Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.05.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070503026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907050302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907050302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-03
- Monat1907-05
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezuqs-PreiS Anzeiqen-PreiS für Leipzig und Vororte durch unsere Träger und Spediteure ins HauS gebracht: AuS- gäbe X. (nur morgens) vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M.: Ausgabe 8 (morgens und abends) vierteljährlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (I mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M. ausschl. Postbestellgeld, für Oesterreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 45 d. Abonnement-Annahme: AugustuSplatz 8, bei unseren Trägern, Ftlialm, Spediteuren und Annahmestelle», sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Psg. Redaktion uav Expedition: IohanniSgafse 8. Telephon Sir. 153i Nr. 22?, Nr. 1173. Berliner Nedattions-Vurcau: Berlin dllV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I, ötr. 9275. Abend-Ausgabe 8. MpMer Tageblatt Haudelszeitung. Amtsblatt -es Nates und -es Nolizeiamtes der LLa-t Leipzig. für Inserate aus Leipzig u. Umgebung die Sgespaltene Petitzeile 25 Pf., finanzielle An zeigen 30 Pf^ Reklamen 75Ps.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland 50 Pf., fiuanz Anzeigen75 Pf., Reklamen l.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. GeschästSonzeigrn an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn. Fefterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmte» Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AugustuSplatz k, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonceu- Expedüiouen des In« und Auslandes. Hanpt-Ftltale Berlin. CarlDuncke r,Herzgl.Bayr.Hosbuchhandlg., Lützowstraße 10 (Tet. Vl, 4603). Nr. 122. Freitag 3. Mai 1307. 1V1. Jahrgang. SÜÜM> ——————— Vas Neueste vom Lage. (Di, nach Schluß der Redaktion eingegangenea Depeschen stehen auf der S. Seite des tzauptblatteS^ Sürst Bülow feiert heute seinen 58. Geburtstag. Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter ihm: nach Genesung von schwerer Krank heit ein Systemwechsel in der innern Politik! Das deutsche Volk wünscht seinem verdienten Reichskanzler Gesundheit und langes Leben! Roch ei« italienischer Bülow-Artikel. Die .Perseveranza" veröffentlicht einen längeren Artikel über die jüngste Bülowrede. Die Erklärungen des Reichs kanzlers seien zur rechten Zeit erfolgt, um die überhitzten Gemüter durch einen kalten Wasserstrahl zu beruhigen. Die Rede lasse keine Mißdeutung und keinen Verdacht aufkommen. Deutschland weigere sich, in eine gefährliche Utopie zu geraten, und die übrigen Mächte seien der nämlichen Ansicht, wollten sich aber wegen ihres Entgegenkommens gegenüber England nicht dem Beispiel Deutschlands auschließen. Das Blatt äußert schließlich die Hoffnung, daß die Deutschen jetzt über zeugt sein dürsten, daß sie gegen Italien ungerecht ge wesen seien. v. Aehrenthals Berlin-Fahrt. In der Auslassung aus Aehrenthals Umgebung, welche die »Neue Fr. Pr." veröffentlicht, heißt es weiter: Die Reise Aehrenthals bezweckte keine besonderen Abmachungen, die übrigens zwischen Oesterreich und Deutschland unnötig seien. In den Besprechungen mit dem Kaiser und den deutschen Staatsmännern wurden alle schwebenden Fragen der aus wärtigen Politik berührt, und es ergab sich eine vollständige Uebereinstimmung der Anschauungen. Von einer Kriegs gefahr ist keine Rede, vielmehr wurde die politische Lage in den erwähnten