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Dresdner Journal : 28.05.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188205282
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820528
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820528
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1882
- Monat1882-05
- Tag1882-05-28
- Monat1882-05
- Jahr1882
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- Dresdner Journal : 28.05.1882
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rin Telegramm au» Konstantinopel vom 26. d. MtS. berichtet, entgegen, während die Politik dieser Mächte sich darüber admüht, wie sie mit Ehren au» der Sack gasse zmückkehren soll, in welche sie gerathen ist. Die Türkei aber hat alle Ursache zur Schadenfreude. „Bi» jetzt war der Sultan oer einzige," sagen die »Ham burger Nachrichten" treffend, „welcher duich den Verlauf der ägyptischen Krisi- profitirte. Sein halb erloschene« Prestige in Aegypten hat eine ungeahnte Auffrischung erhalten und seine Einmischung, die früher nur theoretisch in Betracht zu kommen schien, must nun vielleicht geradezu nachgesucht werden." So überraschend die neuesten Wandlungen der ägyptischen Angelegenheit auch kommen, so halten wir doch an unserer ursprünglichen Meinung fest, daß die selben — auch so, wie sie jetzt liegen, und im Falle Arab> Bey Herr der Situation bleiben sollte, zu keinen ernsten Verwickelungen führen werden. Die ägyptische Frage kann vielleicht die Diplomatie den ganzen Sommer hindurch beschäftigen; e« können Eonferenzen stattfinden, vielleicht wird auch analog dem Falle von Dulcigno, wo die Pforte eine ähnliche Taktik, wie heute in Aegypten befolgte, eine Flotte Europa« nach den ägyptischen Gewässern entsende, aber eine Störung für den allgemeinen Frieden ist durch die neuesten Ereignisse wohl nicht zu befürchten. Schon au« der seit herigen Behandlung der Angelegenheit konnte man die Ueberzeugung gewinnen, daß die sämmtlrchen Mächte zu sehr von der Nothwendigkeit de« Frieden« durch drungen sind, al« daß sie eine Auflösung de« europäi schen Concerti gestatten möchten. Lagesgeschichtt. * Berlin, 26. Mai. Die diesjährige große Frühjahrsparade fand heute Vormittag 10 Uhr vor Sr. Majestät dem Kaiser auf dem Jnsanterie- exerciiplatz, östlich der Tempelhofer Chaussee, Statt. Außer der Berliner Garnison nahmen an derselben die in Spandau garnisonirenden Truppentheile und daS CadettencorpS aus Großlichterfelde Theil. Se. Maje stät war begleitet von Sr. kaiserl. und kömgl. Hoheit dem Kronprinzen, Ihren königl. Hoheiten den Prinzen Friedrich Karl und Albrecht und Sr. Hoheit dem Fürsten von Bulgarien. — Auf Befehl Sr. Majestät de- Kaisers soll die Nagelung der den neu formirten Truppentheilen verliehenen Fahnen am 27. d. Mts. nicht wie ursprünglich bestimmt im Grottensaale des neuen PalaiS, sondern unmittelbar nach dem Paradedejeuner im Marmorsaale des Stodischl osseS zu Potsdam stattfinden.— Der Fürstbischof von BreSlau, l)r. Robert Herzog, und der Bischof von Osnabrück, Or. Höting, folgten gestern Nachmittag einer Einladung des CultusministerS v. Goßler zum Diner. Am Morgen desselben TageS hatten Beide eine Messe gelesen. Zu heute Nach mittag sind dieselben von Sr. Majestät dem Kaiser mit einer Einladung zu dem Paradediner im königl. Schlosse beehrt worden. Der Fürstbischof llr. Herzog beab sichtigt, heute Abend von hier nach Breslau abzureisen. — DaS von der Regierung im Reichstage in Aussicht gestellte Ergänzung-Heft zum 53. Bande der Reichs- statistlk, welches die Unfallstatistik nach