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Dresdner Journal : 12.05.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187405120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18740512
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18740512
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1874
- Monat1874-05
- Tag1874-05-12
- Monat1874-05
- Jahr1874
- Titel
- Dresdner Journal : 12.05.1874
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V108. Dienstag, den 12. Mai. —, ———————————————— - ^doi»nem<»n1i!pr»I»r rmd diaru, Im Loied, - 1 tritt MrlioN . « i't.i. f r kUIr. 8t«mpel8sdat>r. dLbri>ek 6 ' »u„«rk»wdv» dsutsvbeu ^Mbrticb: 1 ^klr. lk Kxr. ( livicbv» ko»t- i 1!iiiLvIvt!K:imin<>rn: 1 le^r. s Lwmpelxuiietllitir lugpralellprvlsvr ?ür den Naum einer xveprtltenen ketitrsil«: L K^r. Unter ,F!in^e«»udt" die Teils? ü K^r. Krseketnenr H^Nod mit ^unmdms der Sonn- nnd ksiertL^o, Lbsnd« kür dsn kokenden DreMerZourml. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. 1871 Io*»r»t«n»nllLkm« Lslpil^: I->. Lrand»trtter, 6omm»„iooLr d«« Dresdner dourosli; sbendu« : ?'c,r.' n L 7-re^er,- S»wdurx-»«rIW- V1«o-l.«ix,tx-N»««I-NrsiI»u-kr»nkeilr1» H : 7/a«»«r>«tein F t'oAier, L-rlia Vien - klsmdur^ - rr»x-l,«iprix-rr»iik- kurt »H.-üiiLrkev: LsrUn d 7»ttt/ide>id«nx,//. Ft-rec^k Nr«m«o: F- §c/t/okke, vr««- I»u: F.§k<!NAe»»'» Ldrouu; Vdemuil,: ?>. t eiAk, kruu''- kurt« ».: ./ueAer'eekv u.d t7.//crr»i<»i»'xe>ie kueliti., 7^nu/EF Oo.,' VSrlitr: /»v -D„ Uunuover: ü<^!^>/rr/ kuri«: //<>> ».<!, /.a/itt«, Stuttxurt: Daut>« d t'o., §üdd. Fnno»ee»»-Nürea«, Visu: dt Op/>rIiL. Uernus^ekerr N^nissl. I-'xpcdition d« s lir^dnor Sournnls, Or.^deu, ltlur^nretlienxii^.e >io. l. Ämtlicher Theil. Dresden, 10. Mai. Ihre Kaiserlich Königliche Ho heit die Frau Erzherzogin Elisabeth ist heute Nacht 12 Uhr 10 Minuten aus dem Haag hier einge troffen und im „Hotel Bellevue" abgetreten. Dresden, 10. Mai. Seine Königliche Majestät haben in einer ain heutigen Tage dem Kaiserlich Brasilianischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Vianna de Lima, Baron de Jaurü ertheilten Parti- cular-Audienz das Beglaubigungsschreiben, durch welches derselbe am hiesigen Königlichen Hofe aufs Neue accre- dirt wird, eutgegenzunehmen geruht. Bekanntmachung. Der zeithenge Postinspector in Potsdam rc. D anziger ist zum Postinspector für den Bezirk der Kaiserlichen Ober-Postdirection zu Leipzig ernannt worden. Nach dem Se. Majestät der König von Sachsen auf Grund Art. 50 der Verfassung des Deutschen Reichs zu dieser Ernennung die landesherrliche Bestätigung ertheilt hat, wird Solches hierdurch zur öffentlichen Kcnntniß ge bracht. Dresden, am 1. Mai 1874. Königlich Sächsisches Finanz-Ministerium. Freiherr von Friesen. Heydenreich. Nichtamtlicher Theil. Uebelsicht. Telegraphische Nachrichten. ZeitungSschau. (Times. — Norddeutsche Allgemeine Zeitung. — Weser-Zeitung. — Fran^ais. — Rv- publique fran<»aise. — Presse. — Neue freie Presse) TageSgeschichte. (Dresden. Berlin. Breslau. Fulda. München. Stuttgart. Mainz. Wien. Prag. Pest. Paris. Brüssel. Haag. Amsterdam. Madrid. London. Stockholm. St. Petersburg. Athen.) Dresdner Nachrichten. Provinzial Nachrichten. (Adorf. Pirna. Döbeln. Lausigk. Wilsdruff. Hohenstein.) Beilage. Telegraphische WitterungSberichte. Börsennachrichten. TelM.lp!iMf Nachrichten. Paris, Montag, 11. Mai. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Sadyk Pascha wird Ende dieser Woche nach London gehen, nachdem vorbehältlich der Zu- stimmung der englischen Bankiers eine Vereinbarung auf folgenden Grundlagen abgeschlossen worden ist: I. die kaiserlich ottomanische Bank soll mit anderen Finanzinstituten vereinigt und zu einer Nationalbant erweitert werden; 11. durch Auf nahme eines Vorschusses für zwei Jahre sollen die Mittel zur beschleuniaten Abtragung der schweben den Schuld und zur Bestreitung des Schatzdienstes beschafft werden. London, Sonntag, 10. Mai, AbendS. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Ueber die Stellungen der Car- listen bei Bilbao sind unterm 7. d. auS Lequeitio folaende Nachrichten eingegangen: biScayische Ba taillone hielten Alousotequi, Castre Jana, Acci- gourriaja und Galdacano, castilianische Bataillone die Provinz Alava, navarresischc Bataillone Zar- moza und Bataillone der Provinz Guipuzcoa die Stadt Durango und deren Umgegend besetzt. Alle Truppen waren zum Gefecht bereit. Dresden, 11. Mai. In der deutschen, französischen und englischen Presse macht jetzt ein Artikel die Runde, in welchen, der Pariser Korrespondent der „Times" von einer Unterredung erzählt, die angeblich zwischen dem deutschen Reichskanz ler Fürsten Bismarck und dem Könige von Ita lien während der Anwesenheit des Letzter« in Berlin stattgefunden haben soll. Diese Pariser Korrespondenz wird jetzt von Berlin aus in officiöscr Weise dementirt und auf unlautere Absichten zurückgeführt. Zum Verständ- niß dieses Dementis möge hier zunächst eine kurze Analyse des betreffenden Times-Artikels folgen. Derselbe ist „Mit dem Feuer spielen" überschrieben und besagt etwa Folgendes: Fürst Bismarck hat zugestanden, day er im letzten Kriege zwei Fehler begangen; er habe die Kriegsfähigkeit Frankreichs zu hoch und seine finanzielle Leistungsfähigkeit zu niedrig angeschlagen. Unter allen Umständen sei es ein Fehler gewesen, daß er nicht ganz Frankreich die unmittelbaren Leiden des Krieges habe fühlen lassen; der Süden habe zu wenig davon gemerkt und er werde deshalb zu leicht zu einem neuen Kriege bereit sein. Es sei ferner ein Fehler gewesen, daß er nur 5 Milliarden verlangt und nicht Frankreich durch eine kolossale Forderung auf längere Jahre hinaus finan ziell verkrüppelt habe. So wie die Sachen stehen, werbe Frankreich die erste wirklich oder scheinbar günstige Ge legenheit ergreifen, um über Deutschland herzufallen. „Es ist natürlich, daß Fürst Bismarck unter diesen Um ständen wünschen muß", Frankreich aufs Neue und voll ständig niederzuschlagen. Aber woher einen neuen Kpieg nehmen ? In Deutschland sei weder der Reichstag, noch die Presse, noch das Volk gewillt, sich auf einen solchen einzulaffen. Da bot sich denn der Gedanke dar, einen alten Alliirten auszunutzen — Italien. Als Victor Emanuel in Berlin war, machte ihn der Reichskanzler auf Mzza und Savoyen aufmerksam. Dort ließe sich vortrefflich eine separatistische Agitation anzetteln, der König brauchte uur den Schmerzensschrei der Nizzaer Patrioten zu hören und ein Krieg war gefunden; Preu ßen dürste seinen alten Alliirten nicht im Stiche lassen, und man hatte somit der öffentlichen Meinung gegen über die ritterlichsten Gründe, ins Feld zu ziehen. Aber Victor Emanuel fiel nicht in die Schlinge. Er bedachte die schlechte Stellung der italienischen Finanzen, er sah ein neues Custozza und den Staatsbankrott