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Sächsische Volkszeitung : 26.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190406260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19040626
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19040626
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-26
- Monat1904-06
- Jahr1904
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 26.06.1904
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» -» und seiner sogenannten „freien" Bibelforschung verdankt, das wird er auch nicht losbekonunen. Das erkennen nun — sehr schmerzlich vielleicht — kluge, weitblickende Geister wie der deutsche Kaiser und mit unwiderstehlicher Gewalt drängt sich ihnen der Vergleich mit der herrlichen architekto nischen Lchönheit des geistigen Aufbaues der katholischen Kirche auf, an der sich ihre Bewunderung sehnsüchtig hin- aufrankt. Die Macht des Gegensatzes zwischen Rom und Anti- Rom ist so gewaltig, daß sich unter den positiv gläubigen Protestanten die Zahl derjenigen vermehrt, welche ein fried- liches Zusammenleben mit der katholischen Kirche herbei wünschen und zwar nicht ans Politik, sondern anS höheren Erwägunge». Zu diesen gehört auch Kaiser Wilhelm. Ihm ist die Bedeutung des Katholizismus für das Neichsleben klar. Er ehrt in ihm nicht nur die „straffe, einheitliche Or ganisation", sondern auch den starken geistigen Träger deS Christentums lind die sichere stütze deS Thrones. Mögen sich also die liberalen Parteien nach dem Re zepte des Leipz. Tagebl. ans dem Boden der Verneinung der Religion zur Anti Rom Liga zusanimenfinden. Der katho lischen Kirche wird eS keinen schaden bereiten. Zn einer religiösen Macht wird der Protestantismus dadurch nicht kommen, weil damit das werktätige Christentum keine Stärkung erfährt. Rur das eine würde damit erreicht, daß der Jndifserentismus stark gefördert würde. N. Das Ailsiedeluttgügeseh. Am kommenden Montag wird im preußischen Abge- ordnctenhanse jenes Monstrum von Gesetz beraten, das mit der Verfassung in Widerspruch steht. Tie Mehrheit hat es sehr eilig damit. Eben erst sind die KonmiissionSbera- tnngen fertig', der Bericht ist kam» in den Händen der Ab geordneten: wenigstens können jene, welche in den gegen wärtige» sitznngsfreien Tagen nach Hanse gereist sind, ihn noch nicht erhalten haben. Ob er auch studiert wird? Aber das haben jene Herren, die den Entwurf noch vor der Ver tagung berate» wollen, gar nicht nötig: sie haben ja die Mehrheit und das genügt ihnen. Es wird in der parla mentarischen Geschichte wohl einzig dastehen, wie dieser Entwurf dnrchgepeitscht werden soll: wir erinnern uns wenigstens nur daran, daß seit den Zeiten der unglückseli ge» Knltnrtampfsgesetze etwas ähnliches nicht vorkam. Tie Zentrnnisabgeordneten Tr. Porsch und Tr. Bachem habe» mit allein Nachdruck gegen diese Art der Ge setzesfabrikation protestiert: aber es nützte nichts. Im Ex- preßznge soll diesmal über die gewichtigsten VerfassnngSbe- denken hinweggefahren werden! Weshalb diese Eile? fürchtet man de» Sturm der Oeffentlichkeit gegen den Entwurf? Man könnte dies vermuten. Tie beteiligten Minister haben zuerst die Ansknnft erteilen lassen, sie könn ten wegen der Kieler Festlichkeiten nicht abkommen: Plötz lich weht eine andere Brise über Kiel: Tie Minister sind da und versichern allen Ernstes, daß die Regierung das allergrößte Gewicht ans die sofortige Verabschiedung lege. Und als sündenbock schicken die Minister ihre „Bureaus" in die Wüste. Ja, diese BnreanS sind auch die Ministerial räte, die Vortragenden Räte, die eigentlichen Schaffer des Entwurfes. Und diese sollten so schlecht unterrichtet ge wesen sein in einer Frage, ans welche die Regierung daS allergrößte Gewicht legt, welche der Ministerpräsident erst dieser Tage als die wichtigste innerpolitische bezeichnet hat? Wir können uns nicht dieser gutmütigen Glaubwürdigkeit anschließen. Rein! Ter Wind von Kiel fachte das Feuer der Arbeitslust in den Ministerherzen an und die konserva- tiv-nationalliberale Mehrheit war das Rohr im Winde, das noch vor wenigen Tagen sich der Verschiebung bis nach den 'Ferien znneigte, jetzt aber saust den Ministern winkte und ans deren Wunsch einging. Eine solche Ueberhastnng ist ein parlamentarisches Unikum, der Umsturz aller bis jetzt üblichen Parlamentari schen Sitten. Man kann zur Rechtfertigung desselben nicht etwa ins Feld führen, daß die Novelle schon im Herren hanse dnrchberaten worden sei und so die Oeffentlichkeit schon länger beschäftigt habe. Tie Beschlüsse der .Kom mission des Abgeordnetenhauses weichen nämlich von denen des Herrenhauses gewöhnlich ab. Wir nennen hier nur einen Punkt. Tas Herrenhaus hatte die Zuziehung der Gemeinden, Schul- und sonstigen Verbände bei allen An- siedlnngen obligatorisch gemacht, während die Kommission die Regierungsvorlage »nieder bergestellt hat, nach welcher die Beteiligung dieser Körperschaften ans diejenigen Fälle beschränkt werden soll, bei denen eine Aendernng der Ge meinde-, Schul-, Kirchen- nsw. Verhältnisse zu erwarten ist. Tabei bat die Staatsregiernng die Zusicherung erteilt, im Wege der Verwaltnngsanweisnng dafür Sorge tragen zu »vollen, daß jene Körperschaften in allen Fällen hinzn- zuziebcn sind, in denen es sich um Gründung einer wirk lichen Kolonie handelt. Ob nun das Herrenhaus auf Grund dieser Zusicherung seine Bedenken fallen läßt, ist doch mindestens noch zweifelhaft. Die Vorlage kann so nochmals zwischen beiden Häusern hin- und hergehen und die gesamte Arbeit steht unter dem Hochdruck der Verta gung: das ist für die Sache nicht förderlich. Minister von H a in m e r st e i n hat für die Eile, mit der die Sache gemacht werde» soll, auch die Agitation im Osten ins Feld geführt. Seltsamerwene geht aber diese Agitation nicht von den Polen ans: diese sind selbstver ständlich so klug, daß sie jetzt nicht Güter aiifkanfei» oder anfkanfen lassen, die sie später nicht mehr oder nur an Deutsche verkaufen könnten. Die Bewegung gegen den Entwurf geht vielmehr von Deutschen ans Die Marien werder landwirtschaftlichen Vereine sind '.hon mit einer Pe tition da. Sie erklären, cs würden dadurch, daß ii» den» neuen Gesetz der Verkauf von Anja d »mg gülern an Polen gehindert werde, diejenigen Landwirte, die später verkau fe»» wollen, eine schwere Vermögcnseinbnße erleiden. Die ser Gedanke ist gar nicht ohne weiteres abzuweisen. Ter Kreis der Käufer vermindert sich, die Nachfrage wird ge ringer, und so fällt naturgemäß der Preis der Grundstücke. Die Leute wünschen deshalb eine Entschädigung durch den Staat. Das ist eben der Fluch der bösen Tat, daß sie fort- zeugend Böses muß gebähren. Aber die Maricnwerdcr dürften nicht die einzigen sein, die so Vorgehen, sobald in weiteren landwirtschaftlichen Kreisen im Osten diese Wirkung des Gesetzes ins Auge ge faßt wird, werden auch andere kommen und klagen. Die Negierung scheint dies vorausgesehen zu haben, möglicher- weise hat sie bereits Berichte aus dem Osten erhalten und deshalb diese überstürzende Eile. Aber dainit wird die Sache nicht aufgehalten. Die Klagen werden nach Jnkraft- treten des Gesetzes nur um so lauter und eindringlicher sich erheben! Dann aber kann das Zentrum sagen: „Re gierung, siehe du zu!" Politische Rundschau. Deutschland. — Bei der Wettfahrt auf der Kieler Föhrde am Freitag, veranstaltet vom Kaiserlichen Jachtklub, starteten 57 Jachten. „Meteor", »nit dem Kaiser an Bord, ging als erster Schunerkreuzer durch den Start, gefolgt von „Hamburg", „Jngomar" und „Iduna". — Der 32. deutsche Aerztetag wurde am 24. d. M. in Rostock in Anwesenheit von Vertretern des preußischen Kultusministeriums, des großherzoglich mecklenburgischen