der Obstruktion der Parteien doch ergebnislos bleiben würde. (S. Ausland.) vernünftig sprichst, muß ich's dir beweisen, damit du dich schämst." Sie leistete noch ein bißchen mit der Hand Widerstand, dann indes ließen ihre Finger los, so daß er die halbe Reineklande aus ihnen fortwinden und rasch zum Mund bringen konnte. Hastig schien er sie auch verzehren zu wollen, doch tat's, jetzt in ihrem gesicherten Besitz, nicht, sondern ganz langsam und die Augenlider dabei zu schließend. So saß das Mädchen, sein Gesicht, bis er fertig geworden, wohl eine Minute lang mit aufmerkendem Blick beobachtend, und sagte dann: „Du hast dich gut als ein Freund überwunden; ich tät's auch, wenn du eine angcbissen hättest. Aber nicht wahr, sie schmeckte siiß, und du begreifst, daß ich sie dir lieber gönnte als mir?" »Ja — sehr süß —", antwortete er, die Lider dabei öffnend, doch sei» aufsehender Blick wich an ihren, ihm entgegengerichteten Augen vorübev. Sie sprang jetzt plötzlich etwas erschrocken in die Höh' und stieß aus: „Ich glaube, es ist heute später geworden, und ich muß mich sputen, damit ich nicht bös gescholten werde. Wir haben uns so viel erzählt — morgen will ich mir andere Schuhe kaufen und mich auch nach einem Kleid umsehen — wie viel Dank bin ich dir schuldig! Leb' recht wohl, bis wir uns hier Wiedersehen, Dietger, und vergiß nicht, daß ich nur ein Mädchen bin und du auch Freunde nötig hast, die besten, die unter den Studenten sind. Und schlafe heut' Nacht recht gut und lange, und denke, wenn du auf wachst, d ran, daß ich dann schon lange aus dem Bett habe heraus müssen, denn ich Hab s wirklich nicht leicht in der Hoffnung." Es raschelte kurz im herbstlich vergilbenden Laub der Buchenhecke, dann, stand Dieter, wie schon seit mehreren Tagen so, allein zurückgeblieben da. Doch bedünkten ihn die Tage gleich Wochen, und ein anderes Tänschungsgefühl kam heute hinzu, denn ihm war, als habe er die Reine- klaude nicht verschluckt, sondern trage sie noch auf der Zunge fort, Nur ihr Nachgeschmack könnt' es sein, aber so süß war noch keine je von ihm gegessene gewesen. Wunderlich empfand er, als ob ihr Saft geradezu in sein Blut nnd mit dem in seinen Herzschlag nbergegangen sei, auS diesem in Wellen seinen ganzen Körper durchfließe. Das beruhte natürlich auf einer Einbildung, doch Früchte, die eine solche zu derartiger Leb- und Leibhaftigkeit er zeugten, vermochten nirgendwo anders als in Tamms Garten zn reisen; alles, was dieser umschloß, barg einen geheimen, nicht mit Worten benennbaren Zauber in sich. Der angehende junge Student wanderte noch eine ge- >20 «es SZ,90 2'/,. 83.50 1S02 W A 53,40 ss'.bö 'ripMcr TaMM Anzeiger. Ämlsvkatt des Königliche« Land- nnd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Aolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Tamms Garten. Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verbalen. Während des Gesprächs nahm sie ab und zu eine der täglich um ihren Sitz neu vom Baume herabgefallenen Pflaumen zum Verzehren auf, streckte gegenwärtig so die Hand nach einer ungewöhnlich goldgelb gefärbten Reine claude, führte diese zum Mund und zerteilte sie mit den Zähnen in zwei Hälften. Davon die eine aufesscnd, hielt sie die andere zwischen den Fingern und sagte dann: „So gut war noch keine, mir tut's leid, ich hätte sie dir geben sollen, um wenigstens ein kleines bischen zu zeigen, wie dankbar ich dir bin." Die Frucht nahm sich in der Tat verlockend aus, der Blick des Angesprochenen richtete sich draufhin, und ihre Hand näherte sie seinen Augen noch etwas mehr; in ihrer Miene stand dabei lesbar die Absicht, ihnen bedauerlich genauer erkennbar zu machen, welcher Genuß ihm durch ihr unbedacht vorschnelles Tun entgangen sei. So rührte ihn auch ein aromatisch von der Pflaume ausgehendes Duft an, und er entgegnete: „Ja, der Geruch sagt, daß sie besonders gut sein muß, aber" — er hielt einen Augenblick an — „ich glaube, dir ist'S doch lieber, selbst sie zu essen." In den Zügen Amelias zeigte sich leis eine Kränkung über seinen Zweifel an der Aufrichtigkeit ihres Be- dauerns, und thr flog von den Lippen: „Wenn ich sie nicht angebissen hätte, würd' ich dir's beweisen, gäbe sie dir ge wiß noch." Nun antwortete er, halblachend, mit ein wenig ge zwungen scherzendem Ton: „Wer etwas für sich behalten will, kann leicht einen Grund oorgeben. Warum tätst du'S sonst nicht?" „Weil mein Mund dran gewesen nnd sie dir zuwider sein muß. Aber weil du sie nicht essen kannst, will ich mich bestrafen und die Hälfte auch nicht mehr." Sie hob den Arm, um die Frucht wegzuwerfen, doch er griff gleichzeitig haltend nach ihrer Hand. „DaS wäre schade, und du tust mir unrecht. Freunde können doch keinen Widerwillen voreinander haben. Wenn du so un- vix. SP— 85,— ä^25 A- Y5.7S 8825 BezugS-PreiS bi der Hanplexpedttto» oder deren Ausgabe stelle» a»geholt: vierteljährlich 3.—. bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 3.7b. Durch di» Poft bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di« übrigen Länder laut ZeilvngSprriSliste. NeDaktt»»: Johanutsgasse 8. Sprechstunde: 5—6 Uhr Nachm. Fernsprecher: 153 VrpeHtttO«: JohanntSgasse L Fernsprecher: 222. AilialerPeUtttone«: Alfred Hahn,Buchhandlg.,UntversitätSstr.S (Fernspr. Nr. 4046); L. Lüsche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr 2935) u. König«- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden Marie»straßr34 (Fernsprecher Amt Illtr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: LarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbaudla., Lützowstraße 10(FerusprechrrAmtVI Nr.46O3.) Anzeigen-Preis die 6 gespaltene PetitzeUe 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 nach den Familiennach ¬ richten (6 gespalten) 50 -H. 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Oberleutnant Griesbach Seinen im Kampfe gegen die Herero erlittenen Ver wundungen erlegen ist der 34jährige Oberleut nant Paul Griesbach, der Sohn des bisherigen Ber liner Oberpostdirektors Griesbach, der am 1. April in den Ruhestand trat. Dem jungen Offizier hatte eine feindliche Kugel den Lendenwirbel zertrümmert. Der Verwundete wurde dann nach Hamburg transportiert, wo er zunächst im Garnisonlazarett zu Altona Aufnahme fand. Später wurde er nach dem Eppendorfer Kranken hause geschafft, wo er jetzt seiner schweren Verletzung er legen ist. Die Lutschädiguugsfrage beherrscht jetzt, wie aus den letzten Nummern der „Deutsch- Südwestafr. Ztg." hervorgeht, das Interesse der Kolonisten in vollem Umfange. Mehrere große Versammlungen in Windhuk und Swakopmund haben sich eingehend damit beschäftibt. Große Erregung hat natürlich die Nachricht von dem Reichstaasbefchluß bervorgerufen, der nnr „Bedürftigen" nicht rückzahlbare Hülfeleistungen gewähren will, und die genannte deutsche Zeitung des Schutzgebiets knüpft sehr ernste Befürchtungen an diese Nachricht an. Sie schreibt: „Mau gebe sich rücksichtlich der entscheidenden Wichtigkeit des Gegenstandes für die Zukunft des Schutzgebiets keiner Täuschung hinl So standhaften Mutes die Menschen im Schutzgebiete wieder an die Arbeit gehen werden, wenn ihnen die Arbeitsmittel — und das ist ihr verloren gegangenes Vermögen — wiederhergestellt werden, so sicher istszu besorgen, daß, wenn dies nicht geschieht, sie das Vertrauen verloren haben werden, weitere Tätigkeit und die vier Eigenschaften des Zedlitzschen Entwurfs weist der gegenwärtige Antrag freilich nicht auf, er gibt aber auch nicht die geringsten Bürgschaften dafür, daß, nachdem seine Bestimmungen Gesetz ge- — -»i v», worden sind, die Konservativen mit den Ultramontanen nicht auch daß amtlich stets die Sicherheit von Leben und Eigentum in diese vier Punkte im antiliberalen Sinne zur Erledigung bringen, dem besiedelten Teile des Schutzgebietes als zweifellos Hin- Im Gegenteil, ist erst einmal durch einen dem Anträge ent- l gestellt worden ist. sprechenden Gesetzentwurf die Konsessionalität der Volksschule und -- der Einfluß der Kirche in den Schuldeputationen gesetzlich festgelegt, so wird es der antiliberalen Mehrheit des Abgeordnetenhauses ein leichtes sein, jene vier Punkte hinzuzusügen und damit den alten Zedlitzschen Entwurf völlig wiederherzustellen, zumal es sich bei dem Religionsunterricht der Dissidenten und der Vorbildung des Lehrpersonals nur um die gesetzliche Sicherung eines gegenwärtig schon bestehenden Zustandes handeln würde. Da auch die Schul aussicht vom Staate immer mehr ver Kirche überantwortet wird und der vorliegende Schulantrag hiergegen keine Bestimmungen trifft, wüßten wir nicht, wo irgend dem Liberalismus von einem Gesetzentwürfe im Sinne des Antrags auch nur der geringste Vor teil erblühen soll.
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