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16 Dr. Jofef Bayer. er denn feine glänzenden Vorzüge nie ganz ins Gleichgewicht. Er hat von dem Warfchauer Reichstag von 1773 in unferem Belvedere bis auf feinen Stephan Bathory, wie ein kundiges Urtheil (von Fr. Pecht) über ihn befagt, die bedeutend- ften Fortfehritte in der Ausprägung der Charaktere, des Individuellen gemacht, aber zum Theil aufKoften der Gröfse der Auffaffung; das „Gypferne“ in der Färbung, die violetten kalten Lichter, die noch eines feiner vorzüglichenFrauen- porträts auf der Ausftellung zeigte, wäre überwunden ; dafür ift die ganze colo- riftifche Behandlung fleckig, haltungslos und unruhig geworden, jedes Detail fcheint ohne Unterordnung nur für fich da zu fein, Alles fchreit durcheinander und von Harmonie und Stimmung ift kaum mehr die Rede ; zudem bekommt im ,,Bathory“, wo zu den Farben noch das Weifs des Schnee’s blendet und es auf dem Bilde faft keine Schatten gibt, das Ganze dadurch beinahe etwas Gobelin artiges. Indefs find dies bei alledem beneidenswerthe Fehler, fo auffallend fie immerhin fein mögen, und gehen aus einer ausnehmend malerifchen Kraft her vor, die nur ihr Mafs fofort nicht zu finden weifs; wenn Matejko auch wirklich die edle, ftrenge Plaftik feiner Form über der einfeitig entwickelten Energie der coloriftifchen Gegenfätze einigermafsen vergeffen zu haben fcheint, fo dürfte er wolil auch feine achtungsvollen Tadler bald wieder mit einer neuen, aus geglicheneren Wendung feiner Technik überrafchen. — Seine Porträts, deren mehrere von hohem eigenthümlichen Werthe ausgeftellt waren, haben denfelben fcharf ausgeprägten nationalen Zug, wie feine hiftorifchen Typen, ja fie find wohl noch fubjeeftiver gefafst als diefe. Ein gutes Stück polnifchen Gemüthslebens ift in diefe originellen Bildniffe durchgängig verfenkt. Matejko malt eben das Vater land wenigftens als Stimmung zu Allem mit, was er malt. Neben diefem glänzenden Talente nehmen nun die anderen Maler der galizifchen Landsmannfchaft eine zum Theil zwar fehr achtungswerthe, aber doch untergeordnete Stellung ein. Unter den Zeichnern und Aquarelliften hatten fich mehrere derfelben mit fehr fcliätzenswerthen Leiftungen eingefunden: fo Julius Koffak und Valery Eijasz aus Krakau, Fr. Tepa aus Lemberg. Der Krftere, wohl der Bedeutendfte, wirft Reiterattaquen und Kriegsepifoden in glän zender und geiftreicher Aquarelltechnik aufs Blatt; Eijasz verherrlicht die Waffen- thaten Kosciuszko’s, und Tepa fchildert in netten Genreftudien galizifche Bäuerinen, ackernde Bauern und polnifche Juden. Zum Schluffe hebe ich, da ich eben bei den Zeichnern angelangt bin, noch ein fehr beachtenswerthesTalentinderungarifchen Abtheilung hervor, das einen ziemlich felbftftändigen, wenn auch etwas abenteuer lichen Weg geht; es ift Mich. Zichy, der eine ganze Reihe von Kohlen-, Sepia und Bleiftiftzeichnungen, drei Aquarelle, und aufserdem zwei Canons („Cbriftus und diePriefter“, dann „Luther und derPapft“) ausgeftellt hat. Es arbeitet in ihm ein gährender Compofitionsdrang, der mitunter die feltfamften Blafen treibt, aber fich vielleicht zu wirklicher Bedeutung herausklären dürfte, wenn zu der Kühnheit des Gedankenwurfs noch die Bildungdes künftlerifchen Gefühles, der Sinn für den Adel der Contour hinzuträte. Ohne diefes bleibt das Grofse der Kunft nur in derlntention ftecken, und der effedfive Eindruck, der wirklich erreicht wird, ift nur der der Bizarrerie. II. Deutfehes Reich. „Die bildende Kunft hat in Deutfchland feit der letzten Weltausftellung zu Paris 1867 durch den politifchen und materiellen Auffchwung des Reiches einen gewaltigen Zuwachs an Aufgaben und glänzende Mittel zur Ausführung erhalten. Zur augenblicklichen Befriedigung des plötzlich erwachten Bediirfniffes nach feft- licher Pracht hat fich die blofe Ausdehnung der vorhandenen künftlerifchen Ele mente nicht als ausreichend erwiefen. Man fucht nach reicheren Ausdrucksmitteln, als die feit demAnfang des Jahrhundertes herrfchende knappe Formenftrenge des Clafficismus fie gewährt. Die decorative Malerei und Plaftik, auf lange hinaus völlig