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Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.12.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189212291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18921229
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18921229
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsischer Landes-Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-29
- Monat1892-12
- Jahr1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.12.1892
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Tchtverz. — Der ZolkkrteM potsche« »er Schmerz >u» Traut ch wird oo» «ste» Jannar ab beginne». nachdem dos französische de» »o»eu, ih» vorgeregte» Ha»delsvertrag verworfen hat. de» Handelsvertrag ist auch die bisher zwisch» beide» Ändern Littaattonvaitiou gefallen. Zn der Schweiz geht die Etiaininng dahin, in keiner Weise nachzugeben. die fron» zißschen Erzeugnisse vielwehr mit den thnulichft höchsten Zöllen zu belege». Die knshcr in vielen Kreisen der Schweiz vorhandene frau- zofenfrenndliche Gesinnung schwindet merklich, und insofern ist der Zwischenfall auch von politischer Bedeutung. Tie deutsche Industrie tmrd vom Abbruch der handelspolitischen Beziehungen zwischen Frank «ich und der Schweiz unstreitig große Vottheile haben. Nachdem nunmehr die Schweiz den französischen Forderungen offenen Wider stand entgegengesetzt hat. werden wohl Spanien und Belgien dasselbe Lun. Die Franzosen bekommen also gleich ein Viertel Dutzend Zoll- kiegr mit einem Male, welch« ihre Industrie schädigen werden. Belgien-Riederlande. — Die belgische» Sozialisten haben auf einem Parteitage ttnen ZentwlstreS für das ganze Land beschlossen, falls die Kammern nicht die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes beschließen. Da dies bei der Stimmung, die im Parlament herrscht, nicht zu erwarten steht, durften ernste Tage bevorstehen. — Mehrere Cholerafäüe sttü» in den Nied«laudcu in diese» Tagen vorgekvmmeu. Sratzdritannien. — Der SlttentatSversuch gegen den Minister John Morley in Dublin hat gewaltiges Aufsehen gemacht, weil der be drohte Staatsmann das populärste Mitglied der ganzen Regierung ist. Es ist bisher kotz aller Bemühungen nicht gelungen, eine Spur von dem Attentäter zu entdecken. Es sind selbftverstädlich weitgehende Borfichtsmaßregeln-angeordnet worden. Orient. — Die Session der bulgarische« Sobranja ist am Diens tag vom Fürsten Ferdinand mit einer Thronrede geschloffen worden. — A«S Kieiuapen werden eine Anzahl von Gewaltthaten türkischer Beamten gemeldet. Die Benachteiligten wollen diese Vorkommnisse den fremd«! Vertretern unterbreiten. Amerika. — Die i« der argeutinifchen Republik erneut aus gerochene Revolution hat einen sehr gefahrdrohenden Umfang an genommen. Die Zentralregierung hat bereits 10000 Mann zur BcKmpsung der Erhebung mobil gemacht. Die britische Erzeugung und Ausfuhr von Eisen seit 25 Jahr«,. Ist es ausgemacht, daß sich in keinem anderen Gcwerbszweige der Entwickelungsgang unserer wirthschaftlichen Verhältnisse so deutlich widerspiegclt, wie in der Eisenindustrie; so hatten auch Erzeugung rwd Verbrauch dieses wichtigen Mctalles in den Zeiten des Auf schwunges des allgemeinen Wirthschaftslcbens zu Beginn der siebziger und dann zu Beginn der achtziger Jahre einen plötzlichen ungeahnten Umfang angenommen; um so stärker zeigte sich später aber der Abfall iu den Zeiten des wirthschaftlichen Niederganges. Wir wollen dies heute aus den Produktion»- und Exportziffern des Eisens in demjenigen Lande kurz vor Augen führen, welches in Europa an der Spitze der Eisen produzirenden Länder steht und die geschilderten