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V5VHV azzzzzzzz-zzzzzzzzzzzzzzzzzzzizzzzzzzzz.zzzzzzzzzzzzzz—mnm:::: ALLGEMEINE ZEITSCHRIFT VAVsV «X* H*X* ff «X* tifji iTpi EXTIL-INDUSTRIE. Chef-Redacteur: PH. ZALUD in Bad Hohenstein-Ernstthal. Sr*£ Vs V V H V< H>Sr «x* >* *x* • §>* Nr. 23. Chemnitz-Leipzig-Wien, 1. December 1885. VII. Jahrg. Inhalt. Abhandlnngen: Französische Selbsterkenntnis. — Muster-Compositionen (Fig. LXl und LXII). — Die Winter-Saison 18S6—87. Von Albert Kriele. — Bescheidene Randbemerkungen über „Die Isolirung der Gespinnstfasem aus Flachs und anderen Bast pflanzen“. (Schluss.) — Patentwesen: Anmeldung, Ertheilung, Erlöschung, Übertragung von Patenten in Deutschland. — Mitteilungen: Die österreichischen Webeschulen (Fort setzung). — Notiz. — Literatur. — Frage. — Inserate. Französische Selbsterkenntniss. Unter diesem Titel bringt das Deutsche Wollen-Gewerbe Folgendes: Ruhige und nüchterne Selbstbetrachtung gehört sonst bekanntlich nicht zu den hervortretenden Character- Eigenthümlichkeiten der Franzosen. Umso angenehmer kann es uns Deutsche daher nur berühren, wenn einmal ein Franzose Selbstverleugnung und Muth genug besitzt, einen rein sach lichen Vergleich zwischen der Industrie seines Vaterlandes und derjenigen anderer Länder, hier speciell des bestgehassten Deutschlands anzustellen und das Ergebniss solchen ruhigen, eingehenden Vergleichs sogar zu veröffentlichen. Das ist ein Verdienst, welches alle Anerkennung verdient, und ein solches hat sich der Verfasser des nachstehenden Artikels erworben, welch’ letzterer zwar schon zu Anfang'dieses Jahres geschrieben worden ist, an seinem Werth aber bis heut noch nichts verloren hat. In „Le Genie Civil“ No. 14 d. J. lesen wir nämlich (übersetzt): Die Periode ernster Prüfungen, welcher seit mehreren Jahren die ganze Industrie und der Handel Frankreichs unter worfen sind, hat unsere ehemals so blühende Textilindustrie in einer furchtbaren Art heimgesucht. Gegenwärtig hat Deutsch land so zu sagen einen hervorragenden Platz in diesen Indu strien, die während eines Jahrzehnts erstaunliche Fortschritte gemacht haben, erreicht, und dürfen wir dieses keinen Augen blick ausser Acht lassen. Die vergleichsweise Betrachtung der Lage der Textilindustrien in genannten Ländern lässt sich ziemlich zutreffend in folgenden Zeilen wiedergeben, soweit dieses mehr oder weniger die hauptsächlichsten Exportartikel betrifft. Frankreichs einheimischer Absatz ist zurückgegangen bezüglich der Gewebe für Kleider und für Cachemires, denn obgleich die augenblicklich herrschende Mode von hier aus geht, können im Export Roubaix und Reims nur sehr schwer mit Glauchau, Meerane, Gera und Greiz concurriren. Die in Roubaix fabricirten Mantelstoffe und die Tuche von Sedan und Elbeuf sind in einigen Genres fast übertroffen durch die in den Fabriken von Berlin, Aachen und anderen Städten am Rhein und im Eisass hergesteliten Fabrikate, welche zwar weniger gut als erstere (?), dafür aber auch um ebenso viel weniger tlieuer sind. Berlin ist Herr der Situation in der ganzen Welt für alle Zweige der Confection. Paris regiert unstreitig die Mode und liefert unklugerweise die Modelle, aber hat für den Export in diesen Artikeln keine Bedeutung mehr. Für Posamentirarbeiten giebt Paris seines guten Ge schmackes wegen noch den Ton an, aber Annaberg ahmt die Muster der Pariser Fabriken nach und bringt diese Art von Fabrikaten auf den internationalen Markt. Ehemals liess man alle Knöpfe von besserer Qualität aus Paris kommen, heute versenden Barmen, Lüdenscheid und Berlin diese Artikel in die ganze Welt. Die Webereien von Crefeld, Mühlheim, Elberfeld, senden uns grosse Quantitäten von Seidenzeugen, Sammet und Atlas mit Baumwollen-Einschlag (satins trames de coton). Lyon macht verzweifelte Anstrengungen, um Herr des inter nationalen Marktes zu bleiben und hat in seinem Export im Vergleich zu den beiden letzten Jahren schon einigen Erfolg aufzuweisen. In Deutschland selbst fängt man an, grössere Quantitäten französischer Seidenzeuge und Sammete als früher zu kaufen. Dieser Umschwung findet seine Erklärung in der sehr grossen Productions-Fähigkeit, weiche sich die Lyoner Fabrikanten erworben haben, infolge der Unterstützung, die ihnen die Regierung hat zu Theil werden lassen, indem sie die Rückerstattung des Eingangszolles auf feine Baumwollengarne einführte, welche bei den für den Export bestimmten Geweben gebraucht werden. Dagegen können die Fabriken in Berlin, Hannover und im Eisass, welche Baumwollensammete hersteilen, die Aufträge nicht decken, welche ihnen von Frankreich aus zugehen. Der Norden Frankreichs, Lille, Armentieres etc., fabricirt Gewebe aus Leinen und Hanf, aber Schlesien beherrscht gegenwärtig den Exporthandel in diesem Artikel. — In Spitzen kann Deutschland heute nicht wetteifern mit Saint-Pierre-de- Calais, welches wohl noch einige Zeit die Export-Versorgungs quelle bleiben wird. Es mag hier darauf hingewiesen sein, welche Wichtigkeit die deutsche Regierung der Entwicklung der Spitzenindustrie beimisst, um den Frauen häusliche Arbeit zu verschaffen. Dieselbe unterstützt eine gewisse Zahl von Lehranstalten in diesem Gewerbe und hat Lehrschulen für Spitzenfabrikation geschaffen in Steinseiffen, Arnsdorf und in Seidorf. Bei uns besteht noch nichts dergleichen, und die fortlaufende Spitze (la dentellc contiuue) wird nur allein nach Ueberlieferungen in den Familien von Hunderten von Arbeitern dieses Luxusartikels hergestellt. Es ist sicher, dass diese untergeordnete Stellung unseres Landes nicht mehr lange dauern kann, denn ernste Anstreng ungen werden in der industriellen Thätigkeit von allen Seiten gemacht. Aber diese Anstrengungen laufen Gefahr unfruchtbar zu bleiben, wenn sie nicht durch wissenschaftliche Belehrung unterstützt werden, die als Grundlage des Gedeihens der ganzen Industrie zu betrachten ist. Unglücklicherweise scheint diese erste industrielle Vorstufe während der letzten zwanzig Jahre gänzlich vernachlässigt zu sein. Die Arbeit ist König der Welt, und deshalb sollte Frankreich nichts verabsäumen zur Förderung der gewerblichen Belehrung und des kaufmännischen und industriellen Unterrichts. Wir besitzen einen Schatz an Fähigkeiten, vorzügliche Wissenschaften, unberechenbare Pro- ductionshilfsquellen, welche unsere Mitbewerber hoffnungslos stimmen; aber man befähige uns nun auch, unsere Reich- thümer zu entwickeln!