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Dresdner Journal : 28.12.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187912287
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18791228
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18791228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1879
- Monat1879-12
- Tag1879-12-28
- Monat1879-12
- Jahr1879
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- Dresdner Journal : 28.12.1879
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O300 Sonntag, den 28. December. 1873. »tzaoi,»««nt»pi-kii,r Iw äevtick»» Lsiod»: iLkrliob: . . 18 Kkrll H jLkrliek: 4 Karle SV?s. ^inrslki« Hummern: 10 s'f «m»«r>l»ld äsilleutacllso keioks» tritt?o«t- uuä Ltem^ol^unat-litt; kior i. lo««rLteuprvl8«r kör den kLum sinvr ^-oaltsaoo kotitrvilv 2V kt. Unter „LingsgLaät" äia Lsiio bü kt. Dresdnel Äomnal. Krüetzslnsnr 1'S^Iiok mit Aosnakw« 6er 8onv- vnä keierts^e Adeaelr- für äoo sol^enäen ^i»8- Verantwortlicher Redacteur: Im Auftrage Rudolf Günther in Dresden. lnüeratennnnalime »U5«>irt!>t A> Lran<t»tette,, Uvmuun^ionür 6e« Drescluer äourual»; «»wdar^-Neriio Visa t.aip«>x L»»«I-Lr«»i»u-?rai.iki r » U: f/aa«e»urtei>» L t^vAier, L<-?Iia Wien krax-l^iprix-^rankknrt ». iik Hiiaet>«a: /t«<t ü«rlin: L'. /furnick. /nra?ic/cntfa»i^ Lrvmsv: F 8c/i/«tte / Lr«»!»«: LtanAcn'» Uüre-tu; Vdemmtr f<>. 1'oiAt; kr«Mkmrt X. »l.: F ^arAer'üede u. 0. //errma'tn- «elie I<»e>ili»nälnnj?; vürUt»: A/üNer. SLimover: 6 k»ri»-L«rltll-^nmIlt«rt » U. Stattziert- /-au-e L Lewdarz: F. XtevctA«», ^Ici Äeen«r. Uerausxekvi': lkSnizl. Lxpeüitiov äex f>re«jner äourval», f>re«üen, ^vinle-rxira«-« kio. 2V. Amtlicher Theil. Nachdem das zeitherige Französische Consulat in Leipzig für die Zeit vom 1. Januar 1880 ab in ein General-Konsulat umgewandelt worden ist, wird solches hiermit zur öffentlichen Kenntniß ge bracht. Verordnung, den Gebrauch von Post-Zustellungsurkunden betreffend. In Folge der mittels Bekanntmachung vom 3. September 1879 (Gesetz- und BerordnungS-Blatt Seite 328) publicirten Abänderung der tztz 22 und 35 der Postordnung vom 8. März dieses Jahres ist der fernere Gebrauch der zeither üblich gewesenen Post- behändigungSscheine nicht mehr thunlich. Die zum Ressort des unterzeichneten Ministeriums gehörigen Behörden werden daher hierauf mit der An weisung aufmerksam gemacht, künftig in Fällen, rn denen ein specieller Nachweis über die erfolgte Be stellung eines zur Post gegebenen Schriftstückes erfor derlich erscheint, sich, soweit es nicht bisher schon ge schehen ist, der gegenwärtig eingeführten Post-Zu- stellungsurkunden zu bedienen. Bei Verwendung der zunächst für den Gebrauch Seiten der Gerichtsvollzieher berechneten Formulare von Post-Zustellungsurkunden ist im Eingänge der letzteren unter dem Worte „Absender* die absendende Behörde als solcher aufzuführen, bez. der zu bestellende Brief als mit dem Dienstsiegel dieser letzteren ver schlossen zu bezeichnen. Dresden, am 18. December 1879. Ministerium des Cultus und öffent lichen Unterrichts. I>n. v. Gerber. Hausmann. Nichtamtlicher Theil. Ueb erficht. Telegraphische Nachrichten. Die Armennoth und die Reichsgesetzgebung. II. Zeitungsschall. (Neue Preußische Zeitung.) Tagr-geschichtr. (Berlin. Straßburg. Aus Baden. Aus Thüringen. Wien. London. St. Petersburg. Bukarest. Nisch. Konstantinopel.) Dresdner Nachrichten. Vermischtes. Statistik und LolkSwirthsckaft. EingesandteS. Feuilleton. TageSkalender. Inserate. Erste Beilage. Ernennungen, Versetzungen re. im östentl. Dienste. Provinzialnachrichten. ^Leipzig. Pegau. Zwickau. Ernstthal. Schandau) Vermischtes. EingesandteS. Inserate. Rirchennachrichten. Zweite Beilage. Börsennachrichten. Telegraphische WitterungSberichte. Inserate. - - — Telegraphische Nachrichten. Paris, Sonnabend, 27. December. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Das „Journal officiel" meldet, der Präsident Gr^vy habe die Demission summt- licher Minister angenommen und den Minister der öffentlichen Arbeiten, de Freycinet, mit der Neu bildung deS CabinetS beauftragt. Die bisherigen Minister führen inzwischen die Geschäfte provi sorisch fort. London, Freitag, 26. December, Nachmittags. (W. T. B.) Dir „Daily News" melden aus La hore von gestern, daß General Gough sich, ohne Widerstand zu begegnen, mit General Roberts vereinigt habe. St. Petersburg, Freitag, 26. December, Nachmittags. (W. T. B.) Direkten telegraphischen Nachrichten auS Cannes von gestern Abend zu folge ist in dem Befinden Ihrer Majestät der Kaiserin von Rußland eine leichte Besserung eingc- trrten. Der Appetit hat sich gehoben; die Schmerzen der Pleuresie sind vergangen, jedoch wird das Zim mer noch nicht verlassen. Tie Armennoth und die Reichsgesetzgebung. II. Daß das Unterstützungsgefetz in seiner jetzigen Ge stalt einen großen Theil der Schuld trägt an dem Rückgänge unfers Armenwefens, darüber herrscht in Sachsen nur Eine Stimme, und eine Reform desselben ist der Wunsch aller Patrioten. Nur über das Wesen dieser Reform ist man verschiedener Ansicht. Die Rück kehr zur GeburtShelmach wird zwar von Vielen für das Klügste gehalten, kann aber bei der ungünstigen Stim mung, welche dafür in einem großen Theile Deutsch lands und vor Allem in Preußen herrscht, kaum ernst lich ins Auge gefaßt werden. Man wird sich also entschließen müssen, das Princip des Unterstützungs wohnsitzes, das bekanntlich darin besteht, daß sich die Verpflichtung du Gemeinden, für die Unterstützung der Verarmten zu sorgen, an den dauernden Aufenthalt der Letztern knüpft, beizubehalten und nur die auf thun- lichste Beseitigung der gegenwärtig mit der Anwendung dieses Principes verbundenen Härten und Mängel hin zuwirken. In Absicht der Armenpflege steht der Un terstützungswohnsitz nach den Bestimmungen des Reichs- gesetzes vom 6. Juni 1870 der Geburtsheimath haupt sächlich um deswillen nach, weil er keinen dauernden, sondern nur einen vorübergehenden Charakter hat. Leicht und schnell, wie er erworben wurde — durch zweijährige Anwesenheit —, geht er auch wieder verloren — durch zwei jährige Abwesenheit —. Die Gemeinde hat daher auch kei nerlei Interesse daran, für die bleibende, besonders auch die sittliche Hebung der Unterstützungswohnsitzberechtigten Sorge zu tragen, wie dies früher bei den durch Geburt oder andere Gründe Heimathsberechtigten der Fall war. Desto mehr Interesse hat die Gemeinde, sich alle Per sonen, die etwa einmal der öffentlichen Unterstützung anheim fallen könnten, fo bald als möglich vom Halse zu schaffen und sie mit allen möglichen Mitteln an dem Erwerbe oder der Behauptung des Wohnsitzrechtes zu hindern. Dies Bestreben kann uin so leichter durch- gesührt werden, als das Gesetz die Möglichkeit aner kennt, daß Personen gar keinen Unterstützungswohnsitz haben, die sogen. Landarmen. Die Zahl dieser Heimath- losen im eigentlichen Sinne des Wortes ist naturgemäß im fortdauernden Wachsthum begriffen, und aus diefen Personen, um die sich die verpflegenden Gemeinden