Suche löschen...
Dresdner Journal : 17.04.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187404173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18740417
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18740417
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1874
- Monat1874-04
- Tag1874-04-17
- Monat1874-04
- Jahr1874
- Titel
- Dresdner Journal : 17.04.1874
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
.V 87. Freitag, den 17. AM 1874 4b»i>i»emei»t«prei«r Im <l«vt«ck*» N«ick«: ^LKrUvt»:. ...» 1'blr. ^jLdrliok: 1 IRIr. 15 Lwrelllsüummeru: 1 Hxr. Iv kr«n»«» tritt s5krl>ctl 2 1'blr 8t»mp«I^»b<1kr, »u»»«rk»Id<lv« cleut»ckvl» ltsiob«» ko»t- uvci 8temp«lru«:kl»ik bimu, Ill8er»1enprel«pr Kür ävv k»um einer ^e»n»>teneo pstitreil«: 2 d-'^r. Unter „Lin^e«»nät" äis Leit«: 5 Hzr. Krsvdvtaem IN^liot» mit XniNLdm« äor kann- nnä koiertn^e, Fdoaä» kür äva kol^vnäen L«^. Dres-mrZournal. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Harünann. Ia8«rntei,»ao»I,me »i»^Lrt,i k>>. Hrant^trttrr, Oomniin-iunLr <te« Ure»6ner 4ouru»l»; el^mlit».: u. L ^>evrr, Luabur, 5«rN»- Vl«n 1-«tp,i^-»»i«I-Sr„l»n-rr»nUurr» <t ^vA/rr, L»rU» Vi«n-8»mdnr^-kr»G-l,«ipit^-?r»LK- tnrl ». H. - Hüncken: Nutt ^kuE, 5«rUn: ^4 Äeternr^er, /»irat«ckr»«tunt:,//^tLrec^t. L »rv, 1»«: N ÜüreitU; Vd-mmt«: ? r I <-,At turt » N.: /. u rAer'evkv u. 6'. //erri»«»n't>cliv Uucbli Nu^LeF6'o., SürUt«: /nv D , L»nn<>v«r: . Lc^Eter,' k»ri,i /.u/itte, F c'o., 8tnll^»rr: Daube ct k'v., ,8ücici. FrirrMicen-Närea«, Vien: .4/ Oxpetit. llerausxekvrr Xöiulsl. lixpeüition äe» vreeäner ^ournni», lirestlvn, UnrAnretdeuAULijv 1. Amtlicher Theil. Se. Majestät der König haben allergnädigst geruht, dem nunmehr pensionirten Aufseher in der ersten Laternen- Wachstube der Gasanstalt zu Leipzig Johann Friedrich Säugling die silberne Medaille vom Albrechtsvrden zu verleihen. Nichtamtlicher Theil. Ueberficht. Telegraphische Nachrichten. Tagesgeschichte. (Berlin. Leobsbütz. Bonn. München. Wien. Prag. Pest. Paris. London. Konstantinopel. Washington.) Dresdner Nachrichten. Provinzialuachrichtev. (Leipzig. Chemnitz. Zwickau. Leisnig. Frankenberg.) Vermischte-. Statistik und LolkSwirthschast. EingesandteS. Lotteriegewinnlifte vom 15. April. Feuilleton. Inserate. TageSkalender. Beilage. Deutscher Reichstag (Sitzung vom 15. April). Telegraphische WitterungSberichtr. Börsennachrichten. Inserate. Atltyraplnltstc Nachnchtrn. Genf, Mittwoch, 15. April, Nachmittags. (W. T. B.) Unter den Personen, welche am 13. d. bei Gelegenheit der durch einen Ardeiterstrike her vorgerufenen Ruhestörungen verhaftet worden find, befinden sich, wie fich jetzt herausgestellt hat, auch rwei ehemalige Mitglieder der Pariser Commune, Lebeau und Lacord. London, Mittwoch, 15. April, Nachmittags. (W. T. B.) Die Leiche Livingstone s ist hier einge- troffen und sowohl bei der Ankunft in Southampton wie hier mit großen Ehren empfangen worden. Die Beisetzung derselben in der Westminsterabtei ist auf nächsten Sonnabend festgesetzt. In der vergangenen Nacht hat in der Gas anstalt in Astley - Deep unweit Dunkanfield eine Explosion stattgefunden, bei der ca. 50 Personen getödtet oder schwer verletzt wurden. New-York, Mittwoch, 15. April. (W.T.B., Kabeltelegramm.) Der demokratische Candidat für den Gouverneurpösten von Arkansas hat, gestützt auf die