38 DIE SIEGESALLEE Ischegaon. Als im 6. und 5. Jahrhundert Schatzhäuser und Weih geschenke sich mehrten, wird der Tempelbezirk nach Süden er weitert und schließlich in hellenistischer Zeit durch die Quadermauer des Hellaniko abgeschlossen. Dieselbe Zeit hat auch im Norden die zuerst ganz isoliert liegende Lesche und das jetzt erst stein erbaute Theater in den nsgißokoe des Tempels hereingezogen. Wie eng der Raum geworden war, zeigt die Säulenhalle des Attalos, die die Ostmauer durchbrechen mußte, um Platz zu finden. Das Ein gangstor im Südosten und die davorliegende Agora hat erst die römische Zeit geschaffen, die auch an der Umfassungsmauer nicht nur renovierte, sondern auch änderte. Diese ganz kurz skizzierte Baugeschichte in ihren Einzel heiten sicher festzustellen und Lage und Aussehen der Monu mente auf Grund der Überreste und Fundberichte, so weit es möglich ist, zu bestimmen, ist die schwere, noch lange nicht beendete Auf gabe der Archäologie. Möge Delphi in den nächsten Jahrzehnten von schweren Erdbeben verschont bleiben, sie könnten leicht die sorgsam geborgenen Reste aufs neue durcheinanderwerfen, bevor alles durch Photographien und genaueste Messungen dauernd ge sichert ist. Man hat in deutschen Gelehrtenkreisen oft darüber ge klagt, daß die Franzosen solche Möglichkeit nicht genügend ins Auge gefaßt haben. Sonst hätten sie das Tempo in der Herausgabe der „Fouilles des Delphes“ vielleicht doch beschleunigt. Das Erdbeben vom Jahre 1905 war eine Warnung. 6. DIE SIEGESALLEE W enn man vom Vorhof einige rechts und links von Weih wasserbecken- flankierte Stufen hinaufstieg, betrat man durch ein großes Tor den heiligen Bezirk. Es war kein Propyläentor, der Toreingang auch nicht überdacht. Zu beiden Seiten der sich nun eröffnenden Straße stand eine schier unüber sehbare Reihe von Weihgeschenken, größere figurenreiche Ana- theme und Einzelstatuen, so viele, daß Pausanias sagt, er könne nur die denkwürdigsten nennen, die Athleten und sonstige Siegerbilder müsse er übergehen. Heute sieht man nur armselige Trümmer von Postamenten und Fundamenten, da und dort mit einer willkomme nen Inschrift, aber der Fleiß und Scharfsinn der Gelehrten hat doch