nicht weiter kümmern, als daß sie ihnen die einmal zugewiesene Pension aus dem Landarmenfond regel mäßig auszahlen, recrutirt sich vorzugSwefe jenes ge waltige Vagabundenheer, dasTDeutschland brandschatzend durchzieht. DaS Hauptaugenmerk bei einer Reform des Unterstützungswohttsitzgesetzes muß also daraus ge richtet sein, dem Unterstützuiigswohnsitz einen stabileren Charakter zu geben und das Landarmeninstitut zu be seitigen. Als Mittel für diefen Zweck schlägt man vielfach eine Verlängerung der Erwerbssrist und die Anerkennung des Gruudfatzcs vor, daß das bisherige Wohnsitzrecht nicht eher verloren gehen soll, als biS ein neues erworben fei. Man könnte hiergegen erinnern, daß durch eine folche Bestimmung die ohnehin großen und mit dem Werth des Streitgegenstandes außer Verhältniß stehenden Opfer an Zeit, Mühe und Geld, welche die Aufstellung und Feststellung des Unter stützungswohnsitzes für einen Hilfsbedürftigen in der Regel fordert, noch würden vermehrt werden, indem man dann häufig genöthigt fein würde, seine Aufent haltsverhältnisse über einen laugen, die Dauer von 2 Jahren übersteigenden Zeitraum zu verfolgen. Allein diesem Uebelstande läßt sich unschwer dadurch begegnen, daß man den Gemeinden zur Pflicht macht, den ab ziehenden Personen Zeugnisse über die Dauer ihres Aufenthaltes aus Grund der obrigkeitlich geführten Melderegister ouszustellen, und ihnen umgekehrt das Recht giebt, neu anziehenden Personen den Aufenthalt so lange zu versagen, als sie nicht durch Vorlegung solcher Aufenthaltsbescheinigungen den Nachweis ihres Unterstützungswohnsitzes beibringen. Aehnliche Be stimmungen bestehen m zahlreichen sächsischen Gemein den — theils auf Grund ortsstatutarischer Festsetzung, theils in Form von allgemeinen Polizeiregulatwen für den betreffenden Verwaltungsbezirk — fchon jetzt, in sofern man von dem Anziehenden ein Zeugniß der Gemeinde, in der er sich zuletzt aufgehalten, über die Abwefenheit polizeilicher Aurweisungsgründe verlangt. Ihre allgemeine Ein- und Durchführung aber würde sich vielleicht am besten sichern lassen, wenn man den Anspruch der Genannten auf Erstattung des für auswärts unterstützungsberechtigte Arme bestrittenen Aufwandes an die Voraussetzung knüpfte, daß bei deren Anzug und Anmeldung die vorschriftsmäßige Controle über ihre bisherigen Aufenthaltsverhältnisse und ihre Unterstützungswohnsitzberechtigung geübt worden sei. Ob und inwieweit Vorschriften des soeben gedachten Inhaltes mit den Reichsgefetzen über das Paßwesen und die Freizügigkeit in Widerspruch treten würden, wie von Manchen behauptet wird, ist hier nicht weiter zu erörtern. Denn wenn dieselben in die projectirte Novelle zum Unterstützungswohnsitzgejetze Aufnahme fänden, so würden hiermit die entgegenstehenden älteren Bestimmungen von selbst hinfällig werden. Dresden, 27. December. Wesentlich günstiger, als in Asien hat sich neuer dings die Situation der Engländer in Süd afrika gestaltet. Am Cap ist die britische Regierung endlich des letzten Gegners Herr geworden. Der Kaffernhäuptling Sekukuni, der lange vor Cetewayo schon die Fehde mit den Colonisten begonnen und denselben das Leben sauer gemacht hatte, ist am 28. November besiegt und seine Bergfeste eingenommen worden. Sekukuni» eigener Kraal fiel den Engländern in die Hände. Die Truppen besetzten am selben Tage seine Stadt, sowie die verschanzte Stellung, und am 2. December hat sich Sekukuni selbst den Engländern über geben. Damit ist die Pacification der Kolonie be