Konferenzen mit größter Ruhe und Gelassenheit beurteilt. Der Fall CurttuS ist noch ungeklärt. Heute wird gemeldet: Jedenfalls hat Dr. Curtius bisher noch kein Abschiedsgesuch ein gereicht. Wie es heißt, soll ihm in Bälde von neuem das Vertrauen des Oberkonsistoriums ausgesprochen und ihm seine Entschließung anheimgestellt werden. Dr. Curtius soll nicht geneigt sein, seinen Platz zu verlassen. — Es wäre zu wünschen, daß er aushielte und besseres Wetter abwartete. Scheint doch auch längst wieder die Sonne der Gnade über jene Agrarier, die, wie Graf Mirbach, einst beim Kaisermanöver rn Ostpreußen von der Liste der Ein zuladenden gestrichen waren. Tie Kolonial-Konferenz. In der gestrigen Sitzung der Kolonialkonferenz wieS Mac Kay (Indien) weiter darauf hin, daß einige der besten Kunden Indiens die schutzzöllnerischen Länder Europas seien. Das Risiko und der Schaden, die dem indischen Handel durch die von den fremden Mächten geübte Wiedervergeltung er wachsen würden, seien keineswegs imaginär. Indien werde von den vorgeschlagenen Aenderungea keinen Nutzen haben; andererseits aber seien das Risiko und die Opfer für Indien zu groß, um sie annehmen zu können. Die Bereinigten Staaten, Deutschland und Frankreich könnten eigentlich Beschwerde führen gegen Indien, weil sie mehr von Indien bezögen, als sie an Indien verkauften; mcm höre jedoch nirgends etwas von solchen Klagen. Der Schatz kanzler ASquith brachte die Argumente zugunsten des Frei handels vor und erklärte von vornherein, die Regierung könne auf keine Durchbrechung dieser Politik, wenn auch nur ver suchsweise, eiugehen. Er wies darauf hin, daß Großbritannien tatsächlich überall dieselbe Behandlung wie die meistbegünstigten Staaten genösse und sich auf den Zollschutz genießenden Märkten in besserer Position befinde, als die in Frage kommenden schutzzöllnerischen Länder. So sei Deutschland nächst Indien das beste Absatzgebiet für die britischen Er zeugnisse. Asquith ging dann zu einer Kritik der Vorzugs behandlung über, die die verschiedenen Kolonien dem Mutter lande gewährten, und wies an der Hand von Zahlen nach, wie unbedeutend der Vorteil sei, der dem britischen Handel daraus erwachse. Tic spanischen Liberalen. Die liberale Partei beschloß Wahlenthaltunz bei den be vorstehenden Senatswahlen, da die Regierung ihr nur 20 Senatssitze zubilligen will. — Komische Zustände! Ministerium Emin cs Sultane-. Der längst erwartete persische Miuisterwechsel ist nach der Heimkehr des Staatsmannes erfolgt. Emin es Sultaneh bat den Posten als Ministerpräsident und Minister des Inneren angenommen unter der Voraussetzung, daß der Schah sich bereit erklärt, der Verfassung gemäß mit demParlament zusammen zu arbeiten. Sämt liche Minister haben am Mittwoch den verfassungsmäßigen Eid geleistet. Emin es Sultaneh wird am Sonnabend im Parlament Erklärungen über seine Politik abgeben. — Die Besorgnis, daß Emin die Verfassung wieder beseitigen werbe, war also unbegründet. Die Zustände in Baku. Die Nachrichten ans Baku lauten besorgniserregend. Der Geudarmeriekommandeur Laube mußte aus Sicherheitsgründen auf dem Schiffe „Araxes" Wohnung nehmen. Eine Stadt unter Wasser. Aus Sarajewo wird uns mitgeteilt: Die Stadt Bjeliua ist vollständig überschwemmt, mehrere Häuser wurden fortgescbwemmt, einige Personen werden ver mißt. Das Bergwerk Ceniza steht unter Wasser und droht einzustürzen. politisGes. * Der Londoner Gegenbesuch. In der gestern in der Guildhall abgchaltencn Gemcinderatssitzung verlas der Lordmayor von London ein Schreiben des Oberbürger meisters Kirschner-Berlin, durch das die städtische Körper schaft herzlich einaeladen wird, Berlin zu besuchen. Man