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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.06.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080629024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908062902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908062902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1908
- Monat1908-06
- Tag1908-06-29
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Bezug-Preit gli L«iv»tg coe»rr» «»Irr« lräger iuld tzpedilri-«, m» Hoe« zebrachll ilu»a«d« 4 tu»« »»rgrni) «(«ttljährüch 8 M-, monacUch I M.; eru««»d« 0 (morgen« und abend«) viertel» lthrlich 4.S0 M., monatlich l.ot) W. Lurch dtr q>«ft ,» be,t«hru: (2 mal täglich) innerhalb Leutlchland« und der deutiche» kioivnien vieneljahrlich b.L M.. monatlich l,7b M. anslchl. P»ft- beslellgew, ür Oesterreich u L 66 k, Ungarn 8 L vieneljährlich. ferner in vel» aien. Dänemark, den Douanstaatrn, Italien, Luremburg, Niederlande, Norwegen, Ruß land Schweden, Schweiz und Spanten. In allen übrigen Staaten nur direkt durch bk» ilxped. d. BI erhältlich. llldonnement-Rnnadme: Uugustuspiatz 8, bei unteren Trägern, Kiliaien, Spediteure» «ad Annahmestellen lowie Postämtern u»d Briefträgern. Di« etnzeinc Nummer koste! 1V Dsg, Redaktion und Expedition: Iohanniägajfe 8. telendon Nr. I46V2. l«r. I46i«. Nr >460». Abend-Ausgabe 8., KipMtr.TagMM Haudelszeitung. Nmlsbsatl des Mates und des Molizeiaintes der Ltadt Leipzig. Luzeigeu-Pren» für Jttlerat« au» i.eipj>a und Uargebung die «aefpalteue «erujeile S Pl^ finauz.-ll, Anjeige» 80 Pt.. Reklame» l Pt.; —» aulwärt« 80 Pf., Reklame» l.20 Pt.; »omAuIIandSOPf., finanz «n^ige»7SPl.. Reklame» t.5o M. Inserat» ».vehdrdrA c amtlichen DeiläOPl. «eilagegebühr » M. Lautend »xkl. Post, gebühr. Beschälttan,eigen an benorzugtei Stelle im Preile erhöht. Rabati nach Lorn Iesteneilt» Aulträge lönnen nicht zurück» gezogeu werden. Für da» ltrlcheinen an testlmmten Lagen und Plätzen wich kein« Sarantt« übernommen Anzetgen-Annahm«, >ugust»«pl»tz 8, bet lämtlichea Filialen u. allen Aunoncee» rrpeditlooen de« Ja» uud Su«lou»e«. Haupt-Sllial« Vrrlt»i Lari Dunck«r, drrzogl. Baur. H^bnch- Handlung, Lützowstrake w lTelephon VI. Nr. «'M). Haupt-Stlial« Lreüde»: Seestrahe 4.1 (Telephon 4621). Nr. 178. Montag 29. Juni 1908. 102. Zabraang. Das wichtigste. * Der Prozcs; gegr» dcu Fürsten Eulenburg wegen Meineids und Verleitung zum Meineid hat heute vormittag vor dem Schwurgericht in Berlin unter ungeheuerem Menschenandrang vegonnen. Um 12>/z Uhr wurde die Oesfcntlichkcit ausgeschlossen. (S. Ber.) * Heute vormittag wurde in Worms der Deutsche Journa» listen- und Schriftstellertag eröffnet. sS. Ber.) * In M ünchen fand gestern eine Delcgiertenversammlung des bayrischen Landesverbandes des Deutschen Flotten vereins statt, in der die Uebereinstimmung mit den Danziger Be- schlössen ausgesprochen wurde. (S. Dischs. R) * Ter Schah von Persien hat von neuem den Eid auf die Verfassung geleistet, doch mißt die Bevölkerung diesem Schwur keine Bedeutung bei. Der Widerstand gegen den Schah ist im Wachsen begriffen. lS. Ausl.) Der Gulenbrir§-Prozefz. Berlin, 29. Juni. sPrivattelegramm.) Der Andrang zu dem Eulenburg-Prozeß, der Punkt 11 Uhr in Moabit begann, war ungeheuer. Es wurden jedoch nur wenige Leute in den Schwurgerichtssaal gelassen, wo sich unterdessen die Journalisten versammelt hatten. Nur 10 Prozent von den Bewerbungen sind be rücksichtigt worden. Um 