Wahrnehmungen am Lautlichsten widerspiegelt. Englands Produktion von Roheisen bettef sich km Jahre 1666 auf 4,5 Millionen Tonnen; sie stieg seitdem unausgesetzt bis auf 6,7 Millionen im Jahre 1872; dann trat ein Absall ein auf 5,99 Millionen Tonnen im Jahre 1874; es folgte wieder eine Steigerung bis aus 6.6 Millionen im Jahre 1877, hiernach eine abermalige Verminderung ans 5,99 Millionen im Jahre 1879. Von dem letzteren Jahre an trat eine sprungweise Vermehrung dieser Produktion bis ans 8.59 Millionen Tonnen im Jahre 1882 ein, daS bis jetzt erreichte höchste Produkionsquantum; nach einem Rückgänge steigerte sich die Roheisenerzeugung Englands im Jahre 1889 nochmals auf 8Z Million«! und sank dann aus 7,4 Millionen im Jahre 1891. In ähnlicher Vei'e bewegte sich Englands Ausfuhr von Eisen- und Slahlwaaren, welche im Jahre 1866 1,68 Mill. Tonnen betrug und bis aus 3.38 Mill. Tonnen im Jahre 1872 stieg; es erfolgte ein Rückgang bis aus 2,22 Mill. i. I. 1876, dann wieder eine Steigerung aus 4,35 Mill. i. I. 1882; dieser Betrag wurde später »ie wieder erreicht; am nächsten kam ihm das Exportquantum von 4,l9 Mill. Tonnen i. I. 1889, welche» i. I. 1891 bis aus 3,24 Mill. Tonnen fiel. Man ersieht hieraus, wie die Prcdukiion von Rohesten und der Eisen- und Stahlwaarcucxport bis zum Jahre 1872 also einer stetigen Zunahme sich zu erfreuen hatten, wie dann aber in den nächsten Jahre» eine erhebliche Abnahme beider cintrat, wonach Jahre des Hin- und Herschwankens folgten. Hierauf zeigte sich von 1879 ab bis 1882 abermals eine Periode großen Aufschwunges, der wiederum ein jäher Niedergang folgte, bis die Jahre 1887—1889 nochmals eine Vermehrung der Produktion wie der Ausfuhr erkennen ließen auch sie aber mußte einem schnellen Absalle Platz machen, der namentlich bei der Ausfuhr im Jahre 1891 iu sehr schroffer Weise zu Tage trat. Für den englischen Eisen- und Stahlwaarencxport koinmcn be- kanntlich die Vereinigt«! Staaten von Amerika bei Weitem in erster Linie in Betracht; geht deren Konsumfähigleit zurück, so ist dasselbe sofort in den engiijchcn Expottziffern zu merken; so war es sowohl in den siebziger Jahren, wie in der Zeit von 1882 bis 1885. Zu ernstlichen Besorgnissen aber giebt der europäschcn Eisenproduktion jetzt der Umstand Anlaß, daß die Industrie der Vereinigten Staaten sich in den letzten Jahren außerordentlich gehoben hat. Wahrend sowohl die Rohciscnproduktion Englands wie auch diejenige Deutschlands eingeschränkt werden mußte, nahm diejenige der nordamerikanischen Union weiter zu, so daß sie jetzt an der Spitze aller Eisen produ- circiidcn Länder steht. Ta man nun annchmen muß. daß neben der Roheisenerzeugung in den Vereinigten Staaten auch die Verarbeitung desselben zu Fabrikaten demnächst einen größeren Umfang annchmen wird, so erwächst den europäischen Eiscnproduklionsländern jenseits des Ozeans ein Konkurrent, dessen Bekämpfung von Jahr zu Jahr größere Schwierigkeiten in Aussicht stellt. Stadtbau-Berwaltung entnommen wett»», woselbst auch die Angebote bis zum 16. Januar 1893. Mittags 12 Uhr, mit entsprechender Suffchrist versehen, emzureichen sind. — Mililärverein t866 er. Ter am 1. Leihnachtssnertag vom Niütäiverei» 1866 er im Gasthaus zur Linde veranstaltete lluterhaltuugsabeud ist als voll und gauz gelungen zu be zeichn«,. Das beliebte Chemnitzthaler Männer-Qnartett, welches ausnahmslos Gutes bot. erntete von den überaus zahlreichen Anwesenden wohlverdienten Beifall. Leider läßt auch dieser Untcr- haltnngSabend wieder deutlich erkennen, daß es iu unserer Stadt an einem großen Lonzcttsaal fehlt, — auch der gewiß geräumige Lindeosaal erwies sich zu klein, um die Theilnchmer