günstige Entscheidung des StaatögerichtS- hofeö, den republikanischen Gouverneur auS sei nem Amte vertrieben und sich der Hauptstadt Little-Rock bemächtigt. Der republikanische Gou verneur hat die Intervention des Präsidenten Grant angerufen. Tagesgeschichic. Dresden, 16. April. Pom Reichs-Gesetzblatt ist das l l. Stück vom Jahre 1874 hier eingetroffen und enthält nur Vir. 990) Zmpfgesetz vom 8. April d. I. 1,. Berlin, 15. April. Der Reichstag erledigte heute den ersten Abschnitt des Militärgesetzes, der von der Organisation des Reichsheeres handelt, durchgängig nach den Anträgen jder Commission, nachdem 8 2szu einem Nachspiel der Discussion über H 1 insofern Ge legenheit gegeben hatte, als zwischen Ntitglirdern des Centrums und der nationalliberalen Partei Erörterungen über die Angemessenheit der Verhandlungen slattfauven, die „hinter dem Rücken des Reichstages zwischen der na- tivnalliberalen Partei und den Regierungen" über den 8 1 gepflogen worden seien. An der Debatte hierüber detheiligtr sich auch in einer scharfen Erklärung der Präsident v. Forckendeck. (Vgl. den Sitzungsbericht in der Beilage). — Die heutige „Prov.-Corresp." weist in einem umfänglicher» Artikel darauf hin, daß die Lösung der Militär frage in anderer Weise erfolgt ist, als es feiten der Regierung noch vor wenigen Tagen in Aussicht genommen war, daß nicht eine dau ernde und nur durch eine neue Vereinbarung aufzu- hedende Bestimmung der Friedensstärke der Armee, sondern eine Feststellung derselben auf die nächsten sieden Zahre das von der Regierung genehmigte Ergebniß der lang wierigen Berathungen und Verhandlungen ist. Das halbofficielle Organ sagt dabei unter Anderm: „Die Regierung stand vor der Erwägung, ob sie versuchen sollte, ihren Antrag auf dauernde Bewilligung mit einer knappen Mehrheit im Gegensätze auch gegen viele ihrer sonstigen Anhänger durchzusetzen, oder ob sie durch An nahme der Bewilligung auf sieben Jahre bie ganze Mi litärfrage in vertrauensvollem Zusammenwirken mit der nationalgesinnten Reichstagsmehrheit zum Austrage brin gen sollte. Die Regierung hat sich für daS Letztere ent schieden, indem sie ihren Blick nicht ausschließlich auf die Löfung der Militärfrage, sondern auf die Folgen für die gesammte politische Lage und deren weitere Ent- wickelupg richtete. . . Indem die Regierung zustimmt, die erforderliche Friedensstärke zunächst nur auf einen solchen Zeitraum seftzustellen, giebt sie zugleich eine neue Bürgschaft dafür, daß das deutsche Heer, soweit es von ihr abhängt, vor Allem der Wahrung und Sicherung des Friedens dienen soll. Vor Allem aber legte die Regierung auch Gewicht darauf, daß die wichtigste An gelegenheit des deutschen Reichs mit einer Mehrheit im Reichstage entschieden würde, welche (wie Graf Moltke sagte) der Bedeutung des Gegenstandes, dem Ansehen des Landes und der Würde der Reichsvertretung ent spricht." Die „Pr.