10 Uhr war ein Automobil an der Charite voroefahrcn, um den Fürsten Eulenburg abzuholen. In den Couloirs sieht man u. a. Justizrat Bernstein; Adolf Brandt wird als Zeuge in den Saal geführt. Er übergibt dem Vorsitzenden einen Brief. Die Ankunft des Barons Rothschild wird für morgen erwartet. Im Schwurgerichtssaal entsteht große Spannung, als zwei Chauffeure eine Bahre bringen. Aus ihr ruht mit wachsbleichem Gesicht Fürst Eulenburg. Im Saal wird die Bahre vor der Schranke der Anklagebank und den Sitzen der Verteidiger so ausgestellt, daß Fürst Eulenburg dem Publi kum den Rücken wendet. Tie Fürstin Eulenburg steht ihrem Gatten zur Seite. Sie wurde von dem Verteidiger Justiziar Wronker und seinem Sozius .Herrn Chodziesncr begrüßt. Eulenburg selbst plaudert ruhig und gelassen mit seinen Söhnen. Langsam erscheinen auch die als Zeugen Geladenen, unter ihnen Graf Kuno Moltkc, der sich einen starken Vollbart hat stehen lassen, ferner der muntere Rechts- auwalt Justizrat Bernstein, der sich lebhaft mit Tr. Magnus Hirsch- stld unterhält. Kurz vor der Verhandlung verlassen die Fürstin uud die beiden Söhne, die als Zeugen geladen sind, den Saal. Um 11 Uhr betritt der Gerichtshof den Saal. Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Kanzow, eröffnet die Hauptverhandlung gegen den Fürsten zu Eulenburg und Herlefeld wegen Meineides und Ver leitung zum Meineid. Hinter dem Oberstaatsanwalt Jsenbiel hat der Landgerichtspräsidcnt Jabricius Platz genommen. Alsdann folgt die Belehrung der als Geschworene geladenen Herren über die Gründe, die sie als Geschworene ausschlicßen, jedoch bei keinem der Herren zu treffen. Zwei Geschworene bitten, entlassen zu werden. Es sind die Herren Wittenberg und Hofmeister. Sie versichern auf Vorhalten des Vorsitzenden, daß sie wegen Krankheit nicht imstande sind, einer längeren Verhandlung beiwohnen zu können. Ter Oberstaatsanwalt hat nichts gegen die Entlassung der beiden Herren, und der Gerichtshof beschließt demgemäß. Der Vorsitzende bittet dann, daß in die Auslosung der Geschwore nen eingetreten werden möchte. Es sind im ganzen 26 Herren, von denen 16 ausgelost werden. Bezüglich der übrigen zehn steht sowohl der Staatsanwaltschaft wie der Verteidigung und dem Angeklagten das Recht zu, je fünf Geschworene adzuichnen. „Angeklagter Fürst Eulen burg, wollen Sie selbst dieses Recht ausüben oder es Ihrem Verteidiger überlassen?" Fürst Eulenburg: „Ich überlasse es meinem Verteidiger." Jetzt beginnt die Auslosung. Die Staatsanwaltschaft hat keine Ge schworenen abgelehnt. Justizrat Wronke r, Eulenburgs Verteidiger, lehnt fünf Geschworene ab, darunter den Geheimen Kommerzienrat Ravenö und den früheren Direktor der Bodenkreditbank Alexander. Hierauf macht der Vorsitzende die Geschworenen auf ihre Pflichten aus- merksam. Landgerichtsdirektor Kanzow: „Ich bitte alle Anwesenden, sich von den Plätzen zu erheben. Angeklagter Fürst Eulenburg, ich ge- statte Ihnen, allemal bei den Vereidigungen sitzen zu bleiben, da Sie Ihres leidenden Zustandes wegen nicht aufzustehen vermögen." Alsdann findet der Zeugenanfruf statt. Man bemerkt unter den Zeugen den Milchhändler Riedel, den Fischermeister Ernst, den Amtsvorsteher Öleritz, den Hofrat Trechtel aus München und Tr. Magnus Hirschfeld, sowie den Kriminalkommissar v. Treskow. Ferner sind anwesend Professor Weitz aus München, Graf Kuno Moltke, der Bürgermeister von Starnberg, Rottenbach, Geh. Hofrat Schacht, einige