durchweg alle aufnehmen zu können; zieht man mir die größeren verschiedenen Verbände und Vereine in Betracht, so gelangt man zu der Uebcrzengung, daß in einer Großstadt wie Chemnitz tatsächlich ein Saal fchlt, der genügend groß ist, um alle Teilnehmer bequem anfznuehmen- Hoffentlich werden bei eintretenden befferen Geschäft-Verhältnissen sich auch Leute in Chemnitz finden, welche diesem fühlbaren Bedürfnisse baldigst ent sprechen werden. — Der Arends'fche Steno-rapheu-Verei« hat den im September d. I. begonnenen Kursus für Stenographie Ende vorigen Monats mit bestem Erfolge zu Ende geführt. Dieser Umstand hat den Verein veranlaßt, für den Monat Januar und zwar für die ersten Tage dieses Monats einen neuen honorarfrcien Untcrrichts- kursus in der leicht in 10 bis 12 Stunden «lernbaren Stenographie zu eröffnen. Der Unterricht wird sowohl an erwachsene Herren wie Damen erthcitt, die sich bis znm 31. Dezember d. I. amnelden. Anmeldnngsformulare werden in den Buch- und Kunsthandlungen der Herren O- May, Gust. Erncsti, C. Winter und C. Strauß, sowie in den Zigarrenhandlnngen der Herren W. Gebhardt, Rich. Gruling, Bruno Hoher, Köhl« L Schultheiß, Langestraßc 23, Emil Böhme, Theaterstr. 32, Traugott Böhmer, Theaters«. 12, R. Zeißig. Müller- straße, und ioi Vercinslokale Bachgaffe 11, patt., kostenlos verabreicht. — Verloren wurde am Dienstag Nachmittag zwischen 3 und 5 Uhr von einem Dienstmädchen das Sparkassenbuch Nr. 112,7551 mit 200 Matt Einlage. —* Beim Tanze kam am Montag Abend eine junge Frau in einem Tanzlokal der Schillervorstadt zu Fall und brach den linken Oberschenkel. Sie wurde mittelst Droschke nach ihr« Wohnung gebracht. —* Die Treppe herabgestürzt ist am Sonntag Vormittag ein 60jährigcr Weber in einem Hause der Uhligstraße, in dem er gebettelt hatte. Der alte Mann verletzte sich bedeutend am Kopfe, so daß er bewußtlos liegen blieb. Ein herbeigcholt« Schutzmann versah den Schwerverletzten mit einem Nothverband und bewirkte dessen Transpott mittelst Krankenwagens nach dem Stadtkrankenhause. —* Sei» Geld schnell los wurde vor einigen Tagen ein hiesig« Handelsmann; derselbe hatte sein Sparkaffenbuch für 400 Mark verkauft und besuchte nun einige Gastwitthschaften. Dabei hat er wohl etwas über den Durst getrunken und auf unerklärliche Weise kam ihm sein Geld abhanden. Ob es der Mann verloren hat »d« ob es ihm gestohlen worden ist. konnte nicht festgcstellt werden. —* Gelddiebstähle. In einem Hause d« Schillerstraßc wurden in den letzten Monaten einigen Hausbewohnern mehrfach Geld beträge aus verschlossenen Wohnungen, die zweifellos nachgeschloffen wurden, gestohlen. Einem der Bewohner kamen auf diese Weise Beträge von 30, 40 und 60 Mk. weg. —* Festgeuommcn wurde ein schlesisch« Steinschleifer, welcher vom Amtsgericht Muskau wegen gefährlicher Körperverletzung steckbrieflich verfolgt wird. Derselbe hatte gestern Abend ans der Zschopauerstniße die Passanten angebettell. —* Gestohlen wurde den 14. d. M. von einem auf der Schillerstraßc stehenden Schlciswagen 1 Kübel Margarine, Werth 40 Mark, gezeichnet Nr. 5509, 29 Kilo schwer; einer Frau in einem Verkaussladen der Langestraße am 20. d. Dt. ein Geldtäschchen, Inhalt 20 Mark, aus der Kleidtasche. Ehemluhcr Stadt Sl?r;eiger. VN Frees»« uuftriS LUUe- lrcrdcs -»acht. US» stchlig« r»«-le«uei>!