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Dresdner Journal : 13.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189610137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961013
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961013
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-13
- Monat1896-10
- Jahr1896
- Titel
- Dresdner Journal : 13.10.1896
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Mtt Nach dem Diner, daS gegen ^7 Uhr zu Ende war, begab man sich in den mit historischen Portraits ansgestatteten großen Saal des Wasserpalais, wo Se. Majestät der König und Se. Königl. Hoheit der Prinz Georg Cercle hielten und die eingeladcuen Herren mit huldvollen Ansprachen aus Zeichneten. Um H8 Uhr fuhren Se. Majestät der König nach Strehlen und Se. Königl. Hoheit der Prinz Georg nach Hosterivitz zurück, während sich die Gäste bei Fackelbcleuchtung auf das vor der Freitreppe am WasserpalaiS wartende Extradampfschiff zur Rück fahrt nach Dresden begaben. Bei den durch die Magnesiumfackelbeleuchtung auf d r Elbseite des Wasserpalais einerseits und durch zahlreiche Kienseuer in dem in d esem Frühjahre umgestalteteu Lustgarten anderseits erzielten Lichteffelten kamen die achitcktoni- schen Konturen des in bizzarr-barockem Stile erbauten Lustschlosses > einer V rmischuna chinesischer und japani scher Bauart) in schöner Weise zur Geltung. Dresden, 13. Oktober. In ihrer heutigen (sechsten) Sitzung beschäftigte sich die evangelnch-lutherische Landessynode mit dem Anträge des Versassu, gs- ausschusses, die Synode wolle zu dem mit Erlaß Nr. 10 vorgelegten Entwürfe eines Kirchengesetzes, die Dauer des Gnadengenusses der Hinterlassenen der evangelisch lutherischen Geistlichen betreffend, ihr Ein verständnis erklären. Nachdem der Berichterstatter Oberjustizrat Richter die Gesichtspunkte dargelcgt hatte, die für den Ausschußantrag maßgebend gewesen seien, sprachen die S.-M. geh Kommerzienrat Niet hammer gegen, Superintendent Weidauer, Super intendent Blcchinann, Pfarrer Arnold, Superintendent Michael, Pfarrer Hammer, Superintendent Sprenger für den Antrag des BerfassungsauS'chusses. Professor Pötzschke regte an, ob nicht in dringenden Fällen eine besondere Unterstützung gewährt werden könne. Der Präsident des Landeskousistoriums v. Zahn legte eingehend den Standpunkt des Kirchenregiments dar und betonte, daß sehr schwerwiegende Gründe de > Entwurf veranlaßt hätten. S.-M. Schulrat Michael beantragte, das Gesetz nur auf neueintreiende Geistliche zu be schränken, während ?. prim. Wetzke den Antrag stellte, bei jeder eintretenden Vakanz in umfangreichen Parochien sofort einen Vikar zu bestellen. S.-M. geh. Kommerzienrat Niethammer vertrat nochmals seinen Standpunkt; die S M. Superintendenten Hässelbarth und Michael empfahlen die Annahme des Ausschuß- antragcs. Nachdem nochmals der Präsident des Landeskonsistoriums v Zahn und Oberkonsistorialrat Ackermann zur S .che gesprochen hatten, wurde der Antrag Wetzke abgelehnt und der Antrag des Ver- fassungsauöschilsses angenommen. Es folgte die Be ratung des Antrags des Verfassungsausschusses, dem Entwurf eines Kirchengesetzes (Erlaß Nr. 13), die Abänderung einer Bestimmung in 8 38 der Geschäfts ordnung für die Landessynode vom 20. Juni 1871 (Tagegelder und Reisekosten der Synodalmit- gliedcr) betreffend, nach der Vorlage zuzustimmen. Nach längerer Aussprache, an welcher sich die S -M. Justizrat Opitz, Sekretär Wcidamr, der Berichterstatter Superintendent Hässelbarth beteiligten, und nach einer Erklärung des Hrn. Präsidenten des Landeskonsistoriums v. Zahn wurde der Antrag angenommen mit einem von S.