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Dresdner Journal : 06.08.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188208061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820806
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820806
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- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1882
- Monat1882-08
- Tag1882-08-06
- Monat1882-08
- Jahr1882
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- Dresdner Journal : 06.08.1882
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1072 von diplomatischer Seilt verlautet, ist bi» jetzt auch eine Abreise selten de» Botschafter» noch nicht in» Auge gefaßt. Daß eine Anfrage wegen feiner Theil- nahme au der Reconstruction de» französischen Mi» msterium» hier angelangt ist, scheint nicht zweifelhaft; doch gilt e» al» unwahrscheinlich, daß der Botschafter geneigt sein werde, seinen hiesigen Posten mit dem eine» Minister« zu vertauschen. — Der vom Dom kapitel zu Naumburg a. d. S. präsentirle Domdechant, Regierungspräsident v. Kamp» zu Erfurt, rst zum Mrtglrede de» Herrenhauses auf Lebenszeit berufen worden. — Der «Berl. Act." meldet über die Erträge der Börsensteuer Folgende»: Die Börsensteuer ist bekanntlich in den ersten 3 Monaten ihrer Erhebung vornehmlich in auSnahmSweiser Form zur Erhebung gelangt. Vom October bi» Dec^mber 1881 wurde allerdlna» der Abschluß von Börsengeschäften u. s w. zum ersten Male besteuert, aber e« sand in dieser Zeit auch die Abstempelung der zur Circulation im deutschen Reich bestimmten fremden Papiere erstmalig, und zwar zu einem ermäßigten Tarife Statt, so daß dafür zu jener Zeit ein ganz auSnahmSweiser Andrang stattfand und autnahmSweiS erhöhte Einnahmen eingingen. Dir vom 1. October bi» 31. De- cember 1881 erzielte Einnahme von 3 215808 M. ist somit nicht maßgebend für den wirklichen Ertrag der Steuer. Die reguläre Erhebung der Börsensteuer findet seit Anfang d. I. Statt. Nach einer amtlichen Mit- theilung sind durch dieselbe (allerdings auch die Steuer auf Lotterieloose einbegriffen) im ersten Quartale de» EtatSjahreS 1882/83 2 400 873 M. eingekommen. Die Einnahmen pr. 1. Januar bi» 31. März 1882 betru gen 2 713 443 M.; man wird nach diesen Ergebnissen den JahreSbetrag der Börsensteuer incl. Lotteriesteuer auf etwa 10000000 M. veranschlagen dürfen. München, 4. August. (Tel) Die auf Antrag der Gemeindecollegien, betreffend die Umwandlung der Simultanschulen in konfessionelle Schulen, erfolgte Entschließung der Regierung giebt den genannten Col- legten bekannt, daß dem Anträge nicht Folge zu geben sei. Zugleich wird der Magistrat beauftragt, einen Entwurf für eine Neubildung der Schulbezirke au-zu- arbeiten und der Regierung bald einzureichen. 7. Wien, 4. August. Da» freche Attentat in Triest hat hier in allen Kreisen hochgradige Entrüstung hervorgerufen. Man war zwar auf allerlei Buben streiche der irredentistischen Clique gefaßt, daß dieselbe sich aber erfrechen werde, am Hellen Tage eine That, wie die vorgestrige zu begehen, konnte man um so weniger erwarten, als die SicherheitSbehörde in Triest in vollem Umfange ihre Schuldigkeit gethan und die verdächtigen Elemente, soweit ihr dieselben eben be kannt waren, genügend überwacht hat. Hoffentlich wird eS gelingen, die Urheber der Schandthat dingfest zu machen und einer Wiederholung solcher Vorkomm nisse zu steuern. Die Ausstellung selber aber kann und wird durch das Attentat nicht beeinträchtigt wer den; da e- jetzt hier wie in anderen Theilen Oester reichs geradezu al» Ehrenpflicht betrachtet wird, durch möglichst