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Die EilpostOersche^t regelmäßig jede Woche, und wird der Jahrgang 75 — 60 Bogen Text mit 52 äußerst fein ge stochenen u. sauber colo- rirten Kupfertafeln, die neusten Pariser, Londo ner und Wiener Moden in etwa 200 Figuren darstellend, umfassen. Außerdem werden der selben jährlich noch 20 — 24 Portraits ausge zeichneter Männer oder Frauen, oder Abbildun- Redakteur: Ferdinand Stolle. Leipzig, den 2ll. Februar. Der Finch der A r in u t h. Von Joseph von Dirckinck. Im Jahre Id .. lebten in einer engen, wenig be suchten Straße der Stadt M— zwei arme Waisen: ein Student und seine einzige Schwester. Beide hat ten vor einigen Monaten ihre Mutter verloren, die selbst schon seit mehren Jahren als Wittwe gelebt. Nach ihrem Dahinscheiden rief der Sohn seine Schwe ster Louise, deren einziger Beschützer er nun wurde, zu sich in die Stadt, wo er noch seinen Studien ob lag. Die bezaubernde Schönheit und Anmuth Loui sens war bereits ein Gegenstand allgemeiner Bewun derung. Nachdem sie ein Jahr getrauert und das schmerzliche Andenken an den herben, schmerzlichen Ver lust nach und nach schwächer geworden, hob sich auch wieder des schönen, liebenswürdigen Mädchens lebhafte Gesichtsfarbe im Gegensätze zu dem Schwarz ihres Trauergewandes um so schöner und glühender. Da die Reizbarkeit und Wachsamkeit Karl's bekannt wa ren, so wagten leichtsinnige, frivole Jünglinge und Männer es nicht, Louisen mit ihren beleidigenden Hul- IV. Jahrgang. digungen zu verfolgen. Karl, welcher es früher als die heiligste Pflicht erkannt, seiner Mutter wie der Schwe ster zum Schutze und zur Unterstützung zu dienen, hatte mit edler, männlicher Resignation auf alle Ver gnügen und Zerstreuungen verzichtet, welche man der Jugend sonst so gern zugesteht. Sein stilles, gutes Betragen, seinen Fleiß stellten viele Väter ihren Söh nen als Muster dar. Ein junger Freund Karl's, Friedrich Reiger, der berciis in einem großen Handlungshause sehr vortheilhast angcstellt war, liebte Louisen und wünschte sich einst mit derselben zu ver mählen- Außer ihm sah man indessen öfters einen jungen, sehr schönen Mann, von hohem, schlankem Wüchse und einnehmendem Wesen zu Louisen schlei chen in Abwesenheit ihres Bruders, welchen Friedrich selbst davon in Kenntniß setzte. An einem finstern Abende schritt leisen, leichten Trittes ein junger Mann tief in einen Mantel gehüllt, durch die kleine Magdalenenstraße, in welcher er endlich durch die niedrige Thüre eines Hauses trat, die sich schnell und ohne Geräusch hinter ihm schloß. Unmit telbar folgte ihm ein schöner, großer Mann von kräfti ger, entschlossener Haltung, welcher eben so vorsichtig