-M. Justizrat Opitz vorgeschlagenen Zusatz: Die Mitglieder der Synode erhalten Tagegelder und Reiseentschädigung; das Weitere bleibt der Regelung durch die Geschäftsordnung Vorbehalten. Nächste Sitz ung morgen. Deutsches Reich. * Berlin. Se. Majestät der Kaiser nahmen gestern früh die Vorträge der Chefs des Zivilkabinetts und des Marinekabinetts sowie des kommandierenden Avmirals entgegen — Der gegenwärtige Leiter des russischen Ministeriums des Äußern, Schischkin, sollte gestern abend auf der Rückreise von Paris in Berlin erntreffen und gedachte heute einer Einladung des Fürsten Hohenlohe zur Frühstückstafel Folge zu leisten — Der Gouverneur v Puttkamer ist wieder in Kamerun eingetroffen. — Die „Hamburger Nachrichten" schreiben über den Trinkspruch des Zaren in Chülons: „Wir er blicken in dem Gebrauch des Ausdrucks „Waffenbrüder schaft" nicht im geringsten ein bedrohliches Symptom; historisch ist sic nicht vorhanden, und was die Gegenwart betrifft, so konstatiert der Kaiser nur, daß in den beiden Armeen dies Gefühl bestehe; er sagt nicht, daß er es selbst teile und hat auch nicht auf die Waffenbrüderschaft getrunken, wie es sonst üblich ist und wie es sicher geschehen wäre, wenn eine russisch französische Allianz wirklich bestände. Die „unwandel ¬ bare Freundschaft" aber, die der Zar al« zwischen beiden Ländern bestehend anerkannt hat, bedroht weder Deutsch land noch den europäischen Frieden Sie ist in Bezug auf Deutschland bisher doch immer platonisch geblieben, wie sie auch weniger da« Ergebnis russischer Neigung al« da« der Eaprioischen Politik ist, welche es seiner Zeit dahin gebracht hatte, daß sich der Vorgänger des jetzigen Zaren bei dem Kronstävter Flottenbesuch die Marseillaise stehend und unbedeckten Hauptes anhörte. Unsere Beziehungen zu Rußland waren zu jener Zeit weniger befriedigend, al« sie es heute sind, und der Austausch von Sympathiekund gebungen gestaltete sich damals — und zwar auf russischem Gebiete — mindestens eben so warm, vielleicht aber noch demonstrativer al« heute; trotzdem ist die Kron städter Affaire und später die von Toulon sann eom>e- quvncv geblieben. Weshalb sollte eS diesmal anders sein? Alle festlichen Redewendungen von unwandelbarer Freundschaft und Waffenbrüderschaft dürsten mithin nichts daran ändern, daß Frankreich schwerlich irgendwelche Aussicht hat, bei der Verwirklichung seiner Reoanche- ideen von Rußland militärisch unterstützt zu werden, und deshalb sehen wir der weiteren Entwickelung der russisch-französischen Freundschaft mit großer Gelassenheit entgegen." — Als eines der wichtigsten Ergebnisse der BerufS- und Gewerbezählung vom 14 Juni 1895 kann die Fest stellung der Thatsache angesehen werden, daß die auf die Landwirtschaft entfallende Bevölkerung nicht mehr, wie noch bei der Berufszählung von 1882, die Mehrheit unter den drei großen Berufsgruppen ausmacht, sondern daß an ihre Stelle die In dustrie getreten ist Von diesem Rückgang der landwirt schaftlichen Bevölkerung sind namentlich auch die größeren deutschen Staaten betroffen dienlich veröffentlichte Zahlen geben für Preußen nach dieser Richtung Aufschluß Da nach entfielen aus die Landwirtschaft im Jahre 1882 von allen Erwerbsthätigen über drei Viertel m den Bezirken Gumbinnen und Marienwerder. Im Jahre 1895 betrug die Prozentzahl in Marienwerder nur noch 72,29. In den sechs Bezirken Königsberg, Köslin, Posen, Bromberg, Osnabrück und Sigmaringen waren 1882 noch zwei Drittel bis drei Viertel zur Landwirtschaft zu zählen. 