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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070725024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907072502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907072502
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-25
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Abend-Ausgabe 8. DezugS-Prei« für Lechzt« und Vororte durch unser« Lri,«r und Lpedtteure tnl Hau« gebracht: Lui- g-be 4 (nur morgen«) vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M.; «u«aabe » (morgen« und abend«) vierteljährlich 4.50 M., monatlich I.SO M. Durch die »oft bezogen (2 mal täglich» innerhalb Deutschland« u der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,2b M. monatlich 1.75 M. aulschl. Postbeftellaeld, sür Oesterreich S L «S d, Ungar» 8 L vierteljährlich. «bonnement-rlnn-bme: Augustusolatz 8, bei unseren Drägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestelle^ sowie Postämtern und Di« einzelne Nummer kostet 10 Ps» «edaktion nud Lxpedtttoue Johannirgasie 8. Telephon Nr. 14692, Nr. I4SS3, Nr. 146S4. Lerltaer «edaktivu« - ivureau: Berlin 7 Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Rr. 9275. Nr. 2«4. KiMerTaMM Handelszeitung. Ämtsvlatt -es Rates und des Rotizeiamles der Lladt Leipzig. 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Feuill.) * Wie die Eisenbahndirektion mitteilt, ist die VerkehrS- besckränkung nach der unv über die Kaschau-Oderberger Bahn aufgehoben worden. * Die englische Regierung soll die Kündigung der Brüsseler Zucker-Konvention aufgegeben haben. * Der österreichische Reichsrat ist gestern in die Sommer ferien gegangen. Von einem Sessionsschluß wurde abgesehen, um den Fortbezug der Diäten zu ermöglichen. (S. Ausl.) * Der Courriöres-Pro.eß ist durch Beschluß der Anklazekammer von Donay eingestellt. (S. Ausl.) Di- winzevb-rv-gttirg rin Rheingau. In Deutschland haben wir schon seit längerem eme Art Wiuzer- bew.guna. Nur hat sie bisher nicht in gleichem Maße wie die auf rührerische südsranzösische Bewegung die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Vor kurzem bat der Verein hessischer Weinbergsbesitzer in einer Eingabe an die deutschen Bundesregierungen genaueste Du^)- südrung der „zur Berhülung einer weiteren Schädigung umeres ohne dies schon schwergeprüften deutschen Weinbaues" erjorderlichen Maß regeln unv speziell strenge Kontrolle der ausländischen Weine sofort bei Einführung in deutsches Reichsgebiet gefordert. Aus dieser Eingabe spricht laut die Ungunst der Verhältnisse, unter der zahlreiche Winzer leiden. Besondere Aufmerksamkeit verdient eine Bewegung, die sich in dem allberühmteu, viel besungenen Rheingau angebahnt hat. Für den 15. August (Mariä Himmelfahrt) ist nach Oestrich eine Versammlung der Wmzer des RheingauS einberufen woroen. Der den preußischen LaudtagsivahllreiS Westerburg-Unterwesteiwalvkreis vertretende ZrnirumS- abgeordnete Rechtsanwalt Dr. Dahlem bat ein Referat sür die Ver sammlung übernommen. Daß auch die Weinbaufachversläudigen anderer Parteien eingeladen worden seien, hört man nicht, und doch ist die Sache der Rheingauwinzer sicherlich nicht Angelegenheit einer einzelnen « Partei. Es muß dasür gesorgt werden, daß sie auch nicht dazu gemacht wird. Nicht eine Parteiagitation, sondern eine sorgfältige sachl che Prüfung der volkswirtschaftlichen Ursachen der mißlichen Lage zahl reicher Weinbauern des RheingaueS ist nötig. Die wechselnden Ernten, die Bodenbewegung, die starke Bodenbelastung durch Schulden, die Kon kurrenz durch Bier und billige Auslandweiue, dazu auch die Anti- alloholströmung und andere Ursachen können hier angeführt werden. Einen wissenschaftlichen Beitrag zu der Frage hat soeben Emanuel Kayser in dem Schmollerschen Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung unv Volkswirtschaft gegeben. Er spricht sich u. a. über