der Auf nahme von 1881 enthält, bearbeitet von dem Geh. Rath Bödiker im Reichsamt des Innern, ist jetzt er schienen. Die hauptsächlichen Ergebnisse dieser Statistik sind von dem StaatSsecretär v. Bötticher bereits in der ersten Lesung der beiden Versicherungsgesetze mit- grtheilt worden. — ES ist wiederholt beobachtet wor den, schreibt die „Nordd. Allg. Ztg", daß der philo logische Unterricht auf den Gymnasien durch die Einseitigkeit, mit welcher das grammatische Element gegenüber einer wirklichen Anergung der Sprache be tont wird, und nicht seilen ,o lehr ir den Vordergrund tritt, daß die L'ctüre nur als Mittel für die Aneig nung des grammatischen Regelwerkes erscheint, in seiner Wirksamkeit und seinen Erfolgen bedenklich geschädigt wird. Die Folge hiervon ist, daß bei dem Gebrauche von Grammatiken, welche in der Specialisirung der Syntax und in der Vorzeichnung der Unterschiede des Sprachgebrauches ziemlich weit gehen, nicht genügend »rwoqcn wird, worauf der Lehrer im Unterrichte und in fernen Ansprüchen an die Schüler sich zu beschränken habe, und daß mitunter lyntaktische Schwierigkeiten in Klassen behandelt werden, über deren geistige Fassungs kraft sie hinausgehen. Eine weitere Folge ist, daß haben — das ist unmöglich, weit und breit an der Mulde ist kein Felsen weiter, als die Steine, die hier unten liegen am Fuße des FoctorsteinS!" Der Bergrath schien nicht zu hören. Aber Meta hatte die Worte vernommen, und in ihrem Kopfe jagte ein Gedanke den andern. Sollte die Frau Lorenz sich nicht auch hier herabgestürzt haben, war sie nicht auch am Weidenbusche angetrieben, hatte nicht hier heute Nacht ein Kampf stattgefunden? Ihre Gedanken würden durch eine Bergmannifrau unterbrochen, die ganz in der Nähe stand und die Worte des Gerichts amtmanns auch vernommen hatte. „Er wird sich hier heruntergestürzt haben, oder man hat ihn herunterge stoßen," begann die Frau, „ich habe heute Nacht " „Schweigt," unterbrach sie der Bergrath streng, „dar ist unsinniges Zeug!" Betroffen schwieg die Frau. „Nicht doch, Herr Bergrath," begann der GerichtS- amtmann, „so leid eS mir thut, daß ich meine Eigen schaft als Gast mit der de- Beamten vertauschen muß, so bleibt mir doch nicht- übrig, als die sonderbare TodeSart des Herrn Wilhelm Arndt festzustellen. Also sprecht, Frau, was wißt Ihr?" Ein dichter Kreis hatte sich jetzt um die betheiligten Personen gebildet, nur Meta weilte abseits bei der immer noch bewußtlosen Freundin, aber eS entging ihr kein Wort. „Ich war heute Nacht", sagte die Frau ängstlich, „ausgestanden, um frisches Wasser für mein krankes Kind vom Brunnen zu holen. E« war gerade 2 Uhr, die Glocke schlug vom Thurm, da hörte ich vom Fac torsteine einige furchtbare Schreie, mir war, als ob wiederholt .Gnade, Gnade, Barmherzigkeit!' gerufen würde, dann wieder ein Jammern und dann war Alle-^ill!" „Warum gingt Ihr nicht näher, Frau?" „Ich bin näher gegangen, ich schlich durch das dicke Gebüsch mich bi« hierher, aber ich sah nicht« rückziehen, sondern sein hervorragendes politische« Ta lent und seine reiche Ersah» ung >m Herrenhause, dem er seit einer Reihe von Jahren al« Mitglied ange- hört, zur Geltung bringen. — Die Meldungen au« Bosnien und Süddalmatien über die Fortschritte der im Zuge befindlichen Asjentirung lauten günstig. Bisher »st nirgends irgendwelche Renitenz gegen die Durchführung de« AssentirungSgeschästeS zu Tage ge treten; im Gegentheil ist eS hier und da vorgekommen, daß sich Personen, die gar nicht zur Stellung berufen waren, freiwillig zum Eintritte in den Heeresdienst