endet; die Boers können nicht daran denken, ihre Un- abhängigkeitSpläne mit bewaffneter Hand zu verfolgen. Nachdem die letzten Kaffernknege die Uederlegenheit der britischen Truppenführung fo glänzend erwiesen, dürften die hartnäckigsten Widersacher der Annexion des Transvaal zum „Trekken" ihre Zuflucht nehmen, d. h. weiter in die Wildniß hinausziehen, während da» GroS der holländischen Kolonisten sich nunmehr mit der gegenwärtigen Situation nothgedrungen besreunden und auSsöhnen muß. Zur Darlegung der Wichtigkeit dieses Sieges entnehmen mir einem orientirenden Artikel der „Neuen Preußischen Zeitung" Folgendes: Der Fall der Bergfeste des Häuptlings Sekukuni ist ein Ereigniß von viel größerer Tragweite, als die Bedeutung des genannten Häuptlings zunächst erwarten lassen sollte. Sekukuni war allerdings in mel höherem Maße, alsMoirosi ein hervorragenderHäuptling, obgleich nur aus der Klasse der Häuptlinge 2. Ranges Während Moirosi ein verhältnißmäßig unbekannter Name unter seinen StammeSgenossen war, hatte Sekukuni unter den selben einen berühmter« Klang. Er konnte aber nicht, wie einst Moichesch über 50000, Swazi über 30G>0, Cete wayo über 100000 Krieger verfügen In der Zeit seiner höchsten Höhe betrug die Zahl seiner Bewaff neten höchstens 15000 Mann, und diese war durch die letzten Kriege, sowie durch den Abfall mächtiger Unterhäuptlinge, in letzterer Zeit so zusammengeschmol- zen, daß er zuletzt auf seiner stark befestigten Berg- sestung wohl kaum mehr als 2000 Mann den Eng ländern entgegenzusetzen hatte. In Afrika indeß besagt das Gewicht deS Namens mehr, als die momentane Stärke des Heeres. Sekukuni war der hochbegabte, siegreiche Nachfolger des Königs Sekwati, welcher als der erste unter den kleineren Bassulofürsten nach der Ueberschwemmung des Landes durch Moselekazzi wie derum ein unabhängiges Reich von Basfuto, das alt- berühmte Bapedireich von Tulare, wieder herzustellen gewußt hatte. Sekukuni hatte wiederholt siegreich nicht nur gegen die Bauern (Boers), sondern auch gegen die mächtigen Swazi gekämpft. Auf ihn waren daher die Augen aller kleineren (der Zahl ihrer Bevölkerung nach zum Theil mächtigeren) Bassulofürsten von Trans- vaalien gerichtet, als er vor etwa 4 Jahren erklärte, er werde „den letzten Kamps des Löwen" jetzt kämpfen. Und er hat in der That mit hervorragender Tapferkeit und Ausdauer den Kamps durchgekämpft. Niemals vor ihm hat sich ein farbiger Fürst in Afrika fast 4 Jahre lang hinter einander gegen die Mißen halten können. Er war daher durch Ge ¬ sandtschaften mit allen den übrigen, ihm etwa an Stärke gleichen Baffutofürsten verbunden, und Moloto, Matshie, Claas Mokopan, Mapoch waren ost dicht daran, mit ihm gemeinsam den Schild zu erheben. Jede neue Nachricht von einem Vortheil, den Seku kuni den Weißen abgerungen hatte, durchzuckte elektrisch die Herzen sämmtlicher Farbigen von Transvaal. Dem entsprechend wird auch die Wirkung sein, die die Nach richt von seiner Niederlage macht. Jetzt wird kaum noch ein farbiger Häuptling den Muth haben, gegen die Engländer sich zu erheben, und auch die aussätzige Bauernpartei wird sich jetzt zur Ruhe begeben und höchstens Pläne zum Fortziehen machen, wenn ihnen nur die Tsetsefliege einen Ausweg ließe. Eine stehende Heeresmacht von 1000 Mann Weißer ist jetzt ge nügend, ganz Transvaal in Ordnung zu halten. Wir können deshalb den Fall Sekukuni's al» das Ende der gegenwärtigen militärischen Action England» m Süd afrika anfehen. Ja wir würden zu hoffen