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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.11.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190811087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081108
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- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081108
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- Strukturtyp
- Ausgabe
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- Wahlperiode
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1908
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BezuqS-Prel» ttr Letvzig und Boron« durch unsere Lriger und kvcdi enrr in« Han« gedrachl: üv monatl., 2.7V oi-rleljövrl. Bei unser» I lialen u. A nodnieNrUe» abnebolr: 7L 4« moiiall., 2.2S ,L oicriciiöhll. Durch die Post: innerdald Leuiichland« und der deutschen Kolonien vleneljLüN. 3.M ^!, monatl 1.20 auricht. PostdesteliqrlL Ierner in Bilg rn, Tänemart, den Donauslaaten, Ital en, Ln^cniburq. Niederlande, Nor- wenen, Oestcrrech-Ungarn, Rnkland, Schweden, Schwei, u. Soanien. In allen übrigen Staaten uu. direkt diirch di« BelchLN« c!Ic de« BlnUe^ crböllich. Da« Leipziger Dagedlati erscheint an den Wochentagen nachnnuag« und Sonn, und Feiertag« morgen«. dlbonneniem-Annatnne i Bugustir-platz 8. bei unseren LrLgcrn, F.Iialen, s;>.dilear«n und AnnagmeltcUeii. sonne Pella gern nnc Bnesträgern. Die einzelne Nummer koste! 1V «Redaktion und Geschäftsstelle: Iostannirgaije 8. Fernsprecher: I46S2, I46M. 14694 Nr. 3ssS KWigerTagtblaN Handelszeitung Ämlsvlatl -es Naics und -es Nolizeiamles -er Lta-t Leipzig. Anzeige«-Preis iür Inserate »ul Leipzig und Umgebuxg di, «gespaltene Betitzeil« 2S stnonzielle Anzeigen WH, Reklamen I »sn auswärts llv H, Reklamen l.llli vom Aulland SOH, finanz. Anzeigen 75H, Reklamen I.SV ^gs. Inserate». Bebtrden im amtlichen Teil«6 H. Beilagegebübr b p. Tausend exkl. Post gebühr. Gtlchästeanzeigen an bevorzugte: Stelle im Preise erboht. Rabatt nach Lain Fefterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an beltiinmten Lagen und Plötzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen.Annahme: Augustuüps«tz 8, bei sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Aullandel. Paupl.Filiale verltu: <k«rl Dunster, herzogl. Bane. Hosduch- handlnng, Lützowstratze 10. (Telephon VI, Nr. 4M3). shaupt-Filiale Dresden: Eeestratzr 4,1 (Telephon 46ül). Sonntag 8. November 1908. 1V2. JahMNg. Dns wichtigste. * Ter deutsche Kronprinz hat vom Luftschiff des Grafen Zeppelin aus! den Kaffer bei dessen Ankunft in Donaueschingen begrüßt. Um 5 Uhr 50 Min. ist bas Zeppelinsche Luftschiff nach O^stündiger glän zender Fahrt in Manzell glatt gelandet. lS. d. bes. Art. u. Letzte Dcp.) * Der Reichstag begann am Sonnabend die 1. Lesung des Weingesetzes. -> Tie Demission des Kabinetts Beck ist von Kaiser Franz Josef angenommen worden: mit der Neubildung wurde Baron Bienerth betraut. (S. d. bes. Art.) * Die überwiegende Mehrheit der französischen Presse spricht die Hoffnung aus, daß eine Lösung der Angelegenheit von Casablanca ungebahnt lei. Mehrere Blätter geben zu, daß ihre Auffassung, die deutsche Negierung habe erst infolge des „Daily Telegrrph"-Zwischenfallcs schärfere Forderungen erhoben, irrtüm lich war. * In Serbien werden die Kriegsrüstungen fortgesetzt. * Ter Dampfer „Taish" ist gestern während eines Sturmes auf der Höhe der Insel Iturup untcrgegangen. 