zahlreichen Besuch der Ausstellung die Agi tationen jener zwar kleinen aber rührigen Clique, wel cher der patriotische Charakter der Ausstellung ein Dorn im Auge ist, zu Schanden zu machen. Prag, 4. August. Der gestern von dem Pra ger Stadtverordnetencollegium gefaßte Beschluß, jähr lich 5000 Fl. in das Präliminare der Stadtrenten einzustellen zur Ertheilung von 20 Stiftungen zu je 250 Fl. für Hörer der tschechischen Universität ruft erklärlicher Weise in deutschen Kreisen den Wunsch hervor, die Prager Stadtvertretung möge in gleicher Weise auch gegen die Hörer der deutschen Universität sich freigebig zeigen, da ja zu den 5000 Fl., welche jährlich der tschechischen Universität gespendet werden sollen, die deutschen Steuerzahler Prag- ebenfalls bei steuern. — Die Jnstallirung der tschechischen Universi tät schreitet fort. Sämmtliche naturhistorische Institute der philosophischen Facultät dieser Universität werden in Privathäusern der Brenntegasse untergebracht. — Da» Proftfforencollegium derselben Facultät schickte vor Kurzem dem Unterrichtsministerium einen blo» in tschechischer Sprache versaßten Lection»katalog ein, er hielt diesen jedoch zurück mit der Weisung, dem tsche chischen Texte auch den deutschen beizufügen. Die tschechische juridische Facultät hat sich diese „Lection" erspart, indem sie den deutschen Katalogtext ohne be sondere Aufforderung übersandt hatte. — Die Jung tschechen hält der bekannte Prüfungserlaß de» Un- terricht»mimsterS noch immer in Athem. Um die tschechische Bevölkerung gegen diesen Erlaß aufzureizen, hat neuestens auch der „Club der freisinnigen Jetzt senkte sich der Kopf mit den verglasten Augen ganz tief rn die Schultern hinein, und die Schultern wurden zugleich so hoch, daß sie ihm dis an die Ohren reichten; dabei wurden ihm die Beine immer steifer und immer länger, als wolle er den beiden Freunden, die sich an ihm müde schleppten, den boshaften Streich machen, wre eine Puppe unten all dem Waffenrock herauSzuschlüpfin. „Vorwäits!" rief Krosewitz, „immer vorwärts!" Die Raben hörten da» Commando und zogen still vergnügt mit. Auf einmal hielten die Drei still. „ES kann so nicht weiter gehen!" rieth Muralt, „unmöglich können wir unL in diesem Auszuge in die Stadt wagen." „Sie haben Recht," keuchte Stamm, „eS giebt einen Skandal." „Verdammt! Seid Ihr fahnenflüchtig?" rief Krose witz und blickte mrt geheimem Grausen zu der fried fertigen Schwrsterschast der Krähen über seinem Haupte auf. „ES giebt so gewisse Paragraphen gegen solche Geschichte," antwortete Muralt, „und meine Epauletten haben mich was gekostet." „So lassen Sie mich liegen, ich brauche Sie n'cht, gehen Sie! — Halt! Dort drüben ist ein Schäfer, schleppt mich zu rhm hin!" „Der Gedanke »st nicht schlecht," sagte Stamm, und die Drei schleppten ihn sofort quer über die Wiese hinüber, an deren unterm Ende eine Schaaf- Heerde weidete, während der Schäfer an einer jungen Eiche angelehnt dastand. E» war ein weiter Marsch und da» Gra» hoch, tschechischen nationalen Partei" (Jungtschechen) sich in Bewegung gesetzt. In einer vorgestern ab gehaltenen Versammlung diese» Club» wurde näm lich eine Resolution angenommen, worin mit „Be friedigung" constatirt wird, „daß das tschechische Volk in allen Ländern der böhmischen Krone emmüthig (?) die Ministerialverordnung über die Ein führung deutscher Prüfungen an der juridischen Facul tät der tschechischen Universität zurückwie» al» einen Versuch, die Gleichberechtigung de» tschechischen VolkcS aufzuhebeu, und daß es sich nicht täuschen läßt durch das Vorgehen Einzelner, welche vor allen Anderen berufen sind, unser Recht und unsere Wissenschaft zu schützen." Ferner wurde beschlossen, den staatsrecht lichen Club aufzufordern, derselbe möge sich bis zu einer bestimmten Frist darüber auSsprechen, ob er sich an die Spitze der Agitation gegen den fraglichen Mi- nisterialprüfungSerlaß stellen wolle. Wenn dir Ant wort ablehnend lauten werde, solle sich der „Club der freisinnigen tschechischen nationalen Partei" selbst dieser Angelegenheit annehmen. Allzuernst darf man aber diese Beschlüsse der jungtschechischen Liberalen und Radicalen nicht nehmen; denn dieselben haben im Laufe der letzten Jahre fchon wiederholt in verschiedenen Angelegenheiten Anlauf genommen zu selbstständiger Action gegenüber dem „staatsrechtlichen Club", welcher die wirklichen politischen Führer der tschechischen Be völkerung umfaßt, haben aber in der Regel schließlich den Rückzug angetreten oder capitulirt, wenn ihnen hierfür ein entsprechende» Zugeständniß. gemacht worden ist. Einen solchen AuSgang wird wohl auch ihre Agitation im vorliegenden Falle nehmen. — Al» nicht uninteressantes Factum mag verzeichnet wer den, daß der tschechische OrtSschulrath von Budin bei Raudnitz sich deS Verbrechens schuldig gemacht hat, beim Bezirksschulrath um die Bewilligung anzusuchen, daß an der tschechischen Volksschule in Budin die deutsche Sprache als obligater Gegenstand einqeführt werde; der Bezirksschulrath hat jedoch dieses Ansuchen abgewiesen und sich hiermit selbstverständlich da» Lob aller Heißsporne in tschechischen Kreisen erworben, da diese sür da» praktische Bedürfniß der Bevölkerung be züglich Kenntnlß der deutschen Sprache kein Verständ- niß haben. — Ein anerkennenSwertheS Beispiel natio naler Duldsamkeit giebt dagegen der Bischof von Leit- meritz vr. Schöbt, welcher übermorgen in der Prager Domkirche vom Herrn Cardinalerzblschof Fürsten Schwarzenberg unter Assistenz des Bischofs von Königgrätz, vr. Hai», und der Weihbischofs l)r. Prucha consecrirt werden wird. In seinem ersten Hirtenbriefe an seine Diöcesanen erklärt nämlich Bischof Or. Schöbt, er sei von Geburt ein Deutscher und bekenne sich dankbar und gern zur deutschen Muttersprache. Er habe aber seine erste Erziehung in einem Orte erhal ten, wo man beide Landessprachen spreche und dadurch Gelegenheit gefunden, auch die tschechische Sprache zu erlernen, und so habe er sich zugleich gewöhnt, seine Mitbürger slawischer Zunge zu achten. Deshalb werde er nie vergessen, wozu er diesen verpflichtet sei. Er sei zum Bischof der Gläubigen deut cher und slawischer Zunge bestellt und werde in Allen seine Söhne und Töchter in Christo erblicken. Auch in politischer Be ziehung verkündet der neue Bischof seine vollste Un parteilichkeit und seine Achtung aller politischen Par teien, so lange sich dieselben in den Grenzen der Ge setze halten. * Triest, 4. August. Erzherzog Karl Ludwig sprach heute Morgen vor seiner Abreise auf dem Bahn hofe dic Ueberzeugung au», daß die Triester Bevölke rung nicht das Mindeste gemein habe mit den Moti ven und Tendenzen de» vorgestrigen Attentates. Alle hervorragenden Persönlichkeiten der Stadt, an der Spitze Erzherzog Karl Ludwig, der Statthalter und die Vertreter aller Behörden, alle sremden Consuln, mit Ausnahme deS italienischen, die meisten AuSstel- lungScommissare und Aussteller ließen heute Morgen dem schwerverwundeten Redacteur Dorn ihr Beileid ausdrücken und zogen zum Theil persönlich Erkundi gung nach seinem Befinden ein. Der Stadtrath nahm eine Resolution an, in welcher der Entrüstung und dem Abscheu der Stadt Triest au» Anlaß der Atten tats Ausdruck verliehen» wird. Auch die Handelskam