Fischer aus Starnberg, ein Wachtmeister, ein Leibjäger, selbst ein Steinklopfer, wirklich ein buntes Gemisch. Graf Schulenburg ist unent schuldigt ausgeblieben, was vom Publikum in nicht gerade für ihn schmeichelhafter Weise kommentiert wird. Zunächst werden dann die Zeugen vereidigt und hierauf bis morgen vormittag 11 Uhr entlassen. Als medizinischer Sachverständiger wohnt Medizinalrat Tr. Hoffmann den Per- Handlungen bei. Dann wird Eulenburg um seine Personalien ersucht. Mit leiser, kaum vernehmbarer Stimme schildert der Fürst seinen Werde gang. In München war er Gcsandtschaftssckretär von 1881—86, daun wurde er Gesandtschaitsrat und ging 1888 als Gesandter nach Olden burg. 1891 kam er wieder .AZ Gesandter nach München, wo er bis 1894 verblieb. Dann kam er als Botschafter nach Wien. Ter Vor sitzende ersucht den.Fürsten, sich über seinen Familienstand zu äußern, und er gibt an, daß er acht Kinder geballt Halle, zwei seien gestorben. Hierauf verliest der Präsident den Eröffuungsbeschluß: „Ich eröffne die Hauptverhandlung gegen den Fürsten zu Eulenburg und Herteseld wegen Meineids und Verleitung zum Meineid." — Dir Worte verfehlen nicht, einen tiefgehenden Eindruck auf alle Anwesenden hcrvorzurufen. Gleich hieran anknüpfend, nimmt dann Oberstaatsanwalt Jsenbiehl das Wort und führt aus, daß er den Ausschluß derOesjcnt- lichkeit in weitestem Umfange beantragen müsse. Er wisse aller dings, daß dieser Antrag in der Presse scharfen Angriffen ausgesetzt sein werde, aber es seien triftige Gründe hierfür vorhanden. Verheimlicht würde nichts werden. Es ist in den kleinsten Winkel hineingeleuchtet worden. Herr Maximilian Harden hätte eiw umfangreiches Material zur Verfügung gestellt, und auch sonst sei nach allen Richtungen hin alles untersucht und zusammengetragen worden. Es würden hierbei Dinge zur Sprache kommen, die die Sittlich keit nach allen Seiten gefährden müßten. Namentlich würde über Dinge gesprochen werden, die teilweise schon in der Öffentlichkeit llc- kannt seien, aber es würden auch Dinge zur Sprache kommen und Vor gänge, über die man in der Öffentlichkeit noch in keiner Weise unter- richtet sei. Dieser Schmutz dürfe aber nicht in das Volk getragen werden und dieses sei lediglich der Grund seines Antrages. Tie Öffentlichkeit sei bei einem Schwurgericht durch die Geschworenen be reits vollkommen gewahrt. Hierauf nimmt Justizrat Wronker, der Verteidiger Eulenburgs, das Wort. Er will dem Oberstaatsanwalt nicht widersprechen. Auch er sei der Ansicht, daß die Öffentlichkeit über die schmutzigen Sachen, die hier erörtert werden müßten, nichts erfahren dürfe, obgleich der Angeklagte entschieden ein Interesse daran habe, daß der Prozeß sich vor der Öffentlichkeit abspiele. Er sei jetzt monatelang in schamloser Wcise verunglimpft worden, ohne daß er oder sein Verteidiger Gelegen heit gehabt hätten, diesen Angriffen zu widersprechen. Es seien die blödsinnigsten, ans den Fingern gesogenen Behauptungen ausgestellt worden, ohne daß der Fürst in der Lage gewesen sei, sich zu recht fertigen. Von diesem Standpunkte aus wäre ihm die öffentliche Ver handlung lieber gewesen. Mer hier hätten nicht die Wünsche der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung zu sprechen, sondern ledig lich das Gesetz, das vorschrcibe, wenn die Sittlichkeit gefährdet cr- scl einen könne, sei die Öffentlichkeit auszuschlicßen. Rechtsanwalt Chf>zicßner spricht sich in ähnlichem Sinne