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Dresdner Journal : 20.07.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188907200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18890720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18890720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1889
- Monat1889-07
- Tag1889-07-20
- Monat1889-07
- Jahr1889
- Titel
- Dresdner Journal : 20.07.1889
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^167. Sonnabend, de« 20. Iult, abends. 1889. Vrv»ä»» vi«rt«IM»rii<rt> « IS. KO kt., d«t L«a Liüsarl. äonttoke» ko»t»»»t»It«v vi«rt«!- M»rUvt» 8 Ü.; äs» Uouttot»«» Loiot»«« tritt ko»t- m»ä 8t«il>xsI»u«otUL8 lüi»»u. Lotlüo«1tx«vx»xekVdreo r kllr ä«a k»um emsr sv»p»lt«ilvL 2sUs klswer LoUritt 80 kk. Hator äis 2vilv 80 kk. 8« Udall«»- aoä Likorusatt voi^pr. ^af,vdl»^. Lr»vl>«lll»»r l^liod mit äsr Kaas- a»ä kaiort»-» »daoä«. k«n»»pr«oi»-»L»oUIll»»r Ur. 189k. Dres-nerIMMl. Lür die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Otto Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. L»»»d».a r«, L»8N»<U^»»,a» »««MLrt»» U»lx»lU: Fr. Lr«—<iZtetk«r, 6on»miu»ol»Lr äs» vroiäaor ^oor»»I»; n»wd«r» - U»rU»-Vt,» - d«Ip»tU - 8«»»1 8r«»l»a «. n.: öaMGenit«»» L Coster, U»rUi» Vl»n L»wdLr,- kr»^ L»Ir»lss-rr>m^1vrt ». I« - NüoeL»«: Lui. L/o«s,' r»ä,-l.or>äo»-8«rUa-rr»LL1»r1 «. »-8N>tt^«rt: L Öo.,' 8«rUo: /»v<U,ti«»cia»»L, OürUti: v. LtüUer» F«^/o!osr,' Luwo-»-, O. Lc^üsrisr,' L»U» ». 8., F Larct L vo. LvrNllixadvr: LSru^I. Lrvväidoi» äs» I)rv»äLer vrasas», 2MUlAvr»tr»»«o 80. t'ori>»pr»od-^i»»vdllu,r k^r. tL9L. Ämtlichcr Teil. Dresden, 16. Juli. Mit Allerhöchster Genehmig ung Sr. Majestät des Königs ist dem Steuermanne Friedrich August Boden aus Pratzschwitz sür die von demselben am 20. Mai ds. Js. unter eigner Lebens gefahr bewirkte Rettung eines Knaben vom Tode des Ertrinkens im Elbstrome die silberne Lebens rettungsmedaille mit der Befugnis zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. Se. Majestät der König haben dem Ingenieur und Maschinensabrikanten Carl Ludwig August Knauer, in Firma: Robert Kiehle zu Leipzig, doS Prädikat „Königlicher Hoflieferant" Allergnädigst zu verleihen geruht. Bekanntmachung. Die nächste Ausnahme von Zöglingen in die König liche Unteroffizier-Schule zu Marienberg soll am 1. October ds. Js. stattfinden. Die Anmeldungen hierzu haben im Laufe des Monats Juli durch persönliche Borstellung des As piranten bei dem Bezirks-Kommando seines Aufent- haltSoris oder bi dem Kommando der Unteroffizier- Schule zu erfolgen, bei welchen Behörden auch das Nähere bezügl. der Aufnahme-Bedingungen rc. zu er fahren ist. Bemerkt wird noch, daß die betreffenden Aspiran ten mindestens 14 Jahr alt und confirmirt fein müssen, bezw. das 18. Lebensjahr noch nicht voll endet haben dürfen und daß die gesammte Erziehung der Zöglinge in der Unteroffizier-Schule unentgeltlich geschieht. Alle Amtsblätter sind um Abdruck dieser Bekannt machung ersucht. Dresden, den 22. Juni 1889. K r i e g s - M i n i st e r i u m. v. Fabrice. Bekanntmachung, die Konzcfsionirung des auf Gegenseitigkeit ge gründeten „Lübecker Feuerversicherungs-Vereins von 1826" betreffend. DaS Ministerium des Innern hat dem auf Gegeu- seitigkeit gegründeten „Lübecker Feuerversicherungs- Verein von 1826" auf Grund der von demfelbeu ein gereichten Statuten die nachgesuchte Konzession zu Annahme der nach 8 7 des Gesetzes, das Mobiliar- und Privatfeuerversicherungswesen betreffend, vom 28. August 1876 zulässigen Versicherungen innerhalb des Königreichs Sachfen unter