wagen, daß überhaupt die Macht der Farbigen in den bisher occupirten Ländern so völlig gebrochen sei, daß ein größerer Krieg gegen sie nicht mehr nöthig werden würde, wenn nicht die Engländer durch den unbegreif lichen FriedenSsä luß mit den Zulus sich selbst eine Ruthe für künftige Zetten gebunden hätten. Die Zu lus selbst staunen, weshalb die Engländer sie nicht schärfer behandelt haben. Aber Kaffernart ist eS, daß sie dergleichen nicht für Großmuth anfehen, sondern Feuilleton. Nedigirt von Otto Banck. K. Hoftheater. — Neustadt. — Am 25. Decem ber: „Wohlthätige Frauen", Lustspiel in 4 Acten von Adolf L'Arronge. (Zum ersten Male.) Die übliche Theatersitte, sich durch Darbietung eine» neuen Stücke» zum ersten Feiertage an der WeihnachtS- bescheerung gleichfalls zu detheiligen, rückt der Stim mung eine» großen, bunt zusammengesetzten Publicum» »»folge die Wahl einer heiteren, leichtgeschürzten Arbeit sehr nahe. E» wurde früher bei solchen Gelegenheiten wohl auch zur Posse gegriffen. Bei der Novität von L'Arronge ist die» letztere in gewissem Sinne absichtSlo» und unbewußt ebenfalls geschehen, denn da» mit „Lustspiel" bezeichnete Stück erweist sich bei der Aufführung vorherrschend als ein possenhafter Schwank. Er nimmt auf die Anforderun gen an die Kunstsorm deS Lustspiel» durchaus keine Rücksicht, kann aber insofern immerhin vorübergehend eine nicht unbrauchbare Acquisttion genannt werden, al» es jene Anforderungen befriedig», welche da» Sonn- tagspublicum in einem vollen Hause an seinem Theater abend zu stellen pflegt. Hat doch ein solche» Audito rium vor andern den rentablen Vorsprung voraus, außer der naiven Genügsamkeit die fröhliche Laune als etwa» bereit« Fertiges, LeichtentzündbanS «itzu- bringen. Sobald ein anregendes Fünkchen darauf fällt, gehen ihre Keinen Feuerräder und Frösche ohne Weiteres lachend in die Luft und man awusirt sich durchschnittlich so gut, als das am ersten Ehristtage geschah. Der gebildete, strenge Theaterfreund ist freilich ein weniger dankbarer Zuschauer; statt einer unverwüst lichen genügsamen Laune erfüllen ihn große Ansprüche und ein versteckter Zweifel; denn er weiß, daß das Tüchtige zwar äußerst wünschenSwcrth, doch ebenso schwer erreichbar, wie selten ist. Dieser Minderzufriedene, der keinen heißen hung rigen Magen aber eine desto verwöhntere Zunge hat, ist sehr empfindlich selbst gegen solche Geschmacklosig keiten, die ihre zudringliche Natur unter der Eharakler- maSke der Gemüthlichkeit verbergen; noch empfindlicher aber, wenn e» sich dabe» um das speculative Routimr- streben handelt, durch eine Reihe grob dramatischer Scenen, die nolhdürftig dem Schlagwort einer Zeit tendenz dienen, aber sich nicht zum lebendigen Organis mus eines Stückes zusammenfügen, auf der Bühne Lärm zu machen und borgend vom eigenen Renomme den Abend mit Reclame für sich in Anspruch zu nehmen. In dieser üblen Position bewegt sich dies Mal L'Arronge. Sein „Doclor Klauß" war bei allen guten Seiten, die dieses muntere, von komischen Momenten erfrischte, theilwei» possenhafte Lustspiel hat, ein Rück schritt gegen „Mein Leopold", diese durch kcm fremdes Element verdorbene, cchte Posse von gesunder Art. „Wohlthätige Frauen" ist ein entschiedener Niedergang un Vergleich mit „Doctor Klauß". Die un- heute so ost entgegentretende krankhafte Ostentation und Heuchelei un WohlthattgkeitStreiben, wie sie von dem blasirten Theil der modernen Gesell schaft zu einem System entwickelt und mit Lächerlich keiten aller