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WS^cnNich crübcincn drei Nummern. Pranumerations- Prei» 22; Sgr. Tbtr.) vicrtctiahrtich, Z Tblr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Tbcilc» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der Ällg. Pr. Tlaais- Aeitunz in Berlin in der Erredilirn (Mobrcn - Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Acmiern. Literatur des Auslandes. U7. England. Die Londoner Kunst-Ausstellungen von l8:;v. Zweiter ülrtikel. Steigen wir zuvorderst in die drille Eilige von Somerset-House und geben wir durch die drei Säle! Was uns beim ersten Anblick besonders überrascht, ist die über mäßige Menge Portraits. Mit einer oder zwei Ancnabmen sind alle große Stucke nur Portraits.') Man siebt hier eine blendende Schaar von Pair« und ihren Frauen, von Stichlern, Sberiffs, Aldermen, Lord- mavors, von Admiralen, Generalen und Marschällen, die sich dränge» und gleichsam mit den Ellenbogen stoßen, in Sammel und Seide, in Purpur- und Scharlachmänlcl gekleidet. Ich wollte, ich fände mehr zu loben in dieser Masse von vornehmen Würdenlrägcrn, zumal da die Meisten von Akademikern sich haben malen lassen. Aber, ach! ist wohl ttnlcr den sieben Portraits, welche der gegcnwärlige Präsident der Aka demie, Sir Marlin Shce, zur Schau gestellt Hal, ein einziges, welches mehr als materielle und gewöhnliche Kunst-Geschicklichkeit bezeugtk Sir Marlin Shee ist auf Sir Thomas Lawrence gefolgl, aber er bal ihn nichl ersetzt. Ec beschäftigt sich mit zwei Künstenmit der didaktischen Poesie und mit der Oelmalcrei, und hält sich deshalb, sagt man, für einen halben Mickel Angelo. Da fehlt nicht mehr, als Alles! Ich könnte ähnliche Vorwürfe den Herren VriggS, Pickcrgill und Reinagle machen, wenn ich ihre zahlreichen Bildnisse nach einan der dnrchnehmen wollie. Doch cs lohnt nicht der Mühe. Der Feh ler der Herren akademischen Portraiimaler scheint gleichförmig und spste- matisch zu scv». Sie haben nur Ei» Verfahren und zwar das matc- riellstr. Sie malen sorgfältig die Kleider und den Körver, venwchtässi- gen aber den Geist und den Eharakter. Es schickt sich freilich nichl, den Professoren das Sludium der Meister anzuralhen. Ohne Zweifel glaubl die Akademie, Tilian sep unvorsicklig gewesen, wenn er die Seelen zu nackl dargesiclll bal; aber van Dvck Hal daraus mehr Rücksickl ge nommen. Er war auch ein Modemalcr, ein Hofmaler, und doch bal er etwas ganz Anderes als seidene Röcke und Sammelwämser gegeben. Im Fache der PonrailS scheine» die Zöglinge, die jungen und Lie fremden Künstler entschieden den Vorrang vor teil Akademikern zu haben. Vor einer sanften, feinen und aumulhigen Gestalt stehe ich ganz bewegt still. Diese Frau war einst Ada. die so sehr geliebte Tochter Lord Bhron's, an welche der Dichter folgende Worte richtete: S, schlaf, mein Kind; der kurze Schlummer, Hinfchmclzcn wird er bald in Kummer; Dies Herz wird bald vor Leiben dangen, Bald neuen Thranen diese Wangen i Gram wird bald dieses Äug' umhüllen Und diese Brust mit Seufzern füllen! Jetzt beißt sic Ladv King und ist eine vornehme Dame. Die Zeit der Schmerzen ist ihr gekommen, und sie ist »och da« ruhige und lächelnde Kink geblieben, das sie in der Wiege war. Wir sind der Mistreß