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Sächsische Volkszeitung : 29.01.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193101295
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19310129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19310129
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1931
- Monat1931-01
- Tag1931-01-29
- Monat1931-01
- Jahr1931
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 29.01.1931
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Das Echo -er Kan lerre-e Während die Nechtsprejs e, voran die der N a t i o- N a l s o z i a l i st e n, in ihren Spalten wie gewöhnlich keinen Platz oder wohl richtiger gejagt nicht den Mut findet, auch nur die wichtigsten Teile der Kölner Rede oes Reichskanzlers zu veröjjentlichen — schliestlich geht es doch in dieser Rede um die Schictsalssragen der Nation — haben Brünings Ausführungen dort, wo man noch ein Ohr hat, zu hören, besonders starke Beachtung gesunden. Diese Rede werde, jo betont die „D. A. Z." (Nr. 43) für die weitere iniierpolitisckze Entwicklung eine bedeutsame Rolle spielen. Richt nur in seiner Partei, sondern in breitesten Schichten des Bolkes werde der Kanzler Zustimmung finden, wenn er sagte, dast er seinen Weg der Tat unbeirrt durch Agitation und An würfe weitergehen werde. Dann fährt die „D. A. Z." u. a. fort: „Den stärksten Eindruck hat die Ankündigung des Kanzlers gemacht: „Wir lassen keine Chaospolitik unter dein Mäntelchen nationaler Besinnung zu." Es ist klar, dast sich diese scharsen Worte in erster Linie gegen die Nationalsozialisten richten. Sie sind ein weiterer Beweis dafür, da« das Zentrum eine Zusa m- menarbeit mit der Hitler-Bewegung für un- möglich hält, nachdem deren Sprecher nicht nur einen Ein tritt in die Regierung aus der Basis der Gleichberechtigung aller Beteiligten abaelehnt, sondern darüber hinaus den poli tischen Katholizismus in unerträglicher Weise angegriffen haben. Es lst kaum ein Zufall, das, gerade jetzt der Parteiführer der Deutschen Volkspartei, Dr. Dinge l- vcy, öffentlich erklärt hat, die Deutsche Volkspartci „gehe an der nüchternen Tatsache nicht vorüber, das; man den deutschen Staat nur ausrichten könne im verständigen Zusammenarbeiten mit dem Zentrum. Ec bedauere deshalb die Beschimpfungen des Katholizismus durch die Nationalsozialisten" . . . Nimmt man hinzu, dah am gleichen Tage, an dem der Kanzler sprach, der nationalsozialistische Minister Dr. Frick in Weimar in einem Rückblick aus seine Tätigkeit, die setzt ein Jahr umfasst, u. a. erklärt hat es sei für das deutsche Völk „eine Kleinigkeit, in der Stunde der Befreiung Massen und Bundesgenossen zu erhalte«", so ergibt sich, dast gegenüber einer so leichtfertigen Behauptung auch in der Aussenpolitik ein gemeinsamer Weg des Zentrums mit den Nationalsozialisten kaum gefunden werden kann, zumal die austenpolitische Linie des Reichskanzlers Dr. Brüning und des Ausicnministers Dr. Curtius jetzt in (Senf immerhin nicht ohne positive Bestätigung geblieben lst." Die „Vossische Zeitung" (Nr. 44) hebt hervor, dah die Eindrücke der letzten Reisen den Kanzler nur in der Erkenntnis bestärkt hatten, dah der Kampf gegen den Radikalismus auogefochten rverden muh. Sie geht dann ein auf das Genfer Ergebnis und erklärt zum Schluß mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit wirtschafts politischer Hilfe für die Grenzgebiete im deutschen Osten: „Das wird einen harten Kampf kosten. Nicht nur mit den Eewaltpolitikern, sondern auch mit dem Interessentenhaufen, die glauben, man könne gleichzeitig ungezählte Millionen für den Osten mobilisieren und die wirtschaftlichen Beziehungen zu der übrigen Welt verrotten lassen. Der Kamps muh durchgesiihrt werden, und Brüning scheint dazu bereit. Alle seine Reden sind Zeugnis, klare Erkenntnis der Zusammenhänge, alles