beschloß, die Einladung anzunehmcn, und setzte vorläufig den 13. Juni für den Besuch fest. An der Fahrt werden sieben Aldermen, vierzig Räte, die Sheriffs und zwei höhere Beamte der Körperschaft teilnehmen. * Ostmarken-Politik. Ter „Köln. Volksztg." zufolge wurden insgesamt 30 Lehrer aus dem Regierungsbezirke Düsseldorf nach dem Osten versetzt. Sie hatten sich bereits gestern zur Anstellung in den östlichen Provinzen einzusin- den; aus Verlangen sollten die Fahrtkosten dorthin tele graphisch angewiesen werden. Es handelt sich ausschließlich um katholische Lehrer, die innerhalb dreier Tage versetzt wurden. * Noch ein Majestätsbclcidiger. Die Dortmunder Straf kammer verurteilte den Bergmann Glock aus Gahmen wegen MaiestätSbelcidigung zu 3 Monaten Gefängnis. Glock halte in Trunkenheit gehandelt. — Da der Fall nach der dem Reichstage vorgelegten Novelle nicht mehr strafbar sein würde, so wird voraussichtlich eine volle Begnadigung er folgen — auch ohne daß der Verurteilte sich zu einem Gna dengesuch hcrabzulasscn braucht. * Ein untreuer Zahlmeister. Das Kriegsgericht der 18. Division in Kiel verurteilte den Zahlmcisterapplikanten der Reserve Köhler wegen Unterschlagung von Geldern von Einjährigen, begangen aus dem Kreuzer „Medusa", zu vier Wochen Mittelarrest und Degradation. * Ausstandsnachrichten. Wie die „Zeitzex Neuesten Nach richten" melden, sind auf der Grube „Gottlob" bei Theißen sämtliche Bergleute in den Ausstand getreten, weil das Werk die Bestrafung einiger Bergleute, die gegen den Kontrakt an der Maifeier teilgenommen hatten, nicht zurücknehmen wollte. Auch aus einigen anderen Werken des Zeitz er und Weißenfelser Reviers ruht aus demselben Grunde der Betrieb vollständig. Auf anderen Werken ist die Belegschaft nur bedingungsweise eingefahrcn; sie er- tvortet, daß die Bestrafung nachträglich zurückgenommen wird. — Infolge des Offenbacher Metallarbeiterstreiks beschloß der Verband der Metallindustriellen von Frank furt und Umgebung die Aussperrung von 60 Prozent der organisierten Arbeiter. — Der Ausstand der Speditions arbeiter und Möbelpacker in Wien gewann im Laufe des Tages an Ausdehnung. Im ganzen sind etwa 2000 aus ständig. Es kam wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Ausständigen und Arbeitswilligen. Die Polizei schritt ein und nahm A) Verhaftungen vor. Die zwischen den Arbeit gebern und Arbeitnehmern gepflogenen Unterhand lungen sind ahne Ergebnis verlausen. Bisher ist noch keine Einigung erzielt worden. Von 6000 ist über die Hälfte streiklustig. Im Lause des Tages kamen Aus schreitungen vor. Da die Streikenden den beladenen Wagen auslauerten, werden die Möbelwagen von Polizeicskorten begleitet. Trotzdem gelang es den Streikenden, mehrere be packte Wagen auf der Straße umzuwerfen. Es würben viele Verhaftungen von Streikenden vorczenvmmcn. — Die Arbeiter der Pest er Lagerhäuser sind in Ausstand getreten. Es kam wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Arbeits willigen und Streikenden. — Die Frachtverlader und Kohlen schaufler der Red Star-, White Star-Line und der amerika nischen Dampferlinie in New Park streiken, weshalb sich möglicherweise die Abfahrten verzögern werden. H- -- Die Kronprinzessin von Schweden. Das Befinden der gestern nach Karlsruhe zurückgckchrten Kronprinzessin von Schweden zeigt trotz des Aufenthalts in Ana Eapri noch keine vollständige Kräftigung. * Dilkc interviewt. Der unermüdliche „Pvtit Parisien" belästigt jetzt auch die englischen Politiker mit seinen Zu dringlichkeiten. Heute veröffentlicht er ein Interview seines Londoner Korrespondenten mit dem englischen Staatsmann Dille über die deutsch-englischen