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Feierabend : 05.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id497197782-190909057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id497197782-19090905
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-497197782-19090905
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFeierabend
- Jahr1909
- Monat1909-09
- Tag1909-09-05
- Monat1909-09
- Jahr1909
- Titel
- Feierabend : 05.09.1909
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<5 eierabei Nntcrhaltnngs - Kkila-r Sachs. Volkszeitung 3V Sonntag den 5. September 1VOV 2 — - - — . - —^ Fortsetzung Kinder der Kerge. Roman von L. Kling er. 10 Nachdruck verboten. Nahe der Wohnung von Rudis Großmutter stand ein kleines, ärmliches Bauernhaus, in dessen,oberem Stockwerk schon seit vielen Jahren eine Witwe mit ihrer Tochter wohnte. Ihr Mann war Torfschullehrcr gewesen und hatte bei seinem frühen Tode Frau und Kind in völliger Armut zurückgelassen. Die kärgliche Pension langte kaum dazu hin, den Mietpreis zu zahlen, und so war der Witwe nichts anderes übrig geblieben, als für sich und ihr Töchtcrchcn das tägliche Brot zu verdienen. Zum Glück verstand sie es, feine Wäsche anzufertigen, und da man die stille, bescheidene Frau überall gern sah, so hatte sie sich schnell einen Kunden kreis verschafft, der für ihre einfachen Bedürfnisse ihr ein reichliches Auskommen lieferte. So waren drei Jahre dahingegangen und aus der klei nen Marianne war ein hübsches, erwachsenes Mädchen ge worden, das der Mutte - wacker an die Hand ging. Sie hatte das Kleidermachen erlernt und verdiente damit ein so hüb sches Stück Geld, daß die Mutter es nicht mehr nötig hatte, sich mit Maschinennöhen allzu sehr anzustrengen. In dem sauberen, netten Stübchen, das auf die mit Lindenbäumen bepflanzte Straße ging, saß Marianne am Fenster, die Näh maschine tretendsie hielt das blasse, blonde Köpfchen tief über die Arbeit gebeugt, während die Hände emsig flogen, und gestattete sich nur selten einen raschen, kurzen Blick auf die blühenden Bäume draußen, die sie so sehr liebte und deren berauschender Duft ihr von Lenz und Liebe erzählte. „Lege deine Arbeit weg, mein Kind, und laß uns beim Kaffee ein Plauderstündchen halten," rief jetzt die Stimme der Mutter, die soeben mit d«cm dampfenden, duftenden Ge tränk zur Tür hereingekommcn war. Ta tönte in das stille Gemach die schwermütige Melodie eines Liedes, mit kunstgcübter Hand auf einer Zigeuner- geige gespielt, bei deren ersten Tönen Marianne sich noch tiefer über ihre Arbeit beugte, während ein heißes Rot in ihre zarten Wangen stieg. Tie Mutter, deren scharfem Blick dies nicht entging, blickte liebevoll auf das junge Mädchen. Als das Lied verklungen war, begann sie: „Komm, Kind, ruh dich aus; der Joseph spielt gewiß noch weiter, wenn er erst die Geige in die Hand genommen hat, legt er sie sobald nicht weg." Und wirklich erklangen jetzt wieder, wie die Mutter vorausgesagt, die weichen, sehnsüchtigen Melodien in jenem gedämpften Ton, wie die Zigeuner ihn lieben, und in der diesem musikalischen Volke eigentümlichen Spielweise vor getragen, bei der die vier Seiten der Geige zugleich ertönen, und die tieferen die Begleitung zu der oberen Stimme geben. Es lag eine solche Fülle von Liebessehnsucht und Ent sagung, von höchster jubelnder Freude und tiefster, schmerz lichster Trauer in den Tönen, daß die beiden Frauen tief er griffen