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Deutsche allgemeine Zeitung : 12.08.1845
- Erscheinungsdatum
- 1845-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id799109797-184508121
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id799109797-18450812
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-799109797-18450812
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDeutsche allgemeine Zeitung
- Jahr1845
- Monat1845-08
- Tag1845-08-12
- Monat1845-08
- Jahr1845
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- Deutsche allgemeine Zeitung : 12.08.1845
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2138 Nein, die ränkevollen und lärmenden Ultramontanen bewahren nicht allein, wie sie cs glauben machen möchten, die Tradition der Aufopferung des Einen für den Andern, der Selbstentäußcrung des Menschen für den Menschen, theoretisch wie praktisch. Marc Aurel ist eben so gut wie Sanct Johannes, Plato wie der heilige Augu stin, Confucius wie der heilige Chrysostomus. Vom Alterthum an bis zu unsern Tagen können die Mutterliebe, die Freundschaft, die Liebe, die Wissenschaft, der Ruhm, die Freiheit ohne alle Orthodoxie den Kalcnderheiligen ein ganzes Heer von ruhmvollen Namen, von bewunderungswürdigen Märtyrern entgcgenstellcn. Ja, wie schon gesagt: die Mönchsorden, welche sich am meisten auf ihre Aufopfe rung für die Menschheit zu, gute gethan, leisteten niemals mehr für ihre Brüder, als cs während der furchtbaren Choleratage so viele lebenslustige junge Leute, so viele kokette und reizende Frauen, so viele heidnische Künstler, so viele pantheistische Literaten, so viele materialistische Aerzte gethan.... Seit dem Besuche der Fürstin von Saint-Dizicr bei den Wai sen waren zwei Tage verstossen. Es war ungefähr zehn Uhr Vor mittags. Die Leute, welche bei den Kranken des in der Rue du Mont-Blanc errichteten Hülfskrankcnhauscs freiwillig den Nacht dienst gethan hatten, wurden eben von andern freiwilligen Wärtern abgelöst. Nun, meine Herren? — fragte einer der Neuantrctcnden. — Wie stcht's? Hat die Zahl der Erkrankungen diese Nacht abgcnommen? Leider, nein... aber die Aerzte glauben, dass die Ansteckung ihren höchsten Grad der Stärke erreicht hat. Es bleibt wenigstens Hoffnung, sic abnehmen zu sehen. Und unter den Herren, die wir ablöscn, ist Keiner befallen worden? Wir kamen gestern elf... heute früh sind wir nur noch nenn. Das ist traurig. ... Und die beiden Herren wurden plötzlich wcggerafft? Eins dieser Opfer... ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren, ein Cavalerieoffizier auf Urlaub ... wurde wie vom Blitz gerührt.. .. Binnen einer Viertelstunde war er todt. Wiewol der gleichen Fälle häufig sind, erstarrten wir doch vor Erstaunen. Der arme junge Mann!... Er hatte ein Wort herzlicher Ermuthigung oder Hoffnung für Jeden. Mehre Kranke hatte er so zu erkräftigen gewußt, daß ei nige, die nicht sowol an der Cholera als an Furcht vor der Cho lera litten, beinahe geheilt das Krankenhaus verließen. ... Welch ein Verlust! ... Ein so tüchtiger junger Mann! ... Nun, er ist ehrenvoll gestorben. Es erfodert eben so viel Muth, so zu sterben, wie in einer Schlacht.... Nur Einer kam ihm an Eifer und Muth gleich: ein junger Priester mit einem Engelsgesicht. Man nennt ihn Abbe Gabriel. Der ist unermüdlich. Kaum gestattet er sich einige Stunden Ruhe. Er eilt von Einem zum Andern und ist Allen Alles. Keinen ver gißt er. Seine Tröstungen, die er stets aus vollem Herzen spendet, sind keine Redensarten, die er gewerb'mäßig ableiert. Nein, ich sah ihn den Tod einer armen Frau beweinen, der er nach einem herz zerreißenden Todeskampfe die Augen zudrückte. O, wenn alle Prie ster ihm glichen!... Allerdings, ein guter Priester ist so ehrwürdig! ... Und wer ist das zweite Opfer dieser Nacht unter Ihnen? O, sein Tod war gräßlich.... Sprechen wir nicht davon. Die ses schreckliche Bild schwebt mir noch vor den Augen. Ein plötzlicher Choleratod? Wenn der Unglückliche blos an der Seuche gestorben wäre, würde ich bei diesem Gedanken nicht so entsetzt sein. Woran ist er denn gestorben? Das ist eine lange, unheimliche Geschichte...,. Vor drei Ta gen brachte man einen Menschen hierher, den man blos von der Cholera ergriffen glaubte. ... Sie haben gewiß von diesem Manne sprechen hören... dem Thicrbändiger, der ganz Paris ins Theater an der Porte Saint-Martin lockte. Ich weiß, wen Sie meinen... ein gewisser Morok. Er spielte mit einem gezähmten Pantherthicr. Ganz recht. Ich selbst wohnte