150 Personen sind er- trunken. Zsitaeincisie Zitate. Nicht das erstemal, seitdem der gefürstete Reichskanzler für die Politik des Reiches verantwortlich zeichnet, erleben wir in Neu-Deutsch- land politische Herbstslürme, aber niemals noch brausten sie so mächtig, so gewaltig durchs Land. Bor zwei Jahren war'S das letztemal, da die besten Deutschen in heißem Grimm über die Unzulänglichkeit der Mit- arbeiter des Kanzlers laut ansbegehrten, da der Reichstag einen 01e- richtstag abhiclt, um unfähige Tiplomatcn, deren Kräfte in keinem Verhältnis zu den ihnen aufgebürdetcn Lasten standen, von ihren un rühmlich behaupteten Plätzen zu entfernen, da allerorten vernehmliche Klagen über persönliches Regiment, über Unstetigkeit in unserer aus wärtigen Politik, über Nichtachtung aller Bolksregungen ertönten. In Saarbrücken und Magdeburg sand im Oktober 1906 der Abgeordnete Bassermann herbe Worte der Kritil für die allzu persönliche Stimmungspolitik unseres Zeitalters, und in Wiesbaden sprach er vor den dortigen Iunglibcralcn die Sätze: „In den Kreisen, die uns zu leiten berufen sind, möge man nicht vergessen, daß die diplo matischen Posten nicht nach dem Gefühl der obersten leitenden Stelle eines Staates in solchen schweren Zeiten besetzt werden. Es ist die Lehre aus den ernsten Tagen von Jena und Auerstädt vor 100 Fahren, daß das Mißtrauen in die äußere Politik Preußens damals unendlich ge schadet hat, in die Kabinettspolitik des Königs, der an Stelle selbstän diger Arbeiter Handlanger gesetzt hat. Dieses Mahnzeichen soll nach oben sprechen in diesen schweren Zeiten!" Am 14. November 1906 trug Bassermann die Wünsche und Be schwerden, die er in drei großen Parteivcrsammlungen ausgesprochen hatte, auch im Reichstage vor. In der Begründung der damals von den Nationalliberalen eingebrachtcn Interpellation lcftn wir folgende Sätze: „Durch unser Vaterland geht ein Gefühl starker Unzufriedenheit, reichlicher Verstimmung. In seltener Einmütigkeit ertönen Klagen über die Leitung der Geschicke des Deutschen Reiches: die offizielle und tatsächliche Leitung. Seit die Denkwürdigkeiten Hohenlohes einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht haben, ist der Unmut des Volkes noch gewachsen. Wie konnte Hohenlohe als verbrauchter Mann Kanzler werden? Welche Grundsätze waren für die Besetzung dieser Stelle maßgebend? Deutschlands Einfluß wird immer geringer. Uns droht die Gefahr antideutscher Koalitionen und der dadurch bedingten Isolierung. Ter Ernst der Lage, die sich seit den Tagen von Algeciras noch verschlechtert hat, zwingt uns, zu reden. Seit Bismarcks Rücktritt haben wir eine Periode der Reisen, Reden, Telegramme, Liebens würdigkeiten, dann wioder rauher, verstimmender Aeußerungen, eine Periode der Unstetigkeit, die nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland unangenehm und bitter empfunden wird. Der Drei bund hat für Deutschland kaum noch praktischen Nutzen. Wenn Italien im Fall eines deutschen Krieges gegen Frankreich und England seine Bundespflicht nicht erfüllt, ist das deutsch-italienische Bündnis für uns wertlos Frankreich hat sich mit England, Oesterreich sich mit Ruß land verständigt: jetzt wird die Entente zwischen England und Ruß- land vorbereitet. Tieft Entwickelung läßt uns fürchten, daß mächtige Koalitionen gegen daS Deutsche Reich entstehen und wir isoliert werden. Schwankende Stimmungen und plötzliche Impulse haben im Ausland ein Mißtrauen erzeugt, das weder durch Liebenswürdigkeiten, noch durch Statuen, Ehren säbel und Aehnliches beseitigt werden kann." WeShalb wir uns in diesen Erinnerungen ergehen? hlcstrüni««) nivat. Aus einem Rückblick läßt sich nützliche Lehre für die Zu kunft ziehen. Wir stehen im November 1908 wieder auf demselben Fleck wie im gleichen Monat vor zwei Jahren. Dieser Rückfall in die gleiche Situation zeugt heißeres Verlangen nach gründlicher Besse- rung. Eindringlichere und ernstere Worte wird der Wortführer der Nationalliberalen im Jahre 1908 wählen müssen, damit ein gleich furchtbarer November 1910 uns sicher erspart bleibt. „Eine pein lichere. schlimmere und schiefere Stellung ist kaum