aus, worauf sich der Gerichtshof zurückzieht zur Beratung des Antrages der Staatsanwaltschaft auf Ausschluß der Öffentlichkeit. Um 1214 Uhr verkündet darauf der Vorsitzende den Beschluß des Gerichtshofes auf Ausschluß der gesamten Öffentlichkeit, auch der Presse. (Weiteres siehe Letzte Depeschen.) Verrat militärischer Geheimnisse. ! Leipzig, 29. Juni. Unter der Anklage wegen Verrates militärischer Ge heimnisse stand der Fabrikbeamte Joseph Egensperger vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate des Reichsgerichts. Egensperger ist am 9. März 1884 in Gebweiler geboren, wohnte zuletzt in Kaysersberg und befindet sich jetzt in Unter suchungshaft. Ten Vorsitz in der Verhandlung führte Senatspräsident Dr. Freiherr von Bülow, die Anklage vertrat Rcichsanwalt Dr. Richter, die Verteidigung lag in den Händen des Justizrats Dr. Eickhoff-Leipzig. Als Zeugen waren geladen der Polizeiinspektor Bauer aus Straßburg i. E. und der Notariatsgehilfe Xaver Frey burger aus Kaysersberg. Als Sachverständiger wohnten der Ver handlung bei, Major Grautoff vom Kgl. Preuß. Kriegsministerium, Professor Denervaud aus Leipzig als Sachverständiger für die französische Sprache und als Zeuge und Sachverständiger, Hauptmann a. D. Huber aus Jena. Der Angeklagte, ein Mann von unbedeuten- dem Aeußern, mit blassem, wenig ausdrucksvollem Gesicht, erklärte in der kurzen, persönlichen Vernehmung, daß er Buchhalter, ledig und Reservist sei. Es kam sodann der Erösfnungsbfchluß zur Verlesung. In diesem wird dem Angeklagten Joseph Egensperger, zurzeit in Straßburg in Untersuchungshaft, zur Last gelegt, daß er sich als Deutscher des Verbrechens gegen den tz 12 des Gesetzes vom 3. Juli 1893 betreffend den Verrat militärischer Geheimnisse- Feuilleton. Zivilisation, von jedem möglichen Standpunkte aus be trachtet, ist die Bekämpfung dec animalischen Triebe. Stewart Olkill. O Volksernährrrngsfragen. Von Dr. Paul Schenk (Berlin). „Hungerkost" und „Hungerlöhnc" find zu viel mißbrauchten Schlag wörtern in der modernen Literatur geworden. Zu prüfen, welche Be- rcchtigung derartigen Ausdrücken zukommt, ist vor allem der Physio loge und Hygieniker berufen. Ter Berliner Hygieniker Professor Rubner hat sich in einer im Akademischen Verlage in Leipzig erschiene nen Schrift*) der Aufgabe unterzogen, zwei wichtige Punkte des Problems der Volksernährung, nämlich die Frage des kleinsten Eiweiß- lledarfes und die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Armenkost näher zu beleuchten. Die Frage der Ernährung der breiten Volksmassen, der Minder- bemittelten und des Proletariats ist für den Hygieniker naturgemäß von größerer Wichtigkeit, als die Magenfrage bei den oberen Zehn tausend. Je geringer das Einkommen, um so höher pflegt im all- gemeinen der Prozentsatz zu sein, welcher auf die Kost verwendet wird. Während man bei einem Einkommen von 3000 ^l. 57 Prozent auf die Ernährung berechnet hat, steigt dieser Prozentsatz nach Dr. Bauer bei einem Einkommen von 350 aus 70 Prozent. Die untersten Volks schichten leben direkt von der Hand in den Mund. Mas die Hand er arbeitet, wird in Nahrungsmittel umgesetzt. Ein tiefes Daniederliegen der Volksernährung pflegt häufig dem Ausbruch epidemischer Kata strophen vorherzugehen. Man vergleiche den schlesischen Hungertyphus, besten Studium Virchows wissenschaftliche Bedeutung in gleich Helles Licht setzte, wie seinen politischen Liberalismus. Ein hungriges Volk zerreißt