1895 waren aus dieser Klasse Königsberg und Osnabrück geschieden, während allein Sigmaringen einen höheren Prozentsatz an landwirtschaftlicher Bevölkerung aufzuweisen hatte Im Jahre 1882 gehörten noch in ^Regierungs bezirken mehr als die Hälfte bis zwei Drittel sämtlicher Erwerbsthätigen zur Landwirtschaft. Es waren dies Danzig, Frankfurt, Stettin, Stralsund, Liegnitz, Oppeln, Schleswig, Lüneburg, Stade, Aurich, Münster, Minden, Cassel, Coblenz und Trier. Von ihnen hatten bis 1895 6 ihren überwiegend landwirtschaftlichen Charakter an Ge werbe, Handel und Verkehr verloren und zwar Liegnitz, Oppeln, Schleswig, Münster, Minden und Trier. Bei den übrigen war größtenteils die Prozentzahl der für die Landwirt schaft in Anspruch zu nehmenden Bevölkerung gleichfalls zurückgegangen, hatte sich aber immer noch über der Zahl 50 gehalten. Einzig und allein Stralsund hatte 1895 eine größere Prozentzahl an landwirtschaftlicher Bevölkerung aufzuweisen wie 1882, nämlich 57,50 Proz. gegen 56,02 Proz. Während also 1882 noch in insgesamt 23 Regierungsbezirken von 36 in Preußen vorhandenen der landwirtschaftliche Charakter überwog, ist seit 1895 die Zahl auf 17 zurückgegangen. Die Mehrzahl der preußischen Regierungsbezirke hat somit einen industriellen Charakter erhalten. Die an die Bodennutzung geknüpfte Berufsthätigkeit der Bevölkerung hat außerdem auch in diesen 17 meist nachgelassen, nur in den beiden Bezirken Stralsund und Sigmaringen hat sie zugenommen. — Aus den deutschen Münzstätten sind im Monat September d Js. geprägt worden: 400440 Mark in Doppelkronen, 10200740 M. in Kronen, 500710 M. in Einmarkstücken, 49091,10 M. in Zehn pfennigstücken und 54 486,32 M. in Einpfennigstücken. Die Gesamtausprägung an Rcichsmünzen, nach Abzug der wieder cingezogenen Stücke, bezifferte sich Ende Sep tember d Js. auf 3064048020 M. in Goldmünzen, 494079820,10 M. in Silbermünzen, 53505349,55 M. in Nickel- und 13 260263,92 M. in Kupfermünzen. — Nach der im Reichseisenbahnamt aufgestellten Nachweisung der auf deutschen Eisenbahnen — ausschließlich Bayerns — im Monat August dieses Jahres vorgekommenen Betriebsunfälle waren zu verzeichnen: Entgleisungen auf freier Bahn 12, Entgleisungen in Stationen 12, Zusammenstöße auf freier Bahn 3, Zusammenstöße in Stationen 12, sonstige Betriebs unfälle 154, zusammen 193. Dabei wurden 57 Per sonen (darunter 5 Reisende) getötet und 138 (darunter 29 Reisende) verletzt. — Der Wahlkampf im Kreise Wcsthavelland macht der „Freisinnigen Zeitung" die größten Schmerzen. Was bietet die freisinnige Partei nicht alles auf, um neben der Sozialdemokratie in die Stichwahl zu gelangen! Die schönsten Phrasen werden hervorgesucht, die gewieg testen Agitatoren werden losgelaffen. Rian giebt eine Wahlzeitung heraus und spart auch sonst mit Geld ausgaben nicht; und dennoch scheint es mit dem Freisinn gar nicht nach Wunsch vorwärtszugehen. Klagend schreibt nun das Richtersche Organ, die Sozialdemokratie lasse in ihrem Wahlkampfe „den Landrat" vollständig bei seite und konzentriere ihre ganze Kraft gegen den Freisinn; sie ziehe stet« den Freisinnigen über Land in Vie Ver sammlungen nach und suche die freisinnigen Wähler durch allerlei „Verdächtigungen" zu beeinflussen, die „landrat- lichen Versammlungen" aber lasse sie ganz unbehelligt. So sehr die „Freisinnige Zeitung" diese Vorliebe der Sozialdemokratie sür freisinnige Versammlungen bedauert, so sehr begreiflich ist sie. In konservativen Versammlungen ist für die „Genoffen" meist nicht viel zu holen; dagegen wird in freisinnigen Versammlungen der Boden sür die gegen jede Autorität gerichteten