gemeldet haben. Allerdings ist da- aufzubringende Contingent ein kleine- und die Zahl der beschäftigungs losen jungen Leute in den occupirten Ländern eine ziemlich große. Nichtsdestoweniger darf eS immerhin als ein günstiges Symptom betrachtet werden, daß Muhamedaner, Orthodoxe und Katholiken mit gleicher Bereitwilligkeit sich den Bestimmungen des Wehrge- setzeS fügen. In der Herzegowina ist mit der Assen- t»rung noch nicht begonnen worden. — Der SessionS- abfchnitt de« ReichSrathS ist mit dem heutigen Tage, an welchem das Herrenhaus dre letzte Sitzung abhielt, zu Ende gegangen. Da- Resultat der Delegations wahlen ergab, zum ersten Male seit dem Bestände dieser Körperschaft, eine conservative Majorität. Der Wiederzusammentritt der Rerchsvertretnng dürfte kaum vor der zweiten Octoberhälfie erfolgen. — Galaczer Meldungen zufolge, ist in den Verhandlungen der europäischen Do naucom Mission eine kleine Pause eingetreten. Der Antrag Barrere gelangte infolge dessen bliher noch nicht zur Discussion. — Vom JnsurrectionSfchauplatze wird der „Polit. Corr." aus Cattaro, 20. Mai, gemeldet: Am 1. d. brachen im Laufe des Abends plötzlich 21 Fa milien aus Ober-Pobori über die öfter» eichisch-monte- negrmifche Grenze in das Majsturagebirge. Ein Hirtenknabe, der zufällig Zeuge der Invasion war, besaß die Intelligenz, mit der betreffenden Meldung schnurstracks nach Cetinje zu laufen, wo sofort die nothwendigen Dispositionen getroffen wurden, so daß um 2 Uhr Nachts bereits 150 Mann unterwegs wa ren, den Cordon an der gefährdeten Strecke zu be ziehen, insbesondere den Vorsprung Mirac zu besetzen. Die männliche Bevölkerung von Pobori leistete be kanntlich einige Tage lang bewaffneten Widerstand, trat aber, nachdem sie ihre Munition verschossen hatte, in der Stärke von 41 Mann gleichfalls auf monte negrinisches Territorium über. Sie wurden daselbst entwaffnet und die ihnen abgenommenen Waffen mS Depot nach Cetinje geschafft. Da sich die Flüchtlinge hartnäckig weigerten, eine UnterwerfungSdeputatlon nach Caltaro zu entsenden, und ungeachtet alles Zuredens entschieden nie wieder zurückkehren zu wollen er klärten, wurden sie am 11. d. in die entlegenen Gegenden von Gornja-Maraca Kolaschin (5 bi« 6 Tagereisen) abgeführt — eine Maßregel, die auch nach jeder Richtung hin als entsprechend bezeichnet werden kann. Die 3 Rädelsführer Bogdanow Djakonovic, Gjuro Radow und Gjoko Tomow Knezevic wurden aber von den Uebrrgen abgetrennt und als Gefangene nach Podgorizza geschafft, wo sie in strengem Gewahr sam gehalten werden. Die ungefähr 300 Familien, welche am 10. März aus der Kllwoschje auf mon tenegrinisches Territorium geflüchtet waren, wurden in den letzten Tagen in die Gebirgsgegend von Saranci- Kolaschin an der Tara (5 bis 6 Tagereifen) gebracht. Der montenegrinifche Cordon hatte in letzterer Zeit Befehl bekommen, auf Insurgenten, falls sie sich ihrer bisherigen Taktik entsprechend im Gefechte der Grenze nähern würden, Feuer zu geben. Dies geschah bereits factisch am 12. d. M. nächst Suho-Potje, insbesondere aber am 19. nächst Vodice, wobei die 35 Mann starke Bande des Stojan Kovacevic gesprengt, 3 Mann ge- tödtet, mehrere verwundet und 15 gefangen genommen wurden. Stojan Kovacevic selbst gelang es, mit 10 Mann zu entweichen. Seit dem 12. d. M hat der montenegrinische Cordon streckenweise, insbesondere auf dem schwierigen Theile Curilo Somina-Vrbica, ansehn liche Verstärkungen erhalten. Jede Außerachtlassung der Vorschriften deö Fürsten wird sofort geahndet. Ein Lordonposten, der erwiesener Werse eine kleine