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89 9» kann, und der moralische Lebenswandel dieser Geschöpfe meist in der hartherzigen Gewinnsucht ihrer Arbeit geber untergeht "). Wenden wir uns von dieser traurigen Schatten seite hinweg, so treten uns als Folge der Gewerbfrei heit noch andere und zwar directe Ilebelstände entge gen. Jeder, der nur Geld oder Credit hat, sucht sich der besten Nahrungszweige zu bemächtigen und sie dem Aermeren nöthigenfalls durch jedes Mittel, welches die Concurrenz und Habsucht darbietct, zu entreißen. Wir haben in preußischen Städten Beispiele genug, daß ein einziger Speculant sechs bis zehn verschiedene Geschäfte betreibt, oder durch Werkführer betreiben läßt, wovon eben so viele Familien anständig leben könnten. So mit begünstigt die Gewerbfreiheit fast einzig und allein den Wohlhabenden, re«p. den Wucherer und Speeu- lanten, der von dem Schweiße seiner Mitmenschen Schätze aufhäuft. — Wir wollen jedoch hiermit kei neswegs verkennen, daß es rühmliche Ausnahmen giebt, und daß mancher menschenfreundliche Capitalist sein eignes Vermögen für das Wohl seiner Arbeiter auf's Spiel setzt; selbst die Bekenner mosaischen Glaubens nicht ausgenommen. Doch mit diesen rühmlichen Aus nahmen wird jener Krebsschaden der menschlichen Ge-' sellschaft nicht geheilt, und während einzelne Arbeiter völlig Ursache haben, mit ihrer Lage zufrieden zu sein,' schmachten Hunderte in den elendesten Umständen als Sclaven ihrer Brodherren, die unbarmherzig genug sind, alles menschliche Gefühl von sich zu stoßen und unter den verschiedenartigsten Vorwänden, Klagen über schlechten Absatz der Waaren w. die Arbeitslöhne nach Willkühr Herabdrücken, jemehr sie überhaupt wissen, daß ihre Untergebenen an sie gebunden sind, wenn diese nicht ganz und gar brodlos werden wollen. Hier kön nen wir aber keinen andern Vorschlag zur Abhülfe thun, als daß jeder Menschenfreund, dessen Stimme einiges Gewicht hat, dahin arbeiten helfe, daß nnr zünftig gelernten Handwerkern der Betrieb einer Profession gestattet werde, nicht aber Leuten, die oft, in ihrem Leben nicht gearbeitet, also selbst nicht wis sen, wie es dem gedrückten Arbeiter zu Muthe ist und sein kann. Haben wir bereits oben den Beweis geliefert, daß die Gewerbfreiheit zur Demoralisation der weib lichen Arbeiter beiträgt, so wollen wir jetzt diese Be hauptung auch auf die inän nliche Jugend, d. h. auf *) Leider haben wir wohl gerade in Berlin hiervon die be dauerlichsten B-ispiele, und ebensowenig dürfte es abzuleugnen sein, daß viele öffcnttiche Dirnen ihr abscheuliches Gewerbe unter dem Schutze gewisser Individuen betreiben, bei denen sie sich als Arbciterennen einschreiben lassen, wofür sie dem Arbeitzeit ge wöhnlich einen bestimmten Lheil Arbeit ohne Bezahlung liefern müssen. Hieraus konnte man sich nun allerdings die Spott preise mancher Berliner Kleiderhändler, Schuhmacher rc. erklären ; doch beruben dergleichen Angaben auch sevr ofl auf Gerüchten, denen höchstens einzelne wahre Fälle zum Grunde liegen. die Haudwerksgehülfeu ausdehnen, indem wir von Thatsachen sprechen, die aus dem Leben selbst und nicht hinter dem Schreibtische der Gelehrten nach Phantasie gesammelt sind. — Bekanntlich ist in denjenigen Staa ten, wo keine Gewerbfreiheit, sondern geregelte Jn- nungsgesetze bestehen, die Aufnahme als Meister von einem gewissen Grade von Geschicklichkeit abhängig ge macht, über welche sich der Aufzunehmende durch An fertigung eines Meisterstücks auszuweisen hat. Einige Geldkosten sind hierbei allerdings nicht zu umgehen, und so sehr wir auch jede unnöthige Verschwendung durch Trinkgelage bei'm Meisterwerven u. s. w. miß billigen, so ist doch auch nicht zu verkennen, daß es mehr Gutes hat, als wenn das Meisterwerden Jedem freisteht. Denn sobald der Geselle nur einigermaßen für seine Zukunft besorgt ist, kann es nicht fehlen, daß er darauf denkt, sich Etwas zu sparen. Trägt schon dieser Umstand bei, ihn vom leichtsinnigen und ver schwenderischen Leben abzuhalten, so muß ihn die Vor aussicht cinetz zu liefernden gutgearbeiteten Meister stücks» >un so mehr anfeuern, sich die möglichste Ge schicklichkeit in seinem Fache zu erwerben, und wir soll ten meinen, daß Sparsamkeit und Gcschäftstalente schon '^er.-Mühe Werth sind jedenfalls Haupteigenschaften ei- , ncs guten Staatsbürgers sind. Kommen wir dagegen in Lander, ws Gewerbfreiheit e.ristirt, so werden wir diese beiden Tugenden unter dem Gesellenstanve weit 'seltener antreffen, Kenn.die Leutchen haben hier nach ihrer Meinung für nichts zu sorgen, als für den au genblicklichen Dedarsi mnd wollen sie einmal selbststän dig werden, so kostet es ja nichts, außer, was die häusliche Einrichtung erfordert, und hierzu wird seiner Zeit schon Rath.' — Ist nun in diesen Ländern der Verdienst des Gesellen an sich schon geringer, so geht den ctwaigx Ucbcrschuß gewöhnlich in die Hände der Schenkwirthe "w? über.Man darf nur iu den preu ßisch.«, Staaten bekannt' und selbst als Arbeiter gewe sen sein, so wird man bekennen, daß wir bisher noch .viel zu w enig gesagt hasten. Wie oft hat man hier Gelegenheit, .zu sehen, daß sich junge Leute etabliren, ohne einen Pfennig zu hasten, nachdem sie oft 6, 8 bis 10 Jahre in demselben Orte gearbeitet. Was verdient wurde, ging auf, und kam die Zeit zum Mei- stcrwcrdeu, so genügte es ja, wenige Groschen aufdas Rathhauskzu tragen und sich als selbstständig anzumel den. Daß dergleichen Leute meist ihrem Verderben oder dem kümmerlichsten Leben entgegengehen, haben wir bereits angcdeutet, sind cs kann dies um so weniger anders der Fall sein, da sie ohne Capital über lang oder kurz wieder als Gehülfe der Magazin-Inhaber, rv8p. der Juden, arbeiten müssen und nun mit ihrer Familie deck jämmerlichsten Entstehrungen preisgegeben sind, zumal da die. Arsteit zu manchen Zeiten gänzlich stockt, je nachdem sie Son der Mode oder der Witterung abhängt. Am meisten leiden in dieser Hinsicht gerade diejenigen Gewerbe, welche am zahlreichsten vertreten