sozialdemokratischen Agita tionen so intensiv vorbereitet, daß es immer etwas zu ernten grebt. Freisinnige Schlagworte wie „LandratS- partri" rc. werden von den Sozialdemokraten rasch über nommen oder gar noch überboten; im sachlichen Kampfe aber ist der Freisinn ganz ohnmächtig. — Antisemiten und Sozialdemokraten sind den Nationalliberalen gefolgt und halten jetzt Parteitage ab. ES ist nicht anzunehmen, daß man von dem nationalliberalen Vorbilde wesentlich abweichen wird. Hier wie dort wird nichts Besonderes bei dem Tagen der Parteien herauskommen; auch von einem Ausgleiche der in den einzelnen Parteien bestehenden Gegensätze wird nicht ernstlich die Rede sein Was den antisemitischen Parteitag in Halle anlangt, so ist bi« jetzt noch nicht» anderes »u berichten, als daß die Führer der Partei über die Art, wie sie die Partei führen und über die Erfolge, zu denen sie die Partei ge führt haben, in hohem Grade befriedigt sind. Hieran hat auch schon vor dem Parteitage niemand auch nur einen Augenblick gezweifelt. Die Hauptdebatten stehen noch bevor. Wichtiger erscheint, entsprechend der Größe der hinter ihm stehenden Partei, die Tagung der Sozialdemokraten in Gotha Ausführlich über die Verhandlungen des Parteitages zu berichten, halten wir uns aber ebenfalls nicht sür ver pflichtet Nach den üblichen bombastischen Begrüßungsreden am Sonntage begannen gestern die eigentlichen Verhandlungen Abg. Singer eröffnete die Sitzung. Den Geschäftsbericht erstattete alsdann Abg. Pfannkuch. Er behandelte aus führlich die Parteipreffe und wies die gegen sie er hobenen Vorwürfe teilweise zurück, teilweise erkannte er sie als berechtigt an. Großer Mangel an Kräften sei vorhanden und außerdem würden unvorsichtige Neu- gründungcn gemacht. Des weiteren berichtete Pfannkuch, daß die Kaffeneinnahmen aus den Parteiunternehmungen günstig seien, dagegen seien die Beiträge zurückge gangen. Hierauf enspann sich eine längere Diskussion, in welcher fast alle Redner über die schwache Agita tion seitens der Parteileitung klagten. Letztere wurde nur von wenigen Sprechern in Schutz genommen. Bei Besprechung der Parteipresse findet der Antrag, den Chefredakteur des „Vorwärts" jährlich zu wählen, keine Unterstützung. Im Verlaufe der Diskussion beschwert sich Or Quarck über die persönlichen Angriffe des „Vorwärts" und über die unanständige Haltung dieses Blattes sowie der übrigen Parteizeitungcn. Es folgen heftige Angriffe auf die „Neue Welt", wobei der Abg. Frohme den Redakteur Steiger angreift, weil er die moderne naturalistische Richtung bevorzuge. Steiger verteidigte die moderne Kunst als eine sozial empfindende Kunst in einstündiger Rede. Darmstadt Zu Ehren des Kaisers und der Kaiserin von Rußland fand gestern abend im Schlöffe eine Hoftafel statt. In der Mitte der Tafel saßen der Kaiser und die Kaiserin; zur Rechten der Kaiserin hatte der Grobherzog, zur Linken des Kaisers die Großherzogin Platz genommen, ihnen schlossen sich die übrigen Fürstlich keiten an. Dem Kaiser und der Kaiserin gegenüber saß der StaatSminister Finger. Während der Tafel brachte der Grobherzog einen Trinkspruch auf den Kaiser und die Kaiserin aus, den der Kaiser mit einem Trinkspruch auf das großherzogliche Paar und das schöne Heffenland erwiderte. — Am gestrigen Vormittage folgten der Kaiser von Ruß- land, der Großherzog und der Großfürst Sergius einer Einladung des Ossiziercorvs des Großherzoglick Hessischen Leib-Dragonerregiments Nr. 24 zur Frühstückstafel im Kasino des Regiments. Österreich-Ungarn. Wien Bei der Beratung des Gesetzes, betreffend das Rekrutenkontinaent, erklärte gestern der Landes verteidigungsminister Graf v. Welsersheimb im Ab geordnetenhause, er erkenne die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Wünsche der landwirtschaftlichen Kreise in betreff der Erfüllung der Militärdienstpflicht an. Die Unmöglichkeit weitgehenden Wünschen Rechnung zu tragen, liege in den allgemeinen Verhältnissen, da die FricdcnS- rüstung in Österreich schon jetzt weniger weitgehend sei, al« in anderen Ländern. Gegenüber der Klage wegen nicht gehöriger Beachtung der nicht deutschen Sprachen versicherte der Minister, daß die Militärverwaltung die Zurücksetzung irgend einer Sprache nicht dulden werde, sondern Achtung vor allen Sprachen und Nationalitäten als Prinzip befolge. Jeder Offizier müsse außer der Armeesprache eine andere nationale Sprache erlernen. Auf politischem Gebiete sei der Kampf der Nationalitäten unvermeidlich, auf militärischem dürfe er nicht Platz greifen. Der Politik sei in der Armee kein Raum ge geben und sie dürfe auch nicht von außen hinein getragen werden. Die Armee stehe auch wirklich der aktuellen Politik fern. Der Minister besprach so dann die Militärlasten und erklärte, rS sei unmög lich, hinter den immer weitergehenden Rüstungen der anderen Staaten zurückzudleiben Der Minister schloß: ES wäre für die Armee nur zu wünschen, daß sie nur bei ihrer Ausgabe bliebe, welche darin bestehe, eine Vorsorge zu tristen sür die unabhängige Existenz des Staate« sowie dafür, daß wir wünschenswerte Freunde und nicht wünschenswerte Gegner werden und daß unter allen Umstünden eine Macht im Staate bestehe, welche e« autschließe, daß auf unglückliche oder gesetzwidrige Weise Fragen gelöst werden, sondern, daß stets die Stimme de» Rechtes und der Tkrnunft zur Geltung gelange. (Leb hafter Beifall) DaS Nekrutenkontingentgesetz wurde sodann in zweiter und dritter Lesung angenommen. Mehrere Resolutionen, darunter eine Resolution des Abgeordneten Brzorad, welche die Regierung ausfordert, wegen Einsetzung internationaler Schiedsgerichte mit andern Mächten in Fühlung zu treten, wurden ebenfalls angenommen Frankreich. Paris. Kriegsminister General Billot hat be stimmt, daß die Truppen, die von Algerien und Tunis zur Truppenschau in Chülons kommandiert wurden, infolge ihrer ausgezeichneten Haltung nach Paris transportiert und hier bis auf weiteres einquartiert werden fallen. * Paris. Der Zar wurde hier allerorten mit der Devise „Lar et robur" begrüßt. Seitdem auf dem Manöoerselde von Chälons dem letzteren Worte entsprochen und in Anwesenheit des Zaren ein Teil der Kriegsmacht des Landes vorgeführt worden ist, giebt man sich in den Blättern alle Mühe, dem ersten Teile dieser Devise un treu zu werden und eine Sprache zu führen, welche nicht friedlich, ja nicht einmal nüchtern und vernünftig genannt werden kann. Nach den Auslastungen der hiesigen Blätter liegt die Tripelallianz zerschmettert darnieder, und Deutschland ist zur Isoliertheit verdammt und zittert vor den politischen Resultaten der Zarentage. E» weht ein chauvinistischer Wind durch die Blätter. Von den Sonntags blättern leistet der , Radical" folgendes: „ES ist gewiß, daß früher oder später im Orient oder anderswo eine Krisis ausbrechen wird. Deutschland hat allen Grund, im voraus sicher zu sein, daß es sich dann unserem Schwerte gegenüber befinden wird. Jeder Friede, welch r nicht auf Rückgabe Elsaß-LothringenS beruht, kann nur ein provisorischer Friede sein. Er wird nur dann definitiv sein, wenn unsere Fahne auf unseren verlorenen Städten flattert " Das „Echo de Paris" meint, das europäische