den durch das an- gezogene Gesetz und die dazu gehörige Ausführungs- Verordnung vom 20. November 1876 in Verbindung mit dem Gesetze vom 18. Oktober 1886, eine Er gänzung und Abänderung der 88 18 und 19 des vorangezogenen Gesetzes betreffend, sowie der zu dem Gesetze vom 18. Oktober 1886 erlassenen Ausführungs- Verordnung vom 19. Oktober 1886 vorgeschriebenen Be dingungen und Beschränkungen mit Vorbehalt de» Widerrufs ertheilt. ES wird Solches sowie daß der Verein für das Königreich Sachsen Leipzig zum Sitze seiner GeschästSverwaltung gewählt und da selbst seinen Gerichtsstand hat, hiermit zur öffentlichen Kenntnis gebracht Dresden, am 1b. Juli 1889. Ministerium des Innern. v. Nostitz-Wallwitz. Lippmann. Feuilleton. Verschlossene» Herz. ir Novelle von Adolf Stern. (Fortsetzung.) Hermine lachte auch, aber sie erschrak vor dem mißtönigen Widerhall in dem uachtstillen, kleinen Raum und zugleich lehnte sich in ihrer eigenen Seele ein un erklärliches Etwas gegen die unwürdige Herabsetzung Rainer TiefenbrunnerS auf. Alles, was sie in der Erregung de» Abends und in der nagenden Unruhe dieser MitternachtSstuude über ihn dachte — stimmte nicht zu dem Menschen, den sie kannte. Er war keiner Lüge und keiner bewußten Niedrigkeit fähig. Sie hat'e, da ihr Verkehr mit dem tüchtigen Manne durchaus an seine Berge, an die kurzen Glückswochrn ihrer jährlichen Alpenreise gebunden war, ihn selten, viel leicht niemals mit andern Männern verglichen. Doch wenn sie ihn verglich — und jetzt mußte sie es wie unter einem geheimen Zwang thun — dann war er nicht nur schöner, kraftvoller, tüchtiger, sondern auch schlichter, herzlicher, selbstloser und lebensvoller, al» alle Männer, die sie kannte — ihren Vetter und Ver lobten Herbert nicht ausgenommen. Wenn diesen Mann eine unselige Neigung für sie ergriffen hatte — konnten er wie sie schuldlo» fein oder Schuld tragen, aber un wahr und berechnend konnte fei« Gefühl nicht sein! Der Gedanke, wie e» sein würde, wenn Rainer Tie- feubrunner einer der Offiziere oder Gutsbesitzer ihrer LebenSkreise, einer der jungen Ingenieure auf ihre» Nichtamtlicher Teil. Telegraphische B^thrichten. Kassel, 20. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Se. Majestät der König von Sachsen ist heute nach Bad Lirbcnstein abgereist. München, 20. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ) Ihre Majestät die Königin von Sachsen ist gestern abend hier eingetroffcn und begab Sich znm Be suche der Herzog!. Familie nach Possenhofen. Die Weiterreise nach Frauzentbad erfolgt morgen. Tromsö, 19. Juli, abend?. (W.T.B.) Nach dem bei dem Nordkap sich eine starke östliche Dü nung fühlbar gemacht batte, ging die Fahrt bei immer ruhiger werdender See und unter auf- heiterndem Himmel über Hammerfest in den bei 70 Grad nördlicher Breite sich öffnenden Lyngen- fjord. S. M. Jacht dampfte bei hellstem Sonnen schein zwischen den gletscherreichen Bergketten bis Lyngrneidrt und kehrte dann zurück, um am AuS- gaug des Fjord- bei Karlsö vor Anker zu gehen. Se. Majestät b«stieg die Karlsö beherrschende Höhe Hoidtten, wo zum Andenken ein Steinmann errichtet wurde. Darauf begaben sich Se. Maje stät an Bord deö Aviso „Greif" nach dem offenen Meer zu, um das prachtvolle Schauspiel ter in seltener Klarheit leuchtenden Mitternachtssonne zu bewundern. Um 1 Uhr lag der „Greis" wieder neben der „Hohenzollern" vor Anker. London, 19. Juli, nacht». (W.T.B.) Beider für Marylebone vorgenommeuen Wahl eines Unter- bauömitgliede» an Stelle Lord BereSfordS wurde der konservative Kandidat BoulnoiS mit 2579 Stimmen gewählt; der Gladstoneaner Gower er hielt 2086 Stimmen. Die konservative Majorität ist der vorigen Wahl gegenüber um 1000 Stimmen zurückgegaogen. St. Petersburg, 20. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Großfürst Konstantin Nikolajewitsch, Oheim de» Kaisers, gegenwärtig in PawlowSk b,i St. Petersburg wohnhaft, verlor infolge einer leichten Paralyse der rechten GesichtSseite und der Extremitäten die Sprache. Sofia, 19. Juli. (W. T.B) Der bulgarische Delegierte zur Beratung de» Handelsvertrages mit Serbien, Goranow, ist angewiesen worden, nach Sofia znrückzukehrrn. Der Delegierte Bel tschew verbleibt noch in Belgrad. Seit 10 Tagen haben die bulgarischen Delegierten mit den serbi schen keine Zusammenkunft gehalten, weil letztere wegen mehrerer zur Verhandlung stehenden Punkte die Instruktionen ihrer Regierung nachsuchten. Dresden, 20. Juli. Die irische Pächterfchutzliga. Allen Beobachtungen nach wird die politisch- agrarische Bewegung in Irland wieder einmal ein neue» Gewand erhalten; wie einst die Landliga durch die Nationalliga, so soll jetzt die letztere durch eine neue Pächterschutzliga ersetzt werden, und diese nahe bevorstehende Verwandlung läßt einen Rückblick auf die einzelnen Entwickelungsstadien der ganzen Beweg ung angebracht erscheinen. Seit Pitt und Castlereagh n ittels ungeheurer Be stechungen im Jahre 1801 die sogenannte Finalunion zwischen Irland und Großbritannien durchsetzten, hat es auf der grünen Insel zu keiner Zeit an Männern gefehlt, die vereinzelt oder mit vereinten Kräften eineu tiepoal, d. h. die Wiederaufhebung jener engen Ver einigung und die legislative Selbständigkeit ihres Vaterlandes erstrebten. Ter Hauptagitator in der ersten Vaters Werken sei — ergriff sie mit Macht und sie hing ihm ungezählte Minuten nach. Die träumerische Vorstellung wiegte sie jedoch in keinen Traum, m wirrem Kreislauf kehrte ihr erstes Empfinden wieder, ihr Herz klopfte so laut, als ob es nicht iu ihr schlüge, sondern von außen her an dasselbe gepocht werde. Sie warf die Decke ab und fühlte, wie der jähe Wechsel von Zorn und Scham und Mitleid ihr Blut empört habe. Oder war es noch etwas anderes — war es mehr al» Zorn und Scham und gerechtes Mitleid? Durch die Gedanken, deren sie sich bewußt war, schwirrte ein wunderlich unklares Empfinden, wie eine klagende Saite in und mit dem Brausen des Windes klingt. Mit einmal sprang das schöne Mädchen von ihrem Lager empor, schlug die Arme wider einander, um ganz gewiß zu sein, daß sie wache, und riß dann das Fenster auf und ließ den Nachthauch, der kalt und scharf von den Gletschern herüber flutete, gegen ihre erhitzte Stirn streichen. Und dann — dann zündete sie Licht an und trat vor den kleinen Spiegel. Was lebte in ihr oder wollte sich in ihr Leben hineindrängen? Liebte sie den bäurischen, bildungtlosen Mann? War sie noch ihre» Vaters Tochter — noch Hermine Srüssow? Sie er schrak vor ihrem verstörten Aussehen so, daß sie augen blicklich wieder das Licht löschte und den Vorsatz faßte, Ruhe zu finden, es koste was eS wolle. Indem sie noch einmal aus dem Fenster sah, erschienen ihr heute zum ersten Mal oie dunkeln Hügelwelleu, die rissigen Abhänge, zwischen denen Schneereste glitzerten, und selbst die mondhellen Gletscher wüst und schreckhast. Sie eilte, da» Fruster zu schließen — doch zuvor glitt ihr Blick nach dem langgestreckten Neben hau» hinüber, Häl te unseres Jahrhunderts war Daniel O'Connell, der Stifter der Repeal-Association, die sich sehr bald zum Mittelpunkt der irischen Opposition auswuchs, infolgedessen das