Beziehungen. Dieser erklärte, er könne darüber keine Ansichten äußern (famos!). Der Punkt der Rede des Reichskanz lers, der ihn besonders interessiert habe, sei die Anspielung auf Großbritannien. Die bloße Idee, daß England die Ab sicht habe, Deutschland anzugreifen, müsse ein Lachen Her vorrufen. In ganz England gebe es keinen Menschen von gesundem Verstand, der einen solchen Plan verteidigen würde. Was einen Angriff Englands durch Deutschland an lange, so glaube er ebensowenig daran. — Ob der Franzose bei dieser kühlen und würdigen Zurückweisung sich wohl ein bißchen geschämt hat? Im übrigen empfehlen wir Herrn Semler ein recht gründliches Studium dieser kleinen Kabi- ncttsleistung von Sir Charles. * Polens Jahrestag. Heute, anläßlich des Jahrestages der Veröffentlichung der polnischen Verfassung vom 3. Mai 1791, organisiert die erst seit einigen Monaten von der russi'chen Regierung zugeiasscne „Polnische Schulmutter" („Polska Macierz Szkolna") in ganz Polen eine Sammlung von Nationalgaben. Sämtliche Städte, Dörfer urch Ort schaften spenden Gaben. In ollen Städten werden patrio tische Vorträge gehalten. Die gesamten Einnahmen, die auf eine Million Mark veranschlagt werden, sollen polnischen Schulzwecken und der Hebung der Volksbildung gewidmet werden. Heute finden in allen Härchen Warschaus und der Gouvernemcntsstädte feierliche Gottesdienste statt, an denen die Schulen teilnehmen. — Die Duldung der polnisch-nationa len Agitation ist nicht bloß ein Zeichen von Rußlands heuti ger Schwäche, sondern zeigt auch eine deutliche Spitze gegen Deutschland. * Die russische Hungersnot. Der Reichsrat hat ein stimmig die von der Duma angenommene Gesetzesvorlage über die Bewilligung von 6 Millionen Rubel zur Unter stützung der von der Hungersnot betroffenen Provinzen an genommen. — Lin Tropfen auf den heißen Stein! * Die Petersburger Gesängnismeuterci. Der Aufruhr der politischen Einzelgcsanyencn im Petersburger Gefäng nis wurde gestern fortgesetzt. Der Generalinipektor ver sprach schließlich, ihre Forderungen: Entfernung des Ober aufsehers usw., zu befürworten. Die Zahl der politisch Verbannten in Rußland beträgt zurzeit 13000 Köpfe. * Gekniffen! Der Dumaabgeordnete Suraboff wurde vom Oberst Maksimosf und zwei anderen Offizieren wegen seiner beleidigenden Äeußerungen über die russische Armee gefordert, lehnte icdoch ab, nachdem die revolutionäre Par tei ihre Zustimmung zu dem Duell versagt hatte. * Prozeß Hertzenstein. Ein gewisser Topolew wurde in Pinsk unter der Beschuldigung, an der Ermordung des Professors Hertzenstein teiläcnommen zu haben, verhaftet. Der Verhaftete wird nach Wibvrg gebracht. * Die schwedische Zweite Kammer nahm ebenfalls den Regicrungsentwurf über das Uebereinkommen des Staates mit der Norbotniska Akticbelaq mit 134 gegen 80 Stim men an. * Die Camorra. In Neapel ist Astern der Priester Vitozzi verhaftet worden, unter dem Verdacht, die Flucht des Oberhauptes der Camorra, Enrico Alfano, ermöglicht zu haben. * Anleihe von San Salvador. Ein Telegramm aus San Salvador meldet, daß der Kongreß von San Salvador die Regierung zur Ausnahme einer Anleihe von 5 Millionen Dollars ermächtigt hat. > Feuilleton. Gib den Flamberg nie aus Händen. In Triumph selbst und Genuß. Denn du brauchst ihn aller Enden Bis zum letzten Atemschluß. Frieden wirst du nie erkämpfen. Dennoch! Schmück dir Schwert und Schmerz Hin und wieder mit Aurikeln, Und bekränze auch dein Herz. Detlev von Liliencron, Die 7. internationale Annftansftellung in Venedig. (Bon unserem römischen Korrespondenten.) Die Kunstausstellungen Venedigs empfehlen sich einiger maßen a priori dadurch, daß sie in Venedig sind und