die Absatzver hältnisse der Rbeingauer Weine aus und unterscheidet da zwischen den besseren, zum Teil weltberühmten und den geringeren Gewächsen. Er sagt daiüber: . . . „Diese besseren Sorten sind in ihrer Eigenart unerreicht, vor allen Weinen der Welt kommen sie den Ansorderungen des „indivi duellen Geschmackes" entgegen. Es sind darunter vollklingende Namen, Marken nut althisiorischem Glanz. Diese sie auszeichnenden Momente machen sie konkurrenzlos, sie genießen den Vorzug eiuer Art Monopol. Ihre hervorragenden natürlichen, nicht reproduzierbaren Qualitäten sind eS, die sie vor der Schmutzkonkurrenz der Kuustweiniabrikalion, deö Ver schnitt- und Ueberstreckungsverfahrens glücklich bewahrten, unv ihnen trotz allem zeitlichen Wechsel hinsichtlich der Geschmacksrichtung der Weinkonsumenten einen festen Stamm von Abnehmern zu erhalten ver mochten. Die Weine aus den besseren Rbeingauer Lagen genießen Weltruf, ihr Absatzgebiet dehnt sich weit über die Grenzen Deutsch lands hin aus. Der Vertrieb der geringeren Rheingauer Weine stebt unter keinem gleich günstigen Stern. Diese Weine nehmen, sofern es sich um Produkte der Rieslingrebe handelt, eine unglückliche Mittelstellung ein zwischen Qualitätsweinen und ausgesprochenen Tischweinen.... Ihr Absatz gebiet ist ein beschränktes. Es erstreckt sich in der Hauptsache über das mittlere westliche Deutschland. Diese Weinsorten sind es auch, die in eister Linie unter der Mode in der Geschmacksrichtung des großen Publikums zu leiden haben . . . Früher lieble man volle, süße, hochfarbige Weine; heute bevorzugt man hell getönte, spritzige Weine von eleganter Art. In letzter Zeit Hal sich die Gunst der Weintrinker immer mehr den leichten, bekömmlichen, von Aerzten allgemein empfohlenen Moselweinen zugewendet, die infolgedessen nnverbältmäßig hoch im Preise stehen unv den kleinen Rheingauer Weinen eine heftige Konkurrenz bereiten. Die schon im 16. Jahrhundert bestehende Konkurrenz zwischen Rheingauer Weinen und Bier bat sich mit dem Aufblühen der Bier- invustrie in den benachbarten größeren Städten Mainz, Wiesbaden und Frankfurt a. M. und namentlich mit der Verbreitung des Flaschenbier handels bedeutend verschärft. Häufig genug kommt es vor, daß der geringere Wein ungetrunken liegen bleibt, dagegen das Geld sür kon sumiertes Bier nach auswärts wandert." Die Wirkung deö WeingesetzeS von 1901 wird durch Kayser günstig beurteilt. Der Markenmißbrauch habe abgcnommen. Dagegen habe die Konkurrenz ausländischer Weine den geringen Rheingauer Sorten eine Ausdehnung ihres Absatzgebietes unterbunden. Die Vorschläge zur Besserung werden sich naturgemäß zunächst in der Richtung der von mehreren Parteien im Reichstage vorgebrachten Forderungen bewegen. Namentlich die einheitliche Durchführung einer scharfen Kcllerkontrolle durch beamtete Sachverständige über das ganze Reich hin erscheint unumgänglich. Gras PosadowSky hat ja auch bereits bei den diesjährigen Verhandlungen zugestimmt, daß vie Kontrolle verschärft Werren müsse. Die Petition der hessischen Weinbergsbesitzer betreffs der ausländischen Weine verlangt ebenfalls sorgfältige Beachtung. Hoffentlich bringt das neue Weingesetz, zu dem ja nun von der Regierung ein Entwurf ausgearbeitet jein soll, die Erfüllung dieser Forderungen. Man muß auch mit Interesse den Forderungen entgegensehen, die etwa aus ven Reihen der Rheingauer Winzer gestellt werden. Eiuer parteipolitischen Ausnutzung der schwierigen Lage der Rheingauer Winzer muß aber, wie schon angedeutet, gewehrt werden. Auch dürste cs kaum rum besten der Hauptpersonen, als welche wir die Winzer und nicht die Zentrums agitatoren anseben, sein, wenn durch lärmende Kundgebungen nn Nhein gau das Vorurteil erweckt würde, es werde in Rheingauer Weinen massenhaft gepantsckt oder die Winzer könnten ihren Wein nicht los werden. Die Verhältnisse im Rheingau, wo die „Masse" knapp