zu denken als die eines Monarchen, der im politischen Leben einer konstitutionellen Monarchie tätig Partei ergreift. Die Sicherheit und Würde eines solchen Monarchen fordert, daß er den in der Arena auSzufechtenden Kämpfen fernbleibe." Es ist höchste Zeit, daß diese Wort«, die aus dem Munde eines englischen Historikers stammen und darum vielleicht doppeltes Gewicht haben dürften, endlich die Beachtung finden, die sie verdienen. „E» ist vorbei mit dem geruhigen Hoffen und mit dem Ergeben m den höheren Willen. Die kommen den Jahre müssen und werden im Zeichen eines schweren Kampfes stehen: um d i e K o n st i t u t i o n. Und es ist schlimm und gewiß nicht den Aufgaben dcS Reiches förderlich, daß dieftr Kampf, der bis an die äußerste Grenze der Zulässigkeit vertagt worden ist, gegen die Spitze des Reiches, gegen die Krone geführt werden muß." So schrieben wir an dieser Stelle vor zwei Jahren: ans ihr leiten wir die unumstößliche Berechtigung zu unserer gegenwärtigen Haltung in der gleichen Angelegenheit ab; und von den anderen Zitaten hoffen wir, daß sie manchem den Sinn für das unbe- dingt Notwendige schärfen, den Willen zu entschlossenem Handeln stählen, den Blick für die unerläßliche Forderung des Tages aufhellen werden. Der ALarsei«, -ev Atronprinz und Graf Zeppelin. Ein eigenartiges Zusammentreffen des Kaisers mit seinem ä l t e st c n Sohne hat am Sonnabend in den Mittagsstunden bei D o n a u c s ch i n g e n stattgefunden. Aus dem lenkbarenLust- schiff des Grasen Zeppelin herab hat der Kronprinz seinem aus Wien kommenden Vater Grüße entboten. Bereits in den zeitigen Vormittagsstunden war der Aufstieg des Kronprinzen mit dem Grasen Zeppelin von Friedrichshafen ans erfolgt. Nach verschiedenen Kreuznngs- manövcrn über Land, die alle tadellos gelangen, näherte sich das Luft schiff um 1 Uhr 50 Minuten der Stadt Donaueschingen. Ucber der Stadt kreisend erwartete cs, wie wir bereits durch besonderen Aushang am gestrigen Nachmittage bekannt gaben, den Sondcrzug des Kaisers. Mit dem Glockcnschlag 2 Uhr erfolgte dessen Ankunft. Das Luftschiff manövcrierte in diesem Augenblick seitwärts vom Bahnhof in einer Höhe von 150—200 Meter. Als der Kaiser ausstieg und vom Fürst von Fürstenberg begrüßt wurde, näherte sich das Luftschiff dem Bahnhof. Aus den Gondeln wurden Grüße durch Tuchschwenken hcrabgcsandt, die der Kaiser erwiderte. Um 2 Uhr 5 Minuten bestieg der Kaiser mit dem Fürsten von Fürstenbcrg den Wagen und fuhr nach dem Schloß. Nachdem der K a i s e r mit dem Fürsten von Fürstenbcrg im Schlosse angckommcn war, nahm er auf der Terrasse Ausstellung. Ter Kronprinz warf aus der vorderen Gondel des Luftschiffes einen Brief zu dem Kaiser hinab. Mit sichtlichem Interesse verfolgte der Kaiser die Manöver deS Luftschiffes, bis es wieder südöstlich in der Richtung nach dem Bodensee davonsuhr. * . * Zum Empfang des Kaisers ist die Stadt Donaueschingen reicht be- flaggt. Das Wetter ist kalt, aber sehr schön. Das Gefolge des Kaisers für seinen Aufenthalt in Donaueschingen besteht aus dem Hofmarschall Grafen Zedlitz, dem Gcneraladjutanten Generaloberst v. Plessen, dem Flügeladjutanten Oberst v. Marschall und Major Frhr. v. Senden, Leib arzt Tr. Niedner, Generaladjutant Grafen Hülscn-Häseler und Gesand ten Frhr. v. Jenisch. Die Demission des österreichischen Gesnnrtininisterinins. Wien, 7. November. sTclegramm.s Dem „Fremdenblatt" zu- folge beschloß der heutige Mini st errat die Demission des gesamten Kabinetts. Ministerpräsident Frhr. von Beck wird im Laufe des Nachmittags den Kaiser von dem Beschlüsse des MinistcrratS in Kenntnis setzen. Die Neubildung des Kabinetts hat Frhr. vonBienerth übernommen. Wie wir schon bemerkten, war eine Verschärfung der inneren Krisis, der Herr von Beck gestern zum Opfer