-C." erblickt in der jetzigen Lösung der Militärfrage eine neue Bestätigung und Bewährung des vertrauensvollen Entgegenkommens zwischen dem kai serlichen Kriegsherrn und seiner Regierung und der großen Mehrheit der deutschen Reichsvertretung und sagt zum Schluß: „Ze mehr die Regierung aber bet dem Verzicht auf ihren ursprünglichen Antrag ihr Augenmerk und Streben über die Militärfrage hinaus auf die all gemeine parlamentarische Lage und auf deren Befesti gung gerichtet hat, je mehr sie die ihr entschieden gün stige Strömung der öffentlichen Meinung schließlich nur dazu benutzte, zu einem vertrauensvollen Einvernehmen mit der Mehrheit des Reichstages zu gelangen, desto zuversichtlicher darf sie erwarten, daß die Mehrheit ihre wiedergewonnene Kraft und Einigkeit nunmehr auch da hin verwerthen werde, die weiteren Arbeiten des Reichs tages im Verein mit der Regierung fruchtbringend werden zu lassen für eine kräftige Entwickelung der Reichspolitik." — Nach der „Prov.-Corr." sind die Mittheilungen über die Frühjahrs reisen des Kai sers durchweg verfrüht, da Bestimmungen darüber noch nicht getroffen sind. Vermuthlich wird dem Bade- aufenthalt in EmS, der wohl im Monat Zum stattfinden dürfte, ein mehrwöchcntlicher Aufenthalt in Wiesbaden und ein Besuch in Zugenheim vorhergehen. Am 3. Mai erwartet der Kaiser den Besuch Sr. Majestät des Kai sers von Rußland, welcher auf der Reise nach Ems bis zum 5. Mai Abends in Berlin verweilen wird. — Das Befinden des Reichskanzlers Fürsten Bismarck hat sich soweit gebessert, daß derselbe im Laufe der letzten Wochen mehrfach Vorträge entgegennehmen und in mündliche Verhandlungen über die wichtigsten Reichsge schäfte eintreten konnte. Doch ist die körperliche Schwäche, namentlich die Schwäche der Füße noch so groß, daß er den größten Theil des Tages an das Bett gefesselt ist und auf Wochen hinaus genölhigt sein dürste, das Zimmer zu hüten. — Der heutige „St.-A." veröffentlicht folgende Danksagung des Reichskanzlers: Die Beweise freundlicher Thntnahme, welche ich während meiner Krankheit, und die Glückwünsche, welche ich zu meinem Geburtstage erhalten habe, sind zu meiner Freude sehr zahl reich, und so zahlreich, daß es mir, auch wenn ich gesund wäre, nicht möglich sein würde, sie einzeln zu beantworten. Ich beehre mich daher, auf diesem Wege für die mir aus allen Theilen des Reichs uud aus dem AuSlandc zugcgangenen Beweise des Wohlwollens uud der Theilnahme meinen ver- kindlichsten Dank auszusprechen Berlin, 14. April 1874. Fürst v. Bismarck. — Der „Allg. Ztg." wird gemeldet: Dem Verneh men nach haben die spanischen Gerichte die Her ausgabe der detdm deutschen Kauffahrteischisfe angeordnet, welche spanischerseits wegen angeblicher Zu führung von Kriegsmaterial für den Sultan der Sulu inseln mit Beschlag belegt worden waren. Die Ent- schädigungsfrage ist noch in der Schwebe. — Zn voriger Nacht ist der Oberbürgermeister Grabow von Prenzlau, langjähriger Präsident des Abgeordnetenhauses, 7 k Zahre alt, gestorben. Leobschütz, »3. April. Heute wurde von dem hie sigen KreiSgericht der Fürst-Erzbischof von Olmütz, Friedrich Landgraf v. Fürstenberg, wegen der gesetz widrigen Anstellung der Kapläne Groske zu Gröbnig und Hildebrandt zu Badewitz mit einer Geldstrafe von 800 Thlr., event. mit 4 Monaten Gefängniß belegt. Der hiesige Correspondent der „Schief. Ztg." knüpft an die Verurtheilung folgende Bemerkungen: Die Aus führung des Erkenntnisses unterliegt keiner Schwierig keit, da der Verurtheilte die Revenuen der Herrschaft Stolzmütz, Kreis Leobschütz, (beiläufig 6—8000 Thlr. jährlich) als zur Pfründe gehörig, bezieht; in diese Re venuen wird die Execution zu vollstrecken sein. Sollte dieses ExecutionSobject verbracht werden, so wird man in Erwägung nehmen müssen, ob