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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070711026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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»ezugt-Prek» für Leip^a u«d Vororte durch uns«« lrjgee und Spediteur« int Hau» gebracht: Aut- gab« L (nur morgen») »terteljährltch 3 M., monatlich I vi : Angabe > (morgen» und abend») virrteljthrltch 4.50 M., monailtch 1.50 M. Durch die Pest bezogen (2 «al täglich) innerhalb Deutschland» u. der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 IN., monatlich 1,75 Dl, audschl. Poftbrstellgkld, sür Oesterreich S L 86 k, Ungarn 8 L viertcllährluh. Abonnement-Annahme: Augnku»VIatz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und «nnahmeftEn^^owir Poftämt«» und Di« einzelne Nummer kostet 10 Nedakttou und «rvedtttour Johannitgasi« 8, Delephon Rr. 1«V2, «r. 1<W3» Nr. 148S». verltner «edaktidn» - vureau: Berlin IsIV 7, Prinz Loui« Ferdinand» Straße 1. D-lephon 1, Nr, 9275. Nr. ISO. Abend-Ausgabe v, MMerTagMalt Handelszeitung. Amlsvkatt des Rates und des Nolizeiamtes -er Lladt Leipzig. Luzeige» Prei» sitr Inserat« au» Leipzig und Umgebung di« 6gespalr«ne Petitzeil« 25 Pt., sinanzielle Anzeigen 30 Ps., ReNamen I M.; von aulwärt» 30 Pf, Reklamen 1.20 M ; vomSulland50Ps., finanz.Anzeigen75Ps, Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Deil 4>) Pi Bcilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post, gebühr. Neschasttan,eigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabat» nach Tarts. Festerteilte Aufträge können nicht zuruck gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme: Uuguftulplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Srpeditionen de» In- und Au-lande». Haupt-Filiale Berlin: Carl Duncke-, Herzogl. Bahr, tzosbuch- handlung, Lützowstvaße 10. (Telephon VI, Nr. LLS). Donnerstag 11. Juli 1907. M. Jahrgang. Da» Wichtigst« von» Tag«. * Der Kaiser ist nach guter Fahrt in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag in Bodö eingetroffen. Das Wetter ist meist trübe. An Bord ist alles wohl. * Am 19. Juli trifft der Dampfer „Windhuk" mit 500 und am 23. Juli der Dampfer „Bürgermeister" mit 200 Mann Truppen aus Südwestafrika in Cuxhaven ein. * Prinz Max von Baden ist zum Kommandeur der 28. Kavalle riebrigade (Karlsruhe) ernannt worden. * König Eduard wird vom 15. August bis 5. September in Marienbad zur Kur weilen. * In einer Kommission der Friedenskonferenz fand die erste Abstimmung statt. Ein deutscher Antrag (Unter scheidungsmerkmale für Miliz und Jreiwilligenkorps) wurde abgelehnt- Der katholische „Geheiinbunö" gegen -en Vatikan. Aus München erhalten wir folgenden kurzen Artikel, den wir, ob» wohl er auch schon Bekanntes enthält, abdrucken, da er manche neuen Gesichtspunkte aufweist: Nun ist's zutage. Die Verschwörer sind entlarvt. Furchtbares wußten die Organe des Vatikans über die Gefahr deutscher Rebellion, über den „Deutschen Kulturbund", über die „Liga der Katholiken" zu erzählen. Was davon übrig bleibt, ist der Plan strenggläubiger, dem apostolischen Stuhl ergebener Katholiken, sich in kirchlicher Ehrfurcht dem Papste mit einer Eingabe zu nahen, in welcher er um eine Revision des Verfahrens bei Aechtung von Büchern durch die Jndex-Kongre- gation gebeten wird. Der Plan ist allerdings geheim gehalten worden, weil man möglichst viel Unterschriften sammeln wollte und weil die Entrepreneure recht gut wußten, welche Feinde auch der leisesten Reform idee ihn schon im Entstehen zunichte gemacht hätten. Alle Vorsicht hat nichts genützt, auch die von allen Adressaten vorher verlangte ehren wörtliche Versicherung, das Geheimnis zu wahren. Es haben sich, und das ist bezeichnend, trotzdem