ist, liegen ganz anders wie in Südirankreich, wo man nicht weiß: wohin mit dem vielen Wein, und verlangen aus diesem und aus weiteren Gründen eine ganz andere, vor allem eine minder turbulente Be handlung. Z-Ltungsstirnin-n. Im „Tag" veröffentlicht I)r. Karl PcterS ein Nachwort zu dem Münchner Prozeß. Er setzt sich darin mit seinen Gegnern über eine Reihe der bekannt n vielumstrittenen Einze-fragen auseinander, kommt außerdem aber auf zwei Punkte zu sprechen, in denen seiner Ansicht nach die prinzipielle Bedeutung des ganzes Falles liegt. Hierüber äußert er sich wie folgt: „Der eine Punkt ist mir von Beginn meiner kolonialpolitischen Tätigkeit an lebendig vor Augen gewesen, und ich sprach ibn am 24. August 1889 zu Feuilleton. Wer am Denken nicht gelitten hak, weiß nicht, was denken L. Stein. * Mit Dernburg nach Deutsch-Ostafrika. (Von unserem Spezialberichterstatter.) I. An Bord des „Feldmarschall", den 18. Juli. Es war vor drei Tagen, nach 9 Uhr abends. Wir hatten uns in den Straßen Neapels müde gelaufen, hatten Pompeii gesehen, waren an den weingescgneten Abhängen des Ve>uv herumgcklcttert und harrten nun, über das Geländer des „Feldmarschall" in das Dunkel hinausspähend, der Ankunft des Leiters unseres jungen Reichskolonialamtes. Unser Schiff lag weit draußen im Hafen. An Backbord blitzten und glitzerten von der Höhe des Posilipv allerlei Lichter zu uns hernieder, streckte sich von der Stadt her die endlose Laternenreihe der Via Partenope, während sich über Steuerbord die schönen Umrisse des schlummernden Vulkans und weiter hinaus felsreiches Gebirge vom Sternengefunkel des mond- los schwarzen Nachthimmels abzeichneten. Unsere Kapelle erfreute unS durch das „Lrxo dibsrnus" das Herz, das wie ein Bienenhaus ist, die letzte Rose und andere wunderschöne Weisen; dazu erklangen Harfe und Fibeln von einem Boot, auf dem weißgekleidete Mädchen beim grellen Licht einer Pechfackel kakewalkten und den dichgedrängten Blaujacken droben an Backbord für diesen Augen- und Ohrenschmaus deren Nickel und die vom Landurlaub übriggebliebenen Zehncentesimistücke ab bettelten. Geradeaus lag in festlichem Lichterglanz Neapel. Ter Stadt teil am Hafen feierte dort irgend einen Spezialheiligen, und die Schiffe, die am Kai lagen, batten fick beliebt gemacht, indem sie mitilluminierten. Das gab ein sehr schönes Bild; ich empfand es schmerzlich, trotz mehr facher Bemühungen, nicht in Erfahrung bringen zu können, unter den Auspizien welches der Kirchenpatrone Neapels der Staatssekretär seine Reite antreten sollte. Von der Gegend der Illumination her wurde dann das rote Licht eines schnell fahrenden kleineren Dampfers sichtbar, der gleich darauf an der zu Ehren des Tages an Steuerbord hermeder- aelassenen Außentreppe lag; die Stewardkapelle riskierte das „Deutsch land, Deutschland über alles", die kakewalkenden Schönen wunderten sich, weshalb ihr Publikum plötzlich nach der andern Seite des Tecks hinüber lief, der Kapitän des „Feldmarschall", seinem Aeußcren nach ein ins Seemännische umgeschriebener Ohm Krüger, schritt den Ankömmlingen feierlich bis zur halben Höhe der Treppe entgegen und führte dort salu tierend die Hand an die Mütze, ein Herr ,n unbestimmt farbigem Paletot eilte mit der Behendigkeit eines Leichtmatrosen die Treppe hin an, einige andere, auS deren Mitte die Hünengestalt des Obersten Quade nm Haupteslänge hervorragte, folgten bedächtiger, und Staatssekretär Dernburg wie seine Begleiter befanden sich unter den Flaggen des Reiches, Hamburgs und der deutschen Ostafrikalinie an Bord des Neichspostoampfers „Fcldmarschall". Eine bedeutungsvolle Fahrt nahm ihren Anfang. Wenn sich die Hoffnungen verwirklichen, die hier an Bord, daheim im Reich und überall bei den Deutschen im Ausland an sie geknüpft werden, dann wird das Datum des 15. Mai 1907 in der Geschichte der wirtschaftlichen und kolonialen Expansion Deutschlands eines Tages seinen Platz finden. Am andern Morgen erwachten wir angesichts des Stromboli. Zwei Stunden später liefen wir in die Straße von St. Bonifazis ein. Es ist hier nicht meine Ausgabe, das Mittelmeer zu entdecken oder mich über die allgemeinen Reize und Annehmlichkeiten einer Juli-Seefahrt nach dem Süden zu verbreiten. Ebensowenig ist cs meines Amtes, die kleinen Er lebnisse unserer Reise, auch wenn sie mit der Person des Staatssekretärs in irgend einem Zusammenhang stehen, in einem Epos zu besingen. Ich registriere daher nur, daß sich d:e See bis jetzt ganz tadellos vcnimmt. Mir haben nicht einen einzigen Seekranken an Bord. Schwarzseherisch Veranlagte kassandcrn allerdings, daß das von Aden an anders würde, da wir dann dort, im Indischen Ozcan, den Monsun gegen uns haben werden; im Augenblick indessen macht uns das wenig Kopfschmerzen. Für Wißbegierige teile ich ferner mit, welches Heim dem Staatssekretär eingeräumt worden ist. Es ist die im Allerheiligsten des „Feldmarschall", nämlich auf dem — unter die Teviie: Eintritt verboten!" gestellten — Kommandodeck gelegene, aus drei Kabinen mit besonderer -Ladeeinrich tung bestehende Kapitänswohnung. Für das Gros der Passagiere wird Exzellenz Dernburg nur bei Frühstück und Tiner sichtbar; in seinen Privatränmen hat er Besprechungen, hält er Konferenzen ab, sieht er auch abends, wie z. B. gestern aus Anlaß seines Geburtstages, einige Gäste zu einem Glase Bier bei sich. Im übrigen studiert und schreibt er, nach Versicherung der Offiziere des Dampfers, bis spät in die Nacht hinein. Hierzu möchte ich, ohne der Qualität dieses Zeugnisses zu nahe treten zu wollen, bemerken, daß ich von ihm einigermaßen überrascht worden bin. Ich habe nämlich noch niemand gekannt, der nicht auf See von maßloser Faulheit und intensiver Abneigung gegen alles Schreib- werk befallen worden wäre. Im übrigen halte ich einen kurzen Uebrrblick über die allgemeinen Verhältnisse an Bord, soweit sie Schlüsse auf die Prosperität der Linie und das Interesse sür unser Schutzgebiet gestatten, im Augenblick sür nähcrlicgend, als die Ergründung der Intimitäten des Kommandodecks. Ta ist zunächst festzustellen, daß der Dampfer psropfenvoll ist. Er ist ausverkaust; sür Passagiere wie Fracht ist einfach kein Tüpfelchen Platz mehr vorhanden. Das soll eine Ausnahme sein, wird versichert. Mag sein; und auch wenn keine Ausnahme vorläge, würde angesichts del dreiwöchigen Pausen im Verkehr der Dampfer die Tatsache nicht über- trieben hoch zu bewerten sein. Immerhin wird man in Erinnerung an das Lamento, das man sich so lange Jahre über die Aussichtslosigkeit unserer Kolonien hat anhöccn müssen, an dem Vorkommen solchen Ver kehrs, sei es auch noch so gelegentlich, schon seine Freude haben dürfen. „Oe n'est oomme la prämier pas cnii eoüte", wird man auch hier sagen dürfen. Der Dampfer führt 138 Passagiere erster und zweiter Klasic. Von diesen sind 38 Engländer und Engländerinnen, die teils nach Eng- lisch-Ostafrika, teils nach Turban und anderen englischen Plätzen gehen, Anfang der deutschen Emin-Pascha-Expedition in einem Schreiben an einer deutschen Freund dahin auS: „Leute wie ich werden wohl meistens über ein« gewisse Grenze, auch des Lebens, nicht hlnüberkommrn. Und zwar scheitern sie daran: einerseits sollen sie Eigenschaften entfalten, welche in der Tat über die Normen der gegebenen Schranken hinüberreichen müssen, wenn sie ihre Aufgabe draußen lösen wollen; andererseits sollen ihre Eigenschaften innerhalb der privaten Schranken bleiben. Man verlangt Versöhnung eines konträren Gegensatzes." Man soll seinem Volk einen halben Erdteil erobern; aber, um Gottes willen, keinen Para graphen des deutschen Strafgesetzbuches aus den Augen verlieren. Der andere Punkt hat sür unsere praktische Kolonialpolitik eine viel unmittelbarere Bedeutung. Man schickt einen Kommandanten in ein rebellisch aufgeregtes Gebiet mit dikta- torbchen Vollmachten, zu handeln, wie es ihm im Interesse des Reiches gut erscheint. Er unterdrückt di rch seine Maßnahmen tatsächlich einen sich bildenden Massenaufstand. Tann wollen sich nach Jahren Leute, die von den realen Verhält nissen nicht mehr kennen als der Hund vom Mond, hinsetzen und untersuchen, ob die Umstände seine speziellen Maßnahmen erforderten, und ihn auf Grund ihrer rein theoretischen Erwägungen aburteilen. Er hat den Ausstand im Keime unter drückt und deshalb ist er nicht zu erweisen. Also, schließen di« Herren vom grünen Tisch, yat er gar nicht bestanden, alles blieb ja ruhig. Wenn eS mir gelungen wäre, durch ein Vorgehen wie am Kilimandscharo den sücwestafrika- nischen Aufstand in seinen Anfängen zu ersticken, würde ich beute voraussichtlich ebenfalls unter der Anklage des Mißbrauchs der Amtsgewalt stehen. Alles war ja ruhig: unter meinem Vorgänger war keine Rebellion, und nach meiner Abberufung ist sogar dieser oder jener mit dem Spazierstock durch jene Gebiete gereist. Ich frage nicht, ob eS billig ist — denn eine solche Frage würde bei den meisten meiner Kritiker nur ein kicherndes Behagen Hervorrufen — sondern ob es klug ist für einen großen kolonialen Staat, seine Beamten vor das Dilemma zu setzen, entweder sich und ihre Umgebung von rebellischen Ein geborenen niedermachen zn lassen oder aber sich hernach weacn Mißbrauch- der Amlsgewalt verteidigen zu müssen. Sicherlich kann ein solches System nicht erfolgreich sein." Ueber unsere Töneupolitik schreibt das „Apenrader Tageblatt": ES ist ein Irrtum, wenn man glaubt, das Entgegenkommen gegen die Tänen in allen möglichen Angelegenheiten wirke versöhnend und beruhigend auf sie. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Die Hoffnung auf eine Wieder vereinigung mit Dänemark erhält durch die unbegreifliche Haltung der Regierung immer neue Nahrung, nimmt immer festere Gestalt an . . . Ist man denn gar nicht unterrichtet über den Umschwung in dem Verhalten der dänisch gesinnten Bevölkerung gegenüber den Deutschen, den der neue Kurs hervor gerufen hat? Es ist uns von deutschen Kau'leuten in diesen Tagen mitgcteilt worden, daß der Boykott deutscher Ge chäfte noch nie so rücksichtslos und systematisch durchgeführt ist wie gerade jetzt. Es ist uns von an derer, durchaus zuverlässiger Seite erzählt worden, daß man auf dänischer Seile die „Segnungen des jetzigen Regimes" zwar mit Schmunzeln ersigegennimmt, daß man aber, und zwar namentlich aus dem Laude, für die optimistische Hoff nung der Regierung, ihr« Milde werde versöhnend aus die Gefühle der Daneu wirken, nur Spott und Hohn übrig hat. In Häusern, wo mau noch ab und zu ein deutsches Wort hörte, wird die deutsche Sprache jetzt auf das ängst lichste vermieden, und immer hört man die Tänen offfn de» Deutschen gegen über ausjprechen, daß man unter dem ermutigenden Eindruck der versöhnlichen Haltung der Regierung die Erfüllung des 8 5 (des Prager Fliedens von 1866, (Vereinigung mit Dänemark) wieder in den Vordergrund der Forderungen stellen werde. Die „Sch les. Zig" schließt einen Artikel, den sie überschreibt „Die Lehren von Modrze" mit den Worten: Die planmäßige Kolonisation fortzusetzen und die gewonnenen Erfolge nicht preiszugeben, sondern zu befestigen, ist das in erster Linie stehende nationale Erfordernis. Beide Aufgaben, die Erhaltung der Güter in deutscher Hand und die Fortsetzung der Kolonisation lassen sich am einfachsten und doch durch- schlagendsten erreichen durch Verleihung des EuteignungSrechtes an die An siedelungskommission, wie eS im Herbste von der Regierung gefordert werden dürste. Hierdurch kann man einmal erforderlichenfalls geschehene unliebsame Gutsübergänge rückgängig machen, so Laß die heute beliebte Ausübung eines Druckes auf die Behörde durch Manipulieren mit mehr oder weniger fingierten polnischen Geboten