Ministerium Gray ihrer an Ein fluß stetig gewinnenden Thätigke^t mit einer irischen ZwangSbill entgegentrat. O'Concll, der mit seiner Autorität überall für die gesetzliche Verfolgung des Zieles kingestanden war, mußte es zu feinem Schmerz schließlich noch erleben, daß das sogenannte junge Irland, der friedlichen Agitation müde, auf eine Trennung von England durch gewalsame Mittel hinzuarbeiten begann. Während der Revolution von 1848 knüpften die Unbesonnenen unter Führung von Smith O'Brien, Mitchell v. a. Verbindung m>t den französischen Republikanern an, betrieben unverhohlen Rüstungen und Waffenübuugen und traten mit ihren revolutionären Zwecken so offen bervor, daß die Re gierung zu den rücksichtslosesten Abwehrmaßregeln ge drängt ward und in kurzer Zeit auch den keimenden Aufstand durch Verhaftung und Deportation der Führer, sowie durch Verstärkung der Kriegsmacht in Irland erdrückte. Dennoch war der Widerstand der Unzufriedenen nur für den Augenblick gebrochen. Kirchliche Opposition löste in den nächsten Jahren die politische ab, bis diese dann wieder die nationale her vorrief und eine neue Bewegung zeitigte, die der Fenier, deren Zweck natürlich die vollständige Los- reißung Irlands von Großbritannien mittelst einer revolutionären Erhebung war. Begründet wurde der Bund in Amerika und zunächst dadurch veranlaßt, daß während des amerikanischen SecessionSkrieges die Irländer in großer Zahl für die Union unter die Waffen traten. Die Haltung Englands neigte sich aber den Südstaaten zu, sodaß auch hier wieder Irland und England in feindliche Spannung mit einander kamen. Außer dem war dadurch die Möglichkeit eines Konflikts zwischen England und den Vereinigten Staaten nahe gerückt, die Aussichten für die irische Agitationspartei erschienen demnach so günstig wie möglich. So schritt man zu einer förmlichen Organisation der Unzufrie denen und gründete am Ende des Jahres 1861 in Amerika und bald darauf in Irland den Bund der Fenier. Das revolutionäre, weder Brandstiftung noch Massenmord scheuende Vorgehen dieser Gesellschaft ist bekannt genug. Neben dem Feuierbuud aber, der seinen eigent lichen geistigen und finanziellen Mittelpunkt noch heute in Amerika hat, gab eS in Irland stet» noch andere Verbindungen, die, wenn auch meist weniger unbedenk lich in der Wahl ihrer Mittel, gleiche oder ähnliche Zwecke verfolgten. Im Jahre 1872 begründete der Advokat Isaac Butt die Homerule-Liga, aus der nach seinem 1879 erfolgten Tode die seitdem unter Par nells Kommando marschierenden Homeruler des Unter hauses hervorgingen. Diese Vereinigung war resp.ward immer mehr eine parlamentarische; ihr zur Seite aber stand seit 1879 die insbesondere agrarischen Zwecken dienende Landliga. Die Landliga ward — so setzen die „ Hamb. Nachr." unsere obige Betrachtung fort — unter den Auspicien Par nells vou dessenAnhängerMichaelDavitt begründet. Par nell felbst führte den Vorsitz, ward aber des revolu tionären Treiben- Ler Liga wegen 1881 zusammen mit Davitt und zwei anderen Führern derselben ver haftet und bis zum Mai 1882 in dem Kilmainham- gesänguis bei Dublin in Gewahrsam gehalten. Er und feine drei Genossen erlangten bekanntlich ihre Freiheit wieder auf Grund des vielgetadelten Pakte» von Kilmainham, in welchem sie dem damaligen Pre- miermiuister Gladstone gewlsse Versprechungen bezüg lich einer künftigen Unterstützung seiner irischen Re- gierung-polittk gemacht hatten. Ihrer Freilassung aber folgte der Mord im Phönixpark zu Dublin, der von der englischen Presse als ein fenifcher Widerspruch iu welchem, wie sie