Zum Geleit Graf Zinzendorf war ein Grandseigneur des 18. Jahrhunderts mit dem bestrickenden Charme alter österreichischer Adelskultur. In seiner drängenden Unruhe, in seiner Weiträumigkeit, mit der er über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinwegging und die Menschheit als Ganzes im Blick hatte, in der Erlebnis= intensität, mit der er sich auch um Handwerker und Bauernmägde kümmerte und um ihre Seelen rang, war er ein Mensch des Barock, und gleichzeitig ragte er darüber hinaus. Denn mit und in alledem war er ein Streiter Christi; das gab der spannungs= reichen Dynamik seines Wesens Mitte und Richtung. Von den Ausstrahlungen seines Wirkens ist kaum ein evangelisches Land, ob lutherisch, ob reformiert, unberührt geblieben; aber all das ist als befruchtendes Element in das Leben der Kirchen und Gemeinden eingegangen. Sichtbar geblieben ist die Sonderkirche der Herrnhuter Brüdergemeine, in der das Erbe Zinzendorfs in einer getreuen, aber nicht umfassenden Form weiterlebt. Deshalb wird dadurch, daß er im öffentlichen Bewußtsein im wesentlichen als der Gründer der Brüdergemeine lebt, der Blick auf seine Wirksamkeit und Bedeutung zuweilen eher verstellt als erhellt. In den letzten Jahrzehnten ist manches, gerade auch aus dem Kreise der Brüdergemeine selbst heraus, geschehen, um ihn aus diesem beschränkten Rahmen herauszuheben und in die größeren Zusammenhänge, in die er gleichzeitig gehört, hineinzustellen. Das vorliegende Lebensbild des jungen Zinzendorf ist ein wei= terer Schritt auf diesem Wege; denn es entfaltet für einen grö= ßeren Leserkreis auf breiter Grundlage, als es bisher geschehen ist, die Welt, aus der Zinzendorf stammt und über die er gleich= zeitig hinauswächst. Der Zeitpunkt des Erscheinens ist aber von zusätzlicher Bedeutung. Die Evangelische Brüder=Unität — die offizielle Bezeichnung der Brüdergemeine — feiert in diesem Jahre 1957 ihr 5oojähriges Bestehen. Zinzendorf ist nicht ihr Gründer; er hat sich selbst als ihr „Erneuerer" aufgefaßt. Wenn aber in dem Jubiläumsjahr die Blicke in erster Linie auf Männer wie Lukas von Prag und