Gleichgewicht sei soweit hergestellt, daß die Pläne des Deutschen Kaisers jederzeit paralysiert werden könnten. „Die Nation, deren ewige Erniedrigung er gewünscht, hat sich so sehr wieder aufgerichtet, daß sie der unbestrittene Schiedsrichter in Konflikten geworden ist, und ihre Macht ist so groß, daß die Seite von 1870 eines Tages aus- gelöscht sein wird. Die Oberherrschaft des Deutschen Reiches über Europa, welche mit so viel Zähigkeit, Täuschung und Blut durch zwei Menschen, Bismarck und Moltke, be hauptet wurde, fällt in Trümmer dank der Ausdauer Frankreichs und der Loyalität Rußlands." Im radikalen „Voltaire" lesen wir: „Wenn Nikolaus U. das Wort Allianz ausgesprochen hätte, wie Kaiser Wilhelm dies immer thut bezüglich der „friedenstiftenden" Tripel-Allianz, so hätte der Zar den Brand in Europa entzündet; das wäre der Krieg gewesen, anderseits aber würde der Zar, wenn er die Idee des Friedens dem Worte Allianz an gehängt hätte, dann weniger als in ChülonS gesagt und unsere teuersten Hoffnungen zerstört haben." Selbst ein an sich vernünftigeres Blatt, wie die „Republique Franyaise", das Organ des Konseils-Präsidenten Meline, schreibt: Was Deutschland irritiert und stört, ist keines wegs die Furcht vor der Zukunft, sondern das Bewußtsein, daß künftig die Tripel-Allianz und die seit l870von ihm ausgeübte Hegemonie in Europa tot ist. Nicht die Sorge um seine Interessen hat Deutschland in Aufregung versetzt, sondern die verletzte Eigenliebe ist es. In Eng land, wo die Diplomatie grausame Enttäuschungen erfuhr und wo man nicht dieselben Motive des Neides hat wie in Deutschland, hat man der neuen Situation, welche durch den Zarendesuch geschaffen wurde, rascher Rech nung getragen. — Diesen Preßstimmen gegenüber fehlt es allerdings auch nicht an solchen, welche den Bestand und selbst den Wert eines förmlichen Vertrages mit Rußland ernstlich bezweifeln. So sagt Jaurös im „Matin": „Ich behaupte nicht, daß der Abschluß eines Bundesvertrages für uns wünschenswert sei; Rußland hält wahrscheinlich nicht sehr darauf, denn zu genaue und enge Bande könnten den Zaren belästigen und bloßstellen. Er hat kein Interesse, in einer von ihm unter zeichneten Urkunde einen Angriff Deutschlands auf Frankreich und einen daraus hervorgehenden Zusammenstoß Rußlands mit Deutschland vor zusehen, er zieht zweifellos vor, über Europa zu schweben; genug tief, um die Jubelrufe der Menge zu hören, genug hoch, um sich nicht auszuliefern. Vielleicht haben auch die Regierenden Frankreichs zum Ab schluß eines derartigen Vertrags nicht besondeiS gedrängt, denn sie hätten ihn nur zur Verteidigung einrichten können und diese etwas trockene Genauigkeit hätte ohne Zweifel mehr als eine geheime Hoffnung entmutigt. Sie ziehen vor, die französisch-russischen Beziehungen in cinemHalb- Gcsichte gekommen, die seinen Ausführungen zugestimmt hätte Selbst Schweizer Zeitungen haben sich ablehnend gegen sie verhalten. In Dresden hat besonders vr. Paul Schumann sic gcbührcnd abgefertigt. Dadurch, daß jemand „als Laie und in eigener Sache" eine Behauptung aufstcllt, von der cr obendrein eigentlich das Gegenteil beweist, wird wahrlich keine wissenschaftliche Streitfrage geschaffen. Wir haben uns also zunächst vom Standpunkt der Quellenforschung aus dagegen zu verwahren, daß cS eine Streitfrage sei, ob Hrn. Badrutts Bild oder das durch Vasari beglaubigte Dresdner Bild das Original Raphaels sei. Auf Hrn. Badrutts Frage aber, wie Raphael in seiner reifsten Zeit darauf gekommen sein solle, gerade sür die Mönche von Piacenza ein eigenhändiges Gemälde aus