nicht, wie bei jedem Anderen, insbesondere bei jedem Ausländer, die Strafvoll streckung mittelst steckbrieflicher Verfolgung zn ermögli chen sei. Bonn, 13.'April. Man schreibt dem „Fr. Zourn.": Der Alt kathol icismus macht in unsrer Stadt, seiner eigentlichen Residenz, wenig Fortschritte. Die Gründe dafür liegen eineslheils in der stark protestan- tifchen Einwohnerschaft, anderntheils in der gegentheili- gen Gesinnung der begüterten Jnfallibilitätskätholiken. Auf die Betheiligung der nieder« Klassen aber ist hier, wie anderwärts, gar nicht zu rechnen. München, t4. 'April. Der Prinz Leopold und Prinzessin Gisela, welche von der Reise nach Italien gestern Abend hierher zurückkehrten, begeben sich, wie der „9t. C." erfährt, morgen zu einem mehrtägigen Besuche der Königin - Wittwc von Griechenland über 'Nürnberg nach Bamberg. * Wien, 15. April. Auf der heutigen Tagesord nung des Abgeordnetenhauses stand neben ver schiedenen ersten Lesungen auch diejenige des von dem Abg. Fux gestellten Antrages auf Ausschließung der Gesellschaft Jesu und der ihr affiliirren Orden und Gesellschaften aus Oesterreich. Abg. ttr. Fux erklärt, daß ihm nicht genüge, daß diese Angelegenheit un Verordnungswege ausgetragen werde, wie cs durch das Klostcrgesctz nornurr werden solle, sondern daß er für alle Evcntnalitäten den Schutz des Gesetzes begehren müsse. Redner führt des Wetteren aus, daß ein Gebot der politischen Klugheit und der Selbsterhaltung sei, an die gesetzliche Lösung dieser Frage heranzutrctcn, und daß er deshalb aus Psticht- gcsühl und aus keinem anderen Interesse den Antrag gestellt habe. Redner spricht schließlich ven Wunsch aus, daß sein Antrag dem confessioncllen Ausschüsse zugewiesen werden möge Ueber Antrag des Abg. Ritter v. Schönerer wird namentlich abgestimmt und der Antrag des Abg. Fux mit 148 gegen 2 l Stimmen an den confessioneUen Aus schuß gewiesen. Der Präsident constatirt, daß l66 Mit glieder abwesend seien. Sämmtliche Clubs der Ver fassungspartei stimmten einmüthlg für die Zuweisung; dagegen war blos das rechte Centrum und ein Theil des Polenclubs. Feuilleton. 'Redigirt von Ltto Banck. Die Zerstörung von Arica. Ein furchtbares, in der modernen Länderkunde fast beispielloses Erdbeben suchte bekanntlich am 13. August 1868 die Westküste Südamerikas heim. Zquique, Tacua, Ecuador und viele andere Städte hatten entsetzlich ge litten; zu den größten Verwüstungen gehörten die von Arica. Verschiedenes ist seiner Zeit über dies Natur- ereigniß geschrieben, doch kaum findet sich eine leben digere Schilderung, als die nachfolgende ist, welche die Erzählung eines gebildeten Augenzeugen L. Rosen thal wiedergiebt, auf dessen lebendige Plaudereien über die Cordillerengebiete wir bereits empfehlend hinwiesen. Der frische Tourist besuchte zufällig gleich nach dem Erdbeben jene Gegenden und er erzählt: Immer dicht an der fast senkrechten, gewaltig hohen und felsigen Küste hinfahrend, kamen wir gegen Abend in Sicht der Schneeriesen Boliviens, die weit, weit über das öde Küstengebirge, an dessen Fuß Arica sich ausbreitet — oder vielmehr sich ausgebreitet hatte, denn jetzt lag es, ein formloser Trümmerhaufen am Boden — herüber ragten. Aber noch andere, traurigere Anzeichen verriethen die "Nähe desselben; schwimmende Balken, Schiffstrümmer, Kadaver von Kühen rc. trieben, unheimlich auf den Wellen schaukelnd, uns entgegen. Eine halbe Stunde später lagen wir vor Anker. Bald nach dem Landen begegnete ich einem hohen, jungen Mann mit blauen Augen und blondem Haar, — wenn das ein Deutscher war — ? Richtig, ich hatte mich nicht geirrt und kaum, daß er mein Suchen nach Obdach gesehen, bot er mir auch schon freund lich sein Comptoir, das schon wieder ans den zusammen gestürzten Wänden seines Hauses improvisiA war, zum Uebernachten an. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Don Carlos — wie mein neuer Bekannter hieß — führte mich auch gleich in das nur wenige Schritte ent fernte, aus Segeltuch und Pfählen errichtete Comptoir und nachdem er die schweren Geschäftsbücher weggethan, lud er mich ein, es mir auf einem prächtigen Sopha so bequem als möglich zu machen. Bald brachen wir wieder auf und gingen in die ehe maligen Straßen hinein. Die Häufer, von großen, an der Sonne getrocknetenLehmsteinen, sogenannten„A<tub« 8" gebaut, waren über- und durcheinander gestürzt; quer über der Straße lag der Thurm der Kirche, — hier mußte man über Trümmer und Leichen wegklettern, dort wieder große Tümpel stagnirenden Seewassers umgehen. Und dann das bunte Konglomerat der umhergestreuten Waarcn, Landkarten, durchweichter Kleider und Bücher, Seetang und verfaulter Fische! Und diese riesigen, von der mächtigen Fluth gleich kleinen Kieseln herumgewor fenen Felsblöcke, diese tollen Massen von Schienen, Rä dern, Kesseln, Röhren, Schiffstrümmcrn, entwurzelten Bäumen und Eisenpfeilern des einst so schön gewesenen, jetzt vollständig verschwundenen Zollhauses! Ueberall Kisten, Breter, Möbel, Papiere, ja sogar uralte Jndianer- mumien, die von der Fluth aufgewühlt, zu Tutzenden herumlagen und mit den langen, wohlerhaltenen Haar- jöpfen und der braunen, leoerartig eingetrockneten Haut seltsam genug aussahen. Aber auch an modernen Leichen fehlte es nicht, der ganze Strand war damit bedeckt und gar unheimlich sah es aus, wie die schwarzen, sonnlosen Piaffen in dem matten, phosphorijchen Funkenscheine der See, in regelmäßigen Pausen jetzt ans Land, und gleich daraus wieder zurück in ihr schäumendes Wogengrab rollten. Es war das ein für mich unvergeßlicher Spazier gang, den ich an diesem Abend mit Don Carlos durch die mondbeleuchteten, schreckencrfüllten Ruinen der un glücklichen Stadt machte, während er mir den ganzen Vorgang der Katastrophe, wie sie hier austrat, schilderte. Er — Don Carlos — war gerade mit noch einigen Deutschen bei Tische, als die ersten Anzeichen des Erd bebens, ein dumpfes, lang anhaltendes Rollen, dem eine mäßig starke Wellenbewegung folgte, eintraten. Man scherzte und lachte und es fiel Niemandem ein, daS Zim mer zu verlassen — „TerrcmotoS" waren hier etwas zu Gewöhnliches, als das mau sich viel darum gekümmert hätte. Da aber die Erschütterungen nicht enden wollten, im Gegentheil stärker wurden, verließen sie endlich das Haus und zwar zu ihrem Glücke, denn kaum waren sie draußen auf der Plaza, als der eigentliche Tanz losging. Wie eine flüssige Masse wogte, wallte und krümmte sich der Erdboden, die Wellenbewegung verwandelte sich in eine horizontal stoßende, und so heftig trat dieselbe auf, daß 'Niemand sich aufrecht erhalten konnte. Schauerlich tönte der dumpfe Donner aus der Tiefe, krachten die einstürzrnden Gebäude, heulten