Jnsurgentei.schaar passiren ließ, wurde streng zur Rechenschaft gezogen und der Vorfall zum Anlaß ge nommen, um dem Cordon die ihm ertheilten Befehle neu einzuschärfen und entsprechend zu ergänzen. Außer einigen am Mramor vorgefundenen Waffen sind etwa 140 Gewehre, darunter 90 Hinterlader, welche flüch tigen Insurgenten, zumeist Poborianern und Kri- wofchjanern, abgenommen worden waren, nach Eetinje eingelrefert und dort entsprechend deponirt worden. — Nach einer Meldung der „Polit. Lorr." au« Sara jewo ist daselbst auch die Stellung der 2. Alters klasse gestern glücklich beendet worden. ES meldeten sich nachträglich noch 4 Freiwillige, von denen 2 assen- tirt wurden. In Banjaluka verlief die am 24. d. vorgenommene Loosung in musterhafter Ordnung; die zur Stellung Verpflichteten waren fast vollzählig er schienen. Von mehreren sich freiwillig Meldenden wurden einige asfentirt. Prag, 26. Mai. (Presse.) Das HerrenhauSmit- glied Professor Randa und der Abgeordnete Kwiczala überreichten der Regierung ein Memorandum der tschechischen Professoren der Medicin, in wel chem die Nothwendigkeit betont wird, die Zahl der tjchechlfchen Professoren schon für da« nächste Jahr zu vermehren, um hierdurch eine Grundlage für eine selbstständige tschechische Facultät an der hiesigen Uni versität zu schaffen. * Buda-Pest, 26. Mai. In der gestrigen Sitzung des ungarischen Abgeordnetenhauses wurde die Generaldebatte über den Pacificationscredtt endlich zum Abschluffe gebracht, nachdem noch 9 Redner gegen die Vorlage, mehrere unter ihnen gleichzeitig aber auch über alles Erdenkliche ausführlicher al« über den Gegen stand der Tagesordnung gesprochen hatten. Bon po litischer Bedeutung ist die Definition, welch« der Mi nisterpräsident in feiner Rede dem Mandate gegeben, welches der Berliner Vertrag der Monarchie bezüglich Bosniens und der Herzegowina ertheilte. TiSza er klärte, er kenne die Bestimmungen deS Berliner Ver trages viel zu gut, um zu behaupten, daß derselbe eine definitiv abgeschlossene Situation enthalte. Er über- trage Oesterreich-Ungarn nur ein Mandat zur Occu» patton, welche an keine bestimmte Zeit gebunden ist, bezüglich deren Oesterreich-Ungarn aber zu beurtheilen habe, auf welche Art und wann dieselbe feine Jnter- effen gemäß umgebildet werden solle. Heute haben noch der Referent und d»e beiden Antragsteller zu sprechen. Sollte dic Specialdebatte nicht in der heu tige,'. VormütagSsitzung beendigt werden, so soll Nach mittags eine zweite Sitzung stattfinden, eventuell auch am Pfingstmontag eine Sitzung abgrhalten werden. So beschloß die liberale Partei in ihrer gestrigen Lonferenz, offenbar in der Absicht, hierdurch den Redestrom der Opposition einzudämmen. Wenn morgen die dritte Lesung erfolgt, wird sich Vas Hau- bi- zum 2. Juni vertagen. — In der vorgestrigen Sitzung hielt eine Interpellation deS bekannten Abg Jstoczy da« Abgeordnetenhaus in Spannung. Er richtete unter Mittheilung der N-chncht, daß in TiSza-Eszlar in der Synagoge unmittelbar vor den jüdischen Oster feiertagen durch den jüdischen Schächter Salomon Schwarz ein Christenmädchen namens Esther So- lymosi ermordet worden sei, die Behörden aber auf erstattete Anzeige bin sich für incompetent erklärt hätten, an den Minister deS Innern und an den Justizminister die Anfrage, ob sie von diesen Vor gängen Kenntniß hätten und welche Schritte sie gegen die betreffenden Behörden wegen ihrer auffallenden Pflichtverfäumniß zu thun gedächten. Diese Inter pellation gab zu einer äußerst erregten Debatte An laß, in deren Verlaufe der