einer seltsamen Aufführung bei, an deren Schluß ein Fremder, ein Hindu, in Folge einer Wette, wie man sagt, auf die Bühne sprang und das Panther- thier tödtctc.... Nun denken Sie sich ... bei diesem Morok, der anfänglich als Cholcrakranker hierher gebracht wurde, und der auch wirklich alle Symptome der Seuche an sich trug, brach plötzlich eine gräß liche Krankheit aus. Welche Krankheit denn? Die Wasserscheu. Und er wurde wuthtoll? Ja.... Er bekannte, daß er vor einigen Tagen von einem der Bullenbeißer, die seine Menagerie bewachen, gebissen sei. ... Leider that er dieses Gcständniß erst nach dem furchtbaren Wuthanfalle, der dem Unglücklichen, den wir beklagen, das Leben gekostet hat. Wie ging denn das zu? Morok befand sich mit drei andern Kranken in demselben Zim mer. Plötzlich wird er von einer Tollwuth ergriffen, steht auf, stößt ein wildes Geschrei aus ... und stürzt wie wahnsinnig auf den Gang hinaus.... Der Unglückliche, den wir beklagen, tritt ihm entgegen und will ihn aufhalten. Dieser Kampf steigert Morok's Raserei noch mehr, und er wirft sich auf Denjenigen, der ihm in den Weg tritt, beißt ihn, zerfleischt ihn... und fällt endlich in furchtbaren Krämpfen zu Boden. O, Sie haben recht... Das ist gräßlich. ... Und ungeachtet aller Hülfsleistungen ist Morok's Opfer...? Er ist diese Nacht unter gräßlichen Qualen gestorben, denn die Erschütterung war so stark gewesen, daß sogleich ein Gehirnsieber ausbrach. Und Morok, ist er auch todt? Ich weiß es nicht.... Man sollte ihn gestern in ein Spital schaffen, nachdem man ihn während der Ermattung, die in derNe- gcl auf heftige Krisen folgt, geknebelt hatte. Bis er aber wegge bracht werden konnte, schloß man ihn in einem höher gelegenen Zim mer des Hauses ein. Aber er ist verloren? Er wird wol gestorben sein. ... Die Aerzte gaben ihm keine vicrundzwanzig Stunden mehr zu leben. Dieses Gespräch fand in einem Vorzimmer des Erdgeschosses statt, wo in der Regel Diejenigen zusammentamen, die freiwillig ihre Hülfe und Mitwirkung darboten. An der einen Seite stand dieses Gemach mit den Krankcnjalcn, an der andern Seite mit dem Hausflur in Verbindung, dessen Fen ster auf den Hof hinausgingen. O Gott! — rief einer der Anwesenden und blickte aus dem Fenster. — Sehen Sie 'mal, welche reizenden Mädchen dort eben aus dem hübschen Wagen steigen. Wie sie sich gleich sehen! Eine solche Aehnlichkeit ist wahrhaft erstaunlich. Es sind gewiß zwei Zwillingsschwestern... die armen Mädchen tragen Trguer.... Vielleicht beweinen sie einen Vater oder eine Mutter. Es scheint, als kommen sie hierher. Ja... sie steigen die Freitreppe herauf. Bald darauf traten wirklich Rosa und Blanca schüchtern und unruhig, wiewol eine fieberhafte Aufregung in ihren Augen funkelte, ins Vorzimmer. Einer von den Männern, die mit einander gesprochen hatten, fühlte sich durch die Verlegenheit der jungen Mädchen ergriffen, trat ihnen entgegen und fragte sie mit zuvorkommender Artigkeit: Wünschen Sie etwas, meine Fräulein? Ist hier nicht — erwiderte Rosa — das Hülfskrankenhaus der Rue du Mont-Blanc? Ja. Eine Frau, Namens Madame Augustine du Tremblay, ist, wie man uns gesagt hat, vor zwei Tagen hierher gebracht worden. Könn ten wir sie wol sprechen? Ich muß Ihnen bemerken, meine Fräulein, daß es nicht ohne Gefahr ist, in die Krankensale zu gehen. Es ist eine sehr liebe Freundin, die wir zu sprechen wünschen — erwiderte Rosa mit mildem, aber festem Tone, der ihre Nicht achtung der Gefahr deutlich genug aussprach. Ich kann Ihnen übrigens nicht versichern — hob der Mann wieder an — daß Diejenige, welche Sie suchen, hier ist, allein wenn Sie gefälligst in dieses Zimmer links treten wollen, so werden Sie die Schwester Martha finden, welche im Frauensaal die Auf sicht führt und Ihnen jede gewünschte Auskunft ertheilen wird. Ich danke Ihnen, mein Herr — sagte Blanca, sich anmuthig verneigend, und trat dann mit ihrer Schwester in das ihr eben be zeichnete Zimmer. Sie sind wahrhaft reizend — sagte der Mann und blickte dm beiden Schwestern nach. — Es wäre sehr Schade, wenn... Er konnte nicht weiter sprechen. Auf einmal brach ein furchtbarer Tumult, untermischt mit dem Schrei des Grauens und des Entsetzens in d«n anstoßenden Zim mern aus. Fast im nämlichen Augenblicke wurden zwei ins Vor zimmer führende Thüren aufgcrisscn und eine große Zahl von Kran ken stürzte meistentheils halb nackt, bleich, abgezehrt, mit angstver zerrten Mienen in dieses Gemach und rief:
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