wirtschaft lichen und politischen Geschehens, sind überzeugende Anklagen gegen die Versuche, die Zersetzung der Zerspaltung der Station zu vertiefen und den Kamps Aller gegen Alle zu organisieren. Deutschland wird hochkommen, als ein Volk der Arbeit, des gleichen Rechts des Friedens nach Innen und Augen. Das ist Brünings Glaube Wer diesen Glauben teilt, wird ihm Gefolgschaft lei st e n." Das „Berliner Tageblatt" (Nr. 4 t) hebt die offene Sprache und die innere Ruhe und Sicherheit des Kanzlers hervor: „Von dem Politiker Brüning — der uns politisch fernsteht und dessen Fehler glauben wir einen zu sehen, wir uugescheut anmerkcn — darf man heute schon sagen: Er ist ein mutiger Mann. In dem Osten, durch Sachsen, nach dem Westen fuhr er in diesen Wochen, überall beglicht von den Kobolden der Natio nalsozialisten als ..Hungerdiktator", mit Pfeifen. Johlen und Grölen. Dah unter ihnen nicht wenige wirklich hungern, kein Zweifel: und das Wissen darum macht ihr organisiertes Ge schrei nicht wohltönender, aber doppelt schmerzlich. Wie Brüning unangefochten durch dies Spalier hindurchgeht, weder den Ton steigert, noch seine Linie verlässt, wie er in Nube den Weg weiteraebt. nicht aereist wird, aber o-ck nickst niri- lwelwt da-! ze,a; von inneren yoil des wcannes. oie «imer- leit seiner Seele und die Klarheit des Kopses. Als wir ihm hier, nach seinem ersten grasten Austreten in Berlin, in der Wahlversammlung des Zentrums im Sportpalast, zu zeichnen versuchten, sagten wir, er werde von der Varderbühve deutscher Politik, die er kurz vorher betreten, ichrverlich bald wieder ver schwinden. Heute fügen wir der Voraussage den Wunsch hinzu: Er wird, zum Nutzen der Natron, noch lang« am wichtigsten Platz bleiben." Die „Deutsche Tageszeitung" (Nr. 21) nimmt Anstoh an dem Satz der DUrener Kanzlerred» der d-n Leuten, die eine Regierung als unnattonat verdächtigen zu müssen glauben, weil ein Katholik an der Spitze stehe, zu überlegen empfahl, welche Rückwirkungen solche Angriffe in einem Augenblick auf den Westen haben müssten, wo es gelte, das Wollen des gesamten deutschen Bolkes aus eine durchgreifende Osthilie einzustellen. Die „Deutsche Lages zeitung" meint, die Rettung des Ostens dürfe nach keiner Seite hin parteipolitisch behandelt werden. Das ist auch unsere Meinung, die der Kanzler seit Monaten in die Tat umsetst. Aber warum ist die „Deutiche Tageszeitung" so empfindlich, wenn der Kanzler, der in Fragen der Objek tivität wahrhaftig wohlmeinende Ratschläge entbehren kann, die psychologische Seite einer Frage andeutet, gegen die sich eine rücksichtslose Oppositions-Politik säst Tag sur Tag versündigt? Wenn die „Deutsche Tageszeitung" und die ihr nahestehenden Blätter auch nur ein Zehntel des Scharfsinnes, mit dem sie diese Kanzlerrede ausgenommen haben, aus die Reden und Hetzartikel der Nationalsozialisten anwenden wollten, dann mutzte die inneipolitijche Lage Deutschlands schon längst ideal jein! Der redefreudige Landkag Oie Beratung des Etats noch nicht abgeschloffen — Krawalle zwischen links und rechts Worle. nichls als Worle.. Dresden, 28. Januar. In Ser gestrigen Sitzung Ses Landtages, über Seren 'Be- ginn wir schon berichteten, sollte Sie Schluszberatuug des Haus hallplanes für 1!RV erfolgen. Den Neigen der Reden eröffnete der Abg. Liebmann (Soz.s. der sich zunächst gegen die national sozialistischen Abändcrungsantläge wandte. Als er schwere Angriffe gegen nationalsozialistische Führer vorinmchte, erhob sich aus der äutzersten Rechten ein Sturm derEnIr ü st u u g. Der Präsident drohte, Störungen des Redners mit Ausschluß von der Sitzung zu bestrafen. Der Redner erlilärte, seine Partei werde der von den 'Nationalsozialisten beantragten Auf lösung der Sächsischen Gesandtschaft in Berlin nicht zustimmen, sie behaltc sich aber für den nächsten Etat vor, die Vertretung bei der Gesandtschaft zu verringern. Mit den hohen Zuwen dungen an die Landwirtschaft sei er nicht einverstanden. Im übrigen vertrat der Redner die sozialdemokratischen Anträge zum Etat. Als Abg. Liebmann u. a. behauptete, Abg. Slu den t stow ski <Ratsoz.s habe in öffentlicher Versammlung zum Mord ausgeruscn, rief Abg. Doenicke lNatsoz.s wieder holt: „Lüget", „Lügner!" Abg. Doenicke erhielt drei Ordnungs rufe und wurde ausdem Saale verwiesen. Da er den Saal nicht sofort verliest und die Nationalsozialisten und So zialdemokraten weiter aufeinander ciuschrien, unterbrach der Präsident die Sitzung. Nach Wiedereröffnung verkündete der Präsident, das; Abg. Doenicke aus Grund seines Verhaltens laut Geschäfts ordnung aus fünf Sitzungen, höchstens aber aus 21 Tage von den Sitzungen ausgeschlossen bleibe. Die Verstand lungen gingen zunächst obne die Nationalsozialisten, die zu der Angelegenheit eine Fraktionssitzuug abhielten, «veiler. ?lbg. Liebmann wandte sich in seinen weiteren Ausfüh rungen scharf gegen die angebliche nationalsozialistische Zer setzungsarbeil in der Polizei und forderte die Regierung auf. hieraus ihr Augenmerk zu richten. Wen» die Reoierung hier nicht Wandel schasse, i. erde sich die Arbeiterschaft selbst zu Helsen wissen. Iustizminister Dr Mansfeld wies die Angrisse aus die Regierung entschieden zurück!. Innenminister Richter betonte, dast er auf die Vorwürfe des Al>g. Liebmann gegen einzelne Polizeibeamte und die Regie rung in der nächsten Sitzung zurückkommen werde. Er stehe auf dem Standpunkt, dast die Polizei zum Schutze der Aerfas jung da sei und dauernd gerüstet sein müsse, diese hohe Aus gabe zu erfüllen. Nur unter diesem Gesichtspunkte Iresfe er seine Mastnahmcn. die sich allerdings wieder in den Grenzen der Verfassung hallen müssten. Abg Claus sStp.s bemängelte es, dast mau, stall den Etat en bloc anzunehmen, eine Menge Anträge eingcbracht stabe, die den Staatskredit gefährden würden. Die Sozia listen wüssten wohl selbst nicht, woher sie das Geld nehmen sollten, das die Annahme ihrer Anträge ersordcie. Der Redner zeigte dann an verschiedenen 'Beispielen die Unmöglichkeiten auf, die tu der Besoldung der Minister und höheren Beanstcn eintreten müssten, wenn die geforderten Vesoldungskürzungen Gesetz würden. Abg. Studentkowski sNatsoz.s wandte sich gegen den Abg. Liebmann und erklärte, ec lehne es ab. auf die Liebmanusche Polemik einzugehen. Die Sozialdemolnaten hallen inzwischen den Saal verlassen. Als Alm. Studentkowski ausries, dast der marrustische Terror gegen die Nationalsozialisten in den letzten Wockien beweise, auf welcher Seile das Unrecht sei. entstand wieder «in u n g e h e u r e r L ä r ni. Der Redner erklärte zmr Schlüsse, dast seine Partei nicht in der Lage sei, an de» wei teren Etatberalungen teilzunehmen (Ernenter Lärm. Dic Nationalsozialisten verlicszeu geschlossen den Saal.) Abg. Dr. Eckardt sDn.) ging nochmals aus die Forderung seines Parteigenossen Siegerl in der Sitzung vom -'N. Januar ein, nach der unter Ablehnung aller NIinderheilsanlrägc und Annahme der dentschnalionalen Anträge der Etat en bloe ver abschiedet werden soll. Der Redner warf u. a. der Regierung vor dast seinerzeit für die Hochwassergeschädigten nichls Hin reichendes geschehen sei. — Finaiizmlnister Dr. Hedrich wie«» diesen Porwurs zurück! und erklärte, dast im Gegenteil siir dio Hochwassergeschädigte,, alles im Bereich der 'Möglichkeit liegende! getan worden sei. Abg. Günther ,W. P.) bezeichnete cs als zwecklos, jetzt noch über Aeuderuugeu im Etat IKK) zu streilen, wo der Etat für 1921 schon im Truck sei. Abg. Dr. Bllugcr sDBP.s trat siir möglichst schnelle Ver abschiedung des Etats in der vorliegenden Form ein. Das Am sehen des Landes und des Landtags Kobe im letzten Jahre schor genug gelitten. Wenn jetzt nach fast einem Jahre der Etat nicht zustande käme, würde der Prekligeverlust nicht mehr trag, bar sein. Alle Anträge auf HSsterziehuug der Ausgaben und die meisten Eutschliestungsanträge miistten jetzt im Interesse schleu nigster Etolverobfchiednnq abgelehnt oder zurückgestellt werden Die Vefoidnugskiil gingen im Zinne der gestellten Anträg« feien gar nicht durchführbar, da sie zunächst eine neue Besolc dnngsordnung zur Voraussetzung haben miistten. Abg Wehner lKom.) polemisierte gegen die RegieriMsl Schiech — Abg. Dr. Dankmcyer sLandu.) stimmte dem Etat mit einigen Voibehalten zu. - Abg Dr. Walluec sVolksr.) trat kür Senkung der M-.nisler- und Beamleugehältcr ein und rlckz- lele im übrigen verschiedene Wunsche an den Fiuaii zminifler. Das Hans brach sodann mit Rücksicht aus die vorgerückt« Stunde die Elatberatuug ab uud erklärte sich damit einver standen diese am nächsten Donnerstag, den 2!). Januar, nach mittags 1 Uhr, fortzusetzen. Verufnng ans Obcrvcrwaltungsgericht. Oberregiernng-- rat Dr. Georg Schmidt, der bisher im Ministerium des In nern tätig war. ist zum Oberverwaftungsgerichtsrat im Säch sischen Oberverwaliungsgericht ernannt worden Er tritt sein neues Amt, In das er a's Nachfolger des nach Chemnitz berufe nen Kreishauplmanns Dr. Grille einruckt, am I Februar an. Dr. Schmidt ist der Schwiegersohn Blnhers. Die Mutter Don rkikolaus Schwarzkopf Wie ein Kind lag meine Mutter auf dem Totenbett, lüst verklärt, das Antlitz über die Masten beruhigt und heiter, sechs zehnjährig schier, die Unterlippe ein klein wenig nach links ver zerrt. Wie oft habe ich diese Unterlippe zittern, beben und verhalten schwingen sehen, wenn die zarte Seele erregt war! Wie haben diese Lippen Küsse verschleudert an dic fünf KinderI Wie haben diese Lippen Lust und Freude ausgcströint in tau send Liedern: der Vater stak voller Lieder, die Mutter stak voller Lieder, und wir Kinder hüpften mit der Mutter aus dem dunklen, breiten Bast des Vaters umher und waren lauter Lust und Fröhlichkeit! Wir standen bei kaltem Regcnwetter auf dem Acker und sangen: wir sprangen mit den Geisten aus den Miesen umher und sangen. Wir jasten am Sonntagmorgen im Veit und sangen, und drausten In der Küche saug die Mutter mit. Die Mutter fast den ganzen Tag über die Nähmaschine ge beugt, aber wenn ihre Kinder bei ihr waren, so wurde sie nicht müde. Oft war das Gestampf dieser alten Maschine der Takt zu unserem Wiegenlied, und heute, wenn aus dem Gestampf meiner Schreibmaschine einmal ein Singen anhebt, so weist ich, wer da insgeheim mitsingt. Wie konnten diese Lippen beten! Diese Lippen ehrten den lieben Gott nicht, ohne dast sie vom Herzen wären beauftragt gewesen, nicht ohne dast das Herz mitgebetet hätte. Diese nunmehr geschlossenen Augen waren während der letz ten Jahre hinter der blauen Schutzbrille verborgen! Und wie fröhlich sahen sic ehedem in die Welt! Im Licht dieser Augen hab ich mein Leben begonnen, und sie waren das erste Licht, das ich mit Bewusstsein sah. In diesem Licht hab ich mein An gesicht gebadet, hab ich den ersten Schritt getan, das erste Mäd chen geküsst, den ersten Vers gedichtet. Dieses Lichtes wegen bin ich von weit her aus der Fremde gekommen, als mein erstes Buch erschienen war, als ich mir ein Weib genommen, und heute, da mein Söhnchen kaum aeboren. Aus Liebe zu diesem blauen Licht habe ich nach Jahren wieder die Hände gefallet, und oft, wenn ich bereit war. Schlimmes zu tun, ist dieses Licht über meinen Blicken aufgegangen und Hot mich zurückgchalten. Dieses Licht hat mir in allen Fährnissen des Lebens geleuchtet. Diese welken Hände, die da vom letzten Gebet wie erquickt noch gefaltet sind, mühselig und beladen den Tag und dic SinnSe erfasst, den nötigen Unterhalt schossen zu Helsen Son derlich, wenn die Menschen ein Fest seiern wollten, mussten sie wochenlang vorher für den Putz der Weiber sorgen, und wenn dann gefeiert werden sollte, waren sic müde und konnten nicht mitseiern. Diese Hände hoben mit der Sichel geschnitten, haben gedroschen, gemahlen, gebacken, haben gewaschen, nnd haben einen kranken Mann gepflegt durch vier Jahre. Diese Hände haben in alle Teile der Erde Briese geschrieben und haben mit kleinen und grosten Leidenschaften und Freudeuschaf- teu der Menschen sich herumqeschiaaeu. Der Schimmer aber, der über diesen Schriftzügen liegt, ist mir heilig. Ich tonnte nicht weinen in dem Totenhaus. Wenn mir die Tränen kamen, deckte ich mir das tote Antlitz ans und ward fröhlich. Ich zeigte voller Stolz allen, die da kamen, das himm lische Angesicht, und ich hätte schier lachen mögen vor Freude. Das Lichtlein war abgebrannt, der Altar aber strahlte «veiler. Das Irdische dieses Angesichts glich dem Bildnis, das Dürer von seiner Mutter hinterlasse», die siebenmal vom Aussatz be fallen «vor, das Himmlische dem einer Bleistiftskizze meines Laiidsiuauns Memling, das den heiligen Benedikt darjtcllei« soll. Ich weist, in welcher Zucht dieser Erdenstaub seine eigene Form sich schuf, seine irdische und seine himmlische, und jetzt, da er, von der Seele verlassen, so entirdischt, so verhimmlischt vor mir lag, «vor es mir, meine Mutter habe etwas heiligmästiges an sich gehabt. Wohl weist ich, dast viele Kinder so von ihrer Mutter denken, wohl weist ich, dast meine Mutter ihre Kreise getreulich erfüllt hat und als reise Frucht zur Erde zurücksiel, von der sie genommen ward. Aber cs scheint mir, dast sie mit ihrem jchwachen Körper, denen linke schieigeschassle Hüfte weit herausständ und von keiner Schneiderinne,«knn,t zu vertwuen war, die auch das Totenhemd nickst verhüllen kann, Lcislungen vollbracht hat, die über das Nias; ihrer Kraft gegangen sind Wahrlich, ich suhle vor diesem ausgemergelien Leib, der mich geboren, etwas in mir schwingen, was ich heute noch nicht in Worte fassen kann. . . Du hast, liebe Mutter, gleich meinem Vater, den« Plaslerer, nicht an meine Künstlerschasl glauben können, denn ihr beide wustlet nicht, was das ist und wozu das ist! Ihr wäret nicht schuld, dast ihr das nicht wusstet! Als ich aus euren mühe vollen Ersparnissen Lehrer geworden war, da glaubtet ihr schon: nun sei ich aus einer Höhe angelangt, von der ans ich den gut gereisten Samen eurer Herzen hinausstreuen könne in tausend und aber tausend junge Menschenherzen. Lang verbarg ub euch, dast ich zwar nicht unzufrieden war in meinem seierlicken Be rn«, dap aber ainchernend Kräfte in mir schluniinerien, die üdec die Kleinkinderseelen und Uber dörfliche Begrenztheit hinaus stredlen. Ich darf es euch ins Grab nochrufen, liebe Ellern, «nein Wnrs wächst, eure vereinten Kräfte bcaekren ans in mir, greisen nach grosten Dingen, die euch zeitlebcns fremd blieben, und wollen sich nicht zuructlialien lassen. Auch in mir, Vater, tobt und betet ein Wille, der alles ringsum besser machen möchte, der sonderlich religiös gestimmten Menschen etwas sogen möchte, was vielleicht noch nicht so deutlich und so zeitgemäst gesagt worden ist! Auch in mir, liebe Mutter, tobt und betet diesseitige und senseitige Lust, und beides: religiöse tiefe Per sunkenheit und diesseits linderfröhliches Berauschtsein, glaub ich iu geläuterten« Ansmast von euch empsangen zu haben als meine Beschwerdheit nnd mein Glück immerdar, meine Hem mung und meine Fordernis, als die geheime Krajt meiner Künstlcrschost. 'Aber, liebe Mutter, so In dock« noch einmal rasch dein Ange aus! Ich bin wieder von weit her gekommen und hab dir dein Enkelkind mitgebrocht, sechs Tage alt. Es ist ein Knabe, ganz seinem Grostvater aus dem Gesicht geschnitten, aber wenn er schläft wie eben, so ist seine rosige Unterlippe ein klein wenig nach links gezogen. Ade. Mntkcr. ade Gronmuster!
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