voraus. „Hätte er sich bestechen lassen, so wäre wahrscheinlich wenige Wochen nach der Unterredung ein neuer Krieg in Europa ausgebrochen." Die „Norddeutsche Allgem eine Zeitung" spricht sich nun über diese Behauptungen in ihrer neuesten Nummer in einem officiösen Artikel folgendermaßen aus: „Der in der Regel wohl unterrichtete und vorsichtige Korrespondent der „Times" in Paris muß diesmal mit einer unlauteren Quelle in Berührung gekommen sein, über die mehr zu sagen.sich künftig vielleicht Veran lassung findet. Auch die Redaction der „Times" scheint gegen die Details und die Färbung dieser Erzählung einige Bedenken gehabt zu haben, da sie dieselbe nur in blasseren Umrissen und der Tendenz der Friedensstörung entkleidet, in ihren Leitartikel ausgenommen hat. In dessen ist es immer zu bedauern, daß ein Blatt von dem Gewicht der „Times", einem Zwecke dienend, den sie vielleicht selbst nicht kennt, eine grundlose Beunruhi gung der öffentlichen Meinung Europas nähren Hilst. Wir halten es für unmöglich, daß der König von Ita lien oder seine Agenten eine Mitteilung über die per sönliche Begegnung hierselbst in der Fonn und Tendenz gemacht haben sollten, wie die Sache von dem Times- correspondenten dargestellt wird; ihnen das zutrauen, hieße sie einer mal» tilles fähig halten. Es wird in den hiesigen Regierungskreisen auf das Bestimmteste in Abrede gestellt, daß dergleichen Eröffnungen gemacht worden sind. Richtig und in der Statur der Dinge lie gend ist,' daß, wenn der Friede bedroht sein sollte, Deutschland und Frankreich ein Interesse haben würden an dem Bündnisse mit Italien. Freilich würde Deutsch land nach seinen bisherigen Erfahrungen wenig Aussicht auf Erfolg haben, denn 1870 neigten die Sympathien Italiens sich überwiegend zu Frankreich; und Deutsch land fühlt sich auch so stark, daß es das italienische B-»dniß nicht begehren würde. Frankreich aber wird desselben vielleicht bedürfen, und vielleicht würden Nizza und Savoyen der Preis desselben sein. Und dann würden Italien und Deutschland allerdings zu erwägen haben, welche Kombinatton den Italienern die meiste Aussicht eröffneten, ihre verlorenen Provinzen zu erwer be». Die Thorheit, einseitig Frankreich anzugreifen, wird der italienischen Regierung kein vernünftiger Mensch zumuthen." Sticht uninteressant sind folgende Mittheilungen der „Weser-Zeitung" über die Entstehung und den Zweck der betreffenden Pariser Korrespondenz. Das Bremer- Blatt schreibt: „Die Korrespondenz datirt vom 2. d. und ward in der Stummer der „Times" vom 5. d. abgedruckt. Tags zuvor fand im Qberhause die Russell'sche Inter pellation statt, und wahrscheinlich war der Artikel darauf berechnet, noch auf diese Verhandlungen, von denen man in Paris wußte, daß sie auf den 4. d. angesetzt waren, und denen man mit Spannung entgegensah, einzuwirken. Damit kam man jedoch zu spät. Der Korrespondent versichert, Das, was er von den separatistischen Wühlereien in Nizza und Savoyen erzählt, zu denen Fürst Bismarck den König Victor Emanuel während dessen Anwesenheit in Berlin habe anhetzen wollen, womit er aber durchge- fallen sei, aus einer „sehr confidentiellen" Quelle mitge- theilt erhalten zu haben. Diese sehr conftdentielle Quelle ist natürlich keine andere als das Bureau des Ministe riums des Auswärtigen in Paris, das der Korrespondent, um Neuigkeiten zu holen, regelmäßig besucht und das in ähnlicher Weise auch nach