einen aktuellen Anlaß bieten, diese Stadt von wundersam be zwingender Schönheit und einziger Art auifzufuchen. Gewiß findet auch derjenige, der weniger die Ausstellung als die Kunst nnd im besonderen das Gemütsmoment in der Kunst sucht, einen innigen Zusammenhang zwischen jeder neuen Aeußernng künstlerischen Strebens und den unendlichen ge schichtlichen Zeugnissen eines großen ästhetiscl>en und gestal tenden Vermögens, wie sie sich in Venedig mit einem durch die Mystik des natürlichen Milieus geschaffenen besonderen Nimbus darbieten. Einen wesentlichen Zusammenhang zwi-schen Venedig selbst nnd der Kunstausstellung wird übrigens aber auch derjenige nicht verkennen, der bemerkt hat, daß die Kriterien, mit denen das moderne, das nicht bloß von den Herrlichkeiten der Ueberlioferung zehrende Ve nedig seine Kunstausstellungen organisiert, allmählich strengere nnd aus wohlsundierten Idealen logisch und plan mäßig abgeleitete geworden sind. Die heute eröffnete siebente internationale KunstauS- stcllunc, deren Jury Ludwig Dettmann, Domenico Trcnta- caste, Trajano Chitarin, Frank Brangwyn und Leonardo Bistolfi gebildet haben, begreift, wie von vornherein und im allgemeinen gesagt werden kann, keine minderwertigen, wenngleich manche noch nicht vollwertigen, indessen eine starke Befähigung nnd ein hohes Streben eindeutig bekun dend« Leistung«, Freilich ist zugleich zu bemerken, daß sie Hintergründe eines Seeufers plastisch von dem Dänen Lauri ts Tuxen auf Leinwand gebracht ist. Vorzüglich ausgedrückt durch Licht und Linie har der Holländer Cristofflc Bisschop die Erleuchtung und Beseligung, die einer Greisin aus der Lektüre der Bibel kommt. Als Ganzes ist sehr gut die Organisation und Milieugebuna der Ausstellung des Wiener „Hogenbund" und des Prager lZereins „Manes", an deren einzelnen Leistungen viel- fach noch die Tendenz zu bemerken ist, während Licht und Form, seelischer Gehalt und ästhetisches Streben der Werke z. B. von Hugo Böttinger, Ludwig Ferdinand Graf und Walter Hampel bereits offenbaren, wie man auf den Bahnen dieser Schule auch aff astro ge langt. Daß man die sinnliche Lust auch 'ehr vornehm und maßvoll künstlerisch auszudrücken vermag, Hal der alte Carolus Duran durch ein nacktes, auf weichem, mit rotem Samt und weißer Seide gedeckten Pft'bl ausgestreckics Werb mit rotgelbcm langem Haar bewiesen. Allerdings wird diesen Beweis nicht jeder gelten lassen: der Schwede Anton Zorn, dessen nackte Schöne im Bett etwas reichlich Kühle voraussetzen läßt, dürfte es tun; Franz Stuck, der eine Salome in leidenschaftlicher, durch den Anblick des ihr ge brachten blutigen Hauptes erregter Bewegung ausgestellt hat, hingegen schwerlich. Den mysteriösen Uobergang von Nacht zu Tag an einer steinigen, zerklüfteten, nur von ciu paar Segelbarkcn belebten Meeresküste hat die Schwedin Anna Bobcrg, die noch durch sechzehn andere Werke ein schönes Zeugnis starken Könnens bieret, durch Violett und durch eine große und bei aller Milde eindeutige Linien führung so dargcstcllt, daß Philosoph uno Maler gleicher- maßen befriedigt werden. Dem Kenner schwedischer Häus lichkeit bereitet es ein unsägliches Vergnügen, das frische, saubere, rotwangige Mädchen munteren Schrittes mit dem wohlbeladeuen Jrühstückstablctt so zu sehen, wie cs Carl Larsson in Hellen Farben auf die Leinwand gebracht hat. Ein außerordentliches synthetisches Vermögen offenbart Eugen Bracht in seinen drei lebens- und encrgievvllen Bildern vom Schaffen und Werden in Eisenwerken. Er ist säst der Gegensatz zu Ludwig Dettmann, der mit einem nahezu langweilig werdenden Maximum von Analy e §u einer Darstellung des Eintreffens einer guten