<n güllgl aillinlkrll». Chemnitz, den 28. Dezember. — Vergebung städtischer Arbeite». Die im Jahre 1893 zur Unterhaltung der städtischen Gebäude erforderlichen Mau« Zimmer-, Töchter-. Schlosser-, Glaser-, Klempner- und Schieferdecker arbeiten, sowie die Lieferung der betreffenden Eisenwaaren sollen ver gchen Verden. Angebotsverzeichiiisie mit Ausführungs- bcz. Lieferungs bedingungen können gegen Erlegung der Schrcibgcbühren bei der Verjährung. Mit dem Ablauf von drei Jahren verjähren nach deni bürger liche« Recht für das Königreich Sachsen (Z 1017 des B. G- B.) die Forderungen: 1) Der Fabrikanten, Buchhändler, Kaufleutc und Händler jeder Art, Spediteure, Künstler, Handwerker für gelieferte Waaren und geleistete Arbeiten, mit Ausnahme der Forderungen für olche Waaren und Arbeiten, welche dem Schuldner zum Behufe eines eigenen Gewcrbs- oder Handelsbetriebes geliefert oder geleistet worden find (diese verjähre» erst in 30 Jahren); 2) der Personen, welche ans der Leistung gewisser Dienste ein Gewerbe machen, sofern die Forderungen aus ihrem Gewerbebetrieb herrührcn, ins besondere der Makler. Agenten; 3) der Post- und Telegraphen anstalten, der Verwaltung von Eisenbahnen, der Schiffer, Fracht- suhrlcute, Lohnlntscher, Boten und Pfcrdcvcrleihcr, das Porto, Bricsträgcrlohn, Tclegraphengcbühren, Frachtgeld, Fuhrlohn, Botenlohn und für Pscrdcniicthe, sowie hinsichtlich der bei dem Waaren- und Pcrsoncntransporte gehabten Auslagen; 4) der Gast- wirrhe und Derjenigen, welche Speisen und Getränke irgend einer Art gewerbsmäßig verabreichen oder vcrschänken, für Wohnung, Beköstigung und sonstige für ihre Gäste gewährte Bedürfnisse und bestrittene Auslagen; 5) Diejenigen, welche bewegliche Sachen ge werbsmäßig verleihen, wegen des Leihcgcldes für den Gebrauch der selben; 6) der Lehrherren und Lehrmeister hinsichtlich des Lehrgeldes und ander« im Lehrvertrag bedungener Leistungen; 7) d« Handlungs gehilfen und anderer GeschäftSgchilscn, Privatkopisten und des Gesindes, hinsichtlich des Gehaltes, Lohnes und anderer Dienstbezüge; 8) der Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen und anderer Arbeiter wegen Arbeits lohnes. Wir haben dabei nur diejenigen Forderungen heraus- gchoben, welche Handel und Gewerbe betreffen. Alle diejenigen Forderungen sind den 31. Dezember 1892 verjährt, wenn sie im Jahre 1889 entstanden sind. Tie Verjährung muß durch Zustellung einer Klage oder eines Zahlungsbefehls unterbrochen werden, wenn nicht der Schuldner freiwillig ein ausdrückliches Schnldanerkcnntniß abgicbt. Da nun bekanntermaßen sich am Ende des Jahres die zur Unterbrechung eingercichten Klagen und beantragten Zahlungsbefehle derartig hänfen, daß das Gericht keine Garantie übernehmen kann, daß die in letzter Stunde noch eingercichten auch noch vor dem 31. Dezember 1892 zugcstellt werden, ist cs rathsam, umgehend die zur Unterbrechung der Verjährung nothwcndigcn Schritte zu thun, wenn man der Fordcning nicht verlustig werden will. Verliebte Helden. Ein Feuilleton der „Neuen Freien Presse" zieht eine interessante Parallele zwischen dem Liebeslcbcn der drei großen Zeitgenossen Moltke, Bismarck und A. v. Roon. Roon war der erste, den Amors Pfeil traf, er war auch der erste, welcher sich ins süße Joch der Ehe beugte. In seinen „Denkwürdigkeiten" finden sich auch Blätter aus seiner Minnezeit, Briefe bon glühender Licbes- lust und Hellem Leutnantsjubel, so daß man cs sich beinahe nicht vorficllen kann, wie aus diesem verliebten Sausewind der große Excrzicrmcistcr des deutschen HeercS werden konnte. Bismarck, der Jüngste des berühmten Kleeblattes, wetterte iu den Ehestand hinein wie in eine Studentenschlägerrl. „Ich muß übrigen», hott D . .. . „ Heimchen, da ich «ich nach Bat«» Abreise einsam nnb verlassen fühle und milde, feuchte Witterung «ich melancholisch, sch», süchtig verliebt stimmt." So schreibt er mit dem Galgenhumor «ine» gelangwriltcn Junggesellen au seine Schwester — und hol' ihn der D bald darauf heirathet er. Daß « gut