andern Seilen mehrfach thätig gewesen ist. Den nächsten Anlaß zur Anfertigung des Artikels gab wohl der bekannte Zwischenfall in Nizza; nach dem chauvinistischen Credo ist es eine Unmöglichkeit, daß rin Nichtsranzose, wenn er einmal der Umarmung des h. Frankreich gewürdigt, sich aus ihr wieder hinweg sehnen kann. Hr. Piccon hat das leider gethan, er müßte also eigentlich von der italienischen Regierung dazu an gehetzt sein. Diese will man aber jetzt um keinen Preis vor den Kopf stoßen; man hofft sie von der durch die Lage unbedingt gebotenen Allianz mit Deutschland abzu- ziehen, um, wenn man die Revanche an Deutschland reif glaubt, nicht noch mit Italien zu thuu zu haben; ist man gegen Deutschland glücklich, so hat man Italien ohne Weiteres und kann es dem Papst überantworten. Bis dahin spielt man aber den unendlich Liebenswürdigen gegen Victor Emanuel. Somit blieb nichts übrig, als die separistitischen Wallungen in dem annectirten Savoyen wieder dem Kürsten Bismarck zuzuschreibcn. Von dieser Detaildenunciation machte sich der Uebergang zu einem S! ^schrei wider die unbändige Kriegslusl Deutschlands überhaupt von selbst." Wir schließen hieran noch einige Urtheile franzö sischer Blätter über diesen Gegenstand. Unter Be rufung auf die Enthüllung des Limes-Korresponden ten, „die heute deu Gegenstand der Unterhaltung der ganzen politischen Welt bilde", denuncirt der „Fran- vais ", das Leibjournal des Herzogs v. Broglie, Deutsch land als den europäischen Friedensstörer, der Englands Oberaufsicht dringend zu empfehlen sei. — Die liberalen Pariser Journale, welche begreiflichenveise dem Bericht der „Times" über Bismarck's vermeintliche Anträge be züglich Savoyens und Nizzas ebenfalls bercitwilligst Glauben schenken, bringen dem Könige Victor Emanuel für seine „ehrenhafte und dankbare Haltung" ihre Hul digung dar; von einem feindlichen Gegensätze und einem Widerstreit der Interessen zwischen Italien und Frank reich könne unter Viesen Umständen nicht mehr die Rede sein. — Die „Räpublique fran^aise" sagt: „Die Haltung des Königs von Italien entspricht durchaus vcm ebenso vorsichtigen, als loyalen Benehmen, welches er stets zu beobachten gewußt hat. Die sehr entschiedenen Erklärungen, die der Ritter Nigra erst soeben dem Herzog v. Decazes aus Anlaß der Kundgebung des „„Separa tisten"" von Nizza übermittelt hat, müssen übrigens den deutschen Reichskanzler überzeugen, daß die italienischen Staatsmänner sich nicht so leicht Hutters Licht führen lassen, wie ein simpler Benedetti." Mit großer Befriedigung besprechen die neuesten, uns vorliegenden Wiener Blätter die Aufschlüsse, welche Graf Andrassy im Finanzausschüsse der österreichischen Delegation infolge an ihn gerichteter Interpellationen über die Beziehungen zu Rom uud jpeciell über seine Haltung gegenüber der vom Papste wider die österreichi schen conscssionelleu Gesetze geschleuderten Encyklika, dann über die allgemeine europäische Lage, über die Friedens- aussichten, über die Beziehungen zu den Mächten, über die Monarchenbegcgnungen und über die orientalische Politik ertheilt hat. (Vgl. die ausführlichen 'Mit theilungen der „Tagesgeschichte" unter Pest.) Die (alte) „Presse" schreibt: „Die Erklärungen Andrassy's über die durchaus friedliche Konstellation werben weit über die Grenzen unserer Monarchie hinaus die lebhaf teste Beachtung finden in einein Augenblicke, in welchem das Zwiegespräch