Nachricht in einer Familie vermittels eines Engels und der ihm in individuell unterschiedener Pose entgegengehendcn und -sehenden Familien- und Darfglieder gelangt ist. Die Tänzerin Miß Allan in intensivster und doch künstlerisch sorgsam gemessener und ausdrucksvoller Bewegung adäquat wi^erzugoben, ist ein Problem, das der Deutsche Otto Marcus sehr gut gelöst bat. Auch Rudolf Schramm- Zittau hat auf seine Weise einen trefflichen malerischen Ausdruck für Bewegung gefunden bei einer Schar von Hühnern der unterschiedlichen Raffen, die ihr Frühstück ver zehren oder es noch erwarten. Einen neuen Beweis, was für großartige nnd scharfsinnige Porträtisten in England an- zutreston sind, liefert der englische Saal; vor allen sind cs die Werke von John Sargent, die Porträts im de- auch keine überwältigenden Offenbarungen und kein im Ge- j faltigen, mehr und minder sinnigen Kombinationen nötigt, kann sich trotz mancher großen Werte, die auch ihm eigen, nicht mit dem „dekorativen" Werke messen. Von ansehnlichen Skulpturen sind außer Nachbildungen größerer, seit geraumer Weile bekannter Werke von Max Klinger, A ü g u st Rodin, Konstantin Mcunicr, Tuaillon u. a. zu bemerken: Ein anatomisch und psychisch sehr fein gedachter und ausgearbciteter Coriolon (Bronze) von Wilhelm Wandschncide r. Eine Darstellung der Besorgnis vermittels eines schreitenden, mit dem Wurf leicht zurückhaltenden, den Kopf zur Erde neigenden Sämanns (Bronze) von Augusto Felici. Eine Darstellung der ihre beiden Kinder aus einem Buche unterrichtenden Mutter (Gips) von Theodor Lundberg. Vorzügliche Porträt büsten sowie eine auf tiefer Auffassung ruhende Darstellung eines Johannes (Bronze) von Fritz Behn. Die Wein ernte, dargestellt durch zwei Frauengestalten und einen Faun, die, einen Korb mit Reben mit ausgestreckten Armen über sich haltend, sich im Kreise bewegen (Marmor und Bronze, als Brunnen gedacht), von Adolfo Apolloni. Eine glückliche Wiedergabe der Unbeholfenheit und des wunder samen Reizes der ersten Schritte des Kindes stammt von Antonio Ilgo. Eine Frau, die sich voller Verzweiflung und gleichsam, um es dem Tode zu entreißen, auf ihr ver- storbcnes Kind stürzt (Gips), von AnnibaleDe Lotto. Ein Opfer der Bergwerksarboi!, an Licht und Luft getragen, offenbar von Vater, Mutter und dem eigenen Sohn (Gips), von Savcrio Sortini. Ein zum Sprunge ansetzender Mann in Lebensgröße (Bronze) von GIicenstein. Kon Nomagnoli, Jerace, Fontana, Nicolini und einer Reihe minder bekannter italienischer Bildhauer sind gute Arbeiten da, die sich gleichermaßen auf dem Gebiete des Porträts wie der mehr und minder symbolistischen Dar stellung von Einzelwesen und Gruppen bewogen. Im all gemeinen aber muß man sogen, daß weder die Mehrzahl der besten italienischen Bildhauer hier in Venedig vertreten ist, noch die vertretenen Bildhauer diesmal das Höchstmaß ihrer Leistungsfähigkeit gezeigt haben. Das Schwergewicht der Ausstellung liegt vielmehr in den Gemälden. Das gilt sowohl in bezug auf ihre Zahl wie auf ihren vielfach außerordentlich großen Wert. Der Amerikaner Eugen Benson hat eine ungemein schone, gemütsticfe Darstellung des zur Unterwelt hinabgesttcgenen Orpheus geboten, wie er durch dem Klang seiner Leier auf die auf grünem Felde ausgestreckten Weiber und namentlich auf die eine Eurydike, in deren Nähe er steht, den belebenden Ein fluß ausübt; der Fleischton der weiblichen Körper ist ebenso vorzüglich getroffen, wie das dunkelorangene Kleid deS Orpheus und die Belichtung des Ganzen aufs glücklichste ge wählt sind. Einen „Herbstlichen Sonnenuntergang am Meeresstranbe" hat durch starkes Golbrot und zwei einsam nach Hause strebende