gewählt hat, weiß man. Der Patte Mann muß aber anfangs ein ziemlich nage» badig« Gatte gewesen sei«, das verrathen die Briefe au» den erste» Jahren der Ehe. Zwei Sind« find ihm geboren worden und mit scherz haft« Verzweiflung schildert« die schmerzlichen Baterfrnidvi: „Der Junge in Var brüllend, das ^Mädchen in dloli, zwei singende Kindermädchen, zwischen nassen Windeln und Milchflaschen ich als liebend« Familien vater." — Und nun Hellmuth v. Moltke? Ganz anders tritt « in die Ehe ein, freudestrahlenden Auges auch « und das Herz voller Jnbek, doch ernst und gemessen dabei, wohlvorberritet. wie io feier lichem Paradeschritt. Der Aeltcste von den Dreien (geboren 1800), zieht er auch seinen Junggesellcnstand am meisten in die Länge und heirathet «st im 42. Lebensjahre — eine 16jährige Verwandte? Seine Briefe auS jenen Tagen geben Zeugniß, wie innig « die Ansrrwählte feines Herzens liebte und wie « doch bei all« Ver liebtheit als großer Stratege die ganze Situation vollkommen Über sicht und beherrscht. Er weiß, was in der Ehe ein Altersunterschied von 26 Jahren bttwutet, « weiß, daß « Fehl« hat, daß er öfter launisch, mißnmthig und verschlossen ist, und « weiß auch, daß es an seiner Braut, dem jungen Ding, Mancherlei zu erzieh«! giebt. Die Art, wie er dieser letzteren Aufgabe gerecht wird, ist so charakter istisch für den großen Denker, für den feinfühlenden Menschen, daß es sich wohl verlohnt, hier etwas näher darauf einzugehen. Bräutigam Moltke wünscht, seine Auserkorene möge sich möglichst frei und selbständig entwickeln. Die Erziehung dürfe in keiner Weise die ihr angeborene Eigenthümlichkeit beeinträchtigen, nie möge sie ihre eigene Meinung aufgcbeu. Doch empfiehlt er ihr Nachgiebigkeit in Kleinigkeiten, gleichmäßige Heiterkeit, Saubetteit im Anzuge und als erste Levensregel: Freundlichkeit gegen Jedermann. Ausführlich schreibt er darüb« kurz vor d« Hochzeit in einem Briefe, der wie ein Denkmal seines edlen Charakters aus dies« Sammlung hervor leuchtet. Da sprudelt auf einmal ein warmer Quell der schönsten Menschlichkeit und der köstlichsten Lebensweisheit, du sich ihm um den Preis so mancher Bitterniß erschlossen hat. „Die wahre Höflich- . keit und der feinste Weltton ist die angeborene Freundlichkeit eine» wohlwollenden Herzens. Bei mir hat eine schlechte Erziehung und eine Jugend voller Entbehrungen dies Gefühl oft erstickt, und so stehe ich da mit der angelernten, kalten, hochmüthigen Höflichkeit, die selten Jemand für sich gewinnt." Sie hingegen, die im Glücke aus gewachsen, werde eS nicht schwer finden, den Menschen freundlich zu begegnen. Geziert und unwahr brauche sie deshalb nicht zn sein, „es macht augenblicklich langweilig, denn nichts als die Wahrheit kann Thcilnahme erwecken." doch wirkliche Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit gehören dazu. Beides auch als Schutz gegen die Kränkungen und Zurücksetz ungen in d« großen Welt. „Wer in sich selbst nicht das Gefühl seiner Würde findet, sondern sie in der Meinung Anderer suchen muß, der liest stets in den Augen anderer Menschen, wie Jemand, der falsche Haare trägt, in jeden Spiegel sicht, ob sich auch nicht etwas verschoben hat. Es ist kein Pharisäer, der hier spricht, sondern die Worte sind eS eines grundehrlichen Mannes, der sich selbst am strengsten geprüft hat und es bitterlich fühlt, daß man den Fluch ein« freudlosen, durch Entbehrung verkümmerten Jugend nie ganz ab schütteln kam.... Einer nicht unbedenklichen Frage schaut er als ein Held in's Gesicht. Wie soll sich daS junge Mädchen den anderen, den jüngeren Männern gegenüber verhalten? Sie fragt ihn einmal, ob cs ihm gleich- giftig wäre, wenn