zwischen Russell uud Derby im briti- scheu Oberhaus und die paradoxen Mittheilungen der „Times" über die Unterredung Victor Emanuel's mit Bismarck wegen Nizza und Savoyen ein gewisses Miß trauen hervorgerufen haben." Die Mittheilungen, welche Graf Andrassy über die Replik auf die Encyklika und das päpstliche Handschreiben zu geben in der Lage war, be zeichnet die „Pr." als „geradezu überrascheud." Man habe wohl eine Abweisung der Prätensionen, die von Rom aus erhoben wurden, erwarten dürfen; aber eine so entschiedene, nicht mißzuverstchende Zurückweisung, so ganz im Einklänge mit den Erklärungen des österreichi schen Ministerpräsidenten beim Abschlusse der Debatte über das erste confessionelle Gesetz hätte man nicht vor ausgesetzt. — Auch die „Neue freie Presse" con- statirt den günstigen Eindruck, welchen die Erklärungen des 'Ministers aus die Ausschüsse der Delegationen her- vorbrachtcn; dafür spreche schon der Umstand, daß alle oppositionellen Anträge abgelehnt und Alles, was Graf Andrassy als seinen Wunsch bezeichnete, genehmigt wurde. Lagcügeschichle. Dresden, 11. Mai. Das Reichs-Gesetzblatt bringt in seinem eben eingctroffencn 14. Stück vom Jahre 1874: Str. 1001) Gesetz vom 4. Mai d. I., die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchen- ämtcrn betreffend. 8 Berlin, 10. Mai. Hier eingegaugenen telegra phischen Nachrichten zufolge ist Se. Majestät der Kai ser gestern Vormittag gegen 11 Uhr in Wiesbaden ein getroffen. Allerhöchstderjclbc fuhr vom Bahnhofe im offenen Wagen durch die reich beflaggte Stadt nach dem Schlosse und wurde auf dem Wege von der Bevölkerung durch Hochrufe und zahlreiche Blumenspendcn begrüßt. Der kurze Aufschub in der Abreise des Kaisers von hier ist vielfach auf ein eingetretenes Unwohlsein desselben be zogen worden. In officiösen Korrespondenzen wird in dessen die bestimmteste Versicherung gegeben, das in dem Wohlbefinden des Kaisers in letzter Zeit keine Verände rung vorgekommen ist. Die Verzögerung der Abreise erkläre sich einfach aus dem Umstaude, daß während der Anwesenheit der russischen Gäste der Kaiser die Regie- rungsgejchäfte nicht mit der gewöhnten Pünktlichkeit er ledigen konnte. Infolge dessen hatten sich dieselben der gestalt angehäust, daß ihm, wenn er sie vor seiner Ab reise erledigen wollte, nichts übrig blieb, als einen Tag von der projectirten Reise dazu zu nehmen. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck hat vorgestern Stachmit tag die erste Spazierfahrt unternommen. — Im Ab geordnetenhausc gelangten gestern die beiden kirch lichen Vorlagen, welche neben dem Expropriationsgesetze in der letzten Zeit den wichtigsten Gegenstand seiner Verhandlungen bildeten, endlich zum Abschluß. Zu bei den kirchlichen Gesetzentwürfen, sowohl dem die Verwal tung erledigter katholischer Bisthümer, als demjenigen wegen Declaration und Ergänzung des Gesetzes vom 1>. Mai I873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, stellte in der Generaldebatte Abg. Windthorst (Meppen) den Antrag, die Entwürfe behufs Erledigung der Vorfrage, welche Verfassungsänderungen etwa deren Annahme vorangehen müßten, an die Kommission zu- Feuilleton. Redigirt von Ltto Banck. K. Hoftheater — Altstadt — den 10. Mai: „Der Postillon von Lonjumeau". Komische Oper von A.Adam. Man hat diese Oper — deren Titelrolle be kanntlich eine Glanzpartie des Hrn. Riese ist — wohl mit Verwunderung schon