fiel, auf die im Zusammenhang mit den böhmischen Skandalen erfolgten Nücktrittsgesuchc der tschechischen Minister Praschcck und Fiedler zurückznsühren. Tas Ministerium Beck krankte von vornherein an seiner wankelmütigen Koalitionspolitik, die den erbitterten Deutschen immer wieder die Tschechen vorzog, bis gleich nach den Slowenenkrawallcn in Laibach der große Krach im böhmischen Landtag eintrat und bas Parlament infolge der scharfen Obstruktion der deutschen Deputierten auf unbestimmte Zeit vertagt werden mußte. Jeg liches Zusammenarbeiten im alten Ministerium, in dem Deutsche, Polen und Tschechen, wie neutrale Minister, saßen, war fürderhin ausge schlossen, nach diesem Zusammenbruch der famosen „Politik der mittleren Linien". Auch Herr von Beck, der vor zwei Jahren unter besten Auspizien sein Amt antrat, hat die nationalen Gegensätze in Oesterreich nicht überbrücken können. Er, wie sein Ministerium, mußte gehen, nach dem in diesen Tagen die Verhandlungen mit den Parteien über die Re- konstruktion des Kabinetts endgültig scheiterten. Damit konnte das Ministerium der Krone keine Garantien mehr bieten. Es fiel, da auch die Liga der Christlichsozialen und Feudalen aus Dank für fortwährende Begünstigungen Herrn von Beck treulos verließ. Der scheidende Ministerpräsident zieht sich nicht ohne Verdienste zu rück. Er war es, dem die große Wahlresorm gelang, die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts in Oesterreich, der den Ausgleich mit Ungarn für ein weiteres Dezennium sicherte und die Wirtschaft mit bloßen Provisorien beseitigte. Auch das Neichsparlament brachte Herr von Beck wieder zu regelmäßiger Funktion, wie er ebenso wieder Ord nung in die Finanzen brachte. Baron Beck ist 54 Jahre alt. Am 2. Juni 1906 wurde er zum Ministerpräsidenten ernannt. Ucber den mit der Neubildung des — wahrscheinlich nur proviso rischen — Kabinetts betrauten Frciherrn von Bienerth, dem bisherigen Minister des Innern, gibt die „Bohemia" folgende Personalnotizen: Der Enkel Anton Schmerlings, Freiherr von Bienerth, war der Präsi- dialist dcS Freiherrn von Gautsch, als dieser Unterrichtsminister war, wurde Vizepräsident des nicdcrösterreichischcn Landesschulrates und kam in dieser Stellung mit den Christlichsozialen in nahe Berührung. Aus dieser Zeit rührt das freundliche Verhältnis der christlichsozialen Partei zum Freiherrn von Bienerth. Als Bienerth Leiter des Unter richtsministeriums unter der zweiten Ministerpräsidentschast Gautsch war, wurde dieses Verhältnis zeitweilig getrübt. Aber als Minister des Innern war Freiherr von Bienerth den Christlichsozialen, um das mindeste zu sagen, nirgends im Wege, und wenn er bei der Luegerpartei als wohl akkreditiert gilt, wird er sich wohl jetzt am eifrigsten dagegen verwahren, als ein Klerikaler im landläufigen Sinne dieses Wortes be zeichnet zu werden. Er wird nicht mehr als ein Beamter sein wollen, der für die Autorität deS Staates eintritt, der Gerechtigkeit in der Verwaltung verspricht, die nationalen Gegensätze mildern möchte usw., genau dasselbe, was Freiherr von Gautsch und Freiherr von Beck in ihrem Programm haben, derselbe Faden, nur eine andere Nummer. Aber Freiherr von Bienerth tritt belastet mit dem christlichsozialen Vertrauen inS Amt, und nichts ist dringender für iHv, als eine mittlere k Linie zwischen sich und den Christlichsozialen zu ziehen. Die Iilser*atensteuev. Vom Verein deutscher Zeitungsverleger wird uns geschrieben: Mit anerkennenswerter Vorurteilslosigkeit hat sich die deutsche Presse allgemein einer Kritik einer Anzeigensteuer vor dem Bekannt werden des Bundesratsentwurfs enthalten und wenn auch nicht ohne Spannung, doch in Geduld abgewartet, wie die Neichsregierung ihr Versprechen einlösen würde, die Anzeigensteuer in einer Form einzu