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Sächsische Volkszeitung : 07.11.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192811077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281107
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281107
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1928
- Monat1928-11
- Tag1928-11-07
- Monat1928-11
- Jahr1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 07.11.1928
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Sächsische Volkszeitung 7. November l»r» «»«»er rrr 77 Warum man in einem Teil -er sächsischen Presse noch nicht klug geworden isl Die Menlaliläk -es Reformalionsfesles Dresden. 6. November. Wir sind uns nicht bewußt, irgendwo in der katholischen Presse zum 31. Oktober Ausführungen gefunden zu haben, die sich mit dem R e fo r ma t t o n s s e st oder mit der protestantischen Kirche besoffen. Wohl aber haben wir auch dieses Jahr wieder in protestantisch gerichteten Blättern aus Anlaß dieses Tages An griffe auf den Katholizismus gefunden, ohne die man sich in vielen Kreisen ein richtiges Refornrationsfest anscheinend nicht denken kann. So beklagt sich z. B. der „Freiberger Anzeiger u. Tageblatt" (Nr. 256 S. 3) unter der Stichmarke „Das sächsische Zentrum und das Reformationsfest" darüber, daß die Katholiken Sachsens sich die Freiheit genommen haben, am 31. Oktober in Dresden eine Volksvereinstagung abzuhalten. Das genannte Blatt schreibt wörtlich: Das Refornrationsfest wird im protestantischen Sachsen, dem Lande der Reformatton, bekanntlich noch allenthalben re spektiert. Nicht einmal die Sozialdemokraten l>abe» in der Zeit ihrer nnbcschränkten Herrschaft in Sachsen an das ReformationS- sest als gesetzlichen Feiertag getastet, weil sie wußten, was dieser Feiertag dem sächsischen Volke in seiner Gesamtheit galt. Wenn sich nun -das sächsische Zentrum und der ehemalige Reichskanzler Tr. Marx für ihre „katholische Aktion" in Sachsen gerade das Ncformattonsfest aussuch-en, dann läßt das nicht aus besonders seinen Takt oder auf Rücksicht gegenüber den evangelischen Landeseinwohnern schließe». Was würden wohl die Herren vom Zentrum sagen, wenn von protestantischer Seite vielleicht am Fronlcichnamstage eine Luther-Kundgebung vor dem Kloster Marlcnslcrn veranstallet würde? Erstens weiß das Blatt natürlich nicht, daß Zentrum und Katholischer Volksverein zwei grundverschiedene Organisationen sind. Zwestens beschwert sich das Blatt keineswegs darüber, daß die Kommunisten ain 31. Oktober allenthalben durch Ihre Straßen umzüge das Neformationsscst „respektiert" haben. Aber das gehört ja sicher gar nicht zur Sache. Warm» soll sich der „Freiberger An zeiger" über die Kommunisten beklagen? Es ist ofsenbar ganz in der Ordnung, daß sie ihre roten Fahnen und ihre geballten Fäuste aus allen Straßen spazieren tragen. Das wird offenbar vom „Frci- bergcr Anzeiger" nur als eine besonders eindringliche Art der Ne- formationsseter angesehen. Aber daß ist ebenso unerhört wie takt los, dag sich die Katholiken erlauben, ausgerechnet am 31. Oktober iu ihrem Hause in der Käufferstraße und in einen, aus allen vier Seiten von Wänden umgebenen Saale in Dresden zusannnen- zukommen, und dort die „Katholische Aktion machen". So etwas soll den „Freibcrgcr Anzeiger" nicht empören? Wann werde» end lich die sächsischen Kaiholiken io taktvoll wenden und am Ncforma- iionsscst bei Wasser und Brot sich in ihre Wohnungen einschlicßen? Wann wird endlich ein allgemeines Schweigeverboi sür die sächsi sche,, Katholiken herausgegebe» wenden? Es passieren doch noch un glaubliche Dinge im 20. Jahrhundert. Verzeihung! Es ist so dem „Freiberger Anzeiger" offensicht lich gar nicht so ernst gewesen, um diese ziemlich sinnlose Schreiberei Denn auf derselben Seit«, auf der man die oben a»geführte» Sätze sindet, steht ein neuer Text zu dem Trutzliede „Ein feste Burg" von Felix Leo Göckeritz. Darin heißt es ganz anders: „Heut' geht nicht mehr um.Lutherlehre Und Papsttum der Gemüter Streit, Heut' steht um ihres Gottes Ehre Im Kampf die ganze Christenl>«it Hier Christentum — hi« Atheisten, Das ist der Schlachtruf, der erklingt Und machtvoll jeden guten Christen Zum Kampf für seine Kirche zwingt." Schade, daß der Redakteur, der die Ausfälle gegen die bösen Katholiken bearbeitet hat. entweder dieses Gedicht nicht durchgelesen oder aber seinen tiefen Sinn nicht erfaßt hat. Mit Schtagworten arbeiten bi« „Chemnitzer Neuesten Nach richten" in einem Resormationssestartikel „Herrschaft oder Gemein schaft": „Die katholische Kirche ist eine Herrschastskirche, die evan gelische eine Geineinschaftskirche." „Sie fordert Unterwerfung. Auch die Schalmeienklänge, die Jesuiten in ihren vorzüglichen, uns Pro testanten ganz annehmbaren Vorträgen hören lassen, lausen zuletzt auf dieses Ziel hinaus, wie in der Fabel vom Fuchs und den Gän sen." „Der Katholizismus ist das wunderbarste System geistiger Wcltbeherrschnng." Das nur eine Auswahl der Geistreichigkeichy dieses Artikels, der daneben selbstverständlich auch noch Märchen enthält, wie das vom päpstlichen Verbot des Bibellesens in der Muttersprache, oder die Auffassung, als ob der Katholizismus dem Einzelnen das Ringen um eine eigene Ueberzeugung erspare. Es lohnt wirklich nicht, sich auf dem Niveau, das die „Chemnitzer Neuesten Nachrichten" a„f diesen, Gebiete offenbaren, ernsthaft mit Einzelheilei, auseinonberzusetzen. Wir sehen großmütig über solche Großzügigkeit hinweg. Im „Chemnitzer Tageblatt u. Anzeiger" schreibt ein W. Sens über „Chemnitz und die Reformation". Leider eben falls sehr großzügig. Georg der Bärtige ist bei ihm ,-dcr verbissen« fürstliche Gegner des Protestantismus. Die Kommission, die Luther und Kurfürst Heinrich zur „Visitation" „ach Chemnitz schickten, nennt Senf „human". Er muß aber selbst fcststellen, daß im April 1540 „die nicht zu», liebertritt zu bewegenden Mönche" die Stadt verlassen mußten, daß „untaugliche und widerstrebende Pfarrer" ihres Amtes enthoben wurden, daß das Messelcsen verboten wuchs. Es kommt nur darauf an, was man sich unter dem Begriff „human" vorstellt. Oder tvagi jemand, anderer Meinung z» sein und dieser „Humanität" zu widerstreben? Wo bleibt hier das berühmte Takt gefühl. das Deutsche grundsätzlich daran hindern sollte, die unglück lichen Ereignisse des 16. Jahrhundert« in tendenziöser Weis« au»« zuschlachten? Wir verzichten darauf, die „Humanität" weiter an»« zumalen, mit der die sogeinmiit« Reformation in Sachsen eingeführt worden ist! Zum Schluß endlich ein pikantes Kompott, das der „Zwö» nitztalcr Anzeiger" (Nr. 213) seinen, Leserkreise offeriert unter der Überschrift: „Der Prinz als Priester". „Im September hat der frühere sächsisch- Kronprinz Georg, jetzt katholischer Priester und Jesuilenpater, in Dresden im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung des Bildungsvercin» für das höhere MldungSwesen im Bistnme Meißen einen Vor trag gehalten über „Persönlichkettsentfaltung und -Vollendung". Wir sagen nichts gegen den Prinzen, den wir alz liebenswerten Menschen und guten Kameraden von früher her in bester Erin. „erring haben. Der Vortrag tvar gut, ganz zeitgemäß und kow- fesstonell nicht betont. Man irrt aber gewaltig, wenn man dar aus auf ein harmloses Verständnis auch für Andersgläubig« schließen wollte. Wo ein Jesuit Verständnis zeigt, da ist e» auch nur Mittel zum Zweck. Es kann und darf nicht ander» sein. Darum tvar es auch sehr klug, den Prinzen in Dresden al» Redner mit einem allgemeinen Thema austreten zu lassen. Denn dein Prinzen galten der starke Besuch, der minutenlange Beifall, die Blumen — dem Prinzen, der nun aber doch ein Priester ist! Die katholische Kirche hat es immer verstanden, still und zäh ihre Fäden zu spinnen und ihre Kreis« zu ziehen. Wer wollte ihr da» verdenke»? Liber wir sollten auch ein wenig klug sein und un» kernen Sand in die Augen streuen lassen." Leuten, die so etwas schreiben. Sand ln die Augen zu streuen, würden wir uns schon deshalb nicht getrauen, weil wir nicht glau« ben können, daß solche Leut« überhaupt Augen im Gesicht haben. Denn wer zwei gesunde Auge» hat, mit denen ex die bösen Jesuiten sehen und katholische Bücher lesen kann, der kann einfach so unge reimte Sätze nicht niedcrsckreiben oder ihren Abdruck verantworten, wie das der „Zwönihialer Anzeiger" tut. „Man sollte doch ein wenig klug sein. . .!" Für diesen Herzenswunsch de» Zwönitzlaler Anzeigers wenigstens, haben wir, um unseren guten Wille» zu beweise», vollstes Interesse. Warum ist man in einem Teil der sächsischen Presse bis heute noch nicht klug geworden? —om— Zeppelins Rückflug Berlin—Friedrichshasen Berlin, 8. November. (Drahtbericht.) „Gras Zeppelin" ist heute um7.08Uhr von Staaken zur Heimsahrt nach Friedrichshofen ge st artet. An Bord befinden sich neben zahlreichen Ehrengästen zehn zah lende Passagiere. Das Schiss wird von Kapitän Jlemming gesührt. da Dr. Eckener die Fahrt nach Friedrlchshasen nicht mitmacht. Die Feiern am Monkag Berlin, S. November. Auf dem Einzug in Berlin wurde Dr. Eckener und di« Zeppelinmannschast überall stürmisch von den Menschenmengen begrüßt, die in dichten Mauern die Straßen umsäumten. Durch die ganze Heerstraße, die Charlottenburger Chaussee fuhren die Wagen, in deren ersten Dr. Eckener und der Reichsverkehrs« minister v. EuSrard Platz genommen hatten, gleichsam durch ein Meer von tosendem Beifall. Besonders stark war der Jubel am Brandenburger Tor und am Pariser Platz, wo die Auto, mobile über die Mittelpromenade der Linden in dir Wilhelm- straße einbogen, die b!» zum Wilhelmplatz schon seit Stunden von einer nach Tausenden zählenden Menschenmenge, unter denen sich sehr viel Schulkinder befanden, besetzt war. Die Polizei hatte umfangreiche Absperrungsmaßnahmen getroffen, und es mußte mehrmals Verstärkung herangezogen werden, da die Massen die Polizeikctten zu durchbrechen suchten. Auch im Reichspräsidentenpalais war alles in fiebernder Erwartung, und die Enkelkinder Hindenburgs erwarteten vom offenen Parterrefenster aus die Anfahrt. Punkt 12)4 Uhr ging dann in der Wilhelmstraße Bewegung durch die Massen, und die sich schnell sortpslanzenden Hurrarufe ließen erkennen, daß Eckener und die übrigen Ehrengäste der Reichsregierung etntrasen. We nige Minuten später hatte der Zug, der von einem Auto des Polizeipräsidenten und des Kommandeurs der Schutzpolizei er öffnet wurde, bas Neichspräsidentenpalai» erreicht. Unter einem Kreuzfeuer von Photographen entstiegen Dr. Eckener uni» der Reichsvcrkehrsminister, sowie die anderen Gäste, unter denen besonders der Konstrukteur des Luftschiffes, Dr. Dürr. Kom- merzienrat Tolsmann und Dr. Maybach begrüßt wur den. den Wagen, während die Posten präsentierten. Insgesamt fuhren etwa 10 Auws vor, tn denen sich die Besatzung und dit drei amerikanischen Marineoffizier« befanden. - » Bei dem Empfang im Palais d«» Reichspräsidenten richtet« Hindenburg an die Besatzung und di« Erbauer de, „Graf Zeppelin" folgend« Ansprache: „Meine große Freude, die Erbauer, Führer un- die Be- katzuna de, ..Gras Ueooelin" Lie« bei nnr tu leben, braucbe ich Aus verlrlungenen Zeiten Die Kunst, vergangene Zeiten durch die Macht des Wortes wieder lebendig werden zu lassen, ist eine seltene Gabe. Und Bereitwilligkeit des Publikums, sich mit verklungenen Jahr hunderten zu befassen, wechselt im Wandel der Generationen. Es scheint, als ob die Gegenwart langsam wieder mehr Ver ständnis aufbringt für den Wert und die Bedeutung der Ver gangenheit. Wir verzeichnen immer mehr Bücher, die das Leben vpn gestern unb ehegestern mit den Mitteln der Kunst wieder erwecken wollen. Viele dieser Werke erfüllen dis hohe Forderung, daß nicht nur die Sachkenntnis, sondern auch die Form der Darstellung vollkommen sein muß. Das Mittelalter, früher als Zeit des Irrwahns und der geistigen Erstarrung verrufen, siirdet heute bei Gelehrten und Laien größtes Interesse. Dem entspricht es, daß sich die Auf merksamkeit besonders stark dem 13. Jahrhundert zuwendet, in dessen Verlauf der Uebergang vom mittelalterlichen zum modernen Denken eingesetzt hat. Paul Wlegler, bekannt durch eine feinsinnige Biographie Wilhelms I. und durch di« kunstreichen Dichter- und Frauenporlräts seines Buches „Die große Liebe", hat jetzt ein« Chronik des 13. Jahrhunderts ge schrieben: „Der Antichrist" (Avalun-Verlag, Hellerau bei Dresden: Preis in Ganzleinen 15 M.). Die seltsam anziehend« Gestalt des Hohcnstaufenkaisers Friedrich II., der zuerst ein Diener und Verteidiger der Kirche, später ihr Feind und schließlich als „Antichrist" verschrien war, steht im Mittelpunkt der Darstellung. Wiegler gibt eine Biographie im höheren Sinne: er zeigt nicht nur den Ablauf, sondern auch di« Voraus setzungen und Folgen dieses Lebens. Die Ereignisse werden in einfacher, schmuckloser und gerade deshalb wuchtiger Sprache vorgetragen, es ist ein knapper, aber inhall schwerer Bericht, wie wir ihn in den Chroniken jener Zeit finden. Fast 500 Seilen ohne eine einzige dazwischengesetzte Ueberschriftzeile, ober man liest sie durch wie einen spannenden Roman, Die Wucht des Stoffes selbst überwältigt, kein Jahrhundert war „romantisckier" als dieses. Wiegler hat durch kluge, kunstreich berechnete Folge der berichteten Ereignisse und durch klare, liln-raus gepslegte Sprache die Wirkung erhöht. In dem sach lichen Fluh der Chronik leuchtet hie und da ein Satz auf, der dem Bild«, dag am Leser vorbeieilt, satte Farben gibt. An einzelnen Stellen glauben wir einen historischen Roman zu lesen, keine Chronik. In dem heikelsten Punkt der Darstellung, bei dem Komps zwischen Kaiser und Papst, bemüht sich Wiegler, unparteiisch zu sein. Er sucht die fachlich«» Wurzeln di«se» Kampfe» zu zeigen und menschliche Fehler der einen wie der anderen Seite zu verstehen. Seine Begeisterung für den Staufen-Kaiser, aus der schließlich das Werk hervorgegangen ist, ist an vielen Stellen zu spüren. Man wird sich dadurch nicht stören lassen, und den künstlerischen Genuß würdigen, den dieses Buch gewährt: Wie ein düsteres, auf Goldgrund gemaltes Bild steigt jenes Jahr hundert der Kreuzzüge und Ketzerverfolgungen, des unerhör ten Wechsels der irdischen Herrschaft auf. Gewaltige Schatten aus vergangenen Tagen schweben an uns vorbei, die großen Päpste und ihr Widerpart, der unheimlich kluge Kaiser, um geben beide von einer unzähligen Sck)ar van Rittern und Kle- rikern. Es ist ein Kampf der Geister von erschütternder Größe. Der Avolun-Berlag hat diesem Buch eine musterhafte Aus stattung gegeben, vortrefflich klarer Druck, gutes Papier und sorgfältig ausgewählte Bilder machen den Band zum Schmuck einer jeden Bibliothek. Einen Gewinn würde bei einer Neu auflage bedeuten ein Register mit den wichtigsten Namen und den dazu gehörigen ganz kurzen biographischen Notizen. Das würde zwar aus dem Rahmen der Chronik fallen, aber manck>en Leser gewinnen, der jetzt im Text hinderliche Unklarheiten sindet. » Franz Blei, der unübertroffene Schilderer weiblichen Seelenlebens, seht di« mit dem Bande „Glanz und Elend be- rühmter Frauen" begonnene Arbeit fort. „Himmlische und irdische Liebe" nennt sich die neue Sammlung geschmack- voller Frauenbildatsse, die soeben im Verlag E. Rowohlt, Berlin, erschienen ist (Preis geh. 8. M.). Die Fülle der Einzelbilder ist diesmal eher noch größer als in dem ersten Bande gleicher Art. Caterina von Siena und Jane Carlyle, die römische Kaiserin Messalina und die chinesische Kaiserin Tsü-Hi, die Frauen Hein richs IV. und Dantons — um nur wenige Namen zu nennen, die die Weite des gezeichneten Bildes kennzeichnen — finden sich hier in Miniaturbildern, von denen einige geradezu Meister- Haft genannt werben dürfen. — Zeitgenössische Bildnisse in fast durchweg guter Reproduktion ergänzen die Darstellung der Essays. Man würde Franz Blei Unrecht tun. wollte man aus dem Stoff seines Buche, schließen, er bringe dem auf leichte Pikan- terie gerichteten Zeitgeschmack Opfer. Sein« Darstellung ist immer durchdacht, viel zu geistvoll, um von flachen Köpfen als angenehm gewürzt« Speise genossen zu werden. Was Blei interessiert, ist nicht die Episode, sondern das Charakteristisch«. Er zeichnet in vielen Tinzelzügen di« gewaltig« Roll«, di« di« Frau im Spiele diese» irdischen Leben» hat. Sympatisch ist die Art. in d«r Blei oft mit d«n g«istig«n Unarten unsere» auf. g«klLrd»a Zeitalter» ad rechnet: ,«u» heutig«» Erfahrung». Winkel gesehen deformiert sich das Früher« ins gleich Schäbige dieses Heutigen". Blei versteht es. Vergangenes mit liebender Sorgfalt und edlem Geschmack wieder lebendig zu machen. « Ein gleiches Lob könnte man Theodor Birt aus- stellen, der in Form von „Novellen und Legenden" (Quelle und Meyer, Leipzig: Preis geb. 3 Mk.) verklungene Zeiten wieder erwecken will. Seine Lieb« gehört den, klassi schen Altertum, von Achill erzählt er, von der schönen Mar- pessa, der Geliebien Apollos und von dem höckerigen Glücks- Kinde Fortuit. Das Beste in Birts Büchlein aber ist wobl die Schilderung eines Besuchs Caesars bei Cicero. Hier gestaltet der hervorragende Kenner römischer Geschichte einen Stosf, der ihn selbst aufs höchste gefesselt hat. Zwischen historischem Roman und romantischer Historie schwankt die Darstellung, di« Irma von Drygalski von dem bunt bewegten Leben der „Juliane von Krüde. „er" gibt. (Eugen Diedrichs Verlag, Jena: Preis in Ganz leinen 7 20 Mk.) Juliane, die Freundin des Zaren Alexander I. van Rußland, dem sie die Anregung zur Gründung der Heiligen Allianz gab, ist ein echtes Kind ihres wildbewegten Zeitalters. In ihrem Schicksal, das sie von Paris nach Deutschland und endlich nach Rußland führte, entrollt sich uns ein buntes Bild dieser merkwürdigen Zeit, die vom Gegensatz zwischen dem revolutionären Frankreich und dem Absolutismus der anderen Länder beherrscht war. Würde man uns aber nach einem Beispiel dafür fragen, daß ein historischer Roman von großem Wurf auch heute noch in Deutschland möglich ist, dann würden wir Johannes Muro ns Kolumbus-Roman nennen. Kolumbus' geschichtlich« Erscheinung ist ja heute wieder stark umstritten. Muron schildert ihn als große historische Persönlichkeit, er zeigt die Leistung des Mannes, aber auch seine Schwächen. Ein erster Band „Die spanische Insel" schildert die Entdeckerfahrt, der zweite, soeben erschienene „Der Seefahrer" den Sturz und die späteren schweren Schicksale des Mannes. Die Form des Romans — eine Selbstschildcrung des Kolumbus — birgt große Gefahren, aber diese scheinen uns fast immer gemeistert. Dieses Buch wir- man nicht al» historische Schilderung werten, sondern als Dichtung, und man wird sich auch dann seiner Schönheit freuen, wenn man glaubt, daß da» vom Dichter gezeichnete Bild nicht der geschichtlichen Wahrheit entspricht. Da» sind «in paar Bücher, di« dem Zauber verklungener Tage gewidmet sind, rasch herausgegrifsen au» den Neuerschei nungen der letzten Monat«. Sie zeigen, wie geheimnisvoll un mächtig dieser segensreich« Zauber auch h«ut« noch tn unserem Volk« sortwirTlt. y.
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