mer berief eine Sitzung ein, um durch einen Resolu- tionSbeschluß die Entrüstung und Trauer über das Verbrechen und dessen Folgen aukzudrücken. Vorgestern Nacht kam eS infolge des gegen prononcirte jüdische Jtalianissimi gerichteten RufeS: „kuori Lkrei!" zu einer bedauerlichen Ausschreitung, indem das jüdische Kaffeehaus im Ghetto der Altstadt demolirt wurde. — Die „Triester Zeitung" veröffentlicht heute Abend einen aber die Drei marschirten unverdrossen, wie wackere Soldaten, aber Kroscwitz war mit den Beinen doch immer etwas voran, als wüßten sie e» besser al» sein Kopf, wie wichtig es sei, rasch zum Ziele zu kommen; und dabei commandirte er immer wieder: „Voiwärts, Kameraden, vorwärts, marschiren wir!" Die Grasmücke flüchtet sich vor ihnen; der Gold ammer schreit auf, al- habe er sich vor den Dreien entsetzt. Die Drossel weiß nicht, was das bedeuten soll und nur die Raben sind still und vergnügt und verrathenS Niemand. Der Schäfer war ein alter Mann, friedlich wie seine Schafe. Erstaunt hatte er die Drei von Weitem beobachtet und ging ihnen jetzt ein Paar Schritte entgegen. „He, Kamerad, verstehen Sie sich darauf, einen Schmiß zu verbinden?" rief Muralt dem Manne zu. „Ist etwa» geschehen?" fragte dieser. (Fortsetzung folgt.) Maria Stuart und ihr Proceß. (Schluß zu Rr. 1SS.) Breßlau'S Sludie ist formell und sachlich einer der hervorragendsten Beiträge zur Schuldsrage Maria Stuart'». Der Verfasser kennt da» ganze Material; er hat die Handschriften der osficiellen Copien der Cassettenbriefe eingesehen und mit den Abdrücken genau verglichen. Sein Standpunkt ist der de» archivalischen K itlkerS und Juristen. Er wendet sich gegen die Argumentationen Gädek'» ebenso wie gegen da« Schwanken Ranke'». Wenn die Briefe echt seien, so Aufruf mehrerer patriotischer Oesterreicher zu Samm lungen für eine bedeutende Belohnung, welche für die Entdeckung oder Festnahme deS Urheber» und Vollzieher» deS Attentat» bestimmt sein soll. Pari-, 4. August. Nachdem gestern der bis herige Bautenminister Varroy dem Präsidenten der Republik erklärt hat, daß er nicht blo» das ihm an gebotene Portefeuille der Finanzen ausschlagen müsse, sondern überhaupt dem neuen Cabinet sernbleiben wolle, beläuft sich die Zahl der definitiv auSgeschie- denen Mitglieder des Ministeriums Freycinet auf 6, nämlich der Premier und Say, Ferry, Goblet, Humbert und Varroy. Durch diese neue Vacanz ist natürlich die Aufgabe, welche sich Hr. Ferry gestellt hat, noch mühevoller geworden. Das beharrliche Be mühen deS Präsidenten der Republik, ein farblose« „GeschäftSministerlum" zu constituiren, ein „neutrale» Cabinet", wird nicht blos von radicaler Seite, sondern selbst von sonst dem Elysee sehr wohlwollenden Orga nen lebhaft kritisirt und auch im Schooße der Kammer mehrheit ungünstig ausgenommen. Man fordert eine regelmäßige, einheitliche Regierung, die eine bestimmte, den Kundgebungen der Kammer entsprechende Politik mitbringe. Andererseits wird die Schwierigkeit, ein Ministerium mosaikartig zusammenzustellen, anstatt dessen Bildung dem dtsignirten Premier anzuvertrauen, immer größer, indem bald die von Hrn. Grevy geeig net befundenen Minister nicht unter dem ihnen zu gedachten Ministerpräsidenten fungircn wollen, so bald der Letztere andere Mitarbeiter in Vorschlag bringt. So haben sich auch die Unterhandlungen mit dem Senator Duclerc zerschlagen, und hat jetzt der Präsident der Republik sich an den Senator Leblond gewandt, um ihm da» Porteseuille der Justiz und die Mmisterpräsidentschaft anzubieten. Leblond ist wegen seiner conservativen Gesinnungen bekannt und hat in der