und kreischten die Stim men der vor Angst halb wahnsinnigen Unglücklichen und der aufsteigende, dichte Qualm der zerschmetterten AvobeS, machte die Scene nur noch grausiger. Was half es, daß alles Volk niederfiel, an die Brust schug und „nusluiovitliu" schrie. Einem Engländer, der hastig durch eine Gruppe der um Erbarmen Schreienden rannte, wurde zugerufen, niedrrzuknien und zu beten, nnd als er nicht gehorchte, sondern eiligst seinen Weg ins Freie fortsetzte, knatterten ihm wohl rin halbes Dutzend Revolverschüsse nach. Aber noch waren die Schrecken des TageS nicht zu Ende; wie auS einem Munde ertönte auf einmal der Schrei: „s-ttv <4 muri" Entsetzlich! Das ganze unge- Prag, 15. April. Außer der stadträthlichen De putation, die vorgestern in Angelegenheit der Prager Stadtmauern vom Kaiser empfangen wurde, hatte am selben Tage noch eine zweite Deputation in derselben Angelegenheit Audienz bei Sr. Majestät, und zwar waren dies die Mitglieder des hiesigen deutschen CasinoS, Ur. Schmeykal und Ritter v. Dotzauer, welche im Vereine mit den Mitgliedern des jungtschechischen Clubs, Ur. Sladkowsky, > »r. Cizek und Architekt BielSky, im 'Namen der Bevölkerung Prags um womöglich unengeltliche Ueberlassung der Schanzen zum Behufe der Anlage eines großen Stadtparkes baten. Daß die beiden Deputationen, welche doch ein und derselbe Zweck vor die Stufen des Thrones führte, getrennt ihre Bitte vorbrachten, ist einzig und allein der Mißgunst der Alttschechen zuzuschreiben, welche es nicht über sich gewinnen können, den Juug- tschechen auch uur daS kleinste Verdienst an dem Auf blühen Prags ungeschmälert zu belassen. Gehen sie ja doch in ihrem Haffe so wett, aus dem Umstande, daß die deutsch-jungtschechische Deputation vom Ministerpräsi denten empfangen und zur Tafel geladen wurde, poli tisches Capital zu schlagen und bie Zungtschechen, wo nicht ganz offen, fv dochs zwischen den Zeilen, des Verrathes an der nationalen Sache anzuklagen. Als ob die Demolirung der Prager Festungswerke und die Anlage eines Stadtparkes auch uur das Geringste mit der Politik zu thuu hätten. Glücklicherweise find die besseren Elemente des tschechischen Volkes keineswegs jo verblendet, in einem einfachen Acte der Courtoifie einen Hochverrath an der Nation zu erblicken, und ebenso wenig sind sie so haßerfüllt gegen die Deutschen, um jede Annäherung an dieselben, selbst in nichtpolitischen Angelegenheiten, al» eine Art Verbrechen zu brand marken. Die Verdächtigung der Zungtschechen von Seite der alttschechischen Blätter wird somit ohne allen Erfolg bleiben. — Für die Mitte des nächsten Monates fleht unserem Lande der Besuch des Kronprinzen Erz herzogs Rudolph bevor. Derselbe wird sich nämlich am 15. Mai nach Wittlugau begeben, um an den dor tigen Zagden, zu welchen er vom Fürsten Johann Adolph Schwarzenberg eine Einladung erhielt, theilzu nehmen. Nach beendeten Jagden wird der Kronprinz auch das Schloß Frauenberg besuchen und sich dann über Budweis nach Wien zurückbegebcn. — Die Mit glieder des feudalen Adels haben an den hiesigen Erzbischof Cardinal Schwarzenberg eine Adre s s e ge richtet, worin sie mit Rücksicht auf die der kaiserlichen Sanktion harrenden confcjsionellen Gesetze die Erklärung abgegeben, sich in ihrer Eigenschaft als Kirchenpatrone in Allem nnd Jedem so zu benehmen, wie es die