Verräter gefunden. Die Eingabe, welche von den „Münch. N. N." in einem den Inhalt erschöpfenden Auszuge veröffentlicht wurde, entbehrt indessen bei aller Ehrerbietung nicht des Charakters, man darf mit Freude sagen, des deutschen Charakters. Denn es wird gebeten, den Jnderdekreten für immer alles zu nehmen, was das deutsche Nationalgefühl zu- rückwcist, vor allem die Verurteilung ohne Anhörung des Beschuldigten, die Geheimhaltung der Gründe der Verurteilung gegenüber dem Ver urteilten und endlich die ihm, nicht aber den Gegnern auferlegte Schweigepflicht. Man darf schon heute sagen, daß die Eingabe zu den Briefen gehört, die ihn nicht erreichen. Sie wird nicht mehr abgehen können, sie hätte auch ihren Zweck verfehlt, wenn sie in die Hände des Papstes gelangt wäre. Im Vatikan rüstet man sich zu einom neuen Syllabus, der alle Resormgedanken verdammt. Den Jesuiten und denen, die ihrer würdig sind, muß alles zum „Guten" dienen. Und so ist auch der deutsche „Geheimbund" für die Dunkelmänner hochwillkommen gewesen. Man sucht die Sache jetzt mit dem päpstischen Schreiben gegen das Andenken Hermann Schells, dem das Herz gebrochen wurde, in Zusammenhang zu bringen und be hauptet, die bayerische Zentrumspresse, die wieder den allertraurigsten Standpunkt einnimmt, voran, Schell habe selbst noch von der Eingabe gewußt und sie gebilligt. Der Zweck dieser unwahren Behauptung ist durchsichtig. In Wirklichkeit hat man dem herzensguten, aber gänzlich auf Informationen angewiesenen Pius X. einzureden gewußt, daß alle Reformgedanken, von wem immer sie ausgehen mögen, zu französischen Zuständen sichren müßten. Unter dieser Suggestion hat man den Papst zu dem Schreiben an Professor Commer vermocht, wird man ihn zum Erlaß eines neuen Syllabus vermögen. An diesem Werke, das wirklich eine Verschwörung ist, sind mit den Jesuiten vorzugsweise österreichische und ein Teil der deutschen Bischöfe, besonders auch der Bischof von Nancy tätig. Das päpstliche Schreiben an Commer muß, so ist, wie bereits ge meldet, der gemessene Befehl ergangen, vom deutschen Episkopate in den Diözesanblättern veröffentlicht werden. Ein Teil wird es gewiß mit Wonne tun und dabei nicht mit Ermahnungen an die Gläubigen sparen, sich nicht vom Linken umgarnen zu lassen. Die Frage wird nur sein, wie sich die beiden bayrischen Mitglieder des Episkopats, die den Aufruf für Schell unterzeichneten, aus der Affäre ziehen. Es gibt nicht wenige, die glauben, daß der vielgeprüfte Erzbischof von Abert und der Bischof von Henle eher ihr Amt niederlegen, als daß sie sich in ihren Amts blättern bescheinigen, daß sie in Unkenntnis der kirchlichen Lehre besangen sind oder unter verleumderischem Vorwande dem apostolischen Stuhle Widerstand leisten. Das Wahrscheinliche wird aber doch die Unter werfung s '. Im Erzbistume Bamberg wird zu Ende dieser Woche dessen 9A,,ahmges Jubiläum gefeiert, man mag auf die Ansprachen des Erzbischofs begierig sein. Für die Erzdiözese München wird bereits für die nächsten Tage das Erscheinen des Papstbriefes im Amtsblatts an gekündigt. Und Unterwerfung wird überall die Losung heißen. Deshalb darf man aber die jetzt wieder zutage getretene Bewegung nicht geringschätzig beurteilen. Der Reformgedanke läßt sich in deutschen Katholikenkreisen nicht mehr ertöten. Er lebt trotz aller Unterdrückung weiter, ja er wird durch sie erstarken. Vielleicht mag eine kommende Generation ihre Früchte genießen. Wie man inzwischen in Italien vom Vatikan aus vorgeht, zeigen folgende Meldungen des „B. T.": In vatikanischen Kreisen herrscht die feste Ueberzeugung, daß Papst Pius in der Bekämpfung aller modernen Richtungen des Katholizismus unbeirrt fcrtfahren und jeden Versuch, selbst der bescheidensten Reform, unnachsichtlich Niederschlagen werde. Dabei wollen wenigstens die „christlichen Demokraten" Italiens durchaus nichts Unbilliges, sondern möchten nur, daß die Kirche dem Geiste der Zeit einige Rechnung trage. Es handle sich gar nicht um Aenderung der großen Prinzipien, noch um eine separatistische Bewegung. Uebrigens werde, so glauben sie, der Vatikan dem Anstürme der modernen Tendenzen, die sich heute in Ita lien, Amerika, Frankreich und nun auch in Deutschland erheben, wohl auf die Dauer nicht widerstehen können. Alle Verfolgung, wie sie ins besondere in Italien angewandt wird, werde schließlich den Sieg der freieren Richtung nicht verhindern können. Der Vatikan macht mit der Maßregelung der aufgeklärten Ele mente Ernst. Wie aus Perugia gemeldet wird, wurde der Rektor des vortrefflichen Seminars, Monsignor Fracassini, ein bekannter Bibel- ereget, der auch für deurschc theologische Zeitschriften schrieb, seines Amtes enthoben. Fracassini genoß das volle Vertrauen Leos Xlll., der ihn in die Bibelkommission herief. Da der Monsignore dem neuen Regime als liberal verdächtig erschien, erfolgte nunmehr seine Absetzung, ohne daß der Gelchrke erst ongehört wurde. Vergebens hatte selbst der Erzbischof von Perugia gegen diese Maßregel protestiert. ZeitungsstiINmen. Recht interessante Mitteilungen macht der Berliner »L.-A." nach Angaben des UniversitätsproftssorS Dr. Josef Kohler über die Auf» gaben und Ziele der Kommission zum Studium des EtngebsrencnrechtS, die am Dienstag in Berlin zusammentrat. Er spricht zunächst von Fragebogen, die er entworfen unv die ihm von der Kolonialabteilung ebenso wie von Missionaren beantwortet Worten sind. Durch sie wollen wir die Familienverhältnisse der unserem Schutz anvertrauten Naturvölker ergründen — Verhältnisse, die vom Mutter- zum Baterrecht hin überspielen. Wir wollen ferner Klarheit über ihre Rechtsbeariffe von der Ehe gewinnen, die meist eine Kausche ist. Weiter wollen wir über ihr Strafrecht belehrt sein, das aui der Blutrache sich ausbaut, und wollen Einblick in das Prozeßrecht erhalten, das teils Häuptlings-, teils Priesterrecht ist und bei dem der Fetisch und das Gisturteil eine große Rolle spielen. So stellt sich die Aufgabe unserer Kommission zunächst als eine wissen schaftliche dar, aber sie verfolgt auch einen eminent praktischen Zweck. Es wird dadurch unserer Verwaltung die Möglichkeit geboten, sich mit den Rechts anschauungen der Eingeborenen vertraut zu machen, und diese Vertrautheit soll daun verhindern, daß wir die Völker in ihrem Rechtsempfinden verletzen. Man hat über mich gelacht, als ich das „Recht der Herero" las. Würde man dieses Recht nur besser gekannt und also auch mehr geachtet und beachtet haben, e§ wäre vielleicht das Unglück über Südwestasrika nickt Hereingebrocken. So hat die Kommission auch eine politisch wertvolle Mission zu erfüllen, und ich beabsichtige anzuregen, einen Kodex über das Rechtsleben der Eingeborenen anzulegen und die hinausgehendcn Beamten darin unterweisen zu lassen. Diesen Kodex würde ich mir so denken, daß er den Rechtsanschauungm der Naturvölker möglichst Rechnung trägt, selbstverständlich unter Ausmerzung aller barbarischen Rechtsgebräuche, wie es z. B. das Gisturteil ist. Auch die Würde des Häuptlings als obersten Richters kann nicht unangetastet bleiben. Haben die Naturvölker auch keine geschriebenen Gesetze, so besitzen sie doch ein ganz scharf umgrenztes Gewohnheitsrecht. Hierüber haben die Holländer, Eng länder und Franzosen Werke von hohem Werte geschrieben, und den Nordameri kanern verdanken wir reichen Aufschluß über das Recht der Rothäute. So ist es für uns Deutsche, abgesehen von den praktischen Gesichtspunkten, auch eine Ehrenpflicht, nicht hinter diesen Nationen zurückzustehen und uns unseren Ruf als rin wissenschaftliches Volk auch dadurch zu bewahren und ihn zu betätigen, daß wir die Gesetze der unserer Herrschaft unterworfenen Stämme sammeln, um sie einer Nachwelt einst zu übermitteln in der die jetzigen Wilden vielleicht völlig nach unseren Kulturbegrifsen leben." Zur Beantwortung der Frage „Wer ist Commer!" trägt die »Deutsch- Eoaugclitche Korrespondenz" folgendes hinzu: Die „Kölnische Volkszeitung" bringt in ihrer Nr. 582 einen weiteren Bei trag zu dem Charakterbild des Wiener Professors und „geliebten Sohnes" Pius' X. Wie Commer Werke seiner Gegner zu rezensieren pflegt. Da passierten ihm in einer Besprechung des 3. Bandes von Pastors Papst, aeschichte unter vielen anderen folgende besonders niedliche „Entgleisungen". Commer warf Pastor vor, er habe sich bei der Beurteilung Savonarolas auf das „skandalöse Diarium" des Joh. Burchard gestützt. Tatsächlich war in Pastors Werk immer nur der Baseler Professor Jak. Burckbartt an- gezogen worden. Noch bedenklicher war Commers Vorwurf, Pastor nenne Savonarola einen „Vollsverfükrer", während tatsächlich immer nur im ganzen Werk von einem „Volkssührer" die Rede ist. Man sieht, Commer liebt es, mit kleinen Mitteln Großes zu erreichen. Pastor fällte denn auch über Comimr seinerzeit ein vernichtendes Urteil. „Ein Nichtfachmann, der sich in Dinge ein mische, die er nur oberflächlich kenne." Das also ist Commer, aus dessen Buch sich der Papst über Schell informiert hat, um dann, wie die „Augsb. Postsig." mitteilt, „ganz objektiv, nach freier Entschließung uod wohlerwogen" zu handeln. Deutsches Reich. Leipzig, 1 . Juli. -e- Fürst Heinrich XIV. Reust j. L. Am heutigen 11. Juli blickt der Fürst Heinrich XIV. Reuß j. L. auf eine 40 jährige Regierungsreil zurück. Der Fürst ist in Dresden eine sehr bekannte und beliebte Perfon. Den Winter pflegt der 75 Jahre alte Fürst in seiner irr der Wiener Straße gelegenen Villa zuzubringen und da auch zuweilen Hoffestlichkeilen zu besuchen. Das heutige seltene Regierungsjubiläum wird Fürst Heinrich XIV. in aller Slille und Zurückgezogenheit in seinem Schlosse zu Greiz verbringen. Verlor er doch erst im Mai seine zweite Gattin, Frau Baronin von Saalburg, durch den Tod. Der Fürst kam am 1l. Juli 18K7 auf den Thron und übertrug vor mehreren Jahren seinem Sohne dem Erbprinzen dauernd die Vertretung in der Regierung von Reuß j. L-, mußte aber dann nach des Fürsten Reuß ä. L. Tode im April 1902 die Regentschaft von Reuß ä. L. sür den kranken Fürsten über nehmen. Während seiner Regierungszeit hat er immer treu zu Kaiser und Reich gehalten. * Aus dem diplomatischen Dienst. München, 11. Juli. Auf den bayerischen Gesandtschaftsposteu in Stuttgart ist der Minister resident Freiherr v. Ritter zu Grünstein in Bern berufen worden. Zum Ministerresidenten in Bern ist Ministerrat Ritter v. Böhm, bisher im Ministerium des Aeußern, ernannt worden. Der Attachee bei der Gesandtschaft am italienischen Hofe, Graf Prey sing, ist zum Sekretär vafclbst ernannt worden. Feuilleton. Die moralische Größe bestand bei den alten Griechen in einer ebenso unveränderlichen Liebe gegen seine Freunde, als unwandelbarem Hasse gegen seine Feinde. Lessing. Camargo. Don Fr. Katt (Berlin). Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts unterscheiden wir beim Ballett der Königlichen Opära zu Paris dreierlei Spezies dieser graziösen Kunst: das feierliche Genre, das komische Genre und das Schäferballett. Um das Jahr 1725 überbietet eines das andere an Langweiligkeit, mancher Abend im Kunsttempel Terpsichorens wird von den kipeotatsurs verträumt und vergähnt. Da plötzlich taucht in dieser trüben Wirklichkeit ein strahlendes Zukunftsmeteor der edlen Tanzkunst auf. Ein anmutiges, kleines, schwarzlockiges, sylphidenartiges Ge schöpf betritt die Bretter, welche die Welt bedeuten: Marie-Anne de Cuppi de Camargo, und bringt eine vollständige Umwälzung der da- maligen Theaterepoche in Frankreich hervor. Der Vater unserer Heldin, wandernder Tanzmeister, Musikant und avovtiu-ior, führt den stolzen Namen: Ferdinand Joseph de Cuppi de Camargo, treibt zu Brüssel sein fahrendes Wesen und ernährt mit diesen Künsten eine zahlreiche Familie. In Brüssel erblickte denn auch Marie- Anne am 15. April 1710 das Licht der Welt und berechtigte schon im zartesten Alter zu den schönsten Hoffnungen. Sorgfältig unterrichtet der edle Seigneur und Tanzmeister das kleine Mädchen in seiner Kunst. Bald tanzt das zwölfjährige Dämchen die schwierigsten Pas und Gavotten mit erstaunlicher Leichtigkeit. I-a prino««« ck« I-isruo, welche die Kleine protegiert, redet Cuppi eifrig zu, la kiUcckt« zur berühmten Pravost nach Paris zu senden; sie versichert dem zögernden Vater, die Königin des Tanzes werde die Ausbildung der Tochter übernehmen. Sieur Cuppi de Camargo, mit Geld und sonstigen Mitteln von der hohen Gönnerin reichlich versehen, besteigt mit dem Töchterchen den bequemen Reisewagen, und fort geht's nach Paris, dem glänzendenZiele aller Wünsche und Hoffnungen. Dort beginnt nun für Änne-Marie ein Leben des Fleißes und der Arbeit. Binnen dreier Monate hat die Kleine von der berühmten Lehrmeisterin das Beste profitiert. Sie kehrt nach Brüssel zurück, debütiert dort, gefällt und erlangt schließlich ein dreijähriges Engagement am Theater zu Rouen, welches ihr Pslissier, der dortige Direktor, anbietet. In Rouen erwarten Is pstät xapillou Ehren und Freuden die Hülle und Fülle. Fast drei Jahre führt die jetzt fünfzehnjährige Demoiselle mit ihrer nach Rouen übersiedelten Familie ein friedliches, angenehmes Dasein. Da hält das Unheil seinen Einzug. Pölissier, der Direktor, gerät in Geldbedrängnisse, das Theater schließt seine Pforten. Traurige Tage brechen jetzt für die Familie herein. Manche Träne netzt die Wangen der p«t,it« Oumurso, da — o Wonne — erscheint eines Tages der rettende Helfer in der größten Not, und Dame Fortuna tut ihr glänzendes Füllhorn auf. Francine, der exzellente Geigenvirtuose und ckireataur der Xoucköiui«, ro^alo cks rausigue, in Paris, hat die junge Flämin im vergangenen Jahr in Rouen tanzen sehen und ihr großes Talent bewundert, er bietet Marie-Anne ein Engagement an dem berühmten Kunstinstitut an, sie willigt mit Freuden ein. Am 5. Mai 1726 debütiert „Marie-Anne de Camargo", so nennt sie sich fortan, an der Oper in einem schwierigen Pas und wird rasend applaudiert. Jugend und Anmut der Debütantin tragen den Sieg an diesem bedeutungsvollen Abend davon. Plätze werden am anderen Tage mit Lebensgefahr erobert. Fortan gibt es Coiffuren und Roben L I» Camargo, ganz Paris schwimmt in einem Taumel des Entzückens. Seltsamerweise ist Demoiselle Camargo nicht durch blendende Schönheit ausgezeichnet. Bilder jener Periode lassen sie uns als eine sogenannte deaute äu ckindlo erscheinen, schwarze feurige Augen, stumpfes Näschen, dazu ein zierliches Figürchen. Zwei Dinge jedoch besitzt die Ballerina, welche das Jahrhundert, dem sie angchört, verherrlicht hat; den kleinsten Feenfuß, der je die Bretter betreten, und ihr verdankt die Tanzkunst das jetzige kurze Gewand der leichtbeschwingten Töchter Terpsichorens. Parteien bilden sich, welche scharf gegen die kurzen Kleider ins Feld ziehen. Sie unterliegen kläglich, und fortan, ruft Grimm frohlockend aus: „wird das kurze Gewand der anmutigen Camargo rexnor sur ls cksase!" Das Trikotgewebe erscheint. Leicht und anschmiegend läßt der dünne Stoff allen Bewegungen der Tanzenden freien Spielraum und bedeckt zu