gar leicht alle Bande des Gehorsams. Ein sattes Volk ist be quem zu regieren. lieber den Mindestgehalt der Vvlksnahrung an Eiweiß sind noch vielfach falsche Vorstellungen verbreitet. Es ist ein großer Irrtum, daß ganz allgemein das Streben der Menschen auf eine möglichst eiweißreiche Kost gerichtet ist. Die Ernährung des bodenständigen Bauern ist meist fast ausschileßlich eine vegetabilische mit geringer Beigabe animalischer Substanzen. Bei höherem 8tchrck»rck ok liks, im weziellen bei der städtischen Bevölkerung, wird nicht sowohl die höhere . .».VolkSernährungsfragen." Von Max Rubner. 143 Teilen. 5 Mark Ciwcißwertigkeit der Nahrungsmittel als vielmehr die Geschmacks verbesserung und die Verkleinerung der Nahrungsquantität zum Ziel des Appetits, des Wächters unserer Gesundheit. Voit hat seinerzeit 118 Gramm Eiweiß als Kostmaß für einen mittleren Arbeiter angegeben. Diese Zahl von 118 Gramm Eiweiß täglich ist dann vielfach mißverständlicherweise als das physiologische Minimum von Eiweiß angesehen und bezeichnet worden, das dem Körper unter allen Umständen zugesührt werden muß, wenn er nicht von seinem Organeiweiß oder von seinem Reservefctt zehren soll rcsp. kann. Dieses Voitsche Eiweiß-Kostmaß ist jedoch, wie neuere Versuche zur Evidenz gezeigt Haden, selbst sür den vorausgesetzten kräftigen Arbeiter bei berufsmäßiger kräftiger Arbeit, wenigstens als Mindest- maß zu hoch. Im Mittel sind vielmehr 73 Gramm Eiweiß als täg licher Bedarf anzusetzen, das Minimum auf 54 Gramm, das Maximum aus 83 Gramm zu fixieren. Der Fette verlangt weniger nach Eiweiß, der Magere mehr. Richtiger spricht man übrigens statt von Eiweiß von stickstoffhaltiger Substanz. Tenn für den Körperstoffwechsel ist die Wirkung des organisch gebundenen Stickstoffs besser studiert als gerade die Umsetzungen des Eiweißes. Auch ist nach den Forschungen E. Fischers die innere Struktur der Eiweißstoffe eine ungeheuer ver- chiedene. Die Untersuchungen von Rubner ergaben, daß ein Mann wl Kartoffelkost seinen täglichen Stickstofsbedarf mit 57 Gramm stick- tvffhaltiger Substanz, bei Reis mit 65 Gramm und bei Weißbrot mit 90 Gramm deckt. Wenn es sich darum handelte, rein rechnungsmäßig den täglichen Bedarf an Eiweiß durch ein Mindestquantum von stick stoffhaltiger Substanz zu decken, so verdienten die Kartoffeln den Vor- zug vor Weißbrot und auch vor Fleisch. Gegenüber dem sich breit machenden Fleischkultus müssen diese Ergebnisse der Versuche Rubners u. a. besonders hervorgehoben werden. Man kann auch als Vegetarier, so wird uns von einer so hohen wissenschaftlichen Autorität wie Rubner versichert, sich durchaus wohlfühlen. Das Voitsche Eiweißstoffmaß behält jedoch seinen Wert gewisser maßen als Sicherheitsfaktor. Ueberschreitet die Kost im Eiweißgeyalt das Minimum, so werden gelegentliche Minderungen der Zufuhr die Gesundheit nicht im geringsten beeinflussen und ohne jegliche Be deutung bleiben. Doch wird man selbst bei kräftiger Muskelarbeit nicht über das Voitsche Maß hinauszugehen brauchen. Denn der Eiweißreichtum der Kost hat keineswegs einen so bedeutenden Einfluß auf dos Muskelsystem, wie man vielcrscits annimmt. Leute mit ge sunder Muskulatur brauchen im allgemeinen ihren Muskeln bei körper- sicher Arbeit nicht nennenswert mehr Eiweiß zuzuführen, als wenn sie ihren Muskeln Ruhe gönnen. Unzulässig ist es ferner, aus dem, was Voit als Nahrung für den mittleren Arbeiter pro Tag fordert: 118 Gramm Eiweiß, 