Ear- penter Dank schuldig; ihr Pinsel ist von echler Begeisterung geleiiel worden. Ada ist glücklich. Ware dieses Gemälde nicht so frisch und lebenskräftig, so würde» wir nicht zu glauben wage», daß die väterliche Besorgniß unerfüllt geblieben sch. Das Portrait des Herzogs von Wellington zu Fuß von Herrn Simpson ist nnr zu loben. Hier siebt man den energischen, starrsinni gen Soldaten, de» Günstling ter Fortuna. Der Künstler bal das Ori ginal von ter guten Seite ansgesaßt. Vielleicht hat er es sckr idealisirl. Er bal uns nicht den vorsichtigen Ebes einer nnpopttlaire» Opposition dargesiclll; hier ist cs der pradestinirle und lriumphirende General. Wahrscheinlich Halle Seine Gnaden bei Walerloo eine andere Miene, als im Obcrbause. Der Marschall Beresford, von demselben Maler, zeichnet sich durch eine ähnliche kräftige Ausführung und durch ein detaillirlcs Kostüm aus. Aus dem Schlachtstlde stehend, zu seiner Rechten eine Kanone, trägt dieser edle Lord außer der Generals-Uniform seidene Beinkleider, sri- tene Strumpfe und Ballschuhc. Ick will Herrn Simpson für dirse anssallcnde Toilette nicht verantwortlich mache». Wahrscheinlich besaß ') Auch aus unseren Deuckchc» Ausstellungen sviclcn oft die Portraits eine nur zu begünstigte Hauvtrolle. Und dabei komme uns nicht einmal, wie den Engländern, der Umstand zu statten, daß ein historisches Kostüme Abwechselung in die Monotonie der modernen Manner-Trachten brinat! Aber so überwiegend wie dort, ist es doch bei uns nicht die bloße Eitelkeit, die in ihrer eigenen Huldigung die der Kunst zu finden meint. 1836. dcr erlauchte Pair, als er sich male» ließ, eine doppelte Eitelkeit. Er wollte sei» schöne» Lei» recht voriheilhaft zeige» und doch zugleich in einem so viel als möglich kriegerischen Anzüge erscheine». Diese Phan tasie würde piureichcn, um den Marschall Beresford unsterblich zu mache», wenn er auch nichl jene sonderbare Schlacht von Albuera, bei welcher cs weder einen Sieger noch Besiegle» gab, geliefert hätte. Noch ist ei» Portrait nicht zu übergehen, nämlich das des LorLS Brougham. Hier ist dcr whigislischc Efkanzler nicht, wie Lord Lvud- hurst, mit seiner ehemalige» Amlsiracht unvortbcilhast berausgeputzt. Er ist schwarz gekleidet; cr sitzt in seinem Arbeitszimmer mit gekreuzten Beine» und einem zugemachte» Buche in dcr Hand. Ec ist ruhig, so ruhig, als Lord Brougham sepn kann; dem; die ganze seurige Niiruhe dieses unzähmbaren Geistes ztzckt in seine» Mienen und seinen Blicken. Nehmt euch in Acht, ihr unvorsichtigen Tories, welche seine Abwesen heit in Sicherheit wiegt; nehmt euch in Acht, ihr undankbaren Whigs, Lie ihr ihn verleugnet habt. Dies kräftige Gemälde von Herrn Mor ton belehrt euch, daß Lieser furchtbare Redner noch voll Leben ist. Nehmt euch in Acht; cr wird sich erhebe» und sprechen. Ein anderes akademisches Genre ist noch schwieliger zu charakteri sier» Niedliche Kinder, welche aus Seide lind Eiderdauilen unter Hun den von jeder Größe liegen; junge Lords, die sich mit ihrer menschli che» und bestialischen Begleitung aus der Promenade befinden. Ucberall, im Park oder im Salon, überall sicht Lie lbierische Natur mit Lcr menschlichcn auf Lcm inniczstc» Frrundschaftksuße. Hr. Landsecr läßt seine vernünftigen Geschöpfe