gleicher Zeit dezent den Körper. Bald gelingt es Mademoiselle Camargo, die Stelle der ersten Solotänzerin, ihrer Lehrmeisterin Prövost, einzunehmen, und Adrienne Lecouvreur, die berühmte came- (liknrne, schreibt im Jahre 1728 an den Marschall von Sachsen: „In Roland von Quinault und Lulli überrascht eine gewisse Tänzerin Camargo durch Jugend und Leidenschaft. Blondi, der König aller Tänzer, ist in die scharmante Kleine vernarrt, und unsere arme Prövost denkt daran, sich von der Bühne zurück»uziehen." „I-s re^ns ck«, esies" beginnt, auch die Gavotten, Rigaüdons, die ernsten Tanze (Lourdes), und die Zigeunertänze (Tambourins) tanzt die Diva meisterhaft. Die Erfindung der baskischen Nationaltänze, welche sich von vorn nach hinten in graziösen Sebwinaunqen bewegt», verdanken wir Camargo, desgleichen die vierfachen Luftsprünge, welche die Pariser zu jauchzendem Enthusiasmus begeistern. Ihr größter Triumph besteht darin, das Lampenmenuett auszu führen, einen schwierigen Pas, welcher ganz dicht am Rande der Bühnenlampen, von einer Seite der Rampe zur anderen ausgcsührt wird. So beherrscht denn Camargo das Ballett und Io piocl <Io In po'tito 6su8ou8o die zahlreichen Anbeter der Dame. Graf de Melun, ein reicher Seigneur, entführt eines schönen Tages die Ballerina samt ihrer kleinen dreizehnjährigen Schwester Sophie in sein Hotel, Rue des Cultures-Saint-Gervais. Wütend über diese Affäre, sendet Papa Cuppi ein geharnischtes Billett an den Kardinal Fleury, in welchem er mit rührenden Worten bittet, die Ehre seiner Tochter wieder herzu stellen. Denselben Tag noch kehrt Sophie in die Arme des Vaters zu rück, Camargo bleibt und verlebt einen sonnigen Liebesfrühling mit dem galanten Grafen. An einem heißen Junitag des Jahres 1731 promenieren die Pariser neugierig vor den Fenstern der Diva vorüber. Gruer, der Nachfolger Francines, gibt seiner Ballerina um 2 Uhr nachmittags ein solennes Champagnerfest, welches die „Gazette de France" und den „Mcrcure" zu begeisterten Schilderungen veranlaßt. Marquis de Sourdis ruiniert sich für Camargo, und Louis Bourbon, Graf von Clermont, Sohn des Prinzen Louis de Condö III., eine der merkwürdigsten Persönlichkeiten des achtzehnten Jahrhunderts, halb Militär, halb Geistlicher, opfert sür die boautö ciu siiatsio die Hälfte der Einkünfte seiner ausgedehnten Tafel- güter und Abteien. Auch der große Friedrich bemüht sich vergeblich, nach dem Abgänge der Barbcrina, Camargo an seine italienisch« Oper zu fesseln, diese zieht es vor, in Paris, der Stätte ihres Ruhmes, zu bleiben. Noch zwölf Jahre lang besitzen die Pariser die göttliche Tänzerin, während dieser Zeit erfindet selbige den ersten Kontertanz, indem sie in der Oper „Pyrame et Thisbö" ein reizendes Duo, welches eigentlich gesungen wird, zu einem Enscmbletanz gestaltet. Derselbe wird Camargo genannt, während eines Jahrhunderts getanzt und ist der erste Kontertanz gewesen, welcher sich bis auf den heutigen Tag der besonderen Gunst des tanzlustigen Publikums erfreut. Im Jahre 1752 verläßt die Künstlerin für immer die Bühne. Ein schönes Vermögen und 1500 Livres Pension nennt sie ihr eigen. Von diesem Augenblick an lebt sie gut bürgerlich, nur die Legende ihres Aschenbrödelfüßchens hat sich bei den Parisern erhalten. Erst am 18. April 1770 scheidet die Königin der leichtbeschwingten Grazie aus dieser. Welt. Mit der Camargo schwand die berühmteste Jüngerin Terpsichorens dahin. Weiß und blaue Behänge, das Zeichen der Jung fräulichkeit, zierten den Leichenwagen, welcher die einst so gefeierte zur letzten Ruhestätte geleitete, und Grimm, der Philosoph, ein warmer Verehrer der Verblichenen, widmete seiner Freundin rührende Abschiedsworte.
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