zuführen, haben Crowe und Cavalcaselle schon im voraus mit der ansprechenden Vermutung geantwortet, daß der römische Kirchenfürst Antonio de'Monti, der den Titel eines Kardinals von San Sisto führte, der Vermittler zwischen den Mönchen von San Sisto und Raphael ge wesen sei. Nun könnte noch jemand cinwenden, daß die Stil kritik, die aus dem lebendigen Augenschein beruht, unter Umständen doch stärker sei als alle papierenen Nachweise; er könnte fragen, ob denn das Badruttsche Bild nicht eine künstlerische Handschrift zeige, die derjenigen Raphaels so nahe stehe, daß es trotz des Mißlingens des litterarischcn Nachweises als eine Streitfrage bezeichnet werden müsse, welches der beiden Bilder das echte sei. Hieraus ist zu nächst zu antworten, daß Hr. Badrutt in seiner Schrift selbst zugesteht, daß noch kein Kenner — und manche Kenner haben da« Bild in St. Moritz gesehen — sich für die Echtheit seine« Bilde« ausgesprochen habe. Ich kann hinzufügen, daß eine Reihe namhafter Kenner, die das Bild gesehen, mir mitgeteilt haben oder durch andere haben mitteilen lassen, daß das Badruttsche Bils sicher nur eine mäßige alte Kopie sei. Ich selbst hatte noch keine Ge legenheit, das Bild zu sehen Man braucht aber, wie ich schon 1894 in der „Kunst für Alle" bemerkt habe, nur die beiden Braunschcn Photographien des Dresdner und des St. Moritzer Bildes nebeneinander zu halten, um sich von dem gewaltigen Unterschiede der beiden Gemälde in Bezug auf die Reinheit, Unmittelbarkeit und Frische der Formensprache, die Leichtigkeit und Flüssigkeit der Pinsel führung, die Tiefe, Wahrheit und Fülle des Ausdruckes zu überzeugen. Die siegreiche Hoheit des Ausdrucks, die Raphaels Bild in Dresden zeigt, hat noch kein Kopist zu erreichen vermocht Derartige Unterschiede sind schon in guten Photographien erkennbar; und schon die Braunschen Photographien lassen keinen Zweifel daran, daß das Badruttsche Bild nur eine alte Kopie ist. Nur aus der Betrachtung der uns vorliegenden Photo graphien, unter denen sich eine befindet, die von dem Badruttschcn Bilde vor dessen Herstellung durch den Restaurator Scsar in Augsburg ausgenommen, crgiebt sich aber auch bereits schlagend ein äußerer vollgiltigcr Beweis dafür, daß das Dresdner Bild das Original, das Enga- diner die Kopie ist. Schon Paul Schumann und Ernst Neuling haben in der „Magdeburgischen Zeitung" und in der „Weser-Zeitung" auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Bekanntlich war der oberste Teil des Dresdner Bildes früher umgeschcagen morden, sodaß die Stange, an der die gemalten Vorhänge hängen, die das Bild vorn abschließen, nicht sichtbar war; und bekanntlich fehlt dementsprechend die Stange auch den älteren Stichen, die angefertigt worden, ehe das um- gcschlagene Stück, das dem Motiv der Vorhänge erst Halt und Natürlichkeit giebt, in Dresden wieder hrrvorgeholt wurde. Nun, dem Badruttschcn Bilde fehlte, wie die Photographie deutlich erkennen läßt, vor der Sesarscben Restauration die Stange der Vorhänge; und Hr. Sesar hat in einer Zuschrift an Hrn. Ernst Neuling in Bremen, wie dieser mitteilt (Wcserzeitung vom 29 No vember 1895), selbst zugegeben, daß er die fehlende Stange nach dem Dresdner Bilde ergänzt habe Ter Beweis ist in der That schlagend. Einem Meister wie Raphael konnte es nicht in den Sinn kommen, die Vor hänge in die leere Luft zu hängen. Von den Kopisten hat aber keiner gewagt, die vermeintliche Darstellung Raphaels zu ergänzen. „Für die Kritik", fügt Neuling hinzu, „ist die Sache damit erledigt." Kurz, von einer ganzen Reihe von Erwägungen genügt jede einzelne