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Beiblatt zuv Gilpost für Moden. 35. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 12. August IS4I. Man hat sehr Recht, wenn man es seit einem halben Jahr hunderte immer wiederholt, daß der Cachemireshawl das bedeutendste und unentbehrlichste Erforderniß einer eleganten Toilette ist. Sonst hieß es auch, daß er zugleich der gefähr lichste Feind des häuslichen Friedens sei, und der „Eremit von der Chaufföe d'Antin" hat darüber zu seiner Zeit so er schreckliche Dinge erzählt, daß alle Männer in Alarm geriethen. Gottlob, die Zeiten haben sich geändert, jetzt kann jeder Gatte ruhig sein, hätte auch seine Frau den schönsten Cachemire, den man nur in den Magazinen „der Caravane", rne liiolwlivu Nr. 82, bewundern kann. Damals waren die Preise haar sträubend und die Shawls nicht einmal so schön, wie heutzu tage. Bei Brousse kann man deren von der höchsten Ele ganz und Mannigfaltigkeit zu einem sehr civilen Preise kaufen. Neulich Hab' ich dort drei der wunderschönsten gesehen, von denen ich Ihnen Rechenschaft zu geben eile. Der eine war schwarz, so zu sagen, denn in der That war er reich mit Mustern bedeckt, daß die Grundfarbe kaum mehr zu erkennen war, doch von so großer Feinheit, daß er ungeachtet des Reich- rhums der Arbeit an seiner Weichheit nichts einbüßte. Der andere Cachemire war von so frischer und lebhafter grüner Farbe, daß die tausend Nuancen, welche durch die tausend fältigen Dessins hervorgebracht wurden, den Eindruck einer mit den schönsten Blumen übersatten Wiese machten. Was den dritten Shawl betrifft, so war er carrirt und von der Farbe, die jetzt am beliebtesten ist, nämlich saphirblau. Bei seinem Anblicke ward man an die ganze Pracht und den vollen Zauber der indischen Natur, so wie der indischen Phantasie erinnert; er war einzig in seiner Art, und da er wirklich der einzige dieses Genres in Paris war, so konnte man sich Glück wünschen, ihn gesehen zu haben. Madame Douccl, rnv <I« I» l-six Nr. 17, hak den Auf trag erhalten, eine vollständige Toilette für eine vornehme Dame herzustcllen, und ich habe nicht versäumt, mir die Sachen 'anzusehen, um Ihnen darüber mitzu'theilen. Die Künstlerin iü ganz besonders, was Spitzen und Broderien betrifft, er finderisch. So befanden sich dießmal bei dem Ganzen auch drei Dutzend Taschentücher, welche sämmtlich verschiedene Muster hatten und wahrhaft entzückend waren. Jedes Dutzend war in ein Sachet von weißem, rosenfarbencm und grünem Atlas mit der dazu gehörigen in Perle» und Gold gestickten Chiffre cingeschloffen. Auf gleiche Weise waren die Manschetten ver wahrt. Außer diesen Gegenständen erregten Bewunderung mehre Schärpen, Shawls, Fichu's von brodirtem Mouffelin oder Spitzen; dann einige Roben, von denen die eine aus Spitzen ä la lwuis XIV. bestand, mit Lila gefüttert und von einem ähnlichen Volant umgeben, das fcstonartig gebildet war und zwar so, daß jedes Feston durch eine lilafarbene Margue- rite befestigt wurde; über dem Corsage waren kleinere Mar- gueriten angebracht, die mit der Garnitur der Aermel in Ver bindung stehen. Eine andere Robe, in Form einer Tunica, war von Hellem Mousseline, mit drei Reihen Malinen um geben, welche durch eine köstliche Broderie getrennt waren. Dasselbe Genre von Garnitur wiederholte sich unten am Jupon, und die langen und halbweiten Aermel waren ganz von ge stickten Moussclinestreifen und Spitzen gebildet. Bei der dießjährigen deplorablen Witterung sieht man schon, obwohl nur noch einzeln, Herbstmäntcl aus dem Salon der Madame Polet, rno kiiolwlieu Nr. 95. Sonst bedient man sich auch, bei wärmerem Wetter, kleiner Halstücher von Seide oder brodirtem Sammet, die eben so schön zu einer Robe von Mouffcline, als von Seide stehen; ferner sind sehr beliebt die Spencer mit halbzurückgeschlagenem Kragen, geziert mit einer Art von Brandenbourgs, die sie so hübsch und an- muthig machen in einer Zeit, wo wir vor Kälte sterben und vergebens auf den Sommer warten. Eine Meisterin im Schnitte der Capots ist Madame Lejay, i-ue Iiiclwli«-u Nr. 77. Diese umgeben auf so gra- ciöse Weise das Gesicht, daß es noch einmal so hübsch wird, und die Schleifen und Blumen, welche das Innere zieren, tragen viel dazu bei. Die Capots von Stroh zeichnen sich eben so sehr durch ihre Eleganz, wie durch ihre Einfachheit aus; sie sind in der Regel mit Sammetband in Rosa ge schmückt, so wie mit einer Spitzenvoilette, deren zwei Enden in Form von Fichu auf jeder Seite herabfallcn und unter dem Kinn zusammcngeknüpft sind. Im Innern befanden sich kleine Sammctrosen. Nicht minderen Aufsehns erfreuen sich die italienischen Strohhüte. Bezaubernd sind die kleinen Morgcn- und Abendhäubchen, welche ich bei Madame«Lejan gesehen, von denen unsere Kupfertafeln ihnen einen Begriff geben wer den ; vor Allem aber verdienen die kleinen Spitzcnfichus Lob, welche jede Dame so schön wie einen Engel machen, sobald sic dieselben aufsctzt. Die Pompadour - Mützchen, mit rosen- sarbcnem Band und einer halben Hoacinthenguiclandc ge schmückt, trägt man noch sehr häufig.