wußte, der Schlafraum der Füh rer war. Dachte Rainer Tiefenbrunner jetzt ihrer, die um seinetwillen die Nacht verwachte? Oder schlief er, wa» wahrscheinlicher war, einen gesunden tiroler Bauernschias? Hermine lachte wieder verächtlich und der wilde Umtrieb ihrer Gedanken begann auss neue. Im Morgengrauen ward sie dennoch durch die Tritte der ersten Gäste, die zu einer Gletscherfahrt aufbrachen, aus einem kurzen tiefen Schlummer ge schreckt, sank noch einmal müd zurück uod erhob sich erst, als ihre Uhr schon sieben zeigte. Sie war ent schlossen, so wenig al» immer möglich mit sich allein zu bleiben und kleidete sich in ungewohnter Hast an. Keine Viertelstunde später stieg sie nach dem Gast- zimmer hinab, im Vorübergehen pochte sie au die Thür Tante Clotildes, um diese zu erwecken. Es war da» erste Mal in ihrem Leben, daß sie wünschte, die Tante möglichst bald zur Seite zu haben, doch wie viel» s hatte sie seit gestern zum ersten Mal erfahren! Auf der Treppe begegnete ihr Burgei, welche Kaffee in eine» der Zimmer trug, trotz des unterthä- nigen Knixe» hatte die junge Dame das Gefühl, daß die Kellnerin ihrer spotte. Fröstelnd durchschritt Her mine den Flur und eilte, das Gastzimmer zu erreichen, au» dem ihr bereits Doktor HarlacherS Gutenmorgen entgegenschallte. Da» Tageslicht fiel hell in den großen Raum, in welchem da» eigentümliche Leben waltete, das Hermine Lrüssow so aut kannte. Ja Gruppen saßen die Gäste bei ihrem Frühstück, größtenteils zum Aus bruch gerüstet — überall lagen und lehnten Tornister, laschen, Plaidriemeu und Alpstöcke neben den Sitzen, auf dem Tische, an welchem sich drei junge Wiener gegen die Kapitulation der Landliga bezeichnet wurde. Parnell protestierte offiziell gegen jene Mordthat; die Kriminaluntersuchung aber ergab, daß die senische Ver brüderung, der letztere angchörten, mit hervorragenden Mitgliedern der Landliga in Verbindung ge^anden uud von dieser Liga Geldunterstützungen erhallen hatte. Infolge dessen ward die Landliga aufgelöst; doch ward sehr bald für dieselbe Ersatz geschaffen. Im Oktober 1882 trat unter Parnells Vorsitz in Dublin eine fogenann'e irische Nationalkonferenz zusammen, die dorr 700 Delegierten besucht ward, und man beschloß, nunmehr eine irische Nationalliga zu bilden, welche, vou verschiedenen Ausschüssen geleitet, die Ein setzung eines irischen Parlaments, lokale Selbstver waltung und die Schaffung eines bäuerlichen Eigen tums als nationale Ziele erstreben sollte. Man gab sich dabei zwar zunächst den Anschein, als wenn man diese Ziele nur auf gesetzlichem Wege zu erreichen wünsche; in Wahrheit aber unterschied sich die neue Nationalliga, waL die Wahl ihrer Mittel betraf, von ansang an wenig oder gar nicht von der alten revo lutionären Landliga. Es war das alte System der Einschüchterung und de- offenen oder versteckten Wider standes gegen Gejctz und Ordnung, das unter neuem Namen in Irland aufrecht erhalten wurde. Bekannt ist, wie infolge des Gladstonejchen Home- ruleprojektS der Übermut der Nationalliga mehr und mehr wuchs und wie dieselbe nach dem Sturze Glad stones eifrigst bestrebt war, dem neuen konservativen Kabinett die Aufrechterhaltung der Ordnung in Ir land, soweit irgend möglich, zu erschweren. Kaum ein Tag verging, ohne daß über neue nächtliche Un- thaten und neue Fälle von Boycott-n und Wider stand gegen die Staatsgewalt berichtet ward. Ins besondere aber brüstete man sich mit der Aufstellung und Durchführung des fogenavnten FeldzugSplanS, demzufolge die Pächter, deren Gesuch um Pachter- Mäßigung nicht seinem ganzen