Kammer sehr wenig Freunde; ein von ihm geleitetes oder vertretenes Cabinet würde sich keine Woche halten. Man hat unter diesen Umständen Mühe, diese neueste Combination des Elyfee ernsthafter zu nehmen als alle bisherigen, und erinnert daran, daß bereits am ersten Tage der Krisis von unterrichteter Seite gemeldet wurde, Hr. Grevy wolle im Wege der „Elimination" aller anderen, etwa ihm sür die Mi nisterpräsidentschaft vorgeschlagenen Persönlichkeiten zu letzt wieder auf Hrn. de Freycinet znrückkommen. Mit Recht wird daran erinnert, daß Hr. Grevy, wenn dies wirklich sein Plan ist, noch eine wichtige Station zu passiren hat. Er hat nämlich dem Kammerpräsidenten Brisson noch nicht die Neubildung des Ministeriums angeboten. Es wird versichert, Brisson erwarte nur eine bezügliche Aufforderung, um mit einer vollstän digen Ministerliste, aus Männern der radicalen Linken und republikanischen Union zusammengesetzt, hervorzu treten und werde sich durch einige „ freisinnige Vorlagen" und die Ernennung einiger, der äußer sten Linken entnommenen oder wenigstens nahe stehenden Unterstaatsfecretäre auch die Unterstützung dieser Fraction sichern. Was dabei Hrn. Grevy be unruhigen mag, ist wohl der Umstand, daß sich unter den „freisinnigen Vorlagen" auch ein Antrag auf Ver fassungsrevision befinden würde, da Hr. Brisson aus seiner Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer solchen Revision, die er schon bei den letzten Wahlen besonders nachdrücklich betonte, kein Hehl macht. Die Hinweisungen der Presse auf Brisson als den „Mann der Situation "werden bereit- immer zahlreicher, allein Brisson will sich, wie aus seiner Umgebung jetzt sehr bestimmt verlautet, keine Collegen ausoctroyren lassen, sondern besteht darauf, sie eventuell selbst auszuwählen, wre alle früheren Premiers gethan haben. Die Krisis hat sich also wieder von ihrer Lösung eher entfernt, und man sieht voraus, daß sie auch morgen noch nicht beendet sein wird, so daß eine abermalige Vertagung der Kammer nothwendig werden dürfte. Außer den Anhängern Gambetta's findet aber alle Welt das be dächtige Vorgehen des Präsidenten der Republik ganz in der Ordnung. — Ein Zurückkommen auf Hrn. de Freycinet ist schon vorher nicht mehr wohl thunlich durch einen gestern im Vorsaal der Deputirtenkammer stattgehabten Zwischenfall. Es war nämlich am De peschenbret ein Telegramm der „Times" aus Ber lin angeschlagen worden, worin es hieß, Fürst Bis marck bedaure lebhaft den Rücktritt Freycmet'S und würde dessen Orientpolitik, falls er wieder an» Ruder kommen sollte, nachdrücklich unterstützen. Wer diese Depesche in der Kammer anschlagen ließ, hat vielleicht geglaubt, dem Ex-Premier nützlich zu sein, aber ohne die Eigenliebe der französischen Politiker gerechnet, die darin einen Versuch erblicken, sie beem- müsse Marie Stuart als Theilnehmerin oder Gehilfin am Morde gelten; sie wäre „nach Z 49 unsers Straf gesetzbuches zu verurtheilen gewesen, da sie zur Be gehung des Verbrechens durch Rath (vollkommenes Einverftändniß mit Bothwell) und That (Herbeibringung de» Opfers aus Glasgow) wissentlich Hilfe geleistet hat." — Die Briefe gelten ihm aber als echt; denn sie stimmten in ihren Phrasen und Wendungen mit den in der unzweifelhaft echten Lorrespondenz (bei Lobanow, Kervyn van Lettevhoven) vorkommenden über ein; ihre Provenienz und die bedenkliche Weise ihrer Vorlage können die Echtheit de» Inhalts nicht auf heben. Der Umstand endlich, daß' bis auf einen (I Brief, bei Gädecke als II) sämmtliche Briefe undatirt und durchwegs alle ohne Unterschrift seien, spreche gerade eher für ihre Echtheit als