Art reich geüug au»gcfchmückt ist, wäre ein Lustspielstoff, dankbar für einen Moliöre. Die Wett aber würde ihm für diese Gabe keineswegs dankbar sein. Ein solches Thema, so tief eingreifend und schneidig behandelt, wie eL behandelt werden müßte, um sittliche Heilung zu schaffen, würde auch für viele edle arglose Menschen zum bitteren Humor, zur beißen den Satire, zur Geißel werden, ihnen eine im Kern so gute Sache unwillkürlich verleiden und gegen Rück sichten verstoßen, die den ahnungslosen Sittenprediger von alle,» Seiten einengen. Deshalb wurde auch dieser Gegenstand Mit rich tigem Tact immer nur episodisch behandelt. Eine Ausnahme, doch in bedenklich gesärdter Specialität, die außerdem an dramatischen Schwächen kranke, machte Gutzkow in „Lenz und Söhne". Die Verfasserin von „Lüge und Wahrheit" ging in „Er muß aufs Land" mit so originellem Humor und mit so scharf treffender Charakieristik und ethischem Princip aus jenes Thema rin, daß sie die besten Wirkungen weit überbot, d.e L'Arronge und Wolff (dieser in der „Junggesellen- steuer") angestrebt Haden. Während L'Arronge nicht doS Glück hatte, in seinen „Wohlthät'gen Frauen" den eigentlich unsitt lichen und lächerlichen Kern deS grassirenden Verems- wesenS zn treffen und drastisch zu präcisiren, verlor er sich m matten, schleppenden Scenen. Dahin ge hören dir endlosen Gespräche der Frau Anna, die Späße des Herrn Hubert, der auS dem „Stiftungs fest" stammt, und tue Episode (zwischen dem Major v. Rodeck und Fräulein Ste.n), die nur zu einer üblichen Bühnenheiratb, aber nicht zu einer Ansprache der Empfindung führt, da un» der Verfasser für die genannte Dame, einer Jane Ayre im letzten Stadium, «me Theilnahmr ringestößt hat. Bon Briden, nämlich auch vom Major, der den Lord im Birch-Pfeiffer'schen Stücke vertritt, wissen wir nur, daß sie sehr brave Leute sind, und daS reicht bei Herzensverhältnissen nicht aus, um uns für deren Träger zu erwärmen. Auffällig ist's, daß ein so geübter Repertoirever- sorger, wie L'Arronge, in der Personenzeichnung nicht einmal die allgemeine Schablone logisch anwendet. Offenbar hält er, wie fein Lederhändler Möpjel beweist, die Menschen für dümmer, als sie wirklich zuweilen sind. Da- Stück kann nur m einer größeren Stadt spiele« und da giebt e» keinen Geschäftsmann, der jo einfältig wäre, von einem ihm unbekannten pensionirten Major Titel und Orden zu erbitten. Während er dies thut, wünscht er, jeder Frauensperson, die zufällig durch de» Offizier» Salon geh», vorgestellt zu werden. Dabei spricht er nicht etwa blo» Blech, wie eine triviale Redensart zu sagen pflegt, sondern giradezu Leder. Diese Einfaltspinselei wirkt abgeschmackt und peinlich, umsomehr, da derselbe Mann sich später von anstän diger Gesinnung und scheinbar so gebildet zeigt, daß mich nach der langen Schulübung seine- Söhnchens über die Schlacht von Kolin beim Mangel besserer Unterhaltung die stille Frage beschäftigt h<tt: ob der Herr Vater weiß, wer diese Schlacht am 18. Juni 1757 verlor, oder ob er es nicht weiß. Be» seinem wohl- wei-lichen Schwergen bin ich srerlich darüber »m Dunkeln geblieben, nicht aber über die Thatsmde, daß sich der Verfasser seine Menschenmalerei selbn für einen Schwank, geschweige denn für ei« Titularlust- spiel allzu leicht gemacht hat. Da- gilt auch für Han- Werner, den Diener des Major-, und für Werner'» Frau. Erstens kommt es unter solchen stet» prak,scheu Leuten, die i« vorliegende«
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