Medizinalministeriums, der Stadt und der Universität er öffnet. Den Hauptpunkt der Tagesordnung bildete die Beratung des Kommissionsberichts über die Stellung der Aerzte zu den .Krankenkassen und die Entwickelung der Selbsthilfe. In der sehr lebhaften Debatte sprachen sich fast alle Redner entschieden gegen Einführung bezw. Bei behaltung der Karenzzeit und für allgemeine Festlegung der freien Arztlvahl aus. Schließlich wurden folgende Re solutionen angenommen: Ter 32. deutsche Aerztetag er klärt 1) daß er die gesetzliche Regelung der Stellung der Aerzte zu den Krankenkassen im Sinne der Beschlüsse der Aerztetage von Königsberg. Berlin und Köln für notwendig hält, unbeschadet des im Krankeilversicherungsgesetz durch- gesühiten Grundsatzes der Selbstverwaltung der Kasse»», 2» daß die Organisation der Selbsthilfe überall unverzüglich weiter ausgebaut und gefördert werden muß, 3) daß die Einführung und Beibehaltung von Karenzzeiten zu ver werfen ist. Die Beratungen werden an» Sonnabend fort gesetzt. — Eine Palästina-Handelsgesellschaft in. b. H. wurde am 23. d. M. in Hamburg gegründet. Die Gesellschaft ist mit einem Kapital von zunächst lOOOOO Mk. »nit den» Sitz in Hambnrg errichtet und bezweckt, den Import- und Exporthandel zwischen Deutschland und Palästina, sowie den Nebenländern zu fördern. — Der internationale Franenkongreß gibt noch vielen Blättern Gelegenheit, sich für und gegen die ans demselben erhobene Hauptforderung, das Franenstiinmrecht betreffend, zn ereifern. In Deutschland wird in absehbarer Zeit nicht daran zu denken sein. Die Gesetzgebung kann solche Neue rungen nicht eher ins Werk setzen, als bis sie von der ganzen öffentliche»» Meinung dazu gedrängt wird. Zunächst müßte die ganze Frauenwelt einhellig das Stimmrecht ver langen. und dann wäre auch notwendig, daß sich die Männer mit dieser Forderung befreundet hätten. Ist es erst soweit, dann kommt das Franenstiinmrecht sozusagen von selbst, aber bis dahin wird noch viel Wasser durch den Rhein fließen. Auch die Parlamente existieren ja erst seit der Zeit, wo dem einhelligen Drängen der Nation nach einer Verfassung kein Widerstand mehr geleistet werden konnte. Die Ideen haben ihren „Werdegang" und ge langen erst zum Siege, »venu ihre Kraft so groß ist, jeden Widerstand niederzuwerfen. Ob der Gedanke gut oder schlecht ist, komint dabei weniger in Frage, als der Um stand. ob er sich weite Kreise zu erobern weiß, denn längst lucht alle „Reformen", die die Welt gesehen, waren gut und nützlich; bei vielen war das gerade Gegenteil der Fall. Jedenfalls brauchen »vir unS in Deutschland über die Frage des Frauenstimmrechts heute noch nicht ernsthaft den Kopf zu zerbrechen. — Das Kontraktbruchgesetz wird der Landwirtschaft nichts oder verschwindend wenig nütze»»: der Zentrums- abgcordnete Klose, der selbst Landwirt ist, hat im Reichs tage dies offen ausgesprochen: er kann sich nicht viel von einem Arbeiter versprechen, der durch gesetzliche Zwangs- maßregeln »nieder zn seinem Arbeitgeber znrückgeführt werden muß: ein solcher Arbeiter kann den Arbeitgeber derart ärger»», daß er ihn gerne entläßt und sogar noch herzlich froh ist, wenn derselbe fortgeht. Umso unbegreif licher ist es, »vie die „Deutsche Tageszeitung" sich für diesen Entwurf so sehr ins Zeug legen kann! Sie findet aller dings auch ein Haar in der Suppe und fordert deshalb: „Der Preußische Gesetzentwnrf zur Erschwerung des Kon- traktbruches ländlicher Arbeiter will nur landwirtschaft liche Arbeitgeber bestraft »vissei», die kontraktbrüchige Leute wissentlich beschäftigen. Das ist, »veil es wenigstens etwas ist, besser als nichts. Trotzdem ist cs offenbar nicht eine Bestätigung des Satzes: „Gleiches Recht für alle". Was hier den» Landwirt recht sein soll, »väre für den industriellen Arbeiter doch sicher nur billig. Man sollte nicht verkennen, daß die erhoffte Wirkling des neuen Gesetzes ganz wesent lich beschränkt bleiben muß, wenn die Industrie die kon- traktbrüchigen ländlichen Arbeiter ohne »veitcres aufnehmen darf. Die bisherigen Parlainentsdebatten haben bereits außer Zweifel gestellt, daß, sobald Landesstrafgesetze ein andres bestimmen, in der Neichs-Gewerbe-Ordnung keines- Wegs ein Freibrief für die Uebertretnng dieser Landesge setze gegeben sein würde. Hoffentlich verbessert die Koin- Mission den Rcgierungsentwurf in diesen» wichtigen Punkte." Bekanntlich hat der Staatssekretär des Reichs- justizamts bereits im Reichstage zugegeben, daß der Ent- Wurf die Grenze zwischen Reichs- und Landesrecht nicht immer klar erkennen lasse: eine solche Umwandlung nach dem Herzen der „Deutschen Tageszeitung" aber würde di rekt einen Einbruch in das Reichsrecht darstellen I — Die Leistungen der Krankenversicherung in» Jahre 1902 werden eben bekannt. Die ordentlichen Einnahmen betrugen 193 417 667 Mk.. die Ausgaben 183 326 868 Mark, darunter Krankhcilskosten 167 801 376 Mk. Es be trugen nämlich die Krankengelder 1901: 72 993 990 Mk.. 1902 : 74 383 502 Mk. Die Arztkostcn betrugen 1901: 35 636 010 Mk.. 1902: 37 499 312 Mk. Diese Zahlen sind interessant für den in Rostock soeben tagen- den deutschen Aerztetag. In früheren Jahren handelte es sich bei diesen Zusammenkünften um Fachan- gelegenheiten, von denen das übrige Publikum nur wenig Notiz zu nehmen pflegte. In neuerer Ze»t aber hat die Vertretung der! ärztlichen Standesinteressen überall leb- hafte Aufmerksamkeit erregt, seitdein der Kampf »nit den Krankenkassen ausgebrochen und zum Teil schon in befrie digender Weise durchgeführt worden ist. Anfangs mochte nian im Publikum den Aerztestreiks vielfach kopfschüttelnd und verständnislos gegenüber stehen; seither hat man in- dessen erkannt, in welcher Zwangslage sich die Aerzte be- fanden, und beobachtet, daß die Negierungen, indem sie lediglich die Durchführung der Gesetze zu sichern suchten, für die Sache der kämpfenden Aerzte eintreten mußten. Die allgemeine Durchführung der bedingt freien Aerzte- wahl erscheint nur noch als Frage der Zeit. In» Reichstag ist bereits ein entsprechender Antrag gestellt. Man kann die deutsche Aerzteschaft zu den bisher errungenen Erfolgen nur beglückwünschen und ihr ferner wünschen, daß sie in gleich besonnener Weise und mit gleicher Geschlossenheit fortfahren möge, die berechtigten gemeinsamen Interessen zu vertreten: dann wird es ihr an »veiterer innerer Ge sundung ihres Standes nicht fehlen. — Haftpflicht des Bankiers bei der Aufbewahrung von Wertpapieren. Ein eigentümlicher Haftpflichtprozeß gegen ein Bankhaus wurde kürzlich von dem Kölner Land gerichte entschieden, und wird demnächst auch das dortige Landgericht in der Berufungsinstanz beschäftigen. Bei den» betreffenden Bankhaus hatte ein Kaufmann in dessenStahl- kammer ein Schrankfach zur Aufbewahrung von Wertpa pieren gemietet, mit der Vereinbarung, daß die Bankfirnia für jeden Schaden haften solle, der durch Vernachlässigung der auf die Bewachung und Sicherung der Stahlkammer, »vie auf den Verschluß derselben zu verwendenden äußeren Sorgfalt entstehen würde. Der Kaufmann behauptet nun, daß er ii» dem betreffenden Schrankfache Wertpapiere im Gesamtbeträge von 2000 Mk. niedergelegt habe. Anfang März 1902 habe seine Fra»», nachdem sie ihn» den Schlüssel zu dem Fach entwendet, ohne sein Wissen dle in den» Fache der Stahlkammer befindlichen Wertpapiere entnommen, und sich in das Ausland geflüchtet. Da seine Frau zur Entnahme der Depots nicht bevollmächtigt gewesen sei, so habe die Bank durch unbefugte Oeffnung des Stahlfaches ihre Pflicht — der sorgfältigen Aufbewahrung der hinter legten Wertpapiere — verletzt und sich dadurch schadener satzpflichtig gemacht. Er beantragte demgemäß, die Bank firma zum Ersatz des Wertes der entwendeten Papiere zu verurteilen. Das Landgericht wies die Klage ab, indem es annahm, daß die Ehefrau des Klägers von ihn» bei Mie tling des Faches zur Entnahme der Depots bevollmächtigt gewesen sei. — Tas „Kleine Journal" und Frhr. von Mirbach waren einstens intime Freunde; dieses Blatt und sein Her ausgeber lvnrden gar hoffähig! Aber die Freundschaft ist nun entzwei und Dr. Leipziger plaudert nun stark aus der Schule. Manche seiner Mitteilungen habe»» allgemeines Interesse. Dr. Leipziger erreichte den Vorzug, den» Kaiser und der Kaiserin Geschenke überweisen zu dürfen. Er ließ zwei Prachtexemplare vom Katalog der 96er Gewerbe-Aus stellung Herstellen, deren Einbände Musterwerke waren und deren Kosten eine fünfstellige Zahl erreichten. Im Herbst des Jahres 1898 hielt Frhr. von Mirbach im Palast Bar- berini zu Potsdam einige Vorträge über die Palästinareise. Das „Kleine Journal" brachte als einziges Blatt die Reden wörtlich zum Abdruck, und im Anschluß hieran entstand der Plan, die Auslassungen desselben in Broschürenform der Nachwelt zu übergeben. Der Erlös der verkauften Hefte sollte Wohltätigkeitszwecken dienen. Anders verhielt es sich jedoch mit de»» für Frhr. von Mirbach persönlich be stimmten Exemplaren. Hier spielten sehr teuere und kost bare weißseidene Einbände, die in der Mitte das Jerusa lemkreuz in Emaille zeigten, eine wesentliche Rolle. Herr Colli», entledigte sich auch in diesen» Falle seiner Aufgabe mit Meisterschaft und diese Prachtausgabe fand so sehr den Beifall des Freiherr»» von Mirbach, daß er Dr. Leipziger immer »nieder ersuchen ließ, mehr davon zu „stiften". Herr von Mirbach verschenkte seinerzeit diese Bücher an seine Freunde, Gönner und Nciscgenossen. Häufig erkundigte er sich, ob „der Verkauf zu Wohltätigkeitszwecken" flott ginge, und „da trotz mannigfacher Ankündigung niemand so recht anbeißen »vollte, überreichte ich Sr. Exzellenz einen Tauscndmarkschcin mit der frommen Lüge, daß dieser Be trag das Ergebnis sei". Dr. Leipziger erzählt auch, »vie die Freundschaft »nit Frhr. v. Mirbach ausging. Als die ersten Enthüllungei» über den Sanden-Schwindel erfolgten, „suchte mich einer seiner Beamten in seiner Privatwohnung auf und überbrachte mir den „Wunsch" Sr. Exzellenz, die Angriffe in» „Kleinen Journal" tunlichst zu unterdrücken! Seit jener Zeit habe ich nicht mehr den Vorzug gehabt, »nit Herrn v. Mirbach persönlich zu verkehren". . . . — Das preußische Herrenhaus leidet auch unter der Ueberstürzung. welche die Mehrheit des Abgeordneten hauses beschlossen hat, es hat fast keinen Stoff und will doch nicht auSeinandergeben. ehe die Ansiedelungsnovelle be raten ist. Heute wurde das Wildschadengesetz angenommen und ebenso das Gesetz über die Fortbildungsschulen in Hessen-Nassau; letzteres ist in» Herrenhause verschlechtert worden. DaS Abgeordnetenhaus hat den Unterricht an Sonnlagen überhaupt verboten, das Herrenhaus will ihn. »vie der Entwurf, nur während des HauptgotteSdienstes untersagen. Ans morgen stehen nur kleinere Vorlagen zur Beratung. — Ein Unikum von einem parlamentarischen Bericht leistete sich der volksparteilichc Abgeordnete Haußmann; ec sprach auf einer Versammlung seiner Partei über die „Lage im Reichstage" »nd wußte dabei auch vom Zentrum zu erzählen, eS treibe eine „Politik der Koketterie mit der Reichsregierung". Derselbe Abgeordnete muß dies jeden falls in Stuttgart, seinen» Wohnsitz, beobachtet haben; in Berlin hat er eS nicht gesehen, denn er »var den ganzen Winter — seit 12. Januar — nur einen einzigen Tag im Reichstage anwesend, als er herbeieilte, um die Wahl des Abgeordneten Blumenthal zu retten, und da war seine „Extratour" vergeben-. Aber deshalb kann ein solcher erstklassiger parlamentarischer Schwänzer doch über die „Lage im Reichstage" referieren!
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