für ihre Fälschung. Sehr bedeutsam ist da- unumwundene Geständniß Breßlau'S, daß der zweite (lange) Glasgowbrief eine Fälschung sei auf Grund von Notizen, die man unter Maria's Papieren aufgefnnden haben mag, und mit Hilfe der Zeugenaussagen Cranford'S (Thomas, Diener des Grafen Lennox). Breßlau faßt die Ergebnisse seiner Forschung dahin zusammen (S. 73): „Von den acht Schriftstücken, die wir betrachtet haben, sind sieben als echte Briefe Maria Stuart'S an Gras Bothwell anzuerkennen — nur der zweite Brief, allerdings der längste und compromittirendste von allen, muß als eine, freilich zum Theil auf echter Grundlage ange fertigte Fälschung ihrer Ankläger verworfen werden." Ferner: „Maria stand, als sie im Januar 1567 nach Gla-gow reiste, in unerlaubtem Berhällniß zu Graf Both well, der ihre volle Zuneigung besaß. Mit ihrem Geliebten hatte sie die Jntngue vereinbart, durch welche Darn- flussen zu wollen. Jeder Einzelne von ihnen hält e» wohl für einen unbestreitbaren Bortheil, wenn ein französischer Minister beim Reichskanzler gut an- geschrieben steht, allein die» offen anzuerkennen, da gegen sträubt sich sein Patriotismus. Die Organe de- Elysöe und de» Hrn. v. Freycinet erklären die der „Times"au» Berlin gemeldete Nachricht für apogryph und den Anschlag derselben im Palai» Bourbon für ein Manöver der Opportunisten. Es erscheint in der That ausfällig, daß gerade die gambettistischen Blätter au- dieser Depesche und ihrer Mittheilung im Vor saal der Kammer politisches Capital zu schlagen suchen. — Die Kammer votirte gestern mehrere Localbahnen und das Gesetz über die Einführung von Spar- marken bei den Postsparkassen, und vertagte sich dann bi- morgen. — Der Senat genehmigte eben falls mehrere Bahnprojecte und das Gesetz über die Vermehrung der Pariser Adjuncten, sowie die neue Strasproceßordnung. Pari-, 4. August. (Tel.) Gutem Vernehmen nach hat sich das neue Cabinet gebildet und ist wie folgt zusammengesetzt: Leblond Präsidentschaft und Justiz, Decrai- Auswärtige», DeVille Innere», Tirard Finanzen, Billot Krieg, Jaureguiberry Manne, Sadi Carnot öffentliche Arbeiten, Mahy Landwirthjchaft, Cochery Postwesen. Für da» HandelSministerinm ist noch Niemand designirt. Das „Journal offinel" wird morgen die Zusammensetzung de» neuen Cabmet» ver öffentlichen. Neuerdings verlautet jedoch, daß die ge meldete Zusammensetzung deS Ministerium» noch nicht als eine endgiltige anzusehen sei und daß noch Aende- rungen in der LabinetSbildung zu gewärtigen wären. London, 4. August. (Tel.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses erklärte UnterstaatSsecretär Dille auf eine Anfrage des Deputirten WormS, er er fahre aus Konstantinopel, daß die Türkei gegen Sicher heit durch die russische Kriegsentschädigung eine An leihe erhalte, er habe aber nichts davon gehört, daß Rußland die fällige Rate der Kriegsentschädigung der Türkei überlassen oder sonst Schritte gethan habe, um die türkische Intervention in Aegypten vor Erfüllung der von England gestellten Bedingungen zu begünstigen. In Beantwortung einer weitern Frage de» Depu tirten WormS bestätigte der StaatSsecretär de» Kriege-, Childers, daß die Stadt Suez englischerseit» besetzt worden sei. Stockholm, 1. August. (Hamb.Corr.) Die nor wegische Reise des Königs ist Gegenstand lebhaf tester Erörterung in der schwedischen Tage-Presse. In einer sehr mißlichen Stellung sind dabei die Organe der äußersten Linken. Sie haben bisher in Ueber einstimmung mit ihren radicalen norwegischen Partei genossen die Stimmung in Norwegen al» eine entschie den antimonarchische und antiunionistische geschildert