Justizminister Untersuchung der Angelegenheit zusicherte. Heute melden nun die Blatter, daß das vermißte Mädchen gesund und wohl behalten in ihrem Dorfe wieder eingetroffen ist, au« dem sie sich vor Furcht vor Strafe wegen einer be gangenen Unterschlagung geflüchtet hatte. Paris, 26. Mai. Da« „Evenement" glaubt zu wissen, daß die Cabinete von London und Pari«, deren Anschauungen über alle Punkte der gegenwärtig aufgeworfenen ägyptifchenFrage stet- dieselben sind, sich nun auch über da« Princip der türkischen Inter vention geeinigt haben. Die „Rspublique ftanyaife" greift heute d»e Regierung wegen ihrer Politik in der ägyptischen Frage heftig an, wirst Hrn. de Freycinet vor, daß er sich mrt den früheren Anschauungen und Erklärungen der Regierung, welche sich fortwährend gegen jede Einmischung der Pforte in die ägyptischen Angelegenheiten ausgesprochen hatte, in Widerspruch gesetzt und durch die Annahme der türkischen Jnter- den Extemporalien eine ungebührliche Stelle in dem Unterricht zu Theil geworden ist und die sogenannten Exercttien mitunter ganz verschwunden sind. Es wird mit dem Schreiben dieser Extemporalien nicht nur in Ansangsklassen zu früh begonnen, während sie doch hier nur einen bescheidenen Raum einzunehmen haben, sondern eS wird auch oft durch die Länge und Schwierig keit der Aufgabe den Schülern eine Leistung zugemuthet, der sie bei der Hast deS Arbeiten- nicht gewachsen sind. Daher kommt eS nicht selten, daß ihre Beschaffenheit fortgesetzt eine schlechte bleibt, und die elementarsten Fehler auch in den höheren Klassen nicht verschwin den. Am bedenklichsten aber ist, daß, wenn, wie es leider häufig geschieht, von den Ergebnissen der Extemporalien ausschließlich das Urtheil über die Reife zur Versetzung abhängig gemacht wird, selbst fleißige und strebsame Schüler entmuthigt und in den Fortschritten einer iuhigen Durchbildung durch die Verminderung ihres Interesses erheblich gestört werden. Eine Verfügung deS königl. ProvinzialschulcollegiumS für dre Provinz Biandeuburz an die Directoren der höheren Lehranstalten weist aus diese Mißstände hin mit dem Bemerken, daß eS die Pflicht der Direk toren fei, dieser den philologischen Unterricht ernstlich gefährdenden Einseitigkeit mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten und den Unterricht in der Grammatik in das rechte Verhältniß zu der Lectüre zu setzen. Insbesondere werde darauf zu achten fein, daß für die Beurthrilung der Schüler ein daS Ganze ihrer geistigen Entwickelung und ihrer Individualität berücksichtigender Maßstab angelegt werde. Die den revidirten Lehrplänen vom 31. März d. I. beigesügten Erläuterungen bezeichnen die Ge- sichtspunkte, welche für das in Rede stehende Unter richtsverfahren bestimmend sind. Die Direktoren sollen unter Beachtung derselben den altsprachlichen Unter richt zu einem G genstand der Beraihung in Fachcon- ferenzen machen und über die Ergebnisse derselben, so wie darüber, ob und inwieweit die bezeichneten Uebelstände beseitigt worden sind, im nächsten Verwaltungsberichte sich eingehend äußern. — Wird bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung von dem an der Thür deS Zuhörerraums postirten Unlerbeamten einzelnen Per sonen ohne einen triftigen Grund der Zutritt zu dem Zuhörerraum verweigert, so erscheint nach einem Ur theil des Reichsgerichts, 11. Strafsenats, vom 21. März d. I., dadurch die Oeffentlichkeit der Gerichts verhandlung nicht beschränkt, eS se» denn, daß diese ungerechtfertigte Zurückweisung mit Vorwissen und Billigung de« Ricytercolltglums resp. des