seit längerer Zeit in unserm Repertoire vermißt; aber die musikalische Leitung ist außer Schuld daran. Unsere jungen Sängerinnen haben selbst verständlich noch nicht das nothwendige Repertoire von Partien inne, und es erfordert einen ziemlichen Aufwand von Zeit und Mühe, ihnen dasselbe zu gewinnen. Fräul. Proska erfreute aber dafür jetzt mit einer sehr ge lungenen Darstellung der Magdalene, spirituell belebt, reizend und tactvoll im Spiel, sehr graziös, mit behender, sauberer Technik und fein nüancirt in der Gesangsaus führung, und mit intelligenter Behandlung ihrer aller dings in der untern Octave etwas zu schwachen Stimm mittel. Hrn. Riese's von früherher bekannte prächtige Leistung zeichnete sich durch geschmackvolles Maßhalten und warmen, schwunghaften Vortrag der Kantilene aus. Meisterhaft war seine Ausführung der Gesangsscene im zweiten Act, durch schönen Wohlklang und fein ver schmolzene Tonschattirung effectuirte in demselben Act der Vortrag des Duetts zwischen St. Phar und Frau v. La tour. Hrn. Riese's Darstellung des Chapelou ist mit Temperament und Humor durchgeführt: vom derben, naturwüchsigen Wesen des Postillons scheidet sich sehr charakteristisch der Opernheld mit seinm dünkelhaft nach geahmten Cavaliermanieren. Tie Herren Eichberger und Marchton — Bijou und Marquis v. Corcy — betheiligten sich durch ihre gute Mitwirkung sehr löblich an der trefflichen Gesammtausführung der Oper. Zu den für unser Repertoire wünschenswerthen Opern gehört unter Anderm auch M^hul's „Joseph in Aegyp ten", die wenig Schwierigkeiten bietet, da Benjamin (Frl. Malten) weder eine große, noch schwere Partie ist. K. Banck. K. Hoftheater. — Neustadt. — Am 10. Mai „Die zärtlichen Verwandten". Lustspiel in drei Actten von Benedix. (Neu einstudirt.) „Er muß taub sein!" Schwank in einem Act nach dem Fran zösischen des Moinaux von D.E. Malten. (Neu ein studirt.) Schonungsvoll ausgedrückt sind nicht alle Diejenigen,, welche gegen Benedix manchen gerechten Tadel aus sprechen, im Stande, ein ebenso unterhaltendes Lustspiel zu schreiben, wie „Die zärtlichen Verwandten". Das kleine Stück bewegt sich zwar stets im trivialen Element, erhebt sich in Humor, Scherz und Ironie niemals über das Gewöhnliche und ist panz im Geiste der traditionellen Bühnenschablonen gearbeitet; aber es giebt den Schau spielern so viel Gelegenheit zur Verwendung ihrer tech nischen Fertigkeit und gewährt dem Publicum eine so harmlose Unterhaltung mit erheiternden und sicher wirk samen Theaterscenen, daß es auf jeder Bühne so lange Repertoirestück bleiben wird, bis seine Zeitbeziehungen auf die Wirklichkeit der Gegenwart völlig überlebt sind. Und diese Errungenschaft dürste noch ziemlich lange auf sich warten lassen. Aus diesen Bemerkungen wird kein Kenner des Theaters und seiner Taaeöbedürfnisse eine unerlaubte Toleranz gegen die oberflächliche, blos handwerkstüchtige Productton herauslesen. Dieser leichte, poetisch werthlose Genre hat aber thatsächlich eine naturgemäße Berechti gung, sobald er sich nicht mit einem frivolen Element verbindet oder durch plumpe Geschmacklosigkeit sittenver derbend wirkt. Es ist eine lächerliche graue Theorie ideal gestimmter Optimisten, die ihrem Gefühl, aber nicht ihrem praktischen Verstände Ehre macht, wenn sie sich in dem Wahne wiegen, die Fülle guter alter uud neuer dramatischer Werke mache es wünschenswcrth, uur ge haltvolle, poetische Stücke