und die damit verbundene Preistreiberei in Wegfall käme, insbesondere aber würde die Ansiedelungskommission in die Lage gesetzt, unab hängig vom Zufall Lcs Angebots die Siedklungen planmäßig nach großen Gcsichtspunlten zu verteilen, ihren bisherigen Besitz abzurunden und unter einander zu verbinden. Nur mit Hilfe des Enteignungsrechtes wird es möglich sein, im Sinne des Gesetzes von 1886 vor allem wieder auch das polnische Großgrundbesitz-Areal der Kolonisation dienstbar zu machen. und 83 Deutsche, die letzteren mit dem Reiseziel Langa, Dar es Salanr oder Kilwa. Ter Rest sind Portugiesen nach Beira, vier französische Missionsschwestern nach Britifch-Ostafrika und ein paar Mohammedaner nach Port Said. Von den 83 Deutschen reisen 47 im Regierungsinteresse, 36 in Privatinteressen. Zn den 47 rechne ich den Staatssekretär und seine offiziellen Reisebegleiter, Oberstleutnant Quade, den Geh. Rc- gierungsrat Baltzer und den Rittmeister Graf Henckel von Donnersmarck, ferner die fünfzehn Offiziere und Militär beamten eines Ablösungstransportes für „Bussard" und „See adler" in Stärke von 154 Mann, der sich an Bord befindet. Unter den 36 Privatpersonen sind drei oder vier Journalisten, drei oder vier — die Qualität des einen steht nämlich noch^nicht ganz fest. Ich führe diese Zeilen an, um zu zeigen, daß neben Offizieren uns Beamten ent gegen der landläufigen Annahme auch eine ganze Menge anderer Leute tu den Kolonien zu tun hgt. Einige Mitglieder unserer Reisegesellschaft werden besonders interessieren. Da sind z. B. zwei Kavallericoffizicrc aus Paderborn und ein Industrieller vom böhmischen Abhang der Schneekoppe, die etliche Wochen auf Großwild, namentlich auf Raubzeug, jagen wollen. Ihre Expeditionen sind von ortsansässigen Agenten sorgfältig vorbereitet. Sn-ci andere jüngere Herren, ehemalige Offiziere, wollen versuchen, auf einem Automobil von Dar es Salam aus Afrika zu durchqueren und so nach Swakovmund zu gelangen. Ihre Pläne klingen nicht sehr vertrauenerweckend, und ich glaube, daß die Buch macher sehr lange Odds auf ihren Erfolg legen könnten in der festen Zuversicht, nicht zahlen zu müssen. Doch verdient es Anerkennung, daß die jungen Herren sich durch die Schwarzseherei, die ihrem Unternehmen gegenüber das Feld beherrscht, nicht irre machen lasten. Haben sie Glück, so sind sie große Leute, die im Interesse der Gesamtheit ein Ergebnis von dauerndem Wert erzielt haben. Mißglückt die Sache, so sind schlimm- stenfalls zwei Pioniere weniger. Und diese Pioniere hinterlassen weder Frau noch Kinder, und einer muß in solchen Dingen schließlich voran gehen. Glück auf also! Da ist ferner ein junges Ehepaar, seit Mai verheiratet, er ein studierter Landwirt aus der Lausitz, sie ebenfalls vom Lande, aus dem Oderbruch. Er der Typus des kolonicilbegeisterten Jnngdentschland; seine Schmisse zeigen, daß er feinen Studien mit Eifer obgelegen bat. Glücklicherweise hat er Geld. Er will eine große Gummi- und Banmwollenplantage in der Region von Kilwa anlcgcn und sich jetzt nach einem geeigneten Terrain umseben. Seine Bele cn- heit im Hinblick auf feine Absicht ist in der Tat gewaltig. Eine junge Dame, Fräulein K., die Pflegetochter eines der ersten protestantsichcu Geistlichen Berlins, fährt hinaus, um unmittelbar nach ihrer Ankunft in Tanga zu heiraten. Ihr Bräutigam, ein ehemaliger Schutztrnnpler, sitzt seit drei Jahren als Farmer am Kilimandscharo und hat Erfolg gehabt. Die beiden haben sich vor vier Jahren in Deutschland kennen gelernt. Brautwerbung und Verlobung sind jetzt per Kabel erledigt worden, und die junge Braut führt ihre ganze Ausstattung, von Möbeln und Beiten bis zum Tropenhelm, mit sich. Zu ihrem Inventar gehört auch ein Myrtenstock im Blumentopf, den ihr sinnige Freundschaft bei der Abreise für den Brautkranz verehrt hat; er prangt vor uns auf
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