?2r Der alte Markus saß auf der Schwelle des Hauses und sonnte sich. Niel fremdes Volk machte sich breit in den Straßen des Städt chens. die wenigen Herbergen waren überfüllt, und noch immer nahm der Zustrom nicht ab. Markus entsann sich nicht in den siebenund achtzig Jahren seines arbeitsreichen Lebens eine solche Menschen ansammlung in Bethlehem gesehen zu haben. Sie waren auf des römischen Kaiser Augustus Geheiß von fernher gekommen, um sich in ihrer Stadt aufschretben zu lassen. Lustig ging es zu in den Her bergen und auf den freien Plätzen, Spielleute ließen ihre Weisen ertönen, Gaukler zeigten ihre Künste, die Kinder umstanden sie in Hellen Scharen und vergaßen darüber Zeit und kleine Pflichten. Das war nicht gut, die Kinder lernten und sahen Dinge, die sie besser nicht kannten. Erst gestern war der alten Rebekka, die nahe dem Tempel wohnte, auf unerklärliche Weise ein fettes Huhn verschwun den, und der kleine Markus, des Alten Enkel und erklärter Liebling, erzählte lachend, das hätten gewiß die Gaukler fortgezaubert, denn darin seien sie groß. So mußte man gehörig aufpassen, daß diese Männer nicht etwa Lust bekamen aus die Tauben oder die gehörnten Ziegen, die den Reichtum von Esther und Simon ausmach ten. Simon war des alten Markus Sohn, und weil er und sein Weib Esther den Later ehrten, hatten sie ihren Erstgeborenen seinen Namen gegeben. Jehova hatte ihr Haus mit vielen Kindern ge segnet, die alle in Ehrfurcht und Liebe zu dem Großvater aufblickten. Er wollte Esther und Simon helfen sie zu got- tesfürchtigen, bra ven Menschen zu erziehen. Vielleicht würde / es ihnen vergönnt -7 sein, was er und seine Vorväter vergebens ersehnt, in einem freien, von der Knechtschaft des gewaltigen Roms erlösten Israel zu leben. Dann dürfte kein römischer Kaiser Befehle für das Judenland er gehen lassen, kein römischer Landpfleger zu Gericht über sie sitzen oder den Zins durch unbarmherzige Zöllner eintreiben lassen. Und wie viele von seinesgleichen waren geblendet, betört von Roms Macht zu den verhaßten Feinden übergetreten! Hatten Dienst bei ihnen an genommen und dünkten sich, weil von der Enadensonne Roms be schienen, vornehmer als ihre Stammesgenossen, die noch immer auf den Tag der Erlösung durch den Messias, den König der Juden Hois ten. Galt ihnen das Wort der Propheten so wenig? Achteten sie die Weissagungen der Väter so gering? „Von dem Kindlein sollst du dem Großvater erzählen!" rief her risch Sara und zerrte Markus, den größeren Bruder vorwärts. „Was gibt es?" fragte der Eroßvarer, „was habt ihr Neues ge sehen? Wäret ihr wieder bei den Gauklern, und habt so der Eltern Gebot übertreten." „Nein," antwortete Markus, „wir waren auf dem Felde, wo der Vater arbeitet und trafen auf dem Rückwege zur Stadt Samuel, den jungen Hirten, der draußen auf die Fluren mit Isaak und Barnch die Herden weidet." „Ihm ist etwas Absonderliches begegnet, Großvater!" Sara sah zu dem alten Manne auf. „Denke dir, Großvater, Samuel hat ein Wunder erlebt!" „Auf den Fluren weideten die Hirten ihre Herden, und in der Nacht erschien ihnen ein Engel des Herrn und zeigte ihnen den Weg zu einem Stall." „Darinnen eine wunderschöne Frau ein liebliches Kindlein wiegte." Saras Worte überstürzten sich. „Großvater, laß uns auch das Kindlein sehen!" „Ist dir jemals ein Engel erschienen, Großvater?" Ernst und fragend blickten die klaren Kinderaugen. „Ich war wohl dessen nicht würdig, Markus." „Das ist nicht wahr!" widersprach Markus, „Vater sagte erst gestern, du seiest der beste unter allen Menschen, und Mutter sägte hinzu, wenn wir dich betrübten, so betrübten wir sie damit doppelt." „In den Gasse» und vor der Synagoge geht ein Geraune und Ge flüster um, alle sprechen von dem wunderbaren ^ ^ Kindlein, das in einer M/Krippe liegt. Bitte, Großvater, laß uns dorthingehen!" bltte/te Rebekka, die das - ^ bild von Esther war ^ „Was wollt ihr mit L ^ dem kleinen Kinde?" ' ^ ^ Der Großvater lächelte. „Nur weil die Men schen von ihm sprechen?