Vorsitzenden erfolgt ist. — Die Bestimmung des ß 107 deS Straf gesetzbuchs, welcher zufolge die Verhinderung eines Deutschen, durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung, in Ausübung seiner staats bürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, mit Gefängniß nicht unter 6 Monaten bestraft wird, findet nach einem Urthnl des Reichsgerichts, II. Straf senats, vom 21. März d I., auch auf den Fall An wendung, in welchem Jemand einen Wähler zu be stimmen sucht, eine bestimmte Person nicht zu wählen oder zu wählen. AugSburg, 26. Mai. (Tel.) Der Strike der Arbeiter der „mechanischen Weberei und Spinnerei" ist beendigt. Sämmtliche Alberter nahmen die Arbeit wieder auf, nachdem, wie die „Augsburger Abend zeitung" meldet, feiten der Direktion der Fabrik die fernere Zahlung der bisherigen Löhne zugestanden worden. Braunschweig, 26. Mai. (Tel.) Der Lani tag ist bis zum November vertagt worden. —7 Wien, 26. Mai. Die „Wiener Zeitung" ver öffentlicht heute em an den bisherigen Botschafter in Pari«, Grafen Beust, gerichtete« kaiserliches Hand schreiben, in welchem demselben anläßlich feines Schei dens aus dem Staatsdienste in warmen Worten der Dank deS Monarchen für seine hervorragenden Ver dienste als Reichskanzler, Minister des kaiserlichen HauflS und Botschafter ausgedrückt wird. Auch die Journale, ohne Unterschied der Parteistellung, widmen dem scheidenden StaatSmanne sympathische Nachrufe und heben dessen große Verdienste, specull um die Ordnung der staatsrechilichen Verhältnisse zwischen bei den Reichshälften, rühmend hervor. Im Uebrigen wird vielfach der Erwartung Ausdruck gegeben, Gras Beust werbe sich nicht vollständig vom öffentlichen Leben zu weiter als den Herrn Bergrath, der dicht am Rande deS Abhanges stand und sich ein weißes Taschentuch um den Arm band." Ein Murmeln lief durch die Menge, denn der Berg rath trug, was man bisher nicht beachtet, eine Binde um den Unterarm am Handgelenk. „Seid Ihr toll, Frau!" nef der Gerichtsamtmann. „Nein, nein", unterbrach der Bergrath, ohne eine Miene zu verziehen, „die Frau hat recht, ich stand hier am Factorstein." „Sie?" sagte der Beamte, „dann werden Sie ja die beste Auskunf geben können." „Gewiß," entgegnete der Bergrath, „lassen Sie uns beiseite treten!" Der Kreis öffnete sich und die beiden Männer gingen den Weg durch den Wald. Inzwischen war eine Anzahl Bergleute heraufge klettert, um Tragbahren zu holen. Anna war wieder zum Bewußtsein zurückgekehrt und barg ihr Haupt in den Schvoß der neben ihr knienden Freundin. Jetzt richtete der Rendant seine Tochter auf und führte sie mühsam nach Hause. Meta stützte die Freundin auf der andern Seite. Wohl fühlte sie, daß ihr jeden Augenblick die Kräfte zu versagen drohten, aber als sic an dem Bergrath und dem Gerichtsamtmann, die abseits vom Wege standen, vorbeikam, da sah sie, wie der GerichtSamtmann ungläubig den Kopf schüttelte, dann aber, daß der Bergrath ihr einen Blick zuwarf, der alle und jede Zweifel bei ihr verscheuchte. (Fortsetzung folgt.) Nomadenidylle. DaS von russischen Schriftstellern al» grausam und roh viel geschmähte Turkmenenvolk wird nach und nach gerechter von anderen unbefangenen Augen an gesehen. Auf der kleinosiatischen Hochebene nördlich de« Bulgar-Dagh, welcher die kilikifche Küstenebene vom Plateau Kappadokiens scheidet, übernachtete die Rei sende Mrs. Scott-Stevenson in einem Lager von Turkmenen. Dasselbe lag zwischen Kiz (oder Ki- liffe) Hissar, dem antiken Tyana, und der Stadt Eregli. Die Engländerin beschreibt ihren dortigen Aufenthalt. Etwa 30 