und eine Revolution prophezeit, soll» König Oskar sich nicht, seine norwegische Regierung ignorirend, den Ansprüchen und Forderungen der radicalen Majorität des SlorthingS unterwerfe; namentlich geriethen die radicalen Blätter in Harnisch, al» der König in der Thronrede, mit der er das norwegische Storthing im Juni schloß, rundweg erklärte, daß er niemals da» der Krone zustehende Recht deS absoluten Veto» in Ver- sassungSangelegenheiten opfern werde, und daß er sich in dieser Beziehung vollständig Ein» mit dem Mini sterium wisse. Der König, meinten sie, werde e» bitter bereuen, sich derart mit dem Ministerium zu identifi- ciren und dem Willen eine» ganzen Volkes in solcher Weise getrotzt zu haben. Nachdem nun König Oskar bei Gelegenheit der Einweihung der schwedisch-norwe gischen Nordbahn eine Reise durch die bevölkertsten Gegenden Norwegens gemacht und überall von der Bevölkerung mit ungewöhnlicher Herzlichkeit und allseitigem Jubel empfangen und begrüßt worden ist, ja, nachdem die Drontheimer sogar ausdrücklich ihre Zustimmung zu dem Inhalt der vorerwähnten Thron rede zu erkennen gegeben haben, ist man im Haupt quartier der demokratischen Partei in ein argeL Di lemma gerathen. Die republikanischen und antmnio- nistischen Schriften und Reden von Björnsterne Björn - son, Sorensen, Jaabaek rc. sind unseren demokratischen Blättern plötzlich aus dem Gedächtniß entschwunden, obgleich dieselben oft genug von ihnen besprochen worden sind. Allerdings, wenn ein Blatt, wie das radicale norwegische „Dagblad" jetzt erklärt, daß man in Norwegen nicht daran denke, die Verbindung mit Schweden aufzulösen, nachdem eS noch vor wenigen Wochen einer fanatisch schweben- und königsfeindlichen Rede Björnfon's lauten Beifall zollte, dann ist e» nicht zum Verwundern, daß auch die Parteigenossen des „Dagblad" diesseits de» Kjölen ein anderes Lied ley zur Übersiedelung nach Edinburgh veranlaßt wer den sollte; die VersöhnungSscene an Darnley'S Kran kenlager war ein unwürdiges, heuchlerisches Trugwerk. Nach Darnley'S Ermordung dauerte das Berhältniß Maria's zu Bothwell fort; die Entführung nach Schloß Dunbar war eine zwischen Beiden verabredete Comö- die; sie sollte die schon vorher beschloßene Vermäh lung der Königin mit ihrem Räuber motiviren. So viel steht fest. Nicht erweislich dagegen ist, nachdem Brief II fortgefallen, die direkte Betheiligung und Mit schuld Maria's an oer Ermordung Darnley't; e» bleibt die Möglichkeit bestehen, daß sie, indem sie ihren Gatten bewog, ihr nach Edinburgh zu folgen, dabei an eine andere Art, sich seiner zu entledigen, gedacht hat; e» ist z. B. nicht ausgeschlossen, daß sie lediglich die Ab sicht gehabt hat, dem in die Gewalt seiner Feinde ge brachten König die Einwilligung zur Ehescheidung ab zupressen"... „Nicht erst durch die Leiden der Ge fangenschaft", schließt Breßlau, „ist Maria zu der Heuchlerin und Intrigantin geworden, al» welche sie in ihren zahllosen, aus englischem Boden geschriebenen Briefen erscheint — sie hatte schon al» Königin von Schottland mit schnödem Vcrrath an dem Mann ihr Gewissen belastet, der, was auch geschehen sein mochte, der Vater ihre» Sohne» blieb. Schwer hat sie dafür in 20 jährigem Leiden gebüßt — aber da» Leben einer schuldlosen Märtyrin war e- nicht, dem da» Beil de» Henker» in Fortheringhay rin schreckliche» Ende be reitete." — Wir wollen unS nicht gegen die bedenkliche Härte im summarischen Uriheil Breßlau'» wenden, sondern nur bemerken, daß die von ihm anerkannte Ünechtheit de» Hauptbriefe» unter den vielberufenen Schatullen«
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