Umfange nach ge währt worden, auch denjenigen Teil der Pacht, zu dessen Zahlung sie bereit, nicht an die Gutsherren, sondern zu Händen der Vorkämpfer der Nationalliga zu entrichten hatten. Um solchem Treiben zu steuern, setzte dann die zum Glück energische Regierung nach langen Kämpfen und VerfchleppungSversuchen im Unterhause, ein irisches Ausnahmegesetz durch, welche» ihr u. a. auch die Befugnis zur Unterdrückung gemein gefährlicher Vereine erteilte. Tie betreffende Bestimm ung »ar ersichtlich auf die Slationalliga gemünzt uud ward auch sehr bald auf dieselbe angewandt. Eine vollständige Unterdrückung der Liga gelang freilich nicht, immerhin aber büßte dieser im Geheimen fort gesetzte Verein, dank der entschlossenen irischen Politik BalsourS, mehr und mehr an Bedeutung uud Einfluß ein, und schließlich ward ihm auch noch durch das päpstliche Verbot feiner Hauptkampfmittel, des Boy- cotten» und des FeldzugSplanS, ein schwerer Schlag versetzt. Wie eS scheint, soll nun an Stelle der abgelebten und mit der Zeit immer unbrauchbarer gewordenen Nationalliga ein neuer, wiederum von Parnell be gründeter Bund treten, die sog. Pächterschutzliga. Als Zwecke dieser L ga sind bisher nur genannt: Erteilung von juristischem Rat an Pächter, die sich mit ihren Grund herren im Streit lefindev, und Unterstützung exmittier ter Pächter. Da» klingt ziemlich harmlo»; doch liegt eL nahe, an noch andere, geheime Zwecke zu denken. Vielleicht mag auch die neue Liga nur dazu bestimmt sein, die Beweguugen der neben ihr noch fortbestehen den Nationalliga zu verdecken. Sei dem, wie rhm wolle; jedenfalls wird man in England das Vorgehen der Pachterschutzliga scharf im Auge behalten. Schon jetzt haben Vertreter der Regierung erklärt, daß, fall» sie irgendwie Ungesetzliche» iu der neuen Liga entdecken sollten, auch diese unfehlbar unterdrückt werden solle. Advokaten zur Wanderung nach der Payerhütte stärkten, klirrten zwischen den Kaffeetassen die Steig eisen, der Oberforstrat präsentierte der vorübergehenden und freundlich grüßenden Hermine scherzend mit dem Eisbeil. Die Führer ließen sich die Rucksacke mit Fleisch, mit harten Eiern, mit Brot und Weinflaschen füllen, einzelne, die mit ihren Zurüstungen fertig waren, trieben zum Aufbruch, die geleerten Frühstück- geschirre auf mehreren Tischen verrieten, wie viele be reit» ihre Wege angetreten hatten. Auch Doktor Harlacher und seine Frau, obschon sie noch ihren Kaffee schlürften und eifrig mit Messer und Gabel arbeiteten, waren wanderfertig; der Arzt mit dem klugen Gesicht und dem stattlichen dunklen Bollbart, blickte feine Cousine durch die blaue Schneebrille au uud prangte vom Knie abwärts mit Gamaschen eigner Erfindung und festen Bergschuheu; seine reizende blonde Frau hatte ihr graue» Wollkleid kokett aufge schürzt uud trug eine ähnliche Fußbekleidung wie er. Beide aber musterten vorwurfsvoll Hermine, die im dunklen Sommerkleid, mit schlicht gescheitelten Haar, durch ihre bloße Erscheinung ihren gestern abend aus gesprochenen Vorsatz bekräftigte. „Also wirklich, Hermine!" rief Harlacher, indem er ihr Platz machte. „Sir wollen auf die Tartscher Alm und die schwarze Wand verzichten, die doch zu Ihren Liedlingsplätzen gehören? Und alle» um Herbert» willen, von dem eS Loch gar nicht gewiß ist, daß er vor abend kommt!" ,Lch werde nach Bormio hinuntertelegraphieren und Herbert wissen lassen, daß ich ihn von Mittag an iu Santa Maria erwarte. Ich werde einen Waden dort hinaus nehmen und hoff«, Tante Clotilde begleitet
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