Bischöfe anordnen werden. Hoffentlich wird die Regierung nicht ermangeln, den Unterzeichnern dieser Adresse nöthigensalls klar zu machen, daß nur das Gesetz und nicht irgend welche bischöfliche Instruction für jeden österreichischen Staatsbürger als oberste Richtschnur seines Handelns zu dienen hat. — Die „Boh." berichtet ausführlich über die, gegen den Redacteur der „Politik", Alfred Pennecke, wegen Verbreitung eines, den verewigten König Johann von Sachsen betreffenden Lchmähartikels der „Franks. Ztg." anhängig gemachte Ehrenbeleidigungsklage, welche gestern bei dem Prager Strafgerichte vor die Gefchwor- nen gelangte. Die von IN. Franz Hrdlitjchka in Voll macht und namens Sr. Majestät des jetzt regierenden Königs von Sachsen eingebrachte Klage geht dahin, daß der Rcdaeteur der „Politik" wegen des Abdrucks dieses Artikels der Ehrenbeleidigung, eventuell der vernachläs sigten pflichtmäßigen Obsorge schuldig zu spreche» sei. Der Angeklagte, früher dem Offizierstande angehörig, aus welchem er im Sommer 1868 durch ehrengerichtliche Entscheidung entlassen wurde, hat zu Protokoll erklärt, er habe mit dem feuillctonistijchen Theil des Blattes nichts zu thuu gehabt und den incriminirten Artikel vor dcni Erscheinen nicht gelesen; die „Politik" habe keines wegs mit dem Abdruck dieses Artikels eine feindselige Stellung gegen den König von Sachsen einnehmen, son dern nur zur Kläruug der Meinungen einer dem Könige heure Becken des Hafens war leer, die See hatte sich zu rückgezogen und die Schiffe lagen an ihren Ankerketteu am Grunde. Lange aber hielt sich Niemand mit Be trachtung des grausigen Anblicks auf, in wilder Flucht stürzte Alles nach dem Morro, einem vielleit zweihundert Fuß hohen, dicht an der See gelegenen, steilen Hügel, und kaum auf demselbeu angelaugt, geschah daS Furcht bare. Das Meer kam zurück. Eine lange, ungeheure, durchsichtig grüne, schaumbedeckte Woge tobte heran, stürzte sich über die unglückliche Stadt und überall Tod und Verwüstung verbreitend, vernichtete sie in wenig Augenblicken den Rest der noch stehenden Trümmer. Arica war nicht mehr. Wo die Fluth hingekommen, war Alles wie weggefegt. Der Verlust an Menschenleben und Gut war ungeheuer. Im Zollhause allein lagen für mehr als drei 'Millionen Pesos Waaren, von denen nichts, sage gar nichts, gerettet wurde. Die Fluth hob die Schiffe, deren Ankerketteu gleich Zwirnsfäden rissen, empor und schleuderte sic weit ins Land hinein. Eins ging sogleich mit 'Mann und Maus unter, ein anderes dagegen, der eiserne nordamerikanische Kriegsdampfer „Waterec^, lag wohlerhalten eine halbe englische Meile vom Strande, in einer muldenartigen Senkung des Bo dens. Ihn zu bewegen und wieder ins Wasser zu bringen, kostet mehr als er überhaupt werth ist, wcßhalb er wohl zum Andenken an den grausigen Tag für ewige Zeiten dort liegen bleiben wird. Gegenwärtig wurde er aufs Rationellste ausgeplündert. Die übrigen Schiffe, darunter das mächtige, peruanische Kriegsschiff „Amerika", lagen eins hier, das andere dort, in tausend Stücke zer trümmert. Dem Peruaner waren, sowie sein Kiel Land berührte, zwei Masten wie Glasstangen unten abge brochen und hatten dieselben, auf Teck schlagend, .mehr als zwanzig Matrosen getödtet. Grauenvoll sahen die zerschmetterten Schiffe aus,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite