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Feierabend : 25.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id497197782-190409256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id497197782-19040925
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-497197782-19040925
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFeierabend
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-25
- Monat1904-09
- Jahr1904
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- Feierabend : 25.09.1904
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206 — ganz andere Dinge als an die Operationen des Soll und Haben. Tr kam soeben auS der Bank von Frankreich, wo man ihm die Mitteilung gemacht hatte, daß Herr Lacedet vor acht Tagen eine Einzahlung von 1 200 000 Frank auf laufende Rechnung gemacht habe. Schon früher gemachte Einzahlungen hinzugerechnet, betrug in diesem Augenblicke sein Guthaben bei der Bank ungefähr 2 500 00V Frank. Nun aber hatte sich einige Tage später jemand mit zwei von Herrn Lacedet unterschriebenen Checks eingefunden. deren einer auf 500. während der andere auf 2 500 000 Frank lautete. Die beiden Checks wurden ordnungsgemäß dem Kassierer vorgelegt, der die Unterschrift des Ausstellers als unzweifelhaft echt bezeichnet«;. Diese höchst absonderliche Operation bereitete dem ar men Raveneau wahre Höllenqualen. Wie sollte man sich diesen Vorgang erklären? Wie kam es. daß Lacedet so be deutende Beträge durch einen Angestellten und obendrein auf grund von einfachen Checks heben ließ? Hatte er vor seinem Tode über sein Vermögen zu Gunsten fremder Per- sonen verfügen wollen? — Wie war ein solches Vorgehen mit der Zärtlichkeit in Einklang zu bringen, die er seinen Kindern entgegenbrachte? Raveneau wußte sehr gut. daß keiner der Angestellten seiner Bank zu diesem Dienste ver wendet worden rvar. Wer war also der Mann, der sich an geblich im Aufträge Lacedets bei der Bank von Frankreich eingefunden hatte? In diesem Gedanken wurde der alte Kassierer durch ein leises Pochen an das Schalterfenster gestört, 'hinter dem er saß. Er zuckte zusammen und murmelte: „Sollte er es schon sein?" Und damit schob er mit zitternder Hand das Fenster zurück. Vor ihm stand in einer sehr bescheidenen, demütigen Haltung ein kleiner alter Mann mit einer blauen Brille und zerzaustem grauen Haar, den Raveneau an demselben Morgen bereits in der Bank von Frankreich gesehen zu haben meinte. Er hatte neben ihm gestanden und gewartet, bis die Reihe an ihn kam, während der Kassierer sich über die Einzahlungen informierte, die sein Chef gemacht hatte. „Entschuldigen Sie. mein Herr", sagte der alte Mann, „wenn ich Sie störe. Ich gehöre der Geheimpolizei an und bin beauftragt. Erkundigungen einzuziehen. Ich möchte die Namen und Adressen sämtlicher Angestellten Ihres Hau ses erbitten." Gleichzeitig zog er ein in blaues Papier eingeschlagenes langes Heft aus der Tasche. Da es außerhalb des Schalters ziemlich dunkel war, so forderte Raveneau den alten Mann auf. in das Zimmer zu kommen. Hier ließ er ihn an einen Tisch setzen und er teilte ihm die gewünschten Aufschlüsse. „Die hier benannten Herren sind doch alle hier an wesend?" fragte er. nachdem er zu schreiben aufgehört. „Ja. es fehlt keiner derselben." „Ich danke Ihnen, mein Herr." Damit entfernte sich der kleine alte Mann, nachdem er eine tiefe Verbeugung gemacht. Bevor er jedoch die Tür hinter sich schloß, ließ er sein scharfes Auge noch einmal for schend über die im Zimmer versammelten Angestellten gleiten. Auf dem Treppenabsatz angelangt, nahm sich Bidache — denn daß er es war. hat der freundliche Leser gewiß schon erraten — seine Perücke ab. faltete sie sorgsam zusammen und steckte sie nebst der Brille in die Tasche, wobei er halb laut vor sich hinmurmelte: „Nach dieser Richtung hin haben wir nichts zu suchen, ich dachte es mir ja gleich. Wir scheinen es da mit einem sehr verwegenen Gesellen zu tun zu haben, der mit allen Hunden gehetzt ist." Er