Zelte lagen zerstreut umher, jedes mit einer kleinen Schilfhecke, um bei Nacht die Herden aufzunehmen. Andere noch kleinere Umfriedigungen umschlossen das Geräth für den täglichen Gebrauch. Die Zelte oder Hütten — es ist schwer zu entscheiden, wie man sie eigentlich nennen soll — waren von Filz und zeigten die bienenkorbähnliche Form. Sie gehör ten offenbar einem reichen Stamme und waren auf fallend gut hergrstellt. An der einen Seite war der Filz aufgeschlagen, um die Luft einzulassen, und da« hölzerne Gitterwerk des Innern war deutlich zu sehen. Die Bedeckung wurde durch starke Bänder auS Ziegen haar, welche verschiedenfarbig gestreift waren, festge halten. In jeder Hütte sah man wollene Matratzen, baumwollene Decken und Killimteppiche nett zusammen gefaltet und in Haufen aufgeschichtet liegen, bereit, bei Nacht auf die Erde gelegt zu werden. Der Filz heißt Kedschi, wird von den Leuten selbst zu einer gewissen Jahreszeit angefertigt und entspricht seinem Zwecke vortrefflich; weder Wind noch Sonne dringt durch und im Winter hält er warm, im Sommer kühl. MrS. Scott-Stevenson und ihr Mann hielten vor dem ansehnlichsten Zelte an, fanden aber nur die Weiber daheim; dieselben empfingen sie nicht so gast freundlich, als sie erwartet hatten, wurden aber später, als die Männer zurückkehrten, auch höflicher. Die Reisenden schirrten sofort ihre Pferde und luden ihren Wagen ab und sandten einen Jungen nach Wasser auS. Er brachte welche«, das völlig brackisch schmeckte. Jene Ebene ist wegen ihrer Milchprodukte berühmt und hat doch durchweg schlechter Wasser, ein Umstand, welcher der Engländerin auffiel: sie hatte stet« ge glaubt, daß reines Wasser ein Haupterforderniß zur Betreibung der Milchwirthschaft sei, während sich hier die Turkmenen eine Gegend ausgesucht hatten, wo da» Wasser spärlich, schlecht und wenigsten» eine halbe englische Meile entfernt war. Die Turkmenenwelber sind eine schöne, kräftige Race, mit starken Knochen und großen Gliedern, sehr fleißig und remlick, aber ganz uncivilisirt. Auf die Engländerin blickten sie mit äußerster Verachtung herab und konnten ihre Verwunderung nicht verbergen, als ihr Mann und der Dolmetscher desselben sie eifrig bedienten, anstatt umgekehrt. Letzterem sagten sie, sie hättrn nie zuvor ein „so nutzlose» Ding" gesehen, und fragten ihn, wozu sie denn gut wäre. Mr». Scott- Stevenson glaubte denn auch, daß r» ihr schlecht ge gangen wäre, wenn sie mit diesen Damen allein ge lassen worden wäre. Außer dem Hauptzelte war noch ein schwarze« Beduinenzelt vorhanden, welche» für zufällig vor über kommende Fremde bestimmt war und von welchem die beiden ZaptiehS der Engländer sofort Besitz er griffen. Al« die Sonne sich zum Untergange neigte, begann sich die Scene zu ändern. Ringsum am ganzen Hori zonte tauchten plötzlich große Heerden auf, welche beim Näherkommen streng von einander gesondert blieben. Der sie begleitende Mann oder Knabe erlaubte nie mals einem Schafe, sich zu verlaufen. Zuerst kamen die Lämmer, Heerde aus Heerde, kleine schwarzweiße Dinger, und war eten in kurzer Entfernung vom Lager. Al» alle Thiere auch von den entfernten Weiden zur Stelle waren, w lrde auf ein bestimmte« Zeichen eine Abtheilung von Schafer und auf der entgegengesetzten Seite eine solche von Lämmern losgelaffen, und jede« Lamm sprang sofort zu seiner Mutter, welche r« seit dem Morgen n,cht gesehen hatte. Rührend war d<e Freude beider oeim Wiedersehen. Die Lämmer sichten sofort nach Nahrung und saugten nach Herzenslust,
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