sie tanzt, und er antwortet herzhaft: „DaS ist mir gar nicht gleichgiltig ich wünsche vielmehr dringend, daß Du tanzest (mir nicht gerade mit Leuten, die enge Stiefel tragen) . . . Golt verhüte, daß ich die Jugend aus Deinem Leben wegstriche." Sie soll nach Herzens lust Bälle, Konzerte, Theater besuchen, und wenn man ihr recht den Hof macht, so wird er es gar nicht ungern sehen, und er hat auch nichts gegen „ein bischen Kokettsten". Vor Allem Klarheit und Aufrichtigkeit gegen Andere wie gegen sich selbst. Er weiß wohl, daß das Mädchen Männern begegnen wird, die eleganter sich tragen, als «, besser.tanzen, lebhaft« reden, froher« Laune find. „Aber daß Du das findest, hindert gar nicht, daß Du mich nicht doch lieber haben könntest als sie Alle, sofern Du nur glaubst, daß ich cs besser mit Dir meine, als alle diese. Nur dann erst, wenn Du etwas hast, was Du mir nicht erzählen könntest, dann sei dadurch vor Dir selbst und durch Dich selbst gewarnt. Und nun gieb mir einen Kuß, so will ich das schulmeistern sein lassen." AriS Rah und Ferit. — Kleine Mittyeiluuge». Zu Ebersdorf in Hessen ist der Bürgermeister S- verhaftet worden. Demselben wird Unter schlagung und Urkundenfälschung zur Last gelegt. — Die Veteranen vereine in Italien haben eine Agitation eingeleitct für die Ueber- führung d« auf der Insel Caprera ruhenden Gebeine Garibaldi'S nach dem Pantheon in Rom, wo auch Bittor Emanuel begraben liegt. — Die stolzen Magyaren regen sich schon wieder einmal gewaltig auf, weil der kaiserliche Oberstjägermeister im Schloß zu Gödöllö den Treibern gegenüber einen etwas despektierlichen Ausdruck gebraucht hat. Die Sache soll im Pest« Reichstage zur Sprache gebracht werden. — — Unglück in den Alpen. Bi« junge Leute aus Bormio, die in Untcrengadin als Tischler arbeiteten, und das Wcihnachtsfcst im Kreise ihrer Familie feiern wollten, find auf dem Wege nach der Heimalh am Stilfserjoch abgestürzt und von ein« Schncelawine ver schüttet worden. Die Leichen wurden folgenden Tages gefunden. — Die Fahrläfsigkeit sein« Wärterin hat ein zehn Monate altes Lind in Berlin mit dem Tode bezahlen müssen. Die Wärterin sollte dem Kinde von Zeit zu Zeit Leberthran geben, statt dessen ergriff sie aber eine Flasche mit dem bekannten Desinfettionsmittel Lysol und gab dem Kinde einen halben Löffel davon ein. Obwohl d» sofort herbeigcrufene Arzt mehrere Mittel anwandte, ist da» Kind doch ge storben. Die Wärterin wird wegen fahrlässiger Tödtung des Kindes sich zu verantworten haben. — Der japanische Premier minister wurde bei einem Unfall, den « mit dem Wagen «litt, am Kopfe schwer verwundet. — Kaffee mit — Poularde. Diese eigenartige Verbindung zwei« schätzenswctther Nahrungsmittel wurde dieser Tage — so er zählt das „N. W. Tgbl." — in einem Wiener Kaffeehaus vor eine vnwunderungsvollen Zuschauerkorona in Praxis umgesetzt, und zwar von einem Fremdling, dem das blaueste Blut durch die Adern fließt. 1 Es ist di-S jener Afghanenprinz, der angeblich al» politischer Flücht ling auf seiner Rundreise nach Wie» gekommen ist. Der Prinz trat ' in das „Cafe Schüßwald" am Stubenring und, nnbckümmett nm die Gäste, lvelche die fremdartige, iu weißen Burnus gehüllte Erschein»»» anstarrten, ließ « sich auf einen Sammetdivan nieder und kowandirte H in tiefstem Gutturaltou: „Kellner, Melantsch, ab« schnell» schnelll" ' Das Glas Wasser, das in Wien gleichzeitig mit dem Kaffe« verabreicht wird und den Korb mit dem Gebäck wehrte er mit ein« stolzen Handbewegung ab; dafür zog er au» sein« Manttttchche «in zie»«ch 7 unheimlich auSsehendcS Packet heran-, welche» wieder io ei«
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