56 Gramm sZett, 500 Gramm Kohlehydrate, gewissermaßen den Normalkostsatz für jedes Alter, jeden Beruf, jeden Ort zu machen. Das wäre genau so, wie wenn wir für die ganze Menschheit Schuhe nach einem einzigen Leisten machen wollten. Es fehlen überhaupt noch zuverlässige Daten über die Beziehungen, die zwischen Ernährungszustand und Leistungs fähigkeit bestehen. In vielen Stoffwechseluntersuchungen wurden bis- her sogar die Angaben über Größe, Gewicht, Muskulatur, Fettpolster, Temperament der Versuchsperson vergessen. Und nun gar der Bcgriff der Unterernährung! Wie viele Kon- sumserhcbungen, wie viele Bllanzbcrechnungen kommen nicht zu dem Schlüsse: hier besteht eine Unterernährung. Meist werden diese Er hebungen nur in der Erwartung unternommen, daß sich in dem be treffenden Milieu eine starke Unterernährung nachweisen lassen müsse. Durch Fehler in der Methodik wird aber die ganze Untersuchung hin- fällig. Bilanzen, die wesentlich unter dem physiologischen Bedarf liegen, wird man kaum je nachweisen. Durch statistische Konsums erhebungen läßt sich ein so subtiler Prozeß wie der allmähliche Kräftc- vcrsall einer Bevölkerung überhaupt nicht fassen. Die ungenügende körperliche Beschaffenheit des Konsumenten beruht vielfach auf anderen unhygienischen Lebensbcdingungen als gerade auf unzureichender Er- nährung. Tic vorhandenen Geldmittel würden häufig statt der un- zweckmäßig gewählten Kost eine bessere gestatten. Das Problem der Volksernährung ist, wie wir sehen, keineswegs in allen Punkten so geklärt, wie es einem oberflächlichen Beurteiler wohl erscheinen könnte. Rubners Aufsätze unterwerfen einige der wichtigsten hier in Betracht kommenden Fragen einer ebenso tief grundigen als geistvollen Betrachtung, weisen auf verschiedene Stelle, hin, wo neue Forschungen einzusctzen haben, und lichten auf dem so interessanten Gebiete manches Dunkel. TLünstlerisebes vom Jenaer ttnrversitätraebarr-e. TaS Jenaer Universitätsgebäude, wohl eines der eigenartigsten Dauwerlc der Gegenwart, gebt seiner Vollendung entgegen und ist von jetzt ab iür die Besichtigung gesverrt, da im stilleu die letzte ^and an die künstlerische Ausge- ftaltung und Innendekoration gelegt wird. AuS der Werdestatt der letzten Vollendung dieses Baues, der in der Tat ein vaar Worte der Betrachtung ver dient, können wir folgendes milteilen: Wenn der Streit der Meinungen io leb- baft nur gute Werke umfaßt, so ist dieser Bau in der Tat ein gutes Werk; denn es ist wohl nichts an dem interessanten Ban, das neben größter Bewun derung nicht auch recht ungünstige Urteile erfährt. Ein selbstdenkender, eigene Bahnen wandelnder Künstler wie Prof. Theodor Fischer, der setzt von Stuttgart nach München berufene Professor der Architektur, bat liier Neuheiten der Form und der idealen Konzevtion gegeben, zu Lenen er sein Publikum erst er ziehen muß. Der Schmuck mit künstlerischer Plastik ist hier in engen Zusammen hang mit der Architektur gebracht. Von der Schablone weicht der Baumeister hier überall ab, fetzt z. B. frei gestaltete Kapitale, die sich teils einem roman tischen, teils einem Barockstil nähern, nebeneinander und zeigt, daß sie sich ganz gut vertragen. In die Giebel oder obendrauf läßt er Gestalten meißeln oder lagern, die sich in der Form dem Bauw»rk trefflich anpafsen, über deren ideelle Bedeutung indessen das Publikum sich die Köpfe zerbricht. Der Meister sieht
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