stieß auf der ziemlich dunklen Treppe mit einem hohen, starken Manne zusammen, der die Stufen herauf gestiegen kam. und nachdem er sich mit einigen Worten ent schuldigt hatte, drückte er sich an die Wand, um den Frem den passieren zu lassen. Der Mann trat mit großen Schritten in das Vorzim- mer, das sich vor der Kanzlei befand, und pochte mit seinem Stock gegen das Schalter des Kassierers. Es war eine stattliche Erscheinung von etwa dreißig Jahren mit breiten Schultern und lebhafter Gesichtsfarbe, seine Miene atmete Rechtschaffenheit und Energie zugleich. Raveneau schob das Fenster zurück. Als er den großen jungen Mann vor sich erblickte, erbleichte er und seine Hände, mit denen er sich auf seinen Zahltisch stützte, be gannen zu zittern. 12. „Herr Kassierer", Hub der junge Mann mit wohlklin- gcnder Stimme und leicht gefärbter fremdartiger Aus sprache an, „mein Name ist Patrick O'Keddy. Ich habe bei Ihrem Hause vor etwa vierzehn Tagen einen Betrag von 500 000 Frank hinterlegt, den ich heute zurückzuziehen wünsche. Da ich Sie bereits brieflich informierte, so muß die Summe bereit liegen." „Ganz gewiß, mein Herr", stammelte der arme Kassie rer, mit dem sich die Welt im Kreise zu drehen begann. Damit schritt er zu seiner Kasse und öffnete sie sehr umständlich, um sich einigermaßen zu fassen, da er aber er kannte. daß es keine Möglichkeit mehr gebe, dem furchtbaren Geständnis länger auszuweichen, kehrte er zu seinem Schal- ter zurück und bat den Fremden, sich mit ihm in ein an- stoßendes Gemach zu begeben, das Lacedet als Privat- zimmer benutzte, wenn er im Bureau anwesend war. „Herr O'Keddy", Hub er an. nachdem er dem jungen Manne einen Platz angewiesen, „ich muß Ihnen vor allem eine traurige Mitteilung machen: mein geliebter und ver ehrter Prinzipal. Herr Lacedet, ist gestorben." „Gestorben? Der Mann, den ich noch vor zwei Wochen so heiter und gesund gesehen?" rief Patrick O'Keddy er- staunt aus. „Wie kam denn dieses Unglück so schnell?" „Mein Prinzipal ist — ermordet worden", sagte der Kassierer, die Stimme dämpfend. „Ermordet. — Tu lieber Gott, das ist ja schrecklich." Und nach einer kurzen Pause fügte der junge Irländer, der aller Sentimentalität abhold zu sein schien, hinzu: „Dies ist ein sehr beklagenswertes Ereignis, doch denke ich. daß es die Geschäfte in keiner Weise zu beeinflussen vermag und darum bitte ich Sie. mir mein Geld . . ." „Gewiß, gewiß. Sie haben recht", sprach der unglück liche Raveneau, der wahre Höllenqualen litt und den Augen blick. da er die Wahrheit gestehen mußte, immer weiter hin auszuschieben suchte. „Ich lernte Herrn Lacedet schon vor langer Zeit ken- ncn und vor drei Wochen etwa kamen wir zufällig in Mai- son-d'Or zusammen", berichtete Patrick O'Keddy ganz ge mütlichen Tones. „Ich sagte ihm, daß ich mich auf der Durchreise in Paris aufhalte. Ich sollte mich ungefähr einen Monat hier aufhalten, um die erforderlichen Vorbereitungen für eine Reise nach dem Senegal zu treffen, wo man mich bereits erwartet. Ta ich eine reckt bedeutende Summe, das Ergebnis einer an demselben Morgen abgeschlossenen Ge- schäftsangelegenheit, bei mir batte, machte er mir den Vor schlag. diese Summe bei ibm zu binterlcgen. Ta ich wußte, welch ausgezeichneten Rufes sich Ihr Prinzipal erfreue, so zögerte ich keinen Augenblick, ibm das Geld zu übergeben. ! Heute aber, da ich im Begriffe bin. eine weite und vielleicht ! auch gefährliche Reise zu unternehmen, will ich meine Kapi- ! talien zurückziehen und zum größten Teil meinen: Sach- j Walter in London übersenden. Aus diesem Grunde habe ich I gestern morgen an Sie geschrieben." „Es wird Ihnen begreiflich erscheinen", sagte Rave- ^ neau. „daß nach einem solchen Ereignis eine gewisse Un- ' ordnung, eine kleine Verwirrung . . ." „Soll ich morgen wiederkommen?" fragte der junge Mann arglos. „Einen längeren Aufschub könnte ich Ihnen > allerdings nicht gewähren, da ich das Geld unbedingt ab-
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