lauschten und die Mutter endlich sagte: „Der arme Joseph! Ist es doch, als ob er in dieser Musik alle Gefühle seines vereinsamten Herzens kundgäbe." „Hat man denn nie erfahren, wer seine Eltern waren Und woher er stammt?" „Erinnerst du dich noch der freundlichen fremden Dame — du warst damals noch ein Kind —, die öfters hierher kam, den armen Joseph zu besuchen? Die war es, die dem Verwaisten die erste Kunde von seinen Angehörigen brachte und ihm Aufschluß gab über seine dunkle Herkunft." "Erzähle mir, liebe Mutter, ach, erzähle mir doch! Du weißt, wie innigen Anteil ich an unserem Hausbewohner nehme, und daß ich ihn seit meiner Kindheit lieb habe wie — wie meinen Bruder!" Die Mutter nickte. „Ja, du sollst alles hören, Marianne, was außer mir nur noch wenige im Torfe wissen." Sre ging an eine allmodische Kommode, kramte eine Zeitlang darin und brachte endlich ein Heft zum Vorschein, das sie ihrer Tochter mit den Worten zeigte: „Hierin steht alles ausgezeichnet, was man von der traurigen Geschichte erfahren hat. Der Pfarrer hat's aus geschrieben und deni Joseph gegeben. Dieser hat eine Ab schrift gemacht und sie mir geschenkt und mir erlaubt, dir! alles zu erzählen, wenn du erwachsen wärest. Ich habe es all die Jahre hier sorgfältig verwahrt; jetzt aber sollst du es hören." Und sie setzte sich zurecht und las: „Josephs Mutter stammt aus einer kleinen, thüringi- schen Stadt und war die Tochter angesehener, wohlhabender Bürgersleute. Sie soll sehr schön gewesen sein und hoch begabt für Musik, die sie mit solcher Leidenschaft liebte, daß sie darüber alles andere vergaß, was sonst junge Mäd- chenherzcn ersehnen und begehren. Da ereignete sich einst, daß während der Sommermonate in den benachbarten Wäldern eine Zigeunerbande hauste, die öfters musikalische Aufführungen und phantastische Tänze in dem Landstädt- chen zum Besten gab. Einer darunter, ein Virtuos auf der Geige, machte viel von sich reden, und da er außerdem ein ungewöhnlich schöner Mann war, drehte sich um seine Person bald das Interesse der ganzen weiblichen Be völkerung. Eine seiner eifrigsten Bewundermnen war Josephs Mutter, die schöne Adele. Sie versäumte keine seiner Vor stellungen und hatte für nichts mehr Auge und Ohr. als für den schönen „Geigerkönig", wie er genannt wurdc. Nach einigen Wochen war eine se'tsame Veränderung an ihr bemerkbar: sie war aufgeregt, zerstreut, oft von einer beinahe tollen Lustigkeit, dann wieder krankhaft verstimmt lis zum Trübsinn. Kopfschüttelnd bemerkten dies Eltern und Freunde, und der zu Rate gezogene Arzt empfahl drin- gend Luftveränderung, Abwechslung durch neue Umgebung usw., wie dies in solchen Fällen gewöhnlich ist. Adele sollte sofort eine Reise zu Verwandten antreten, aber das junge Mädchen wehrte sich mit einer Heftigkeit und bat so leiden schaftlich, ihre Abreise doch noch einige Zeit hinausschieben zu dürfen, daß man für ihre Gesundheit fürchtete im Falle der Verweigerung ihrer Bitte. Man gab also nach und ver schob die Reise für einen Monat. Da, am Tage, bevor die Frist abgelaufen, war Adele plötzlich verschwunden. Kein Mensch hatte eine Ahnung, was aus d r Unglücklichen ge worden war, und auch die von den trostlosen Eltern in Kenntnis gesetzte Polizei vermochte keine Spur von ihr zu entdecken. Endlich, am Abend kam ein kleiner, ärmlich ge kleideter Knabe ins Haus und brachte der weinenden Mut-
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