bringen, in der sie nicht den Charakter einer Sondergcwerbcsteuer er l-alten und in der sie nicht den Zeitungsvcrleger, sondern den Inse renten treffen, und in der sie keinerlei Eingriff in den geschäftlichen Be trieb des ZeitungSvcrlagsgeschäftcs darstcllen sollte. Durch die nun erfolgte Veröffentlichung des Entwurfs findet die Spannung der Zeitungsherausgebcr und Verleger ihre Lösung, und zwar eine so verblüffende Lötung, daß die kühnsten Erwartungen ain die negative Leistung der Neichsstcuerkünstler in dieser Beziehung weit übertroffen werden. Zwar wird es in der Vorlage und in ihrer Begründung rück- balilos ausgesprochen, daß es sich nicht um eine Soudcrgewerbesteuer h ndelt. Nicht das Preßgewerbe, sondern die Anzeigen, deren Ansamm lung in den Zeitungen nach Ansicht der Regierung eine höchst zufällige Erscheinung ist, sollen besteuert werden. Tenn, so heißt es in der Be gründung: „Das Annoncen- und Reklameweftn hat überhaupt mit dem, was unter dem Namen „Presse" verstanden wird, ursächlich nichts zu tun, sondern ist eine durchaus selbständige Erscheinung, die nur von aeschäftsmännischer Seite aus mit der politischen und Fachpresse ver- Kunden wird." Daß die deutsche Tagespreise gerade die historische Entwicke lung genommen hat, daß heute der Etat der Blätter nun einmal mit dem Ertrag des Anzeigenteils steht und fällt, ist dem Verfasser des Entwurfs gleichgültig, außerdem hält er es für ausgeschlossen, daß bei einer Steuer ein Rückgang der Einnahmen aus dem Anzeigenteil ein treten und eine Einschränkung des Nachrichtenteils nach Umfang und Güte bringen wird. Warum — dafür ble'bt er die Antwort freilich schuldig. Ebenso überzeugend wird in der Fassung und Begründung der Steuer der Nachweis versucht, daß die Steuer nicht den Verleger, sondern den Jnftrenten treffe und zu Schikanen des Zeitungsbeiriebcs nicht führe. Zugunsten dieser Konstruktion bat der Steuercntwurf eine Fassung erhalten, die kaum anders als grotesk bezeichnet werden kann. Damit nicht der Vorwurf der Soudcrgewerbesteuer erhoben werden könnte, sucht und findet der Entwurf die Lösung des Problems in dem genialen Vorschläge, den Verleger selbst zum Steuererheber zu bestellen, und zwar dem Worte nach zum Steuererheber gegenüber dem Inserenten, während er tatsächlich sein eigener Steuererheber wird, mit der ange nehmen Aussicht, unter Umständen sein eigener Exekutor zu werden. Der Verfasser des Entwurfs ist, wie aus der Begründung bervorgeht, sich dessen bewußt, daß dieftr Vorschlag etwas eigentümlich sei, es beißt in der Begründung zum 8 11—12: „Die Gewährung einer Vergütung an den Verleger findet in anderen Steuergesetzen keinen Vorgang. Sie ist vorgeschlagcn, um von vornherein dem Einwurfe der Presse zu begegnen, sie werde durch die Steuer irotz der Bezeichnung des Anzeigenden als Lteuer'chuldiqen in ihren Einnahmen geschädigt werden. Eine solche Schädigung könnte insbesondere dadurch cintreten, daß die Verleger bei Einziehung der Steuer Ausfälle erleiden, oder daß ihnen besondere Ausgaben für die Lieferung der Belegstücke u. a. erwachsen. Ter Satz von 10 v. H. der erhobenen Steuer — so groß ist nämlich die Entlohnung des Verlegers für seine Steuertätigkeit als Steuererheber — wird aber für alle diele Auslagen eine ausreichende Entschädigung bieten. Tie Vergütung ist zu berechnen nach dem Betrage der von dem Verleger an die Steuer- bchörde abgelieftrten Steuer, ohne Rücksicht darauf, ob der Verleger seinerseits die Steuer von dem Steuerpflichtigen erhalten hat oder nicht." Also der Verleger-Steuererheber muß auf jeden Fall zahlen, ob seine Inserenten bezahlen oder nicht, und doch soll der Verleger wieder bei Einziehung der Steuer keine Ausfälle erleiden. Wie das möglich ist, entzieht sich wohl dem Begriffsvermögen des einfachen Untertanen verstandes. Dem Verleger kann es ein schwacher Trost sein, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes 8 11 „Schuldner der Anzeigensteuer der jenige ist, welcher die Einrückung oder die Verbreitung der Anzeige ver. anlaßt (der Anzeigendes", wenn er nach 8 12 wieder „für die fälligen Steuerbeträgc als Sclbstschuldncr ohne Rücksicht darauf haftet, ob sie eingcgangcn sind oder nicht." Denn in dem Gefttz findet sich kein Para graph, der dem Verleger das Recht gibt, säumige Jnseratenschuldner zu exekutieren. Wann die zu versteuernden Jnseratenbeträgc eingehcn — vorausgesetzt, daß sie überhaupt eingehen —, darüber macht sich der Gesetzgeber der Anzeigensteuer auch kein Kopfzerbrechen. Die Haupt sache ist nur, daß eine Steuer fällig wird, und deshalb bestimmt der crfte Absatz des 8 12: „Tic Steuer für Einrückung und Sonder beilagen ist mit der Annahme der Einrückung zur Ausnahme oder mit der Annahme der Sonderbeilaqen zur Verbreitung fällig." Wenn der Auftrag nun für Wochen, für Monate, ein Jahr oder länger lautet und vorher nicht bar bezahlt wird, so muß der Verleger nicht nur zum Risiko noch den Zinsverlust tragen, sondern er sieht sich auch vor der technischen Frage, seine Jnseratenbuchchaltung io einzurichlen, daß eine nachträgliche Aenderung des Auftrages, eine Kürzung, eine Sistierung nicht der Anlaß wird zur Zahlung von Steuer, für die niemals steuer pflichtige Beträge in seine Kasse kommen. Wie eine Jnseratenbuch- sührung cinzurichtcn ist, um solche Ausfälle zu vermeiden verrät der Entwurf nicht, und er bleibt auch die Antwort dafür schuldig, wie die Jnieratverbuchungen betrieben werden sollen, ohne daß das Äufsichts- recht der Steuerbehörde ein Eindringen in die geschäftlichen Interna des Zeitungsbetricbes zur Folge hat. Tie Begründung glaubt zwar den Nachweis geführt zu haben, daß die Kontrolle der Steuerbehörde nicht „kostspielig" sein und nicht „zu einem für die Presse unerträg- liehen Eindringen des Steucrbeamten in den Geschäftsbetrieb des Ver lages" führen werde. Es heißt dort: „Die Kontrolle des Steuer- einganaes ist einfach. Sie beruht wesentlich darauf, daß kein Verleger wagen kann, eine niedrigere Einrückungsgebühr in seinem Blatte an- zugeben, als die tatsächlich zur Erhebung gelangende, oder unrichtige Angaben über die Höhe der an ihn gezahlten Emrückunosgebührcn zu machen. Irgend erhebliche Hinterziehungen würden durch die Nach- Prüfung der Belegstücke und der vom Verleger über seine Einnahmen an Einrückungsgcoühren geführten Bücher entdeckt werden müssen." Damit ist also doch ausgesprochen, daß die Nachprüfung bis zu den Be legstücken — d. h. doch wohl, den Anzeigenmanuikripten und Jnscrat- auftragsscheinen, selbst Vordringen soll, und daß alle Bücher, die sich auf den Anzeigenteil beziehen, aufgeschlagen werden müssen. Wenn das kein unerträgliches Eindringen der Sreuerbeamten in den Geschäfts betrieb bedeutet, dann möchten wir wissen, was als solck-es noch an» gesehen werden kann. Da erscheint es doch gleich konsequenter, vom Zeitungsoerleger zu verlangen, daß er alle Posten seiner Expedition und Administration gleich mit Steuerbeamten besetzt, oder daß doch ein ständiger Kontrolleur in jeder Zeitunqsgeschäftsstelle aufzunchmcn ist. Wenn an einem Punkte der Vorlage, ist an die'em die wirklich überrsachende geschäftliche Unwissenheit dcS Verfassers des Entwurfs festzustellen, der den bnreaukratiichcn Betrieb im ZeitungSverlagS» geschält schon als eine oanz selbstverständliche Voraussetzung annimmt und in der Annahme, Verbuchung und Verrechnung von Anzeigen un gefähr eine Art archivalischer Beschäftigung siebt, deren Tempo sich nach den Bedürfnissen einer Kontrolle und einer Oberkontroll« regelt.
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