zu dem Beweise, daß Hrn. Badrutts Bild das Original nicht fein kann Wenn das Bild jetzt, wie es scheint, eine Ausstell» ungsrcise durch Deutschland antreten soll, so muß man freilich darauf gefaßt sein, noch allerlei Unkritisches dar über zu lesen zu bekommen. Es wäxe sogar auffallend, wenn sich keine Laienfeder zur Verteidigung des Badrutt- schen Bildes rühren sollte. Daß aber namhafte Kenner sich gegen die Originalität der Dresdner Madonna aussprechen sollten, muß nach allem, was gesagt worden, von vorn herein als ausgeschloffen gelten; und, auch vom stilkritischen Standpunkte au« betrachtet, würde das Bestehen einer Streitfrage nur anerkannt werden können, wenn berufene und namhafte Kenner die Sache des Hrn. Badrutt zu der ihren machten Bei dieser Sachlage würde eine längere öffentliche Ausstellung beider Bilder nebeneinander, wie Hr. Badrutt sie „verlangt", in der That „eine Komödie" sein Die Sixtinische Madonna ist dazu da, in stiller Andacht ge nossen zu werden, nicht aber in einen künstlich erregten „Streit" hineingezogen zu werden, der überhaupt nur in der Einbildung einiger Laien besteht Von den meisten Meisterwerken der Dresdner Galerie giebt es gute alte Kopien. Wohin sollte cS führen, wenn den Eigentümern aller dieser Kopien gestattet würde, ihre Bilder neben den Originalen auszustellen? Etwas anderes wäre es, wenn ein solcher Kopicnbesitzer, um seinen Zweifel zu zerstreuen, nur den Wunsch ausspräche, fein Bild in Gegenwart einiger Kenner kurze Zeit neben das Original halten zu dürfen. Man würde sich dem Vorwurf der Engherzigkeit oder der Furcht auSsetzen, wenn man eine solche Neben einanderstellung verhindern wollte. Eine Stunde würde vollkommen genügen, eine kritische Vergleichung zu er möglichen In diesem Sinne ist Hr. Badrutt schon im Jahre 1892 beschiedcn worden; und diese Frage brauchte hier nicht berührt zu werden, wenn Hr. Badrutt nicht schon in seiner großen Schrift über diesen Bescheid Beschwerde geführt hätte und ihm nicht jüngst in dem bekannten Londonkr Blatt „Truth" ein Eideshelfer für diese Be schwerde erstanden wäre. Kein einsichtiger und aufrichtiger Kunstfreund aber wird sich dem „Verlangen" Hrn. Badrutts, eine Volksabstimmung in dieser Angelegenheit hcrbeigeführt zu sehen, anschließen. Es wäre, wie wenn ein Laie be hauptete, nicht die Erde empfange ihr Licht von der Sonne, sondern die Sonne von der Erde, und alsdann über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Behauptung eine all gemeine Laienabstimmung verlangte. Karl Woermann s- Anton Bruckner. Eine der originellsten und eigen artigsten Erscheinungen im Musikleben Wiens, Pros Or. Anton Bruckner, ist am Sonntag nachmittags im 72. Lebensjahre einem langen Leiden erlegen. Anlon Bruckner mußte jahrzehntelang um seine künstlerische Existenz kämpfen, es gelang ihm lange nicht, als Komponist sich durchzusetzcn und nicht einmal auf dem ihm eigensten Gebiete, der Kirchen musik, sich Geltung zu verschaffen. Dafür war cr als Greis in seinen letzten zehn Jahren der Gegenstand eines ebenso leivenschastlichen als übertriebenen Kultus. Die Wagnersche Schule, welche nach dem Tode dc« Meisters ein neue« sichtbares Haupt brauchte, zog den bescheidenen Musiker, welcher in Wien ohne Ruhmbegier seiner Kunst lebte, aus seinem ruhigen Dasein hervor. Bruckner wurde auf den Schild gehoben, seine Symphonien und Kirchen kompositionen wurden wiederholt unter dem jubelnden Bei falle der Wagner Gemeinde aufgcführt, sie nahmen ihren Rundzug durch Deutschland, uns so ergoß sich über die
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