nie allein geben; bestänLig sind sie von einer vieisüßigen Eskorte umgeben. Alle tiefe Doggen sind bewundernS- werthc Bestien. Sic springen, sie laufen, sie lecken, sic bellen. Ma» streckt Lie Hand ans, um sic zu liebkosen, oder man zieht sic zurück, aus Furcht, gebissen zu werden. Hr. Landscer bal wohl das Recht, ihnen Lie Hauptrolle zu ertheilen. Ich wollte nur, daß er dies entschiedener gclban hätte. Mau müßte beim Anblick der Gemälde dieses ausge zeichneten Künstlers nicht zu dcr Frage gezwungen sehn, was hierbei die Nebensache seh, ter Mensch oder dcr Hund? Ich muß mich einem Schlachtgcmälde etwas mehr nähern, wenn ich das Gefecht dcr Englischen und Französischcii Truppen und den ster- bkndcn General John Moore genau erkennen will. Dieses Bild, von George Iones, verdient, sorgfältig geprüft zu werden. Seine lillipulischen Armee» sind reizend, und dennoch ist mir dieses niedliche historische Kleinod entschlüpft. Ist dies mein Fehler gewesen? Warum sind die Schlachte», während sich Lie Portraits uns überall cntgegenstellen und »ach Ari der Psauc» sich übermäßig brüsten, bis aus die Form eines kleinen Ostiischirms reduzirt? Wann werden die Porlrails aushorcn, nns zu verfolge»? Ist Las nicht noch ein Doppel-Portrait, diese sogenannte,,Zusammenkunft Pius VII. und Napoleon s zu Fontainebleau?" Dieses wol- kcntrübe Gemälde hat keine politische Bedeutung. Aber wie untreu giebt es die erhabene Gestalt des Kaisers wieder! War Napoleon je mals dieser ausgedunseue Jüngling? Herr Willie vcr,üngl seine Helden und versorgt sie mit Embon- point. Jener ticke General, der vor tcr Schlachi von Waterloo an Ludwig XVIII, schreibt, hat nichts vom Herzog von Wellington an sich. Scine Gnaden war schon damals kein zwanzigjähriger Jüng ling mehr und halte sicher nicht diese seile und sentimentale Phy siognomie. „Das Innere einer Irländischen Hütte" behauptet jedoch Lies Jahr den Rus des Herrn^Wilkie. Ein junger Bauer, den die Noth zum Diebstähle und Morde verleitet hatte, ist mit blutgefärbicii Händen wieder in seine Hütte gekehrt; er hat, ohne Iweisel, um sein Gedächt- niß zu betäuben, tie Flasche Whiskv, dic an der Mauer bing, geleert; denn er hat sich zu Boden geworfen und liebkost sorglos mit seinem nackten Kinde. Aber seine Frau und scine Schwester theilen nicht diese furchtbare Ruhe. Sie höre» die Soldaten kommen; sic horche», bleich und erschrecke», an der Lhüre. Diese Scene ist schr dramatisch. Sie stellt leidenschaftlich die unerträglichen Lcidr» eines unterdrücklen Volkes dar. Man bat nicht den Muth, die Fehler dieses rührrnde» Werkes rinzeln aufzudccken, aber sie biete» einige allgemeine Bemerkungen über das Talent des Herr» Wilkie dar. Wer ibn nur durch scine Malereien kennen lernte, würde keine sichere Idee von ihm haben. Er ist in der Tbat nicht mehr derselbe, dcr so sorgfältig kleine Dramen des ländlichen und gewerklichcn Lebens schrieb; er ist nicht mehr derjenige, welchen Lie Bewunderung seiner Zeitgenossen mit Lem doppelten Genie Hogarth'« und Tenier's krönte; er ist noch mehr nach dem Aussprüche seiner Be wunderer. Seit seiner Rückkehr ans Spanien ist cr ein ganz neuer Mensch. Ist ihm aber faktisch Lie Bcrwandelung eben so rühmlich ge- Berlin, Mittwoch den 28. September