Fifchcrgcftaltcn der Italiener Fran cesco Sartorelli in einer großen, organischen und eindeutigen Weise auszudrücken verstanden. Dnrchlichtet und durch straft und Ursprüngsichkeik fesseln) ist eine weiß-»vv« c> n soc»e»l, u'.e vviicnc? im c,r» gelb, marsch- und arbeitsmäßig gekleidete germanische I sonderen des Lord Ribblesdalc, der Gräfin von Warwick mit Männergestolt (bas Porträt des P. S. Kroyer), die mit dem I ihrem Sohmh« und der drei um ein« Orangenbaum halt oder in der Technik eine bedeutsame Neuerung darstellen des Wenk bringt. Es Iwndelt sich mit anderen Worten nm eine als Bild der gegenwärtigen ernsten künstlerischen Arbeit in aller Welt sehr verdienstliche und höchst interessante Ver anstaltung, die natürlich einerseits durch sich selbst neue Werte nicht hat schaffen können, wie sie anderseits jedem ge gebenen Werte zur angemessenen Geltung nach Möglichkeit verholfen hat. Sind schon von den 595 nicht ciugcladenen Künstlern, die ihre Werke der Ausstellung zur Vcr'ügung gestellt hüben, nur 148 zugolasson und von ihren 860 Werken nur 212 ausgenommen worden, so haben diese überdies durcy die Unterbringung in den im großen und ganzen mit Sorg falt abgestimmtcn und nirgends überlasteten Räumen alle Rücksicht erfahren, die sie nur irgend in Anspruch nehmen durften. Eine ansehnliche Leistung auf dem Gebiete der dekorativen Kunst ist zuvörderst die malerische Ausschmückung des Ein- gongssaales durch Aristide Sartorio. Mit Hilfe der Mythen des klassischen Altertums gibt er eine Art von Dar stellung der Hanptmameute und der Philosophie des mensch lichen Labens. Das erste Bild, „Das Licht", zeigt die Ent stehung eines menschlichen Wesens und den Zyklus der Stunden: in einer oberen Zone sahen wir die Parzen, die den Neugeborenen halten, während die Erynicn die Schlangen, die Sinnbilder des Bösen, aufreizen und die Dioskuren die Schlangen zu durchbohren und zu zertreten suchen; in einer unteren Zone ist der Tanz der Töchter Auroras, die schweren Stunden suchen die leichten zu halten. Das zweite Bild, die Finsternis, gestaltet den Kampf des Lebens gegen die Hinterlist und Verdevben sinnenden Kräfte der Heuchelei: Reiter gehen an gegen die mannig faltigen Doppol-wesan, während verführerische Sirenen die Unvorsichtigen in den Abgrund ziehen. Das dritte Bild symbolisiert den Kampf zwischen der Keuschheit und der Ueppigkeit: der Wagen des Sohnes der himmlischen Venus wird belästigt und bsleidigt von einem ungeordneten Zuge von Bacchantinnen und ihren Gefolgen; der schlafende Eros geweckt von der neugierigen Psyche; der vererbte Amor neben einer Fortuna, die verderbende, gekünstelte Reize schaffende isteichtümcr ausstreul. Das vierte Bild endlich, „Der Tod", mit den Pferden des Thanatos, denen Hypnos vorangeht, von Harfenspielerinnen geleitet; im unteren Teile Frauen, die als Träger der ewigen Quelle neuen Lobens das Gebäude stützen, sowie im übrigen mit den herbsten Und unergründlichsten Schicksalsschlägcn klagend und unschlüssig befaßt sind. Zehn flankierende kleinere Bilder zeigen leichte und starke, offenbar Anmut und Kunst symbo lisierende Gestästen, die sämtlich auf je einem durch eine Männcrsigur, d. h. durch die männliche Energie getragenen Boden stehen. — An geistigem Gehalt und ästhetischer Ge staltung ist dieses „dekorative" Werk jedenfalls sehr vielen „eigentlichen" Kunstwerken überlegen; das Gemälde von Salvino Tofanari B., das das Wesen des Lebens zu versinnlichen suckit durch eine gewaltige blutrote Hand, die von oben eine Masse nackter Leiber verschiedenen Ge schlechts und Alters zusammenballt und preßt und zu mannig-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite