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Nebft Beiblatt: Jede Wocke ersckeint 1V2 bis Bogen Tevt und 1 bis 2 fein gestö ckene und sauber colo- rirte Knpfertafcln 4 bis 8 verschiedene Ab bildungen der neuesten Pariser, Londoner und Wiener Moden enthal tend. Außerdem werden derselben jeden Monat die neuesten Schnitte Mt chM - u von Kleidern. Über röcken rc. noch gratis beigegeben. Preis des Jahrganges mit Kpfrn. 6 Thlr. ohne Kpfr. 2 ,, Kpfr.allein» „ Alle Buchhandlungen, Zeitungserpeditionen und Postämter nehmen Bestellungen an. Redacteur: Ferdinand Stolle. Verleger: Eduard Meißner in Leipzig. IN» Fünfter Jahrgang. 1841» Die Viergeotte von Joinville. (Frei nach dem Französischen.) Unter der Regierung von König Franz I. in Frankreich wurde zu Joinville in der Champagne viel Rühmens von einem Mädchen gemacht, das von niederer Herkunft, aber von ausbündiger Schönheit war. Auch ihr sittsames, verständiges Betragen war zu loben, um so mehr, als sie keine Eltern hatte, und sich kümmerlich behelfen mußte. Der Vetter, der ein Weltgeistlicher war, hatte sich des kleinen Mädchens, die einen aufgeweckten Geist und viel Lernbegierde hatte, angenommen, und sie besser un terrichtet, als es damals bei Töchtern selbst von höherm Stande, als dem ihrigen, gebräuchlich war, aber der gute Mann lebte nicht mehr, als sie das jungfräuliche Alter erreicht hatte. So wohnte sie denn einsam in einer Vorstadt, in einem verfallenen, kaum mit den nothdürftigsten, geringen Geräth ver sehenen Häuschen, spärlich vom Ertrag ihrer Spin del und ihres Webstuhls. So ärmlich sie auch ge kleidet ging, war doch Alles sauber und nett, das Wämmschen von Wollzeug schmiegte sich dem schlan- V. Jahrgang. ken Wuchs an, ihr Koller und ihr Häubchen von Leinewand standen ihr gut, die schwarzen, sanften Augen waren mit den lieblichen Zügen in so schönem Einverständnis, daß es Schade gewesen wäre, wenn sie, gleich den vornehmen Damen, mit einer Maske das Alles verhüllt hätte. Es war eine Freude, sie des Sonntags mit ihrem frommen, andächtigen Ge- sichtchen knieen zu sehen. In dieser demüthigen ge beugten Stellung, mit der reinen Unschuldsmiene, glich sie der heiligen Jungfrau am Hochaltar, das Werk eines italienischen Meisters. Die Leute aus Joinville nannten das Mädchen deshalb, das Jung fräulein (Viergeotte), welcher Name so allgemein wurde, daß der wirkliche darüber verloren ging. In aller Ehrbarkeit vor sich hin lebend, hatte die Viergeotte doch nichts Abstoßendes an sich, sie brüstete sich nicht mit ihrer Tugend, ihrem bessern Wissen, sie sprach von Niemand Uebels. Wohlhabende junge Bursche, Männer von reifen Jahren bewarben sich um sie vergebens; die Körbchen, welche sie austheilte, waren jedoch so niedlich geflochten, daß die Empfänger ihr nicht darum grollten. „Ich verachte die Liebe nicht, und will ihr nicht