dem Repertoire einer Bühne eiuzuverleiben, die im höheren Sinn auf den Namen eines Kunstinstituts Anspruch machen darf. Die Aus führung dieses höchst weihevollen Princips würde uns eine große Zahl der eigentlichen TheaterschriftsteUcr von Profession fortstreichen; das wäre so schlimm noch nicht, doch eine üblere Folge, nämlich den Schluß des Theaters würde es Hervorrufen, daß mit jener Ausmerzung zu gleich ein großer Theil des Publicums, jener Kreis, der nur das Triviale ohne Anstrengung genießen will, aus dem Theater hinausgewiesen würde. Uud der Verlust ginge noch weiter. Rosinen und Mandeln ohne Teig geben auch für die verwöhnte Zunge keinen Kuchen; so passirt es denn gleichfalls den gebildetsten Geistern, daß sie von Zeit zu Zeit durch Stimmungeu veranlaßt wer den, sich dem Gros der materiellen Genußmenschen be haglich einzuverleiben, um sich ebenfalls ohne Vertiefung zu erheitern. Daß Benedix dieses Bedürsniß ost mit Ehren befriedigte und daß es ihm in den „Zärtlichen Verwandten" mit am besten gelungen, anerkennt man jetzt gerade mit einer Art von Gcnugthuung, da dieser Schriftsteller noch kurz vor seinem Ende durch sein Attentat gegen Shakespeare und den edleren Geschmack überhaupt eine so beklagenswcrthe literarische Sünde aus sich lud. „Die zärtlichen Verwandten" sind sehr löblich einstudirt und werden durch die meisten Darsteller trefflich gespielt. Dahin gehören die im guten Lustspielton gehaltenen Leistungen von Frl. Berg, Allram, Guinand und Frau Wolff. Die letzten beiden Rollen haben wir früher von Frl. Langen Haun und Löhn gesehen. Die jetzigen Kräfte suchten mit Geschick für jene einzu- treten, wobei Frl. Guinand sehr viel Wärme und Herz lichkeit entfaltete. Auch Frl. «spettini wirkte in ihrer kleinen Partie recht freundlich, in der Sprache noch immer nicht so einfach als im gefälligen Spiel und im Gesichtsansdruck. Herr Hagcu jedoch (der Geck Schummrich) tritt aus dcm maßvollen Farbenauftrag des Ensembles durch grelle Uebertreibung heraus. Die Intentionen und technsichen Hilfsmittel, welche er verwendet, sind ganz hübsch und wer den, ohne originell zu sein, auch eine etwas erheiternde Wirkung nicht verfehlen, aber sie dürfen nicht bis zur plumpen Geschmacklosigkeit auSgenützt werden. Das Glück, die Zu chauer zu erheitern, kann man als Schau spieler nie wohlfeil kaufen, auch nicht unter dem Schutz des Sonntagspublicums. Unerträglich spielte Herr Bassermann seine leichte Rolle. Ein solches Pronon- ciren arroganter Rohheit darf sich kein Darsteller des jungen Schlingels Dietrich gegen seine Mutter und gegen einen gereiften Mann aus der guten Gesellschaft erlau ben, weil es jene Dame zu verletzend compromittirt und diesen Mann zu dringend zu augenblicklicher Züchtigung herauSfordert. In dem neueinstudirtcn Schwank „Er muß taub sein" waren besonders die Herren Jaffö, Nichelson und Löber und Frl. Masson thätig. Dieses Stück bewegt sich in einer kaum erlaubten Heiterkeit, deren Ton tiefer steht, als jener der Posse, ohne doch deren bunte Effecte zu bieten. Beim dritten oder vierten „Esel" oder „Ka mel", mit welchem der Diener seinen Herrn behufs einer komischen Wirkung titutirte, habe ich mich sanft aus die ser gesprochenen Menagerie von Schimpfwörtern hinaus- geschlichen. Vermuthend, daß es später noch sehr nett geworden, will ich pur wünschen, daß di« humoristischen
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